Wissen Sie mehr? Als Co-Autor bearbeiten oder als Leser kommentieren. Mehr erfahren...
Präambel des Grundgesetzes (Kommentar)
¹Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
²Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. ³Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
- 1. Allgemeines
- 2. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“
- 3. „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“
- 4. „hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“
- 5. „Die Deutschen in den Ländern … haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet“
- 6. „Damit gilt das Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk“
1. Allgemeines
Die Präambel, also der feierliche Vorspruch des Grundgesetzes, ist ebenso dessen Bestandteil, hat aber nicht in allen Teilen rechtlichen Gehalt. Sie erlangt vor allem Bedeutung für die Auslegung anderer Vorschriften aus dem Grundgesetz, aber auch teilweise für die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Maßnahmen.1 Die Verfassungen der einzelnen Bundesländer haben ebenfalls Präambeln, welche teils kürzer sind (z. B. jene in der Verfassung des Landes Hessen), welche teils an die Präambel des Grundgesetzes angelehnt sind (z. B. jene in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg) oder, welche teils eher eigenständig sind (z. B. jene in der Verfassung des Freistaates Bayern).
Die hier kommentierte Fassung erhielt das Grundgesetz im Jahr 1990 mit der Wiedervereinigung.2 Die Präambelfassung aus dem Jahre 1949 betonte den eher nur provisorischen Charakter des Grundgesetzes mehr und hatte folgenden Wortlaut:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk
in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern,
um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben,
kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.
Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Im Zuge des Wiedervereinigungsgebots der Präambel stellte das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum KPD-Verbot von 1956 auch Entscheidendes zur Auslegung fest, insbesondere den rechtlichen Gehalt der Präambel:
„Dem Vorspruch des Grundgesetzes kommt naturgemäß vor allem politische Bedeutung zu. Er geht von der Vorstellung des fortbestehenden gesamtdeutschen Staates aus und betrachtet die von ihm aufgerichtete Staatsordnung als eine Ausübung gesamtdeutscher Staatsgewalt auf einem räumlich zunächst beschränkten Gebiet. Er ist daher politisches Bekenntnis, feierlicher Aufruf des Volkes zu einem Programm der Gesamtpolitik, das als wesentlichsten Punkt die Vollendung der deutschen Einheit in freier Selbstbestimmung enthält. Darüber hinaus hat aber der Vorspruch auch rechtlichen Gehalt. Er beschränkt sich nicht auf gewisse rechtlich erhebliche Feststellungen und Rechtsverwahrungen, die bei der Auslegung des Grundgesetzes beachtet werden müssen. Vielmehr ist aus dem Vorspruch für alle politischen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland die Rechtspflicht abzuleiten, die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben, ihre Maßnahmen auf dieses Ziel auszurichten und die Tauglichkeit für dieses Ziel jeweils als einen Maßstab ihrer politischen Handlungen gelten zu lassen.“3
Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass Präambeln vor Verfassungstexten zwar wohl üblich im Hinblick auf die Gesetzgebungstechnik sind, jedoch keinesfalls zwingend. So hat beispielsweise auch die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine Präambel, jedoch findet sich keine (mehr) bei dem österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz.
2. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“
Durch die Formulierung wird zunächst eine Verbindung zu Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG hergestellt.4
Im Hinblick auf die grundsätzliche religiöse Zurückhaltung des Grundgesetzes darf die Formulierung „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott“ nicht überbewertet werden. Die Formulierung ist hier vielmehr als politisches Bekenntnis zu verstehen. Es soll klargestellt werden, dass sich der Staat von ehemals während der NS-Tyrannei gottlos herrschenden Zuständen abkehrt und ein Staat sein soll von den Menschen für die Menschen.
Die Formulierung „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor […] den Menschen werden auch erste Verbindungen zum Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sichtbar. „Weiter liegt darin zugleich das Eingeständnis begründet, nicht alleine auf der Welt zu sein.“.5
3. „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“
Dieser Satzteil der Präambel zieht Verbindungen zu Art. 23 GG und enthält einen Verfassungsauftrag im Hinblick auf eine offene und friedliche Staatlichkeit.6
Die Formulierung „dem Frieden der Welt zu dienen“ zieht eine Verbindung zu Art. 26 GG, also dem Verbot, Angriffskriege zu führen. Auch wird hierdurch eine Verbindung zu Art. 24 Abs. 1, Abs. 3 GG gezogen, wonach es dem Bund erlaubt wird, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen und sich in Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzufügen.7 Das bedeutet, die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Organisationen, wird bereits in der Präambel angelegt.
4. „hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“
Die Formulierung zieht eine Verbindung zu Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, also dem Demokratieprinzip, aber gleichzeitig auch zu Art. 146 GG.8
Die verfassungsgebende Gewalt bezieht sich auf den Parlamentarischen Rat. Dieser war ein von 1948 bis 1949, also während der Besatzung Deutschlands, das mittelbar demokratisch legitimiertes Organ des Deutschen Volkes. Die Verfassungsgebung erfolgte somit weder auf ein Diktat der Besatzungsmächte, noch auf einem Bündnis der Länder.9
5. „Die Deutschen in den Ländern … haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet“
Bereits der zweite Satz der Präambel thematisiert das bundesstaatliche Prinzip des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 1 GG.10 Gleichzeitig wird damit indirekt auch das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland festgelegt.11
Außerdem werden damit auch die deutschen Außengrenzen endgültig bekräftigt. Die Bundesrepublik Deutschland kann damit keine Gebietsansprüche mehr gegen andere Staaten mehr haben. Das bedeutet auch, die Frage nach der deutschen Einheit ist damit erledigt.12
6. „Damit gilt das Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk“
Der dritte Satz der Präambel beschreibt die Vollendung der deutschen Einheit und thematisiert vor allem den räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes, obwohl dies daraus so nicht ausdrücklich hervorgeht.13
- 1. von Coelln in: Gröpl/Windhorst/von Coelln, Studienkommentar GG, 4. Aufl. 2020, Präambel Rn. 1.; BVerfGE 36, 1 (17).
- 2. von Coelln, a. a. O., Rn. 2.
- 3. BVerfG, 17.08.1956 - 1 BvB 2/51, Rn. 143.
- 4. Wolff in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. (2021), Präambel Rn. 2.
- 5. Wolff, a. a. O..
- 6. BVerfG, Urteil vom 30.06.2009 - 2 BvE 2/08 - Rn. 143.
- 7. BVerfG, a. a. O., Rn. 222.
- 8. von Coelln in: Gröpl/Windhorst/von Coelln, Studienkommentar GG, 4. Aufl. 2020, Präambel Rn. 4.
- 9. Wolff in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. (2021), Präambel Rn. 4.
- 10. Degenhart, StaatsR I: StaatsorganisationsR, 27. Aufl. (2011), Rn. 445.
- 11. von Coelln in: Gröpl/Windhorst/von Coelln, Studienkommentar GG, 4. Aufl. 2020, Präambel Rn. 7.
- 12. Wolff in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. (2021), Präambel Rn. 5.
- 13. Wolff, a. a. O., Rn. 6; von Coelln in: Gröpl/Windhorst/von Coelln, Studienkommentar GG, 4. Aufl. 2020, Präambel Rn. 8.