RG, 23.01.1880 - III 70/79

Daten
Fall: 
Vollstreckbarkeit von Renten
Fundstellen: 
RGZ 1, 231
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.01.1880
Aktenzeichen: 
III 70/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Neuwied
  • Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Gehören die dem Verletzten auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 zuerkannten Renten zu den nach §. 749 Ziff. 2 der Civilprozeßordnung der Pfändung nicht unterworfenen, "auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen"?

Tatbestand

Auf Antrag des Klägers wurde eine Rente von 720 M. jährlich, welche dem Beklagten auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes zuerkannt war, im Wege der Zwangsvollstreckung mit Beschlag belegt und dem Kläger in Höhe seiner Forderung in vim cessionis zur eigenen Einziehung überwiesen.

Das Oberlandesgericht hob diese Verfügung infolge einer Beschwerde des Beklagten auf Grund der Vorschrift in §. 749 Ziff. 2 C.P.O. auf.

Auf weitere Beschwerde der Klägerin wurde die Verfügung des Kreisgerichtes aus folgenden Gründen wiederhergestellt:

Gründe

"Das Königl. Oberlandesgericht hat die von dem Königl. Kreisgerichte zu Neuwied am 19. September 1879 erlassene Verfügung, durch welche im Wege der Zwangsvollstreckung die dem Beklagten gegen die Direktion der Rheinischen Eisenbahngesellschaft zustehende Forderung einer Rente von jährlich 720 M. auf Höhe der der Klägerin rechtskräftig zuerkannten Forderung mit Arrest belegt und der Klägerin in -vim cessionis_ überwiesen worden ist, auf die Beschwerde des Beklagten aufgehoben, weil

"die streitige Rente als eine auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Alimentenforderung zu erachten und als solche nach §. 749 Nr. 2 C.P.O. der Pfändung, somit auch der Überweisung im Exekutionswege nicht unterworfen sei".

Diese Ansicht kann für zutreffend nicht angesehen, es mußte vielmehr die von der Klägerin erhobene Beschwerde für begründet erkannt werden. Die fragliche Rente ist dem Beklagten infolge eines Unfalles, welcher ihn als Bremser der Rheinischen Eisenbahngesellschaft betroffen hat, auf Grund der Bestimmungen in den §§. 1, 3, 7 des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 zuerkannt. Derartige Renten sind als "auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Alimentenforderungen" nicht anzusehen und fallen daher nicht unter die Bestimmung in §. 749 Nr. 2 C.P.O. Die auf §§. 1 und 2 des Reichshaftpflichtgesetzes gegründeten Ansprüche werden im Gesetze selbst als Ansprüche auf Ersatz des Schadens bezeichnet, welcher für den bei dem Betriebe einer Eisenbahn oder bei den in §. 2 bezeichneten Getöteten oder körperlich Verletzten entstanden ist, nicht als Ansprüche auf Alimentation. Es hängt der Anspruch ferner weder von der Bedürftigkeit des Verletzten, noch von dem Vermögen des zur Entschädigung Verpflichteten ab, und das Gesetz stellt es in das Ermessen des Gerichtes, nach Lage des einzelnen Falles die Entschädigung in Kapital oder in Rente zuzusprechen. Zweifellos kann von einer Rententenforderung nicht die Rede fein, wenn die Entschädigung in einer Abfindung in Kapital zuerkannt wird, die rechtliche Natur des Anspruches kann aber nicht verschieden sein, je nachdem der Richter in Gemäßheit der ihm in §. 7 des Gesetzes gewährten Befugnis die Entschädigung in Kapital oder in Rente zubilligt.

Darauf, daß die dem Beklagten zuerkannte Rente zur Bestreitung des Unterhaltes für ihn und sein Kind notwendig sei, kann für die Frage, ob die Rente der Pfändung unterworfen sei, entscheidendes Gewicht nicht gelegt werden. Denn nach §. 749 Ziff. 2 C.P.O. sind nur "die auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen" von der Pfändung ausgenommen, nicht alle zum notwendigen Unterhalte des Schuldners erforderlichen Vermögensobjekte und es ist eine ausdehnende Auslegung dieser Ausnahmevorschrift nicht gestattet."