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Art. 59a GG - (weggefallen) (Kommentar)
- 1. Historie
- 2. Wortlaut
- 3. Kontext und Bedeutung des Art. 59 GG
- 4. Systematische Einordnung und Normstruktur
- 5. Die einzelnen Absätze
- 5.1. Art. 59a Abs. 1 GG – Feststellung des Verteidigungsfalls durch den Bundestag
- 5.2. Art. 59a Abs. 2 GG – Feststellung des Verteidigungsfalls bei Unüberwindbarkeit des Zusammentritts des Bundestages
- 5.3. Art. 59a Abs. 3 GG – Völkerrechtliche Erklärungen durch den Bundespräsidenten
- 5.4. Art. 59a Abs. 4 GG – Der Friedensschluss durch Bundesgesetz
1. Historie
Art. 59a GG trat infolge des Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956, Bundesgesetzblatt Teil I 1956 Nummer 11 vom 21. März 1956, Seite 111-113 in Kraft und durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, Bundesgesetzblatt Teil I 1968 Nummer 41 vom 27. Juni 1968 Seite 709-714 außer Kraft.
2. Wortlaut
Der Wortlaut des weggefallenen Art. 59a GG lautete:
(1) ¹Die Feststellung, daß der Verteidigungsfall eingetreten ist, trifft der Bundestag. ²Sein Beschluß wird vom Bundespräsidenten verkündet.
(2) ¹Stehen dem Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen, so kann bei Gefahr im Verzug der Bundespräsident mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers diese Feststellung treffen und verkünden. ²Der Bundespräsident soll zuvor die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates hören.
(3) Der Bundespräsident darf völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalles erst nach Verkündung abgeben.
(4) Über den Friedensschluß wird durch Bundesgesetz entschieden.
3. Kontext und Bedeutung des Art. 59 GG
Art. 59a GG wurde im Zuge der sogenannten Notstandsgesetzgebung eingeführt, die der Gesetzgeber in den 1960er-Jahren im Zuge der sicherheitspolitischen Spannungen des Kalten Krieges als verfassungsrechtliches Instrumentarium zur Regelung von Krisenfällen schuf. Insbesondere die NATO-Bündnispflichten sowie die allgemeine Bedrohungslage durch den Ost-West-Konflikt machten es notwendig, eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Handhabung eines Verteidigungsfalls zu schaffen, die die Bundesrepublik handlungsfähig halten und gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle sichern sollte.
Art. 59a GG bildete somit eine der zentralen Normen des verfassungsrechtlich geregelten Notstandes und definierte die prozeduralen Voraussetzungen und Zuständigkeiten für die Feststellung eines Verteidigungsfalles. Im Rahmen dieser Norm wurde der Bundestag als Hauptorgan für die Entscheidung über den Verteidigungsfall bestimmt, wobei dem Bundespräsidenten eine tragende Rolle als Repräsentant des Staatswillens zukam. Die Regelung umfasste ferner besondere Vorschriften für den Fall, dass der Bundestag nicht zusammentreten konnte, und legte fest, dass ein Friedensschluss ebenfalls in gesetzlicher Form getroffen werden müsse. Die Vorschrift entsprach dem Bedürfnis nach einem geordneten, staatsrechtlich klar geregelten Krisenmanagement und umfasste eine demokratische Rückbindung auch in Krisenlagen. Die 1968 erfolgte Aufhebung des Artikels durch Art. 115a GG war das Ergebnis einer umfassenden Neufassung des Notstandsrechts, die darauf abzielte, die verfassungsrechtlichen Regelungen zu konsolidieren und klare Zuständigkeiten zu schaffen.
