Zum Verhältnis von Baulast zu Abweichungen / Ausnahmen / Befreiungen

Da ich im Freistaat Bayern studiert hatte, war mir das Rechtsinstitut der Baulast in den §§ 71 und 72 LBO bis Anfang 2017 komplett unbekannt. In Bayern gibt es keine Baulasten. Daher muss entweder privatrechtlich vorgegangen werden, z. B. durch Grunddienstbarkeit, etc., oder aber durch Aussprache von Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen (vgl. z. B. Art. 63 BayBO) in der Baugenehmigung. Bis heute noch habe ich in der baurechtlichen Praxis mit Baulasten zugegebenermaßen immer wieder so meine Schwierigkeiten.

Das mag einerseits unter anderem daran liegen, dass man als eher unbedarfte Person meinen kann, mit einem Blick ins Grundbuch quasi schon viele Informationen über das Grundstück eingeholt zu haben. Das mag andererseits unter anderem aber auch daran liegen, dass es gar nicht so einfach ist, gute Baulasten zu formulieren.

So lernte ich Baulasten wohl eher mit gemischten Gefühlen kennen, weniger von der Seite des Rechtsinstituts, das geeignet ist, Probleme zu lösen, sondern eher als Teil des Problems, insbesondere in Verbindung mit Grundstücksteilungen: Kompliziert, rechtlich schwierig fassbar – vielleicht irgendwo zwischen Allgemeinverfügung und Rechtsinstitut eigener Art.

Meine persönlichen Gedanken zur Baulast als Instrument für baurechtliche Konfliktlösungen seien nachfolgend wiedergegeben:

1.

Die Baulast muss stets einen Vorhaben- und Grundstücksbezug haben. Sie dient baurechtlichen Vorhaben. Soweit andere Verfahren das baurechtliche Vorhaben mitumfassen oder diesbzgl. Konzentrationswirkung haben, kommt ihr auch dort Bedeutung für den jeweiligen baurechtlichen Teil der Genehmigung zu.

Sie darf jedoch nicht quasi als eine Art öffentlich-rechtliche Grunddienstbarkeit verstanden werden. So dürfte eine Baulast allein zur Sicherung z. B. einer Ab-/Wasserleitung weniger funktionieren. Hierbei handelt es sich dem Grunde nach eher um einen wasserrechtlichen Bezugspunkt und keinen spezifisch Baurechtlichen (vgl. z. B. §§ 3 Abs. 3, 51 Abs. 1 S. 2, S. 3 WG BW). Daher kann jedenfalls die Wirksamkeit einer Baulast, die lediglich die Existenz einer Wasserleitung absichert, bezweifelt werden.

Doch selbst wenn eine entsprechende Baulast unwirksam sein sollte, wäre diese deswegen noch lange nicht unbrauchbar, da sie immerhin noch in einen Bauvermerk i. S. d. § 72 Abs. 2 LBO umgedeutet werden könnte.

2.

Ob die Baulast auch gleichzeitig als Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung verstanden werden kann, dürfte zweifelhaft sein. Das Verhältnis einer Nebenbestimmung zu der Baugenehmigung als Verwaltungsakt ist jedenfalls wie folgt:

Grundsätzlich ist die Baugenehmigung eine gebundene Entscheidung, was aus § 58 Abs. 1 S. 1 LBO und letztendlich Art. 14 GG folgt. Das heißt, vor Ablehnung einer gebundenen Entscheidung hat die Baurechtsbehörde eine Entscheidung mit Nebenbestimmungen zu erlassen, damit die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (§ 36 Abs. 1 LVwVfG).

Die Baulast hat aber die Funktion das materielle Baurecht inhaltlich zu bestimmen. Sie hängt dabei oft von der freiwilligen Übernahme (einer anderen Person) ab. Daher dürfte die Baulast zwar nicht eine Nebenbestimmung, aber wohl dem Rechtsinstitut einer mitwirkungsbedürftigen Inhaltsbestimmung am nächsten kommen.

Die Grenzen zwischen einer Inhalts- und Nebenbestimmung sind oft nicht einfach zu bestimmen.

3.

Inhalte der Baulast können, wie unter Ziff. 1 erwähnt, nur grundstücks- und vorhabenbezogene öffentlich-rechtliche Verpflichtungen mit bauaufsichtsrelevantem Inhalt sein. Sie können zulasten eines (vorhaben)fremden oder eigenen Grundstücks abgegeben werden, also Eigen- oder Fremdbaulast.

Inhaltlich ähneln Baulasten somit also auch den Abweichungen (§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 LBO), Ausnahmen (§ 56 Abs. 4 LBO) und Befreiungen (§ 56 Abs. 5 LBO), die auch auf die Ausräumung von Genehmigungshindernissen angelegt sind.

Das soll durch folgendes abstraktes Beispiel verdeutlicht werden:

Ein Gebäude kann auf mehreren Grundstücken errichtet werden. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 2 LBO. Die Vorschrift setzt aber eine Vereinigungsbaulast voraus. Die Vereinigungsbaulast umfasst damit nicht nur die Errichtung des eigentlichen Gebäudes auf mehreren Grundstücken, sondern ist in der Lage, jede grundsätzlich durch Baulast absicherbare Situation abzubilden.1

Da ein Gebäude auf mehreren Grundstücken errichtet werden kann und § 4 LBO von § 56 LBO erfasst wird, ist es "aber denkbar, dass auch ohne Baulast unter den Voraussetzungen des § 56 LBO im Einzelfall die Errichtung eines Gebäudes auf mehreren Grundstücken zugelassen werden könnte.".2

4.

Daraus ergeben sich die folgenden weiteren Thesen:

  • Eine Baulast hat jedenfalls teilweise einen sich überlagernden Anwendungsbereich im Hinblick auf Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen nach den §§ 4 bis 37 bzw. 39 LBO.
  • Daraus ergibt sich u. a. auch, dass der Anwendungsbereich von Baulasten größer ist.
  • Es ergibt sich außerdem daraus, dass wenn eine Baulast übernommen wird, welche z. B nachbarrechtsschützenden Charakter hat, keine Abweichung / Ausnahme / Befreiung mehr ausgesprochen werden braucht und mithin das Begründungserfordernis in § 58 Abs. 1 S. 5 LBO wegfallen kann.
  • Umgekehrt ergibt sich daraus aber nicht zwangsläufig, dass überall dort, wo die Voraussetzungen von § 56 LBO nicht vorliegen, auch eine Baulast ergehen kann, um das baurechtliche Hindernis zu beseitigen.
  • 1. So jedenfalls Staudacher in: Spannowsky/Uechtritz, BauordnungsR BW, 1. Aufl. (2020), § 71 Rn. 77-79, 92-96 m. w. N..
  • 2. Balensiefen, a. a. O., § 4 Rn. 21.