Physikalisch unmöglich, rechtlich möglich gemacht: Wie uns vor Gericht ein defekter Wasserzähler 200.000 Euro kostete
Unsere Geschichte beginnt mit einer Wasserrechnung, die exorbitant höher war, als all die Jahre vorher. Wir ließen das gutachterlich überprüfen. Resultat: physikalisch unmöglich, weil die Wasserleitungen des Hauses gar nicht so viel Wasser transportieren können. Ursache: ein defekter Wasserzähler. Wir zogen also vor Gericht – und es folgte der eigentliche Schock.
Für den Keller unseres Büros, das nur über WCs und Waschbecken verfügt, hatten wir bis zum Jahre 2013 und ab dem Jahre 2015 immer jährliche Wasserkosten in Höhe von wenigen Euros. Im Jahre 2014 führte die Stadtwerke Haan Arbeiten in direkter Nähe unserer Wasseruhr und an der Wasserleitung durch. Hierbei ist es offensichtlich zu einem Rollensprung (Durchdrehen oder Mitnahme eines Rades, das den Wasserverbrauch anzeigt) gekommen. Die Wasseruhr zeigte einen Verbrauch von über 15.300.000 Litern (15.300 Tonnen) für die Zeit von 301 Tagen an. Das entspricht der Wassermenge von über 339 bis zum Rand vollgefüllten Badewannen – an jedem Tag. Oder täglich einem mittelgroßes See.
Der Kellerraum befindet sich unterhalb des städtischen Kanalsystems. Die Wassermengen hätten folglich von unten nach oben fließen müssen. Neben dem Kellerraum befindet sich eine Tiefgarage, welche der Stadtwerke Haan gehört und ein Fassungsvermögen von 150 PKWs hat. Bei dieser Menge hätte diese Tiefgarage etwa dreimal vollständig bis zur Decke mit Wasser geflutet werden müssen. Unser Kellerraum hätte innerhalb von 301 Tagen etwa 485.000 mal bis zur Decke komplett volllaufen müssen, um die durch den Rollensprung angezeigte Wassermassen aufzunehmen.
Um die Fehlanzeige zu prüfen, baten wir die Stadtwerke Haan, den Wasserzähler auszubauen und überprüfen zu lassen. Die Stadtwerke bauten den Wasserzähler aus und zerstörten ihn beim Öffnen. Sodann konnte sie keine Fehlfunktion feststellen. Eine Fehlfunktion wie ein Rollensprung kann dann natürlich nicht mehr festgestellt werden.
Der Fall landete vor dem Landgericht Wuppertal. Um festzustellen, ob die Wassermengen überhaupt durch die Zuleitungen und Abflüsse unseres Hauses fließen konnten, haben wir im Gerichtsverfahren immer wieder Beweisanträge gestellt. Das Gericht sollte einen Sachverständigen beauftragen, der feststellt, ob die Wassermengen überhaupt hätten zu- und abfließen können. Die Richter haben alle Anträge immer wieder ignoriert, so dass wir selbst die IHK gebeten haben, einen vereidigten Sachverständigen zu benennen. Der Sachverständige Hans B. hat sich vor Ort die Wasserleitungen angeschaut und kam auf der letzten Seite 12 seines Gutachtens vom 09.06.2021 ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass der für das Jahr 2014 durch die defekte Wasseruhr angezeigte Verbrauch „sowohl praktisch als auch theoretisch gar nicht möglich“ war. Diese Wassermengen hätten weder durch die Zuleitungen noch durch die Abwasserleitungen fließen können (Anlage 1).
Das Gutachten wurde der Richterin am Landgericht Wuppertal, Dr. Nina Tabea Zwermann-Milstein, vorgelegt, deren Aufgabe es gewesen wäre, es zu überprüfe, und, wie immer wieder beantragt, selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben. Das Gutachten überprüft sie jedoch nicht. Sie relativierte es, indem sie in ihrem Urteil auf Seite 18 ausführte, dass der Gutachter die defekte Wasseruhr nicht gesehen habe (Anlage 2).
