BVerfGE 33, 52; NJW 1972, 1934; DÖV 1972, 682

Daten

Fall: 
Zensur / Filmeinfuhrverbote
Fundstellen: 
BVerfGE 33, 52; NJW 1972, 1934; DÖV 1972, 682
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
25.04.1972
Aktenzeichen: 
1 BvL 13/67
Entscheidungstyp: 
Beschluss

Rechtsnormen

Seitennummerierung nach:

BVerfGE 33, 52

Seiten:


BVerfGE 33, 52 (52):
1. Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Regelung des Warenverkehrs gemäß Art. 73 Nr. 5 GG umfaßt auch die Befugnis, Filmeinfuhrverbote aus polizeilichen Gründen zu erlassen

2. Art. 5 Abs. 1 GG gebietet, § 5 Abs. 1 des Überwachungsgesetzes vom 24. mai 1961 (BGBL. I S. 607) dahin auszulegen, daß nur die Einfuhr von Filmen verboten ist, deren Inhalt tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Gedankens der Völkerverständigung gerichtet ist, und diese Schutzgüter gefährdet.

3. Zur Güterabwägung zwischen der Kunstfreiheitsgarantie (Art. 5 Abs. 3 GG) und den Belangen des Staatsschutzes bei der Einfuhr eines verfassungsfeindlichen Filmes, dem die Eigenschaft eines Kunstwerkes zukommt.


BVerfGE 33, 52 (53):

4. a) "Zensur" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG ist nur die Vorzensur.

b) Das Zensurverbot stellt eine absolute Eingriffsschranke dar, die keine Ausnahme, auch nicht durch allgemeine Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG zuläßt.

5. Die Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 2 des Überwachungsgesetzes verstößt nicht gegen das Zensurverbot.

Beschluß

des Ersten Senats vom 25. April 1972

-- 1 BvL 13/67 --

in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 (BGBl. I S. 607) - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichtes Frankfurt/Main vom 22. Mai 1967 (II/1 - 1118/66) -.

Entscheidungsformel:

§ 5 Absatz 1 und Absatz 2 des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 607) sind in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe:

A. -- I.

1. Das Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 - BGBl. I S. 607 - (im folgenden: Überwachungsgesetz - GÜV -) enthält in seinem Zweiten Abschnitt ein Verbringungsverbot für verfassungsfeindliche Filme.

§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 GÜV lauten:

(1) Es ist verboten, Filme, die nach ihrem Inhalt dazu geeignet sind, als Propagandamittel gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu wirken, in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, soweit dies dem Zwecke der Verbreitung dient. Dieses Verbot steht der Abfertigung durch die Zolldienststellen nicht entgegen.


BVerfGE 33, 52 (54):
(2) Wer Filme in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt, hat eine Kopie jedes Filmes dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft innerhalb einer Woche nach dem Verbringen vorzulegen. Durch Rechtsverordnung der Bundesregierung kann bestimmt werden, daß Filme aus bestimmten Ländern der Vorlagepflicht nicht unterliegen.

Durch Verordnung vom 12. Oktober 1961 (BGBl. I S. 1873) hat die Bundesregierung Filme zahlreicher Ursprungsländer - jedoch nicht der Ostblockstaaten - von der Vorlagepflicht befreit.

Ist ein Film entgegen dem mit keiner Strafsanktion bewehrten Verbot des § 5 Abs. 1 GÜV in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht worden, so stellt das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft gemäß § 5 Abs. 4 GÜV unverzüglich den Verstoß gegen das Verbot fest und fordert den Verbringenden auf, die eingeführten Kopien des Films auszuhändigen.

2. Der Kläger des Ausgangsverfahrens besuchte im Jahre 1966 die Leipziger Messe. Von dort brachte er eine Kopie des DEFA-Films "Der lachende Mann" mit in die Bundesrepublik. Den Film führte er an verschiedenen Orten des Bundesgebietes öffentlich vor.

Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft forderte den Kläger auf, eine Kopie des Films gemäß § 5 Abs. 2 GÜV unverzüglich dem Amt vorzulegen. Dies lehnte der Kläger ab. Daraufhin wiederholte das Bundesamt seine Aufforderung unter der Androhung eines Zwangsgeldes. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den das Bundesamt als unbegründet zurückwies. Nunmehr erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Frankfurt Anfechtungsklage.

II.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Überwachungsgesetzes in Verbindung mit der Verordnung vom 12. Oktober 1961 die Art. 5 Abs. 1, 19 Abs. 1 und 70 bis 75 des Grundgesetzes verletzen.


BVerfGE 33, 52 (55):
Dazu führt es aus, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GÜV seien verfassungswidrig.

1. Dem Bund fehle die Zuständigkeit zum Erlaß dieser Bestimmungen. Sie ergebe sich weder ausdrücklich aus dem Katalog der Art. 73 ff. GG noch aufgrund Sachzusammenhangs mit den in Art. 73 Nr. 1 und Nr. 5, Art. 74 Nr. 11 und Art. 75 Nr. 2 GG dem Bund zugewiesenen Kompetenzen noch aus der Natur der Sache.

2. § 5 Abs. 1 GÜV schränke die Freiheit der Berichterstattung - der Film "Der lachende Mann" sei ein Dokumentarfilm und damit ein berichterstattender Film im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - und die Informationsfreiheit jedes Staatsbürgers ein. Beide Grundrechte seien zwar durch allgemeine Gesetze einschränkbar; diese Gesetze dürften sich jedoch nicht gegen eine Meinung als solche richten und müßten dem Schutz eines Gemeinschaftswertes dienen, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang habe.

Durch die Verordnung vom 12. Oktober 1961 würden nur Filme aus den Ostblockländern der Vorlagepflicht unterworfen; damit werde die Durchsetzungsfähigkeit des Verbots nach § 5 Abs. 1 GÜV auf eine bestimmte Berichterstattung beschränkt, was effektiv eine Diskriminierung der sozialistischen (kommunistischen) Gesellschaftsauffassung bedeute. § 5 Abs. 1 GÜV sei daher kein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. Er dehne den Schutz des Staates gegenüber den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechten über das erforderliche Maß hinaus aus. Die Überwachung des berichterstattenden Films auf verfassungsfeindliche Darstellungen lasse sich auch ohne diskriminierende Maßnahmen erreichen. Lebenselement der Demokratie sei der Kampf der Meinungen. Die Informationsfreiheit, beruhend auf der Berichterstattungsfreiheit, garantiere "ein Maximum an Mannigfaltigkeit von Einsatzpunkten im öffentlichen Meinungsprozeß". Die öffentliche Auseinandersetzung gerade mit der sozialistischen (kommunistischen) Gesellschaftsauffassung sei von entscheidender Wichtigkeit. Der Staatsschutz stehe zu dieser Wer


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tung nicht im Gegensatz, sondern sei als Garantie der Grundentscheidung zum demokratischen Staat zu verstehen. Dies ergebe sich aus Art. 79 Abs. 3 GG. Jede Regelung, die die dort geschützte Freiheit zum Teil oder ganz aufhebe, sei verfassungswidrig. Das sei bei § 5 Abs. 1 GÜV der Fall; denn er verbiete jede Form der Propagandawirkung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Der Begriff "Propagandamittel" sei denkbar schillernd und nur in geringem Umfang sachlogisch interpretierbar. Das biete die Möglichkeit, politische Meinungen zu manipulieren und politische Informationen zu unterschlagen. Erst wenn die politische Meinung in systematisch organisierte Aktion gegen die Verfassung übergehe, sei ein Eingriff des Staates fällig. § 5 Abs. 1 GÜV wolle aber nicht solche systematische Agitation treffen, sondern ermögliche Beschränkungen in dem notwendig eingriffsfreien Vorbereich.

