BVerfGE 7, 305; DÖV 1959, 35; DVBl 1958, 804; JZ 1958, 411; NJW 1958, 585; ZBR 1958, 139
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BVerfGE 7, 305 (305):
1. Art. 131 GG ist gegenüber Art. 72 ff., 105, 106, 109 und 120 GG lex specialis und begründet für den Bundesgesetzgeber einer Sonderkompetenz. Die durch Art. 131 GG eingeräumte weite gesetzgeberische Freiheit findet u.a. ihre Schranke in dem aus dem Gleichheitssatz entwickelten Gebot, willkürliche Regelungen zu unterlassen.
2. Die Neuordnung der Verhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen ist eine allen öffentlichen Dienstherren obliegende Aufgabe. Die Heranziehung der Dienstherren außer dem Bund zur Zahlung der Ausgleichsbeträge nach § 14 Abs. 2 G 131 ist durch die Ermächtigung des Art. 131 GG gedeckt und widerspricht nicht dem Gleichheitssatz.
Urteil
des Zweiten Senats vom 5. März 1958
-- 2 BvF 4/56 --
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter
BVerfGE 7, 305 (306):
Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307), - Antragsteller: Der Senat der Freien und Hansestadt Hambrug.
Entscheidungsformel:
§ 14 Abs 2 und § 17 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I. 307) in der bis 31. August 1957 geltenden Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe:
A.
1. Artikel 131 GG stellt dem Bund die Aufgabe, durch Bundesgesetz die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen zu regeln, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, oder die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten.
In Ausführung dieses durch das Grundgesetz erteilten Auftrages erließ der Bund das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307).
Bezüglich der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes erstrebt das Gesetz in erster Linie ihre Unterbringung in neuen Dienstverhältnissen. Als Dienstherren dieser neu zu begründenden Dienstverhältnisse nimmt das Gesetz außer dem Bund auch die Länder, die Gemeinden (Gemeindeverbände) mit mehr als 3000 Einwohnern und sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in Anspruch. § 12 legt fest, daß die Aufwendungen für die Beschäftigung der an der Unterbringung teilnehmenden Personen mindestens zwanzig vom Hundert des gesamten Besoldungsaufwandes dieser
BVerfGE 7, 305 (307):
Dienstherren erreichen müssen. Für die Dienstherren außer dem Bund bestimmt § 14 Abs. 2:
"Soweit im Bereich eines anderen Dienstherrn nach Ablauf von drei Monaten seit Inkrafttreten dieses Gesetzes der Pflichtanteil des Besoldungsaufwandes nicht erreicht ist, ist ein Ausgleichsbetrag in Höhe von fünfundzwanzig vom Hundert des Unterschiedes zu zahlen."
§ 13 verlangt, daß die Zahl der in Planstellen untergebrachten Beamten mindestens zwanzig vom Hundert der Gesamtzahl der Planstellen jedes Dienstherrn beträgt. Zu diesem Zweck bestimmt § 15, daß bis zur Erreichung dieses Verhältnisses freie, freiwerdende oder neugeschaffene Planstellen grundsätzlich mit unterzubringenden Beamten zu besetzen sind. Die näheren Bestimmungen dafür enthält § 16. § 17 bestimmt nun:
"Bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§ 15 und 16 ist der Betrag zu zahlen, der für die freigewordene Planstelle bisher aufgewandt wurde oder bei neugeschaffenen Stellen als durchschnittlicher Besoldungsaufwand vorgesehen ist. Die Zahlungsverpflichtung entsteht mit dem Zeitpunkt der Zuwiderhandlung und entfällt, sobald der Pflichtanteil (§ 13) erreicht ist."
Die Ausgleichsbeträge gemäß § 14 Abs. 2 und die Bußen gemäß § 17 sind nach § 18 an den Bund zu leisten und ausschließlich für Zwecke des Gesetzes zu verwenden.
Beamte zur Wiederverwendung, die noch nicht untergebracht sind und eine Dienstzeit von mindestens 10 Jahren abgeleistet haben, erhalten bis zum Eintritt in den Ruhestand ein Übergangsgehalt (§ 37). Wenn ein Beamter z. Wv. von einem anderen Dienstherrn eingestellt worden ist, so trägt dieser Dienstherr vom Ruhegehalt nur den Teil, der dem Anteil der in seinen Diensten verbrachten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit an der gesamten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit entspricht. Den Rest trägt der Bund (§ 42). Dem Bund fallen auch im übrigen die Übergangsgehälter und Versorgungsbezüge zur Last (§ 57).
2. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat mit Schriftsatz vom 1. August 1953 beantragt, § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I
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S. 307) (im folgenden: G 131) wegen Verstoßes gegen Art. 131, 37, 84, 105, 106 Abs. 3 und 109 des Grundgesetzes und gegen überpositives Recht für nichtig zu erklären.
Zur Zulässigkeit des Antrags weist der Antragsteller u.a. darauf hin, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1952 -- 1 BvR 267/51 -- (BVerfGE 1, 167) die Durchführung dieses Verfahrens nicht hindere. In jenem Verfahren sei auf Verfassungsbeschwerde einer Gemeinde (§ 91 BVerfGG) lediglich die Vereinbarkeit der auch hier gerügten Gesetzesbestimmung mit Art. 28 Abs. 2 GG und sonstigen Normen des Grundgesetzes, soweit diese ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind, geprüft und bejaht worden. Der jetzige Antrag sei auf umfassende Prüfung der Vereinbarkeit des § 14 Abs. 2 mit dem Grundgesetz gerichtet (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG). Dieser Antrag sei auch im Gegensatz zu einer vom Land gegen den Bund erhobenen Klage wegen Verletzung seiner Rechte (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 7, 68 ff., 64 Abs. 3 BVerfGG) an keine Frist gebunden.
Zur Begründung wird vorgetragen, daß dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Auferlegung einer Abgabe zum Ausgleich des nicht erreichten Pflichtanteils am Besoldungsaufwand für die verdrängten Beamten fehle. Weder in Art. 131 noch in Art. 105 GG sei eine derartige Ermächtigung enthalten. Bei dem Ausgleichsbetrag nach § 14 Abs. 2 G 131 handle es sich um ein Zwangsmittel und nicht, wie das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 20. März 1952 angenommen habe, um eine Art facultas alternativa. § 14 Abs. 2 verstoße daher auch gegen die Art. 84 und 37 GG. Diese Bestimmungen enthielten eine abschließende Normierung der dem Bund gegenüber den Ländern zustehenden Zwangsmöglichkeiten. § 14 Abs. 2 stehe auch nicht in Einklang mit Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung, da der Bund nach dieser Bestimmung zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates nur
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einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen dürfe. Die durch G 131 getroffene Regelung greife ferner zugunsten des Bundeshaushaltes in die Haushaltswirtschaft der Länder ein und verstoße damit gegen den in Art. 109 GG aufgestellten Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. Schließlich verletze § 14 Abs. 2 G 131 den allgemeinen anerkannten Grundsatz, daß Zwangsmittel dann nicht auferlegt werden dürfen, wenn die Erfüllung einer Verpflichtung selbst bei äußerster Anstrengung aller Kräfte unmöglich sei. Die Erfüllung des Pflichtanteils innerhalb der in § 14 Abs. 2 gesetzten Frist von 3 Monaten sei keinem Dienstherrn möglich gewesen. Für Hamburg komme noch hinzu, daß es als Stadtstaat den Zusammenbruch mit einer im wesentlichen intakten Verwaltung überstanden habe, und zudem durch Maßnahmen der Besatzungsmacht gehindert gewesen sei, verdrängte Beamte in seinen Dienst aufzunehmen.
3. Dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen ist Gelegenheit gegeben worden, sich zu dem Antrag zu äußern.
Die Bundesregierung hält den Antrag für zulässig, jedoch nicht für begründet. Der Bundesgesetzgeber sei durch Art. 131 GG zu einer umfassenden konstitutiven Regelung des Rechts der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes ermächtigt worden. Art. 131 GG stelle daher auch eine ausreichende Grundlage für § 14 Abs. 2 G. 131 dar. Da es sich bei Art. 131 GG um eine Spezialbestimmung handle, komme ein Verstoß gegen die vom Antragsteller sonst noch angeführten Bestimmungen des Grundgesetzes nicht in Betracht. Von einer Verletzung überpositiven Rechts könne deshalb nicht gesprochen werden, weil § 14 Abs. 2 die Einstellung des Pflichtanteils an verdrängte Angehörigen des öffentlichen Dienstes nicht innerhalb von 3 Monaten verlange.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein ist im wesentlichen gleicher Auffassung wie die Bundesregierung. Dagegen
BVerfGE 7, 305 (310):
halten die Landesregierungen von Baden-Württemberg und von Rheinland-Pfalz § 14 Abs. 2 G 131 in Übereinstimmung mit dem Antragsteller für grundgesetzwidrig. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz weist insbesondere darauf hin, daß der vom G 131 geforderte Pflichtanteil nicht erfüllt werden könne, da nicht genügend anspruchsberechtigte Personen vorhanden seien. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hält auch § 17 G 131 aus denselben Gründen wie § 14 Abs. 2 für grundgesetzwidrig und regt an, gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG auch diese Bestimmung für nichtig zu erklären.