Seine Aufgabe bestand jedoch darin, zu überprüfen, ob die Leitungen des Hauses für die strittige Wassermenge überhaupt ausreichend dimensioniert waren, bzw. ob die Wassermengen durch diese zu- und abfließen konnten. Analog könnte man behaupten, ein Mensch sei mit dem Fahrrad von Deutschland zum Mond gefahren und ein Gutachten, das darlege, dass dies aufgrund der physikalischen Gesetze nicht möglich sei, würde eine Richterin dann relativieren, indem sie ausführe, der Gutachter habe doch die Reifen des Fahrrades nicht gesehen.
Obwohl wir noch ein zweites Gutachten mit identischer Schlussfolgerung vorlegten und über einen Zeitraum von 8 Jahren immer wieder die gleichen Beweisantritte gestellt haben – dass das Wasser nicht zu- und abfließen konnte –, haben wir das Verfahren vor dem Landgericht Wuppertal vollständig verloren und mussten bis dahin bereits Gerichts-, Anwalts-, Gutachter, Wasser- und Kanalbenutzungskosten, zusammen weit über 100.000 Euro zahlen. Die letzten Beweisantritte hierfür finden sich in unserem Schreiben (Anlage 3) vom 27.10.2022 auf den Seiten 12, 14, 15, 16, 17, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 30, 31 und 32. Alle wurden übergangen. Das Ergebnis solch eines Gutachtens passt natürlich nicht zu dem Urteil zu Gunsten des Staatsbetriebs.
Gegen dieses Urteil haben wir Berufung beim OLG Düsseldorf eingelegt. Die Richterinnen Katrin van Rossum, Dr. Ira Jürging und der Richter Gerhard Tischner haben ohne Gerichtsverhandlung durch einstimmigen Beschluss unsere Berufung zurückgewiesen. Trotz detaillierter Berufungsbegründung haben sie sich mit den Fehlern des Landgerichts überhaupt nicht beschäftigt, sondern phantasierten, dass durch tropfende Wasserhähne oder durchlaufende Toilettenspülungen – 15.300.000 Liter – Wasser abgetropft sein könnten. Aus dem ihnen vorgelegten Gutachten des vereidigten Sachverständigen Hans B. zitierten sie in ihrem Hinweisbeschluss (Anlage 6) vom 26.09.2022 auf Seite 8 eine allgemeine Tabelle, die den Wasseraustritt von 1-10 mm großen Löchern bei 2-12 Bar Druck behandelt. Das Ergebnis des Gutachtens vom 09.06.2021 auf den letzten beiden Seiten 11 und 12, dass „durchlaufende WC-Spülkästen sowie Auslaufarmaturen an Spülen, Waschtischen oder Ausgussbecken […] nicht annährend in der Lage [sind] einen derart hohen Wasserverbrauch zu verursachen“, ließen sie unter den Tisch fallen (Anlage 4).
Auszüge, Vereidigter Sachverständige Hans B.:
„Durchlaufende WC-Spülkästen sowie Auslaufarmaturen an Spülen, Waschtischen oder Ausgussbecken sind nicht annährend in der Lage, einen derart hohen Wasserverbrauch zu verursachen.“ (Anlage 1, Gutachten Hans B., Punkt 5. Beurteilung Seite 10)
Beschluss der Richter am OLG Düsseldorf Katrin van Rossum, Dr. Ira Jürging und Gerhard Tischner:
„der hohe Verbrauch ggfs. durch defekte Wasserverbrauchsstellen wie Druckspüler. Toilettenspülkästen ... verursacht worden ist“ (Anlage 4, 02.11.2022, Seite 11).
Alle Zeugen haben vor dem Landgericht bestätigt, dass niemandem auch nur einen tropfenden Wasserhahn oder eine einzelne durchlaufende WC Spülung aufgefallen ist, obwohl sie mehrfach den Raum betreten hatten (Anlage 5). Alle Richter ließen auch diese Aussagen unberücksichtigt, obwohl sie die Zeugenaussagen gelesen haben, da sie an mehreren Stellen diese dann unvollständig zitieren (Anlagen 2, 4 und 6).