4. Systematische Einordnung und Normstruktur
Art. 59a GG war systematisch Teil der verfassungsrechtlichen Notstandsregelungen des Grundgesetzes, die insbesondere in der sogenannten Notstandsgesetzgebung der Artikel 87a ff., 91 sowie 115a ff. GG ihren Ausdruck finden. Als Norm, die der Verteidigung im Verteidigungsfall diente, war Art. 59a GG eng verbunden mit dem Sicherheits- und Wehrverfassungsrecht und sollte die Handlungsfähigkeit des Staates in militärischen Bedrohungslagen sicherstellen. Der Artikel stand damit im Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Selbstbehauptung und demokratischer Legitimation und war Ausdruck der Staatszielbestimmung, die territoriale Unversehrtheit und verfassungsmäßige Ordnung auch im Angriffsfall zu bewahren.
Art. 59a GG umfasste vier Absätze, die die prozessualen Schritte vom Eintritt des Verteidigungsfalles bis zur Friedensregelung strukturierten. Der erste Absatz bestimmte das Verfahren zur Feststellung des Verteidigungsfalles durch den Bundestag; der zweite Absatz sah eine Regelung für den Fall vor, dass der Bundestag aufgrund außergewöhnlicher Umstände an der Feststellung gehindert war. Absatz 3 untersagte es dem Bundespräsidenten, völkerrechtliche Erklärungen über den Verteidigungsfall abzugeben, bevor der Verteidigungszustand verkündet wurde, und Absatz 4 verankerte das Bundesgesetz als Form des Friedensschlusses.
5. Die einzelnen Absätze
5.1. Art. 59a Abs. 1 GG – Feststellung des Verteidigungsfalls durch den Bundestag
Art. 59a Abs. 1 GG übertrug die Feststellung des Verteidigungsfalls auf den Bundestag. Die Entscheidungshoheit über den Verteidigungsfall lag damit bei der Legislative, die in ihrer Eigenschaft als Repräsentantin des Volkes über die bedeutungsschwere Frage des Eintritts eines Verteidigungszustandes entscheiden sollte. Diese Festlegung stellt eine bewusste verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten des parlamentarischen Primats und der demokratischen Kontrolle dar, da die Entscheidung über den Verteidigungsfall als existenzielle Angelegenheit der Staatsführung nicht allein der Exekutive überlassen werden sollte.
Durch die Feststellung des Verteidigungsfalles begann eine Reihe verfassungsrechtlicher Mechanismen zu greifen, die der Verteidigungsfähigkeit des Staates dienten. Dazu gehörten unter anderem der Übergang bestimmter Kompetenzen auf die Exekutive sowie die Möglichkeit zur Einberufung von Wehrpflichtigen. Die Bundestagsentscheidung über den Verteidigungsfall erforderte dabei eine qualifizierte Mehrheit, um die demokratische Legitimation dieser weitreichenden Entscheidung sicherzustellen. Eine einfache Mehrheit wäre vor dem Hintergrund der Tragweite dieser Entscheidung unzureichend und könnte das Risiko einer zu leichtfertigen Feststellung bergen. Eine solche qualifizierte Mehrheit sollte daher als ungeschriebene Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Feststellung gelten.
Nach Art. 59a Abs. 1 Satz 2 GG war der Beschluss des Bundestages durch den Bundespräsidenten zu verkünden. Dies machte den Bundespräsidenten zum formellen Verkünder eines Verteidigungsfalles, wodurch dessen gesamtstaatliche Bedeutung zusätzlich unterstrichen wurde. Im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Stellung als Staatsoberhaupt und Repräsentant des Volkes im In- und Ausland war der Bundespräsident verpflichtet, die Feststellung des Verteidigungsfalles nach außen zu kommunizieren. Durch diese öffentliche Verkündung wurde der Verteidigungsfall offiziell erklärt, womit zugleich die völkerrechtlichen und sicherheitspolitischen Partnerstaaten informiert wurden.