Weitere Stellungnahmen zum Antrag sind nicht eingegangen.
In der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 1958 waren der Antragsteller, die Bundesregierung und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz vertreten.
B.
Der Antrag ist zulässig.
Gemäß § 76 BVerfGG ist der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg berechtigt, den Antrag auf Prüfung der Vereinbarkeit des § 14 Abs. 2 G 131 mit dem Grundgesetz zu stellen, da er diese bundesgesetzliche Bestimmung wegen sachlicher Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für nichtig hält. Der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG ist an eine Frist nicht gebunden. Das Land Hamburg hätte zwar mit derselben Begründung auch eine Verletzung seiner Rechte durch den Gesetzgebungsakt des Bundes in einem Bund- Länderstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG rügen können. Diese Klage hätte das Land gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG nur bis zum 13. November 1951 erheben können. Das Land war nicht genötigt, diesen Weg zu wählen. Die Wahl zwischen den von der Verfassung und vom Bundesverfassungsgerichtsgesetz zur Erreichung eines bestimmten Zieles zur Verfügung gestellten Verfahrensarten ist grundsätzlich "bis zur Grenze des offenkundigen
BVerfGE 7, 305 (311):
Mißbrauchs (BVerfGE 2, 79 [94]) dem Antragsteller überlassen. Der Ablauf der Frist für die Klage im Bund- Länderstreit steht also der Zulässigkeit des Antrags auf abstrakte Normenkontrolle nicht entgegen.
Gegen die Zulässigkeit spricht auch nicht, daß die §§ 14 Abs. 2 und 17 G 131 bereits Gegenstand einer Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf Grund der Verfassungsbeschwerde einer Gemeinde (§ 91 BVerfGG) waren (BVerfGE 1, 167). Der Erste Senat hat in dem genannten Urteil lediglich die Vereinbarkeit der gerügten Regelungen mit den ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitbestimmenden Grundgesetzartikeln geprüft und festgestellt (BVerfGE 1, 167 [181]). Im Gegensatz dazu hat dieses Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die umfassende Nachprüfung der Vereinbarkeit der gerügten bundesgesetzlichen Bestimmungen mit dem Grundgesetz zum Ziel (BVerfGE 1, 14 [41]). Die Entscheidung des Ersten Senats vom 20. März 1952 steht also dem Antrag auf erneute verfassungsrechtliche Prüfung der §§ 14 Abs. 2 und 17 G 131 nicht entgegen.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat zwar in diesem Verfahren nicht die Stellung eines Beteiligten (BVerfGE 2, 307 [312]; sie war vielmehr nach § 77 BVerfGG nur zu hören. Es stand ihr aber frei, Anregungen in bezug auf den Gegenstand des Normenkontrollverfahrens zu geben. Das Bundesverfassungsgericht hat darum auch § 17 G 131 auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft.
C. -- I.
1. Die rechtlichen Gesichtspunkte, unter denen die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 2 G 131 zu prüfen ist, lassen sich in zwei Fragenkreise zusammenfassen:
a) Hat der Bundesgesetzgeber neben den Schranken aus Art. 131 GG auch andere, seine gesetzgeberische Zuständigkeit und Freiheit beschränkende verfassungsrechtliche Vorschriften zu be
BVerfGE 7, 305 (312):
achten, insbesondere die allgemeine Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung (Art. 72 ff. GG), die Vorschriften der Finanzverfassungsordnung (Art. 105, 106 GG), die Bestimmungen über die Selbständigkeit der Haushalte des Bundes und der Länder (Art. 109 GG) und die Vorschrift, daß der Bund grundsätzlich die Kriegsfolgelasten zu tragen hat (Art. 120 GG)?
b) Welche Schranken ergeben sich für den Bundesgesetzgeber aus Art. 131 GG? In diesen Zusammenhang gehört auch das Bedenken, das der Antragsteller aus "überpositivem Recht" herleitet.
2. Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst eine genauere Untersuchung des Inhalts des Art. 131 GG nötig. Infolge des totalen Zusammenbruchs von 1945 verloren viele Tausende von Beamten und anderen Bediensteten der öffentlichen Verwaltung ihr Amt. Zentralbehörden des Reichs und Preußens verschwanden; eine Reihe von staatlichen Behörden wurde aufgelöst, bisher staatliche, kommunale oder sonstige körperschaftliche Aufgaben wurden nicht oder nur in beschränkter Form fortgeführt; vielfach fiel der Dienstherr fort, insbesondere weil Teile des Reichsgebietes verloren gingen; im Zuge der kriegsbedingten Evakuierung, Abordnung, Versetzung einerseits und der Aufnahme Vertriebener und Flüchtlinge in das Bundesgebiet andererseits erhöhte sich die Zahl der nach 1945 nicht verwendeten Beamte beträchtlich; hinzu kam die große Gruppe der aus politischen Gründen aus ihrem Amt entfernten öffentlichen Bediensteten. Betroffen durch diese politischen Vorgänge einmaligen Ausmaßes waren gleichermaßen Bedienstete des Reichs, der Länder, der Gemeinden und anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften. Es war eine staatspolitische Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, in der sich der deutsche Staat neu organisierte, diese Verhältnisse für die Zukunft zu ordnen. Diese Aufgabe erforderte, gleichgültig wie immer man sie im einzelnen löste, außerordentliche finanzielle Mittel. Die gesetzgeberische Bewältigung dieser Aufgabe ist in Art. 131 GG dem Bund übertragen.
BVerfGE 7, 305 (313):
a) Geht man von diesem Sachverhalt aus, dann ist der Schluß zwingend, daß der Bundesgesetzgeber damit die Zuständigkeit zu einer umfassenden Regelung erhalten sollte und erhalten hat. Die allgemeine Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung (Art. 72 ff. GG) kann deshalb keine Schranke für den Erlaß des in Art. 131 GG geforderten Bundesgesetzes bilden. Ebensowenig können Rücksichten auf die Erhaltung der allgemeinen Ordnung des Finanzausgleichs und der selbständigen Haushaltswirtschaft, die das Grundgesetz ohne Rücksicht auf die sich aus Art. 131 GG ergebende besondere Belastung geschaffen hat, den Bundesgesetzgeber bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht aus Art. 131 GG binden. Insoweit enthält Art. 131 GG als lex specialis gegenüber Art. 72 ff., Art. 105, 106, 109 GG eine Sonderkompetenz. Das kommt auch im Grundgesetz mit ausreichender Deutlichkeit dadurch zum Ausdruck, daß Art. 131 GG außerhalb der Abschnitte "Die Gesetzgebung des Bundes" und "Das Finanzwesen" in den Abschnitt "Übergangs- und Schlußbestimmungen" aufgenommen wurde, der noch eine Reihe weiterer "Sonderkompetenzen" enthält.
b) Die Versorgung der zum Kreis der Flüchtlinge und Vertriebenen gehörenden und der aus politischen Gründen aus dem Amt entfernten Angehörigen des öffentlichen Dienstes erforderte Maßnahmen und Aufwendungen, die, wenn man den dargestellten Zusammenhang berücksichtigt, eine Folge des Krieges sind und unter den Begriff der Kriegsfolgelasten fallen. Art. 131 GG geht aber auch dem Art. 120 GG als Spezialbestimmung vor. Art. 120 GG bestimmt allgemein, daß der Bund die Kriegsfolgelasten zu tragen hat. Diese Regel schließt aber nicht aus, daß das Grundgesetz selbst davon eine Ausnahme zuläßt, wenn es die Eigenart einer einzelnen Kriegsfolgelast erfordert. Art. 131 GG hebt nun aus den verschiedenen Kriegsfolgelasten diese eine -Regelung der Verhältnisse der nicht wieder oder nicht wieder entsprechend verwendeten oder nicht versorgten Angehörigen des öffentlichen Dienstes -- besonders heraus und stellte sie unter den spezifischen Gesichtspunkt der Verantwortung der öffent
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lichen Hand für das Schicksal derer, die innerhalb der verschiedensten Dienstverhältnisse zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in besonders engen Beziehungen gestanden sind. So betrachtet liegt eine weitere Besonderheit dieser Kriegsfolgelast darin, daß, sowohl was die Verantwortung der öffentlichen Hand überhaupt, als auch die Zurechnung dieser Opfer des Zusammenbruchs zu den verschiedenen Dienstherren -- Reich, Länder, Gemeinden, Körperschaften -- anlangt, eine Beteiligung aller in der neuen staatlichen Form der Bundesrepublik vorhandenen öffentlichen Dienstherren an den Lasten, die mit der Erfüllung der Aufgabe aus Art. 131 GG verbunden sind, wenn nicht aus der Natur der Sache geradezu erfordert ist, so doch besonders naheliegt. Sie wird also von der weiten Ermächtigung dieses Artikels mit umfaßt.
