RG, 10.03.1884 - IV 502/83

Daten
Fall: 
Nächsten mündlichen Verhandlung
Fundstellen: 
RGZ 12, 436
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.03.1884
Aktenzeichen: 
IV 502/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Was versteht der §. 267 C.P.O. unter der nächsten mündlichen Verhandlung?
Bezieht sich diese Vorschrift auch auf das Verfahren in Ehesachen?
Ist §. 267 Abs. 1 C.P.O. anwendbar auf die Verletzung der im §. 148 C.P.O. enthaltenen Bestimmung?

Tatbestand

Die Revision gegen das vorstehende Fragen berührende Berufungsurteil wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Dem Beklagten ist darin beizutreten, daß der Berufungsrichter seine Entscheidung auf die, in den Verhandlungen vom 22. Januar und 6. März 1883 enthaltenen Zeugenaussagen gestützt hat, und daß nur in der letzteren bei der Vernehmung der Zeugen Sch. und M., in der ersteren dagegen nur bei den Aussagen der Zeugen N. und unverehelichten O., nicht aber auch, wie der Berufungsrichter anzunehmen scheint, der übrigen Zeugen, der verehelichten St., unverehelichten T. und unverehelichten V., die Worte "laut diktiert und genehmigt" vermerkt sind. Wären aber auch damit nach der Ansicht des Beklagten die Vorschriften der Civilprozeßordnung §§. 146. 148 insofern als verletzt anzusehen, als danach die Zeugenaussagen den Beteiligten vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und demnächst genehmigt werden sollen und dies in dem Protokolle zu vermerken ist, und als trotz Vernachlässigung dieser Bestimmung der Berufungsrichter die Zeugenaussagen berücksichtigt hat, so hat derselbe doch mit Recht nach der Civilprozeßordnung §§. 267. 492 den Verstoß für geheilt erachtet. Denn nach den erwähnten Vorschriften soll die Verletzung einer, das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Bestimmung nicht mehr gerügt werden können, wenn die Partei bei der nächsten mündlichen Verhandlung, welche auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder auf dasselbe bezugnimmt, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen ist und den Mangel kannte oder kennen mußte, in diesem Falle auch nicht mehr für die Berufungsinstanz in betracht kommen dürfen. Demgemäß hat der Berufungsrichter festgestellt, daß die mündliche Verhandlung auf Grund des Beweisverfahrens, namentlich der Zeugenvernehmung in den Verhandlungen vom 22. Januar und 6. März 1883, erfolgt und Beklagter in derselben erschienen ist, ohne den Mangel zu rügen, welcher ihm bekannt gewesen, sei oder doch bekannt hätte sein müssen. Daß aber, wie der Beklagte meint, der Berufungsrichter jedenfalls für die Zeugenvernehmung vom 6. März 1883 die Rüge der Verletzung noch habe zulassen müssen, weil in erster Instanz eine weitere mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe, widerlegt sich durch jene Feststellung und durch das Sitzungsprotokoll vom 6. März insofern, als die mündliche Verhandlung der Parteien in Gemäßheit der Civilprozeßordnung §. 258 sich an die mit der Vernehmung der Zeugen Sch. und M. beendigte Beweisaufnahme anschloß, derselben also erst nachfolgte und somit bereits in dieser den Parteien die Gelegenheit zur Rüge gegeben war. Auch erhellt aus der Civilprozeßordnung §. 267 nicht, daß die für die Anbringung der Rüge bestimmte nächste mündliche Verhandlung unbedingt zeitlich durch einen besonderen Termin von dem anzufechtenden Verfahren getrennt sein müsse. Daß aber der hier in Rede stehende Mangel überhaupt nicht durch den Hinweis auf die Civilprozeßordnung §§. 267. 492 für geheilt erachtet werden könne, ist mit dem Beklagten nicht anzuerkennen. Insbesondere ist die Anwendbarkeit der Vorschrift der Civilprozeßordnung §. 267 nach ihrer allgemeinen und unbeschränkten Fassung auch auf Beweiserhebungen, sowie auf das Verfahren in Ehesachen unbedenklich. Auch ist sie keineswegs für die Rüge einer Verletzung der in der Civilprozeßordnung §. 148 enthaltenen Bestimmung deshalb ausgeschlossen, weil auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten könnte. Denn die Bestimmung, wonach die Verlesung und Genehmigung der Zeugenaussagen erfolgen und im Protokolle vermerkt werden soll, ist nicht im Sinne der in der Civilprozeßordnung §§. 54. 247. 513 erwähnten, eine für den gerichtlichen Prozeß wesentliche, betrifft vielmehr nur die Form einer Prozeßhandlung und kann als eine dem Verzichte der Parteien entzogene um so weniger angesehen werden, als die Feststellung der Zeugenaussagen im Falle der Civilprozeßordnung §. 147 überhaupt nicht einmal erforderlich ist. Überdies ist im vorliegenden Falle die Richtigkeit der Feststellung der Zeugenaussagen von Klägerin nicht bestritten und von ihr nicht die wirkliche Unterlassung der Verlesung und Genehmigung selbst, sondern nur der Mangel oder die Unzulänglichkeit der Beurkundung der Verlesung und Genehmigung nach Maßgabe der Civilprozeßordnung §. 148 geltend gemacht."