Auszüge, Sitzungsprotokoll, Zeugenaussagen vom 18.09.2022 von Andreas D.:
„Einen Wasserschaden habe ich im Jahr 2014 nicht festgestellt. Ich kann sicher sagen, dass jedenfalls in einer Größenordnung, um die es hier geht, kein Wasser irgendwo im Haus vorhanden war oder ausgetreten ist. Dies hätte ich bemerkt." (Zeugenaussage vom 18.09.2022, Seite 3) Und weiter: "Wenn dort (WC Anlage) durch eine Spülanlage das Wasser permanent gelaufen wäre, dann hätte ich das gehört.“ (Anlage 5)
Keine Ausführungen zu den Zeugen. (Anlage 4).
Mit der vorgetragenen Tatsache, dass sämtliches Abwasser nicht abfließen kann, da der streitumfängliche Raum im Keller liegt, der sich unterhalb des städtischen Kanalsystem befindet und die zum Abfluss von Wasser im Objekt befindliche Hebeanlage bis heute defekt und außer Betrieb ist, haben sich die Richter nicht beschäftigt (Anlage 4).
Nach dem verlorenen Prozess wurde der Fall von den Medien aufgenommen, die auch das OLG um Stellungnahme baten. Die Richterin Christina Klein Reesink, Pressesprecherin des OLG äußerte sich nach dem Beschluss gegenüber Sat.1 über das Verfahren:
„Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch defekte Wasserleitungen das Wasser entwichen (worden) ist. Immerhin war das Untergeschoss ja nicht bewohnt. Der Sachverständige hat erstinstanzlich festgestellt, dass es durchaus möglich sein kann, dass die entsprechenden Mengen entwichen sind.“
Beweis (Video): https://www.sat1nrw.de/aktuell/mann-schuldet-stadtwerken-80-000eur-229224/
Dieser Beitrag ist in der Sendung von Sat1 am 07.11.2022 erschienen. Das zugehörige Video ist seit dem Tag der Sendung ab ca. 19:00 auch auf der Website des Senders verfügbar. Die entscheidenden Äußerungen von Frau Klein Reesink finden sich bei Minute 1:15 - 1:33.
Die Behauptungen sind wahrheitswidrig, es handelt sich mithin um unwahre Tatsachenbehauptungen, die verbreitet wurden. Richtig ist vielmehr, dass in dem gesamten Verfahren – über alle Instanzen hinweg – niemals irgendein Sachverständiger festgestellt oder auch nur ansatzweise behauptet hat, es sei möglich, dass die entsprechenden Wassermengen entwichen sind. Genau das Gegenteil wurde von zwei unabhängig arbeitenden Sachverständigen festgestellt. Das OLG hat daraufhin die fehlerhafte Tatsachenbehauptungen eingestanden, jedoch unseren Anspruch auf Richtigstellung abgelehnt, da die fehlerhafte Tatsachenbehauptung durch das OLG in keinem sozialen Geltungsanspruch zu uns stehen würde (Anlage 7, Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21.11.2022, Seite 1 und 2).
Dieses Gerichtsverfahren verdeutlicht, wie Rechtssicherheit in Deutschland vollständig ausgehebelt werden kann. Hier in unserem Fall relativierten und übergingen die Richter am OLG Düsseldorf (Katrin van Rossum, Dr. Ira Jürging und Gerhard Tischner) Gutachten von vereidigten Sachverständigen, um physikalisch unmögliche Sachverhalte auszuurteilen. Auch die Revision vor dem BGH wurde uns verwehrt, weil „weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung“ habe „noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts“ erfordere (Anlage 8).
Die Folge ist, dass ein keiner Fehler an einem Wasserzähler zu einer großen Ungerechtigkeit geführt hat: ein Staatsbetrieb wurde bereichert und wir haben dafür mit Geld, Zeit und Vertrauen bezahlt. So etwas kann jedem in der Bundesrepublik Deutschland passieren.