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Art. 26 GG - Friedenssicherung (Kommentar)
(1) ¹Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. ²Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2) ¹Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. ²Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
1. Allgemeines
Artikel 26 GG ist ein stark normativ ausgestalteter Grundsatzartikel, der sowohl ein individuelles Verbot als auch eine gesetzgeberische Verpflichtung zum Schutz des Friedens beinhaltet. Art. 26 GG steht im Kontext der Überwindung des nationalsozialistischen Militarismus und verfolgt das Ziel, den Frieden in Deutschland und in der Welt zu sichern. Die Norm verdeutlicht eine radikale Abkehr von der völkerrechtswidrigen Kriegspolitik des Dritten Reichs und soll als rechtlicher Schutzwall gegen die Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen dienen.
2. Absatz 1: Verbot friedensstörender Handlungen
2.1. Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören
Der erste Halbsatz des Art. 26 Abs. 1 GG verbietet Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Hierbei handelt es sich um eine umfassende Regelung, die sowohl staatliche als auch private Handlungen erfassen kann. Die Norm ist damit grundsätzlich universell anwendbar und nicht auf staatliche Akteure beschränkt.
Das friedliche Zusammenleben der Völker ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die Auslegung konkretisiert werden muss. Er ist in seiner Bedeutung weit zu verstehen und umfasst alle Formen des völkerrechtlich anerkannten und freundschaftlichen Umgangs zwischen den Staaten, wie sie etwa in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Friedensstörend können daher nicht nur direkte Kriegsvorbereitungen sein, sondern auch politische oder wirtschaftliche Maßnahmen, die geeignet sind, internationale Spannungen zu schüren.
2.2. Absicht und Eignung
Es ist entscheidend, dass die Handlungen nicht nur geeignet sind, den Frieden zu stören, sondern auch in der Absicht vorgenommen werden, dies zu tun. Damit enthält Art. 26 Abs. 1 GG ein subjektives und ein objektives Tatbestandsmerkmal. Die Eignung bedeutet, dass die Handlung den potentiellen Effekt haben muss, das friedliche Zusammenleben zu stören. Die Absicht beschreibt das subjektive Element, das auf die Motivation des Handelnden abstellt. Die Kombination dieser beiden Merkmale schränkt die Reichweite der Norm ein und stellt sicher, dass nur gezielte, auf Störung des Friedens ausgerichtete Handlungen erfasst werden.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat sich zur Konkretisierung dieser Anforderungen bisher zurückgehalten, da nur selten Fälle zu Art. 26 GG zur Entscheidung anstehen. In der Literatur wird allerdings diskutiert, dass schon die intensive Aufrüstung in bestimmten geostrategischen Situationen als geeignet betrachtet werden könnte, Spannungen zwischen Staaten zu verstärken und damit das friedliche Zusammenleben zu gefährden.
2.3. Verfassungswidrigkeit und Strafbarkeit
Der Satz, dass friedensstörende Handlungen verfassungswidrig sind, bedeutet, dass solche Handlungen gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Verfassungswidrigkeit hat zur Folge, dass der Staat sowohl die Handlung selbst verbieten als auch ihre Förderung unterbinden muss. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet zudem den Gesetzgeber, diese Handlungen unter Strafe zu stellen. Die einfachgesetzliche Umsetzung findet sich im Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere in den §§ 80 und 80a StGB, die sich mit der Vorbereitung eines Angriffskriegs und der Aufstachelung zum Angriffskrieg befassen.
Die Strafbarkeit knüpft an den Tatbestand der Vorbereitung eines Angriffskriegs an, welcher in § 80 StGB geregelt ist. Nach § 80 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft, wer einen Angriffskrieg vorbereitet, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist und dadurch eine Gefahr des Krieges für Deutschland herbeiführt. § 80a StGB ergänzt dies durch die Strafbarkeit der öffentlichen Aufforderung zu einem Angriffskrieg.
2.4. Völkerrechtliche Bezüge
Das Verbot des Angriffskrieges ist nicht nur im nationalen Recht verankert, sondern auch eine Verpflichtung Deutschlands aus dem Völkerrecht. Die Charta der Vereinten Nationen verbietet in Art. 2 Abs. 4 UN-Charta die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines Staates. Dieses Verbot wurde durch den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess (vgl. Nürnberger Prinzipien) und die UN-Generalversammlung zu einer der grundlegenden Normen des Völkerrechts erhoben.