Artikel 131 GG läßt offen, in welcher Weise die Rechtsverhältnisse des dort genannten Personenkreises neu geordnet werden sollen. Damit war die Möglichkeit eröffnet, daß das Bundesgesetz entweder vom Grundsatz der Unterbringung oder vom Grundsatz der Nichtwiederverwendung und bloßen Versorgung der Verdrängten ausging, oder aber beide Grundsätze kombinierte. Je nach der vom Gesetzgeber gewählten Art der Neuregelung der Verhältnisse sind zur Durchführung der Neuregelung mehr oder minder erhebliche finanzielle Aufwendungen erforderlich. Art. 131 GG kann deshalb nicht nur die enge Kompetenz enthalten, Rechtsverhältnisse im Sinne von Dienstverhältnissen der betroffenen Personen neu zu regeln, sondern er muß auch die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zu Vorschriften begründen, die die Art der Unterbringung und die Aufbringung der Mittel für die Versorgung durch alle öffentlichen Dienstherren in der Bundesrepublik regelt.
In dem dargelegten Umfang ist also der Bundesgesetzgeber bei der Erfüllung der ihm in Art. 131 GG übertragenen Aufgabe auch nicht an die Vorschrift des Art. 120 GG gebunden.
BVerfGE 7, 305 (315):
II.
1. Artikel 131 GG gibt für die Neuordnung der Verhältnisse des dort genannten Personenkreises einen außerordentlich weiten Raum gesetzgeberischer Freiheit (vgl. BVerfGE 1, 167 [176]; 3, 58 [134]). Gleichwohl ist diese Freiheit nicht grenzenlos. Zu den unüberschreitbaren Schranken gehört die Beachtung des aus dem Gleichheitssatz entwickelten Gebots, willkürliche Regelungen zu unterlassen, d. h. Regelungen, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheinen.
In diesem Zusammenhang ist der Hinweis Hamburgs bedeutsam, daß seine Lage sich von der anderer Länder grundlegend dadurch unterschied, daß es als Stadtstaat eine unverändert intakte, im wesentlichen personell voll ausgestattete Verwaltung über den Zusammenbruch hinaus besaß und behielt und nach besatzungsrechtlichem Befehl nicht in der Lage war, Flüchtlinge in seinen Dienst aufzunehmen, daß es also von vornherein anders als andere Dienstherren gar nicht imstande war und auch bis heute und in der Zukunft nicht imstande ist, die Unterbringungsquote zu erfüllen. Insofern habe das Gesetz von Hamburg allgemein und insbesondere, was die Dreimonatsfrist anlange, etwas Unmögliches verlangt. Durch die Ausgleichsbeträge nach § 14 Abs. 2 G 131 werde Hamburg im Verhältnis zu den übrigen Ländern ungleich stärker zu finanziellen Lasten herangezogen, ohne daß sich dafür ein sachlicher Grund anführen lasse. Die Ausgangslage sei für Hamburg ohne sein Verschulden eine andere als für viele andere Länder gewesen.
2. Diese Einwendungen lassen sich nicht würdigen, bevor nicht der rechtliche Charakter der Ausgleichszahlungen, die § 14 Abs. 2 G 131 von den Ländern fordert, klargestellt ist.
