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Anfechtungsklage - Schema
Die Anfechtungsklage hat als Gestaltungsklage das Ziel die Rechtslage zu verändern. Die intendierte Veränderung besteht in der Aufhebung eines Verwaltungsaktes (§ 113 I 1 VwGO). Die Anfechtungsklage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Sachentscheidungsvoraussetzungen
Die Klage ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen.
- Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I VwGO1
- Statthafte Klageart, § 42 I Alt. 1 VwGO
Die richtige Klageart richtet sich grundsätzlich unter Würdigung der Sachumstände und der Rechtslage nach dem Begehren des Klägers (§ 88 VwGO). Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes begehrt wird.- Vorliegen eines Verwaltungsaktes, § 35 VwVfG
- keine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, § 44 VwVfG
- keine Aufhebung (§§ 48, 49 VwVfG) oder anderweitige Erledigung (§ 43 II VwVfG) des Verwaltungsaktes
- Gegenstand der Anfechtungsklage, § 79 I Nr. 1 VwGO
- Sonderfälle: Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten (§ 43 II VwVfG), Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen (§ 36 II VwVfG)
- Klagebefugnis, § 42 II VwGO
- Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO
- Erforderlichkeit des Vorverfahrens (Ausnahme: § 68 I 2 VwGO)
- Ordnungsgemäße Einlegung des Widerspruchs (§ 70 VwGO)
- Erfolglosigkeit des Widerspruchs
- Klagefrist, § 74 I VwGO
- innerhalb eines Monats
- Fristbestimmung nach §§ 57 II VwGO, 222 I ZPO, 187 BGB
- Zuständigkeit des Gerichts
- Sachliche Zuständigkeit, §§ 45 ff. VwGO
- Örtliche Zuständigkeit, § 52 VwGO
- Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO
- Prozessfähigkeit, § 62 VwGO
- Richtiger Klagegegner, § 78 VwGO
- *Ordnungsgemäße Vertretung, § 62 III VwGO
- Ordnungsgemäße Klageerhebung11, §§ 81 f. VwGO
- Keine entgegenstehende Rechtskraft, §§ 121, 173 VwGO i.V.m. 705 ZPO
- Keine anderweitige Rechtshängigkeit, §§ 90, 173 VwGO i.V.m. 17 I S. 2 GVG
- Allgemeines Rechtschutzbedürfnis
- Fehlt, wenn das Klageziel auf andere Weise effektiver erreicht werden kann.
2. Klagehäufung/Beiladung
- 12Klagehäufung, § 44 VwGO13
- subjektive Klagehäufung14 (mehrere Kläger/Beklagte): Streitgenossenschaft15, z.B. wegen Gleichartigkeit der Ansprüche nach § 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO. Wirkung der Streitgenossenschaft: Prozessuale Selbstständigkeit der Beteiligten nach § 61 ZPO.16
- objektive Klagehäufung (mehrere Klagebegehren): Wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang17 stehen und dasselbe Gericht zuständig ist (§ 44 VwGO).
- Beiladung, § 65 VwGO
3. Begründetheit
Die Klage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO). Das Gericht wird dann den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid gemäß § 113 I 1 VwGO aufheben.
- Ermächtigungsgrundlage
- Erforderlichkeit: Jeder belastende Verwaltungsakt bedarf infolge des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalt nach Art. 20 III GG einer Rechtsgrundlage.
- Pluralität: Bei mehreren Ermächtigungsgrundlagen muss sich für eine entschieden werden (Spezialitätsgrundsatz).
- Wirksamkeit: Die Ermächtigungsgrundlage darf nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Bei Rechtsverordnungen zählen auch formelle Gesetze dazu.18
- Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
- Zuständigkeit (in speziellen Ländergesetzen; ferner § 3 VwVfG)
- Verfahren (§ 9 VwVfG; sowie Spezialgesetze, z.B. § 35 IV GewO; Anhörung, § 28 VwVfG bzw. nachgeholt § 45 I Nr. 3, II VwVfG)
- Form (§ 37 II VwVfG, Begründung nach § 39 VwVfG)
- Materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
Prüfung der Spezialgesetze des besonderen Verwaltungsrechts (Baurecht, Polizeirecht etc.).- Tatbestandlicher Beurteilungsspielraum
- Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt
- richtiges Verfahren eingehalten
- keine sachfremden Erwägungen
- allgemeingültige Maßstäbe
- Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip 19
- Tatbestandlicher Beurteilungsspielraum
- Rechtsverletzung des Klägers
Die Anfechtungsklage dient gemäß § 113 I 1 VwGO dem Individualschutz („Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist“). Hier ist auf die in der Klagebefugnis erwähnten Rechte konkret einzugehen.
- 1. Kurzer Standardsatz bei unproblematischem Vorliegen aller Punkte: „Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 I VwGO ist eröffnet, da es sich um eine Streitigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt, die nicht verfassungsrechtlicher Art ist und für die keine anderweitige Zuweisung besteht.“
- 2. Zu Bejahen, wenn sich das Klagebegehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützt. Qualifikation nach den Abgrenzungstheorien (vgl. Hufen, § 11, Rn. 13 ff.) und Kombinationsmodellen (vgl. Hufen, § 11, Rn. 18 ff.).