3. Die Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GÜV verstoße gegen das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG. Unter Zensur sei das Abhängigmachen der Verbreitung von Geisteswerken von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung ihres Inhalts zu verstehen. Zulässig seien daher Vorschriften, die Filmaufführungen nicht für erlaubnispflichtig, sondern nur für anzeigepflichtig oder verbietbar im Falle eines Verstoßes gegen allgemeine Gesetze erklärten. Der faktische Verfahrensablauf nach dem Überwachungsgesetz stelle jedoch eine Vorzensur dar. Die Filmkopie müsse innerhalb einer Woche nach dem Verbringen in die Bundesrepublik vorgelegt werden. Der Verbringende werde häufig schon aus finanziellen Gründen keine weitere Kopie herstellen lassen können. Auch würden Filmaufführungen langfristig geplant. Der Verbringende stehe zudem unter der Strafdrohung des § 93 StGB (a. F.) und werde deshalb zunächst eine Entscheidung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft abwarten. Die Möglichkeit der Filmaufführung ohne behördliche Vorprüfung sei daher tatsächlich nicht gegeben.

4. Schließlich seien die §§ 5 ff. GÜV wegen Verletzung des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig; denn das durch § 5 Abs. 1


BVerfGE 33, 52 (57):
GÜV eingeschränkte Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG sei im Gesetz nicht genannt.

III.

1. Der Bundesminister des Innern, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Vorlage für zulässig; die beanstandete Regelung ist nach seiner Ansicht verfassungsgemäß.

Die Kompetenz des Bundes zum Erlaß des Überwachungsgesetzes ergebe sich unmittelbar aus Art. 73 Nr. 5 GG, der den Gesetzgeber auch zur Anordnung einer Kontrolle des Warenverkehrs aus polizeilichen Gründen ermächtige.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Einfuhr von Filmen überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG falle. Jedenfalls stelle § 5 GÜV eine nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässige Schranke der freien Meinungsäußerung dar. § 5 Abs. 1 GÜV räume dem Schutz des Staates in verfassungsmäßiger Weise einen höheren Rang ein als der unbeschränkten Verbringung von Filmen.

Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG sei nicht verletzt. Verboten sei nur die Vorzensur als staatliches Genehmigungsverfahren, das sich auf den geistigen Inhalt eines Presse- oder Filmerzeugnisses erstrecke.

Im übrigen beziehe sich die Wochenfrist des § 5 Abs. 2 Satz 1 GÜV allein auf die Vorlagepflicht. Maßnahmen gegen den Film könnten schon vor Ablauf der Wochenfrist getroffen werden, wie umgekehrt der Film auch nach Ablauf dieser Frist bis zur Entscheidung nach § 5 Abs. 4 GÜV frei vorführbar bleibe. Eine Zensur werde auch nicht dadurch geschaffen, daß der Importeur mit einer Absetzung des Films vom Spielplan rechnen müsse. Das Risiko, gegen gesetzliche Verbote zu verstoßen, müsse jeder tragen.

2. Das Bundesverwaltungsgericht (VII. Senat) neigt dazu, die Verfassungsmäßigkeit des § 5 GÜV zu bejahen.

3. Die vom Kläger des Ausgangsverfahrens erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken decken sich im wesentlichen mit den Gründen, die das Verwaltungsgericht zur Vorlage veranlaßt haben. Zur Frage einer Verletzung des Zensurverbots führt er noch


BVerfGE 33, 52 (58):
aus, die Einfuhr von Filmen unterliege gemäß § 17 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961 - BGBl. I S. 481 - (AWG) und § 48 der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung - AWV) vom 22. August 1961 in der Fassung vom 20. Dezember 1966 - BGBl. 1967 I S. 1 - der Genehmigung durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft. Diese Genehmigung werde nicht erteilt, wenn nicht vorher eine Prüfung nach § 5 Abs. 1 GÜV stattgefunden habe.

B.