Das Bundesgesetz verbindet den Grundsatz der Unterbringung der Verdrängten mit dem der Versorgung derer, die nicht wiederverwendet werden können. Hinsichtlich der Unterbringung zieht es in Übereinstimmung mit dem oben dargelegten Prinzip der anteiligen Verantwortung aller öffentlichen Dienstherren für die
BVerfGE 7, 305 (316):
dem öffentlichen Dienst angehörenden Opfer des Zusammenbruchs die Länder, Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit einem Prozentsatz (20 v. H.) heran, der dem Anteil der Vertriebenen und Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung entspricht. Das ist gerechtfertigt, weil annäherungsweise dieser Prozentsatz auch zu einer Verteilung der zu dieser Gruppe gehörenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf Bund, Länder, Gemeinden und Körperschaften führt, entsprechend ihrer ursprünglichen Beziehungen zu einem der früheren Dienstherren -- Reich, Länder, Gemeinden und Körperschaften --, und eine sachgerechtere Aufschlüsselung des betroffenen Personenkreises in Anbetracht der vielfältig verwickelten Verhältnisse, die zu regeln waren, praktisch nicht durchführbar war. Soweit die Unterbringung nach dieser Regelung gelingt, verursacht sie den Ländern -- von mittelbaren, im Hinblick auf die Größe der Aufgabe verhältnismäßig geringfügigen und deshalb hier zu vernachlässigenden Aufwendungen für Wohnungsbeschaffung, Einarbeitung, Verwaltungserschwerung usw. abgesehen -- keinen zusätzlichen Aufwand an Personallasten. Der für die nicht wiederverwendeten Angehörigen des in Art. 131 GG genannten Personenkreises erforderliche Versorgungsaufwand ist nach der Konzeption des Gesetzes grundsätzlich vom Bund zu tragen (§ 57 G 131). Seine Größe hängt offenbar davon ab, wie weit die an der Unterbringung beteiligten anderen Dienstherren dieser ihrer Pflicht nachkommen. Mit anderen Worten: Der Bund wird durch jede Einstellung eines verdrängten Beamten entlastet. Auch jede Einstellung dieser Art, die zwischen dem Zusammenbruch und vor dem Erlaß des G 131 erfolgte, hatte eine den Bund finanziell entlastende Wirkung. Es ist nur folgerichtig, daß die Länder und Gemeinden, die -- aus welchen Gründen immer -- sich nicht anteilmäßig an dieser Form der Entlastung des Bundes beteiligt haben, in anderer Weise herangezogen werden. Das hat das Gesetz durch die Begründung der Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen zu erreichen versucht. Diese stellen also weder eine "Abgabe" noch ein "Zwangsmittel" zur Erzwingung der
BVerfGE 7, 305 (317):
Unterbringung dar, sondern eine finanzielle Beteiligung der Länder an der Last, die dem Bund, den Ländern, den Gemeinden und den anderen Körperschaften gemeinsam obliegende Aufgabe der Neuordnung der Verhältnisse des unter Art. 131 GG fallenden Personenkreises, verursacht -- übrigens eine Beteiligung, die der Höhe nach wesentlich unter dem Richtsatz bleibt, der für die Unterbringungsquote angemessen erschien. Daß sie nach dem Willen des Gesetzes mittelbar einen Anreiz zur raschen Einstellung nicht beschäftigter verdrängter Personen schaffen soll, ändert nichts an dem dargelegten Charakter der Ausgleichszahlungen.
3. Geht man von dieser Funktion des Ausgleichsbetrags innerhalb des Aufbaus des Gesetzes aus, dann verliert die in § 14 Abs. 2 G 131 genannte Dreimonatsfrist den Charakter einer Frist, innerhalb der die Erfüllung der Pflicht zur Unterbringung einer bestimmten Anzahl von verdrängten Beamten verlangt wird. Sie fixiert nur den Zeitpunkt, der nach dem Gesetz maßgeblich sein soll für den Sachverhalt, der seinerseits der Berechnung der Höhe des Ausgleichsbetrags zugrunde zu legen ist. Dann kann aber auch nicht mehr die Frage aufgeworfen werden, ob das Gesetz von einem Land, das bis zu jenem Zeitpunkt -- sei es auch aus Gründen, die außerhalb seiner Verantwortung liegen -- nicht die ihm auferlegte Quote von verdrängten Beamten unterbringen konnte, eine unmögliche Leistung fordert.
Ebensowenig kommt es nach den dargelegten Zusammenhängen für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausgleichszahlungen darauf an, ob ihre Leistung, wie die Bundesregierung meint, als eine facultas alternative anstelle der Unterbringung aufgefaßt werden kann. Es genügt deshalb hier der Hinweis, daß jedenfalls die Bezahlung des Ausgleichsbetrags das Land nicht von der Pflicht zur Einstellung befreit.