3. Absatz 2: Kontrolle der Herstellung und des Verkehrs von Kriegswaffen
3.1. Herstellung und Verkehr von Kriegswaffen
Art. 26 Abs. 2 GG zielt darauf ab, den Missbrauch von Waffen zur Durchführung von Kriegen zu verhindern. Hierzu wird die Herstellung, Beförderung und der Verkehr von Waffen, die zur Durchführung von Kriegen bestimmt sind, unter die Genehmigungspflicht der Bundesregierung gestellt. Der Begriff der "Kriegswaffen" ist ebenfalls näher zu definieren. Er umfasst insbesondere solche Waffen, die nicht für die individuelle Selbstverteidigung bestimmt sind, sondern in erster Linie zur Durchführung von Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten dienen, wie Panzer, Kampfflugzeuge oder Artillerie.
3.2. Genehmigungspflicht der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle der Produktion und des Handels mit Kriegswaffen. Die Genehmigungspflicht ist im Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) näher geregelt, das genaue Kriterien und Verfahren zur Erteilung oder Versagung von Genehmigungen festlegt. Diese Regelung dient nicht nur der Verhinderung der Aufrüstung, die zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen könnte, sondern auch der Kontrolle des internationalen Waffenhandels, um die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen zu gewährleisten.
Das KWKG sieht eine differenzierte Genehmigungspraxis vor, die je nach Art der Waffe und dem Zweck ihrer Nutzung variiert. Es werden strenge Maßstäbe angelegt, wenn es um den Export von Kriegswaffen in Spannungsgebiete oder an Staaten geht, die Menschenrechte verletzen. Dies entspricht der politischen und rechtlichen Zielsetzung des Grundgesetzes, eine friedensorientierte Außenpolitik zu gewährleisten.
3.3. Völkerrechtliche Einordnung
Art. 26 Abs. 2 GG korrespondiert mit den internationalen Bemühungen zur Kontrolle des Waffenhandels. So unterstützt die Norm die Ziele des Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT), der den internationalen Handel mit konventionellen Waffen reguliert, um Menschenrechtsverletzungen und bewaffnete Konflikte zu verhindern. Die Genehmigungspflicht ist damit auch Ausdruck einer Verantwortung Deutschlands im Rahmen der internationalen Friedensordnung.
3.4. Praktische Bedeutung und Herausforderungen
Die praktische Bedeutung der Vorschrift zeigt sich in der Genehmigungspraxis der Bundesregierung, die regelmäßig in der Öffentlichkeit und im Bundestag kontrovers diskutiert wird. Die rechtlichen und politischen Herausforderungen liegen in der Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen der Rüstungsindustrie und den friedenspolitischen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. In der Vergangenheit gab es immer wieder Debatten darüber, ob bestimmte Exporte mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen und den Zielen des Grundgesetzes vereinbar sind. Der Bundestag und die Zivilgesellschaft spielen hier eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Rüstungsexportpolitik.
4. Systematische Einordnung und verfassungsrechtliche Stellung
4.1. Verhältnis zu anderen Grundrechten und Grundrechtsgleichen Rechten
Art. 26 GG nimmt eine Sonderstellung unter den Grundrechten ein. Es handelt sich nicht um ein Grundrecht im klassischen Sinne, sondern um eine Schutzvorschrift, die sowohl ein subjektives Abwehrrecht gegen friedensstörende Maßnahmen als auch eine objektive Verpflichtung des Staates zur Sicherung des Friedens enthält. In seiner Bedeutung als Friedensgebot steht Art. 26 GG in einem engen Zusammenhang mit den Wertentscheidungen der Präambel des Grundgesetzes, der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und dem Schutzauftrag des Art. 2 Abs. 2 GG, der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützt.
4.2. Eingriffe und Schranken
Da Art. 26 GG vornehmlich als objektives Recht zu verstehen ist, sind die traditionellen Schranken-Schranken-Dogmatiken der Grundrechte hier nur eingeschränkt anwendbar. Allerdings muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Strafnormen und Genehmigungsvorschriften die Verhältnismäßigkeit wahren. In der Literatur wird diskutiert, inwieweit eine völlige Freiheit der Regierung in der Rüstungsexportpolitik durch Art. 26 GG beschränkt wird. Die Norm wird als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Friedenspflicht verstanden, die durch Gesetzgebung und Exekutive umgesetzt werden muss.