Die Vorlage ist zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GÜV zur Prüfung gestellt. Unmittelbare rechtliche Entscheidungsgrundlage ist für das vorlegende Gericht allerdings nur § 5 Abs. 2 GÜV. Entfiele die dort festgelegte Pflicht zur Vorlage des Films, so würde das Gericht anders entscheiden als bei Gültigkeit dieser Norm. Hingegen spielt die materielle Verbotsvorschrift des § 5 Abs. 1 GÜV im Ausgangsverfahren unmittelbar keine Rolle; denn Gegenstand dieses Verfahrens ist nur die Pflicht, den Film beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vorzulegen.

Für die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG genügt jedoch auch mittelbare Entscheidungserheblichkeit (BVerfGE 20, 296 [303]; 20, 312 [316 f.], jeweils mit Nachweisen), die das Verwaltungsgericht für § 5 Abs. 1 GÜV ersichtlich angenommen hat. Zwar käme es auf die Gültigkeit des § 5 Abs. 1 GÜV nicht mehr an, wenn § 5 Abs. 2 GÜV schon aus sich heraus wegen Verstoßes gegen das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nichtig wäre. Gleichwohl ist die mittelbare Entscheidungserheblichkeit des § 5 Abs. 1 GÜV angesichts der engen Verknüpfung beider Absätze - auch aus prozeßökonomischen Gründen - zu bejahen. Entfiele nämlich das Verbot des § 5 Abs. 1 GÜV, so würde damit auch § 5 Abs. 2 GÜV gegenstandslos; denn diese Bestimmung sichert nicht auch zugleich die strafrechtlichen Verbringungsverbote. Dies ergibt die Gesetzessystematik des § 5 GÜV, der in unmittelbarem Anschluß an die Normierung des


BVerfGE 33, 52 (59):
Verbringungsverbotes in Abs. 1 das Vorlageverfahren in Abs. 2 regelt. Nach § 5 Abs. 3 GÜV bleiben strafrechtliche Einfuhr- und Verbreitungsverbote sowie die §§ 1 bis 4 GÜV unberührt. Das besagt, daß die Kontrollmaßnahmen zur Überwachung strafrechtlicher Verstöße abschließend im ersten Abschnitt des Überwachungsgesetzes (§§ 1 bis 4) ihren Standort haben, während das Verfahren nach § 5 Abs. 2 GÜV einem anderen Zweck dient. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Betrauung des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft mit der Überprüfung im Vorlageverfahren nach § 5 Abs. 2 GÜV. Dieses Bundesamt ist - anders als die Hauptzollämter nach § 2 GÜV - nicht verpflichtet, bei strafrechtlichem Verdacht die Filme der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Das zeigt, daß das Verfahren nach § 5 Abs. 2 GÜV nicht der Überwachung der strafrechtlichen Verbringungsverbote dient. Hiervon ging auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus dem Bericht des Außenhandelsausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf des Überwachungsgesetzes ergibt. Dort wird zu § 5 GÜV bemerkt: "Die in § 5 Abs. 2 Satz 1 festgelegte Meldepflicht soll es den zuständigen Behörden ermöglichen, festzustellen, ob das Verbringungsverbot des § 5 Abs. 1 beachtet wird ... § 5 Abs. 3 stellt klar, daß die strafrechtlichen Einfuhr- und Verbreitungsverbote sowie die §§ 1 bis 4 des Entwurfs unberührt bleiben" (BTDrucks. III/2387 S. 2).

Nach dem Tenor des Vorlagebeschlusses soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt werden, ob § 5 Abs. 1 und 2 GÜV ... "in Verbindung mit" der Durchführungsverordnung zum Überwachungsgesetz das Grundgesetz verletzen. Hätte das Verwaltungsgericht damit auch die Durchführungsverordnung im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung stellen wollen, so wäre dies allerdings unzulässig (vgl. BVerfGE 1, 184 [189 ff., 201] und ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Ersichtlich sollte jedoch der Hinweis auf die Durchführungsverordnung nur verdeutlichen, daß die in § 5 Abs. 2 GÜV normierte Pflicht auf eine Diskriminierung bestimmter Gesellschaftsauffassungen angelegt sei. Ob diese Ansicht des Ver


BVerfGE 33, 52 (60):
waltungsgerichts zutrifft, spielt bei der Zulässigkeitsprüfung keine Rolle.