5.2. Art. 59a Abs. 2 GG – Feststellung des Verteidigungsfalls bei Unüberwindbarkeit des Zusammentritts des Bundestages
Der zweite Absatz des Art. 59a GG sah eine Ausnahmeregelung für den Fall vor, dass „unüberwindliche Hindernisse“ den Zusammentritt des Bundestages verhinderten und zugleich Gefahr im Verzug war. Diese Konstellation diente als Schutzvorschrift, um in Notlagen handlungsfähig zu bleiben, in denen ein schnelles Eingreifen erforderlich war, jedoch die parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag aufgrund äußerer Umstände nicht gewährleistet werden konnte. Beispiele für solche unüberwindlichen Hindernisse könnten etwa militärische Angriffe auf die Hauptstadt, ein Blockadezustand oder ähnliche Krisenereignisse sein, die einen Zusammentritt des Bundestages faktisch unmöglich machten.
In dieser Ausnahme konnte der Bundespräsident mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers die Feststellung des Verteidigungsfalles selbst treffen und verkünden. Die Gegenzeichnung des Bundeskanzlers als Regierungschef stellte sicher, dass die Exekutive in diesen Entscheidungsprozess eingebunden war, was zugleich die Legitimation und demokratische Verankerung dieser Entscheidung erhöhte. Diese Regelung bewahrte den Grundsatz der Gewaltenteilung auch in einer Krisensituation und sicherte eine gegenseitige Kontrolle durch die Verfassungsorgane.
Art. 59a Abs. 2 Satz 2 GG sah vor, dass der Bundespräsident vor einer solchen Feststellung die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates anzuhören hatte. Diese Anhörungspflicht war ein weiteres Instrument zur Sicherung der demokratischen Beteiligung und Meinungsvielfalt im Entscheidungsprozess, ohne dass die Präsidenten eine formale Zustimmungsfunktion erhielten. Die Anhörung diente allein der Verfahrenssicherung und konnte in besonderen Notlagen entfallen, falls die Einholung der Stellungnahmen praktisch unmöglich oder mit erheblichen Verzögerungen verbunden war.
5.3. Art. 59a Abs. 3 GG – Völkerrechtliche Erklärungen durch den Bundespräsidenten
Nach Art. 59a Abs. 3 GG war es dem Bundespräsidenten untersagt, völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalles abzugeben, bevor dieser ordnungsgemäß verkündet wurde. Diese Vorschrift diente dazu, eine klare innerstaatliche Feststellung des Verteidigungsfalls als Voraussetzung für die völkerrechtliche Kommunikation dieses Zustands zu schaffen.
Im Kontext des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen bedeutete die Feststellung eines Verteidigungsfalls durch die Bundesrepublik eine bedeutende Zäsur, die möglicherweise mit Konsequenzen im Rahmen von Bündnisverpflichtungen wie etwa der NATO verbunden sein konnte. Die Vorschrift reflektierte die duale Rolle des Bundespräsidenten sowohl als Repräsentant der innerstaatlichen Rechtsordnung als auch als höchste diplomatische Instanz gegenüber dem Ausland. Das Erfordernis der vorherigen Verkündung im Inland stellte sicher, dass die außenpolitische Erklärung auf einer verfassungsrechtlich untermauerten Grundlage beruhte.
5.4. Art. 59a Abs. 4 GG – Der Friedensschluss durch Bundesgesetz
In Art. 59a Abs. 4 GG wurde festgelegt, dass der Friedensschluss durch Bundesgesetz zu regeln war. Diese Vorschrift unterstrich, dass die Beendigung eines Verteidigungszustandes und die Herbeiführung eines Friedenszustandes der Entscheidung des Bundestages unterliegen sollten, um sicherzustellen, dass eine so weitreichende und die künftige politische und rechtliche Ordnung prägende Entscheidung demokratisch legitimiert und transparent vollzogen wird.
Durch die gesetzliche Form des Friedensschlusses wurde auch gewährleistet, dass der Abschluss des Verteidigungszustandes in die Rechtsordnung der Bundesrepublik systematisch und normgerecht integriert wurde. Ein Bundesgesetz erforderte zudem die Beteiligung des Bundesrates und stellte damit sicher, dass auch die Länder an der Entscheidung über den Friedensschluss beteiligt waren.