- 3. Zurückzuführen auf Ulpians Gegenüberstellung: „Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem“.
- 4. Stellt auf die Über- und Unterordnung zwischen Hoheitsträger (Staat) und Bürger ab und stellt es der grundsätzlichen Gleichordnung des Zivilrechtes gegenüber. Kennzeichnend für die Subordination ist die Befugnis/Legitimation zum Erlass von Regelungen mit einseitiger Verbindlichkeit (für den Bürger); vgl. auch BGHZ 14, 222, 227; 97, 312, 314.
- 5. Auch als Zuordnungs- oder Sonderrechtstheorie bekannt. Bezugspunkt ist das Zuordnungssubjekt des maßgeblichen Rechtssatzes. Dem öffentlichen Recht zugehörig ist danach eine Streitigkeit dann, wenn nur der Staat oder eine vergleichbare Körperschaft entsprechend berechtigt oder verpflichtet ist.
- 6. Sofern keine am Verfassungsleben unmittelbar beteiligten Organe oder Organteile um materielles Verfassungsrecht streiten (doppelte Verfassungsunmittelbarkeit).
- 7. Eine aufdrängende Sonderzuweisungen besteht, wenn eine bestimmte Streitigkeitsart einem Verwaltungsgericht zugeordnet wird; sie geht der Generalklausel nach § 40 I VwGO vor.
- 8. Für das Polizeirecht gilt: Wenn eine Maßnahme der Strafverfolgung dient, ist der Fall den Strafgerichten zugewiesen. Für repressive Akte ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, für präventive Akte hingegen der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO.
- 9. Zumindest besteht hier stets die Möglichkeit, dass dieser in seinen Rechten aus Art. 2 I GG verletzt sein könnte.
- 10. Substantiierte Darlegung, dass zumindest die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte besteht (BVerwG, 17.05.2000 - 6 CN 3.99; BVerwG, 24.09.1998 - 4 CN 2.98).
- *. Die nachfolgenden Punkte können, sofern sie unproblematisch sind, nur kurz abgehandelt werden.
- 11. Alternativ auch unter dem Titel Klageform.
- 12. Klagehäufung und Beiladung stellen keine Zulässigkeitsvoraussetzungen dar und sollten daher gesondert geprüft werden. Dies kann einleitend auch vor den Sachentscheidungsvoraussetzungen erfolgen.
- 13. Trennungsmöglichkeit der Verfahren nach § 93 VwGO.
- 14. Da eine subjektive Klagehäufung zugleich auch eine objektive Klagehäufung darstellt, müssen zudem analog die Voraussetzungen des § 44 VwGO vorliegen. Vgl. hierzu Gottwald, JA 1982, 64, 65; BeckOK-VwGO/Kintz, § 64, Rn. 4; Schoch/Bier, § 64, Rn. 8; MüKo-ZPO/Schultes, § 59 Rn. 10.
- 15. Zur Streitgenossenschaft: Deckenbrock/Dötsch, JA 2003, 882; BeckOK-VwGO/Kintz, § 64, Rn. 4 f.; Schoch/Bier, § 64, Rn. 7.
- 16. Weshalb das Gericht für jeden Streitgenossen die Sachentscheidungsvoraussetzungen gesondert prüft; vgl. BeckOK-VwGO/Kintz, § 64, Rn. 6. Dies schließt jedoch keine sinnvolle gesonderte Prüfung unter gleichen Abschnitten oder die gemeinsame Prüfung identischer Voraussetzungen aus.
- 17. Verlangt die Klärung Sachverhalts- oder Rechtsfragen. Vgl. Schoch/Pietzcker, § 44, Rn. 7; BeckOK-VwGO/Wolff, § 44, Rn. 7. Im Übrigen kann hierbei wegen der nachträglichen Möglichkeit der Prozesstrennung nach § 93 VwGO extensiv verfahren werden.
- 18. Regelmäßig muss bei formellen Gesetzen die Wirksamkeit nicht geprüft werden; bei Rechtsverordnungen oder Satzungen hingegen schon.
- 19. Vgl. § 114 S. 1 VwGO: Ermessensfehler sind danach ein Ermessensausfall, eine Ermessensüberschreitung (Alt. 1) oder ein Ermessensfehlgebrauch (Alt. 2).
- 20. Welches Mittel wird zur Zweckerreichung eingesetzt.
- 21. Ein Eingriff ist geeignet, wenn er den angestrebten Zweck zumindest fördert. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überlässt jedoch dem Normgeber bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung dieses Ziels für geeignet halten darf, eine weite Einschätzungsprärogative. Die Einschätzung des Normgebers kann daher erst dann beanstandet werden, wenn das eingesetzte Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels evident ungeeignet war.
- 22. Ein Eingriff ist geeignet, wenn nicht mildere, gleich geeignete Mittel zur Erreichung des Regelungsziels zur Verfügung stehen.
- 23. Bei der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, d.h. der Angemessenheit, sind die durch den Eingriff beeinträchtigten und die geschützten Interessen gegeneinander abzuwägen.