C.

§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 GÜV sind bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Dem Bund steht die Gesetzgebungskompetenz zum Erlaß dieser Bestimmungen zu.

1. Dem vorlegenden Gericht ist allerdings darin beizupflichten, daß diese Zuständigkeit nicht aus Art. 73 Nr. 1 GG abgeleitet werden kann. Auswärtige Angelegenheiten im Sinne dieser Grundgesetzvorschrift sind nur die Beziehungen, die sich aus der Stellung der Bundesrepublik als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten ergeben. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GÜV haben als Normadressaten Einzelpersonen.

2. Die Bundeskompetenz zum Erlaß dieser Vorschriften ergibt sich vielmehr unmittelbar aus Art. 73 Nr. 5 GG ("Freizügigkeit des Warenverkehrs" und "Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande").

a) Unbedenklich ist es in diesem Zusammenhang, daß das Verbot des § 5 Abs. 1 GÜV auch die Verbringung von Filmen aus der DDR trifft. Die Handelsbeziehungen zwischen den Währungsgebieten der DM-West und der DM-Ost gehören auf jeden Fall zu den in Art. 73 Nr. 5 GG bezeichneten Sachgebieten, auf denen dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit zusteht.

b) Das Verbringen von Filmen in den Geltungsbereich des Überwachungsgesetzes ist "Warenverkehr" im Sinne des Art. 73 Nr. 5 GG. Waren sind bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 AWG). Nur das Abstellen auf die abstrakte Eignung als Gegenstand des Handelsverkehrs wird dem Sinn und Zweck des Art. 73 Nr. 5 GG gerecht. Ob der Verkehrsvorgang im Einzelfall - wie hier im Ausgangsverfahren - unentgeltlich erfolgt, ist in diesem Zusammen


BVerfGE 33, 52 (61):
hang ohne Bedeutung. Filme verkörpern einen wirtschaftlichen Wert und können Gegenstand des Handelsverkehrs sein. Sie sind "Waren" im Sinne des Art. 73 Nr. 5 GG. Dem steht nicht entgegen, daß der Film als Geisteswerk in seinem kulturellen Bezug und als Massenkommunikationsmittel auch anderen Kategorien zugeordnet werden kann.

c) Gegen die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 73 Nr. 5 GG wird das Bedenken erhoben, es handle sich bei dem Verbot des § 5 Abs. 1 GÜV und der Vorlagepflicht gemäß § 5 Abs. 2 GÜV um "reines Sicherheitsrecht unter dem Blickpunkt des Staatsschutzes". Der Film werde hier nicht als Ware, sondern als Mittler von Meinungen angesprochen. Für das Verbringungsverbot des § 5 Abs. 1 GÜV seien, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich zeige (vgl. zu BTDrucks. III/2386 S. 9), wirtschaftspolitische Erwägungen ohne jede Bedeutung gewesen. Auf dem Gebiet des Polizeirechts stehe dem Bund aber keine Gesetzgebungskompetenz zu. Einfuhrverbote aus polizeilichen Gründen unterfielen nicht dem Art. 73 Nr. 5 GG (vgl. Wohland, DVBl. 1969, S. 486 [489] mit weiteren Nachweisen).

Diese Bedenken erweisen sich jedoch als unbegründet.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt darauf hingewiesen, daß im Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Blick auf die Weimarer Reichsverfassung (WRV) formuliert worden sind (BVerfGE 3, 407 [414 f.]; 12, 205 [226]; 26, 281 [299]). Soweit das Grundgesetz "Materien aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen hat, muß angenommen werden, daß sie in demselben Sinne zu verstehen sind, wie dies in der Weimarer Reichsverfassung der Fall war" (BVerfGE 3, 407 [415]). Als Vorgänger des Art. 73 Nr. 5 GG kommen die Art. 6 Nr. 6 und 82 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung in Betracht, die ihrerseits Unklarheiten über die Kompetenzverteilung im Kaiserreich ausräumen sollten.

