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„Erfolgreicher Anwalt“

Es gibt eine Phrase, die Juristen zwar selten verwenden, wenn sie über einen Rechtsanwalt sprechen, wohl aber Laien: Die des „erfolgreichen Anwalts“. Warum eigentlich?

Das Attribut der Selektion

„Der erfolgreiche Rechtsanwalt ...“, liest oder hört man oft. Oft mag dies auch nur eine gehaltlose Phrase sein, um eine Person zu promoten. Doch im Kern bringt diese Phrase zum Ausdruck, dass eine Selektion durch ein Attribut nötig ist, weil es ein großes Gefälle zwischen Rechtsanwälten hinsichtlich der Eigenschaften, Kenntnisse und des Erfolges gibt.

Ist ein Anwalt ohne die Beiordnung des Erfolges deshalb im Umkehrschluss erfolglos? Nein, sicher nicht. Partner von großen und mittelständischen Kanzleien brauchen kein Attribut, das ausdrücklich aufzeigt, dass sie erfolgreich sind. Sie sind es in der Regel. Ähnlich verhält es sich mit Associates. Denn in diesen Größenordnungen gilt up or out, grow or gow. Der Ausdruck des erfolgreichen Anwalts dient vielmehr im Markt der Einzelanwälte und Kleinkanzleien.

Die Gründe der Phrase

Es gibt zwei Gründe, die die Existenz dieser Phrase berechtigen. Zum einen gibt es zu viele schlechte Rechtsanwälte. Zwischen der Arbeitsweise und dem Wissen – denn der Anwaltsberuf ist ein Know-how-Beruf – eines „guten“ und „schlechten“ Rechtsanwalts liegen Welten. Während ein guter Rechtsanwalt penibel die Sach- und Rechtslage prüft und danach sein Handeln und die Beratung des Mandanten ausrichtet und in langfristigen Zyklen denkt, prüft der schlechte Anwalt gar nichts, sondern sieht sich etwas an, glaubt etwas zu wissen und rät dem Mandanten das, was kurzfristig wieder etwas Geld in die Kasse spült.

Zum anderen gibt es zu viele Anwälte. Derzeit gibt es laut Bundesrechtsanwaltskammer etwa 162.695 Rechtsanwälte; im Jahre 2000 waren 104.067; im Jahre 1990 waren es 56.638. Knapp 163.000 auf 80 Mio. Einwohner sind gleich? Genau, zu viele. Nach der Rechnung käme ein Rechtsanwalt auf jeden 491. Bürger. Eine Milchmädchenrechnung, denn wie viele der 10 Mio. Kinder bis 14 Jahren brauchen schon einen Rechtsanwalt, wie viele der Restlichen wollen überhaupt einen, wenn sie am Ende womöglich wegen der schlechten Beratung nur noch mehr verlieren?

Der Kreislauf der Erfolglosigkeit

Im überfüllten, hart umkämpften Markt der Rechtsberatung ist es deshalb schwer erfolgreich zu sein – vor allem am Ende der Nahrungskette. Schlimmer, weil es Mandanten betrifft, ist jedoch, dass die beiden Gründe dieser Phrase in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen: Je großer die Anzahl der Rechtsanwälte auf dem Markt, desto eher ist die Beratung auf das kurzfristige Erzielen von Umsatz durch eigensinnige, schlechte oder schlicht falsche Ratschläge ausgerichtet, um in der Masse zu überleben. Wenn die schlechte Arbeitsweise und das Unwissen eines Rechtsanwalts keine Schranken kennen, drängen im Umkehrschluss auch mehr dieser Anwälte auf den Markt.

Hinter jedem erfolglosen Rechtsanwalt steht ein enttäuschter Mandant. Und das ist nicht im Sinne des anwaltlichen Berufs oder des Rechts. Der Markt wird sich auch nicht selbst regulieren, denn der gemeine Rechtsanwalt ist nicht der natürliche Fressfeind eines anderen Rechtsanwalts, sondern des Rechtssuchenden.

Der Anwaltsberuf muss stärker reguliert werden, hinsichtlich der Anzahl und der Güte. Den Mandanten müssen stärkere und einfachere Instrumente zur Hand gegeben werden, um Falschberatungen zu strafen. Ein für einen Mandanten sinnloser Prozess muss auch für einen Rechtsanwalt – finanziell – sinnlos sein. Die bestehenden Gesetze fördern eine Prozesskultur, die die Gerichte überlastet.

Ein erfolgreicher Rechtsanwalt ist deshalb, wer sich den Erscheinungen eines ganzen Berufsstandes entzieht.