Sonach läßt sich nur noch fragen, ob die Regelung der Pflicht zur Leistung von Ausgleichsbeträgen, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, gegenüber Hamburg einen Mißbrauch der dem Gesetzgeber durch Art. 131 GG eingeräum
BVerfGE 7, 305 (318):
ten Ermessensfreiheit darstellt. Diese Frage fällt mit der anderen zusammen, ob die gewählte Regelung im Hinblick auf die Sonderlage Hamburgs willkürlich, d. h. unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt ist.
Bedeutsam für die Beurteilung dieses Problems ist, daß die getroffene Regelung nicht nur vom Blickpunkt eines Landes her, sondern auch vom Blickpunkt des an der Erfüllung der Aufgabe des Art. 131 GG und des zu seiner Ausführung ergangenen Gesetzes entscheidend mitbeteiligten Bundes zu betrachten ist. Vom Bund her gesehen erscheint es durchaus gerechtfertigt, daß alle Länder "anteilig" zur Entlastung des Bundes beitragen, d. h. daß sie, sofern ihnen das in der Form der Unterbringung eines Teils der verdrängten Beamten nicht gelingt, es durch entsprechend bemessene finanzielle Leistungen tun. So betrachtet kann von einer ungleich stärkeren Heranziehung Hamburgs gegenüber den anderen Ländern von vornherein nicht gesprochen werden. Aber auch von der Seite der Länder und ihrer Belastung her gesehen, erscheint die getroffene Regelung nicht willkürlich. Es ist zwar unverkennbar, daß ein Land, dem es früher oder später gelungen ist, die vom Gesetz geforderte Quote an verdrängten Personen des öffentlichen Dienstes unterzubringen -- was den finanziellen Aufwand für die verdrängten Beamten anlangt --, erheblich günstiger steht als ein Land, dem es nicht möglich war und ist, die geforderte Zahl von Verdrängten in seine Verwaltung aufzunehmen. Der Bundesgesetzgeber stand aber 1950/51 vor einer so außerordentlich schwierigen und komplexen Aufgabe, daß er sie praktikabel nur lösen konnte, wenn er von einigen wenigen leitenden Grundsätzen ausging. Mit Rücksicht auf die besonderen Schwierigkeiten dieser einmaligen Situation durfte er von dem gewiß groben und stark vereinfachenden Gesichtspunkt ausgehen, daß alle Länder gleichmäßig entsprechend der Größe ihres Gesamtpersonalaufwandes mit einem verhältnismäßig geringen Hundertsatz -- maximal 5% ihres Gesamtpersonalaufwandes -- zu Ausgleichsbeträgen herangezogen werden. Das war ein Gesichtspunkt, der sachlich vertretbar ist und der mit der in
BVerfGE 7, 305 (319):
gesetzgeberischer Freiheit gewählten Gesamtkonzeption des Gesetzes in Einklang steht.
III.
Auch § 17 G 131 hält sich im Rahmen der durch Art. 131 GG dem Bundesgesetzgeber eingeräumten Sonderkompetenz.
Der Bund war befugt, den Ländern und anderen öffentlich- rechtlichen Dienstherren Unterbringungspflichten aufzuerlegen. Er konnte demnach auch die Unterbringung näher regeln. § 17 G 131, der den Dienstherren die Zahlung eines bestimmten Betrages aufgibt, wenn sie Planstellen entgegen §§ 15 und 16 G 131 besetzen, bedeutet die Auferlegung einer Buße wegen schuldhafter Nichterfüllung der dem Bund gegenüber bestehenden Pflicht. Daß die Buße nur bei schuldhaften Zuwiderhandlungen verwirkt ist, ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut. Entsprechend den allgemein anerkannten rechtsstaatlichen Prinzipien muß § 17 G 131 aber in diesem Sinne ausgelegt werden. Die in den "Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Unterbringung nach Kapitel I des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 10. Juli 1953" (GMBl. S. 269) zu § 17 G 131 enthaltenen Bestimmungen zeigen, daß auch die Verwaltungspraxis diese Auslegung zugrunde legt. Geht man von dieser verfassungskonformen Deutung aus, bestehen gegen die Gültigkeit von § 17 G 131 keine Bedenken.
IV.
Demnach war festzustellen, daß die §§ 14 Abs. 2 und 17 G 131 dem Grundgesetz nicht widersprechen.