Die Reichsverfassung von 1871 (RV) hatte das Prinzip der Einheit des deutschen Zoll- und Handelsgebietes in Art. 33 zum Reichsverfassungsrecht erhoben. Nach Art. 35 stand dem Reich


BVerfGE 33, 52 (62):
die ausschließliche Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen zu. Die Handelsgesetzgebung hingegen gehörte nach Art. 4 Nr. 2 RV zur konkurrierenden Gesetzgebung. Besondere Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenz des Reiches hinsichtlich der Freiheit des Warenverkehrs bestanden nicht. Zur Frage der Kompetenz zum Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten aus polizeilichen Gründen wurde die Ansicht vertreten, daß die einzelnen Bundesstaaten dem Grundsatz nach zum Erlaß von Einfuhr- und Ausfuhrverboten nicht berechtigt seien, weil solche Verbote gegen die Art. 33 und 35 RV verstießen. Eine andere Meinung ging dahin, Ein- und Ausfuhrverbote hätten an und für sich zum Zollwesen keinen Bezug; sie erhielten diese Beziehung erst durch einen zoll- oder handelspolitischen Zweck. Das Reich sei zum Erlaß von Ein- und Ausfuhrverboten nur insoweit zuständig, als das Rechtsgebiet, in dem das Verbot seinen Ursprung habe, zu seiner Zuständigkeit gehöre. Daneben könnten die Bundesstaaten aus eigenem Recht Verbote auf solchen Gebieten erlassen, die ihrer Regelung freigegeben seien (vgl. hierzu die Übersicht bei Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, 2. Aufl., 1930, 2. Bd. S. 502).

In Friedenszeiten scheint diese Kontroverse im staatsrechtlichen Schrifttum keine große Bedeutung für die Staatspraxis gewonnen zu haben. Hingegen ergaben sich im ersten Weltkrieg offenbar Unzuträglichkeiten infolge von einzelstaatlichen und kommunalen Absperrungen bei der Lebensmittelversorgung. Die Beratungen in der verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung wurden durch den Wunsch bestimmt, solchen Mißbräuchen in der neuen Verfassung vorzubeugen (vgl. Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung - Verfassungsausschuß -, 39. Sitzung, S. 22 ff.). Eingriffe in die Freizügigkeit des Warenverkehrs sollten in Zukunft von Verfassungs wegen dem Reiche vorbehalten bleiben. Dieses Bestreben fand in der Weimarer Verfassung seinen Niederschlag in zweifacher Hinsicht:

In Art. 6 Nr. 6 wurde die "Freizügigkeit des Warenverkehrs"


BVerfGE 33, 52 (63):
der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches zugewiesen, so daß diese Vorschrift lautete:

Artikel 6

Das Reich hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1. bis 5. ...

6. das Zollwesen sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets und die Freizügigkeit des Warenverkehrs;

7....

Dem Art. 82, der im Anschluß an Art. 33 RV Deutschland als einheitliches Zoll- und Handelsgebiet statuierte, wurde der folgende Absatz 6 angefügt:

die sich im freien Verkehre des Reichs befinden, dürfen über die Grenze der Länder und Gemeinden ein-, aus- oder durchgeführt werden. Ausnahmen sind auf Grund eines Reichsgesetzes zulässig.

Ein im § 80 Abs. 5 des Regierungswurfs (= Art. 82 Abs. 6 WRV) enthaltener Zusatz

"Ausnahmen können für Gegenstände der Staatsmonopole sowie aus militärischen oder polizeilichen Gründen für den ganzen Umfang oder einen Teil des Reichsgebiets angeordnet werden"

wurde gestrichen, weil man befürchtete, daraus könne eine Länderzuständigkeit hergeleitet werden.

Nach dieser Entwicklung war es im wissenschaftlichen Schrifttum zur Weimarer Verfassung, soweit ersichtlich, einmütige Ansicht, daß Ein- und Ausfuhrverbote - sei es für aus dem Ausland oder aus anderen deutschen Ländern stammende Waren - nur vom Reich erlassen werden könnten (vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, Art. 82 Anm. 5; Hatschek, a.a.O., S. 501 f., jeweils mit weiteren Nachweisen; Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches, 1932, Art. 82 Anm. 12). Dabei wurde es als unerheblich angesehen, ob die Verbote aus außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen, finanziellen oder polizeilichen Gründen ergingen;


BVerfGE 33, 52 (64):
den Ländern seien alle Einfuhr- und Ausfuhrverbote aus eigener Zuständigkeit versagt, auch die aus polizeilichen Motiven (so ausdrücklich Anschütz und Hatschek, a.a.O.).

In Art. 73 Nr. 5 GG sind die Wendungen "Einheit des Zoll- und Handelsgebietes" und "Freizügigkeit des Warenverkehrs" unverändert aus Art. 6 Nr. 6 WRV übernommen worden. Sie wurden ergänzt durch den Ausdruck "Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande". Aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates (vgl. JbÖffR N. F., Bd. 1, S. 475) ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß man mit diesen Begriffen andere Vorstellungen über die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern verbunden hätte, als dies bei Art. 6 Nr. 6 WRV für das Verhältnis Reich - Länder der Fall war.

Dagegen läßt sich nicht einwenden, die Zuständigkeit des Reichs für Einfuhrverbote aus polizeilichen Gründen habe sich unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung nicht allein aus Art. 6 Nr. 6, sondern aus dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 82 Abs. 6 und Art. 9 Nr. 2 WRV ergeben. Daß im Grundgesetz eine diesen Bestimmungen der Weimarer Verfassung entsprechende Vorschrift fehlt, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos; denn auch in der Weimarer Zeit ist die Gesetzgebungszuständigkeit des Reichs allein aus Art. 6 Nr. 6 WRV hergeleitet worden (vgl. Anschütz und Gebhard, a.a.O.).

Nach alledem ist Art. 73 Nr. 5 GG in Übereinstimmung mit Art. 6 Nr. 6 WRV dahin auszulegen, daß dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für alle Wareneinfuhr- und -ausfuhrverbote - auch aus polizeilichen Gründen - zusteht.

3. Bei dieser Rechtslage kann offenbleiben, ob sich eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auch aus Art. 75 Nr. 2 GG (Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse und des Films) herleiten ließe. Jedenfalls würde die Regelung einer Einzelfrage die Grenzen der Rahmengesetzgebung dann noch nicht überschreiten, wenn an der einheitlichen Regelung dieser Frage ein besonders starkes und legitimes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 7, 29 [41 f.]).


BVerfGE 33, 52 (65):
II.

§ 5 Abs. 1 GÜV ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß das Einfuhrverbot nur Filme trifft, deren Inhalt tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Gedankens der Völkerverständigung gerichtet ist und diese Schutzgüter gefährdet.

1. Das Verbringungsverbot des § 5 Abs. 1 GÜV bewirkt, daß Bürger der Bundesrepublik daran gehindert werden, bestimmte Filme zu sehen. Dies berührt das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit). Inhalt und Tragweite dieses selbständigen und gleichwertig neben den anderen Rechten aus Art. 5 GG stehenden Grundrechts hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Oktober 1969 (BVerfGE 27, 71 [80 ff.]) des näheren bestimmt.

a) Filme gehören zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen, da sie technisch geeignet und dazu bestimmt sind, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Die allgemeine Zugänglichkeit richtet sich allein nach tatsächlichen Kriterien; durch Rechtsvorschriften - wie hier durch ein gesetzliches Verbringungsverbot - wird sie nicht in Frage gestellt. Es genügt für die Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 GG, daß die Informationsquelle im Ausland allgemein zugänglich ist (BVerfGE 27, 71 [83 f.]).