danke-sagen-unterstützen

Wissen Sie mehr? Als Co-Autor bearbeiten oder als Leser kommentieren. Mehr erfahren...

Art. 33 GG - Gleichstellung als Staatsbürger, Öffentlicher Dienst (Kommentar)

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) ¹Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. ²Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

1. Allgemeines

Artikel 33 GG bildet einen der tragenden Pfeiler des deutschen Staatsorganisationsrechts und dient als wichtige Grundlage für das Verständnis der Gleichheits- und Leistungsgrundsätze im öffentlichen Dienst. Der Artikel stellt sicher, dass der öffentliche Dienst im Einklang mit demokratischen, rechtsstaatlichen und föderalen Grundsätzen steht und zugleich den Anforderungen an ein modernes Beamtentum gerecht wird. Die Regelungen des Art. 33 GG sind entscheidend für die Stabilität und Effektivität des öffentlichen Dienstes und gewährleisten eine faire, neutrale und leistungsorientierte Verwaltung in Deutschland.

2. Absatz 1: Zugang zu öffentlichen Ämtern

"Alle Deutschen haben nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte."

2.1. Verfassungsrechtliche Verankerung des Leistungsprinzips

Absatz 1 von Art. 33 GG verankert das sogenannte Leistungsprinzip als Grundlage des Zugangs zu öffentlichen Ämtern. Die Regelung garantiert, dass alle Deutschen unabhängig von ihrer Person oder sozialen Herkunft den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern haben, sofern sie die notwendigen Qualifikationen mitbringen. Dieses Prinzip bildet das Fundament des deutschen öffentlichen Dienstrechts und ist Ausdruck des demokratischen Grundgedankens, dass der Staat nach objektiven Maßstäben geführt wird.

2.2. Begriffliche Klarstellung

Der Begriff „öffentliches Amt“ umfasst alle Positionen im öffentlichen Dienst, sei es im Beamtenverhältnis oder im Angestelltenverhältnis. „Eignung“ bezieht sich auf die charakterliche und persönliche Integrität des Bewerbers, „Befähigung“ auf die vorhandene Ausbildung und „fachliche Leistung“ auf die Fähigkeiten und Qualifikationen, die für das jeweilige Amt erforderlich sind. Der Zugang muss dabei durch ein gerechtes, auf Chancengleichheit beruhendes Auswahlverfahren gewährleistet sein.

2.3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen betont, dass das Leistungsprinzip eine unmittelbare Drittwirkung entfaltet. Es ist damit nicht nur eine interne Handlungsrichtlinie für die öffentliche Verwaltung, sondern auch eine Grundlage für den Rechtsschutz von Bewerbern, die sich benachteiligt fühlen (BVerfGE 39, 334). Wenn ein Bewerber den Eindruck hat, dass seine Ablehnung nicht auf den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung beruhte, kann er dies gerichtlich überprüfen lassen.

3. Absatz 2: Diskriminierungsverbot

"Niemand darf wegen seiner Herkunft, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

3.1. Schutz vor Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Absatz 2 von Art. 33 GG ergänzt das Leistungsprinzip durch ein umfassendes Diskriminierungsverbot. Dieses stellt klar, dass die Auswahl für öffentliche Ämter nicht nur nach Leistungskriterien erfolgen muss, sondern auch frei von jeglicher Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale. Es handelt sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG.

3.2. Abgrenzung zu Art. 3 GG

Während Art. 3 GG eine allgemeine Gleichbehandlungsregelung enthält, bezieht sich Art. 33 Abs. 2 GG speziell auf den Bereich des öffentlichen Dienstes. In der Literatur wird diskutiert, ob Art. 33 Abs. 2 GG über die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hinausgeht und einen eigenständigen Verfassungsmaßstab bildet. Die herrschende Meinung erkennt Art. 33 Abs. 2 GG als lex specialis zu Art. 3 GG an, das speziell auf den Zugang zu öffentlichen Ämtern anwendbar ist.

3.3. Historische Hintergründe und Anwendungsfälle

Die Norm reagiert auf historische Diskriminierungen in Deutschland, insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus, als der Zugang zu öffentlichen Ämtern auf rassistischen und ideologischen Kriterien beruhte. Heute hat sie Bedeutung in Fällen, in denen Bewerber wegen ihrer religiösen Kleidung (z.B. Kopftuch) benachteiligt werden oder eine politische Vorverurteilung erfahren.

4. Absatz 3: Unabhängigkeit des Staatsbürgerrechts vom religiösen Bekenntnis

"Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig vom religiösen Bekenntnis."

4.1. Religionsfreiheit im öffentlichen Dienst

Absatz 3 stellt klar, dass das religiöse Bekenntnis keine Rolle bei der Frage des Zugangs zu öffentlichen Ämtern oder bei der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte spielt. Dies ist eine weitere Konkretisierung des Diskriminierungsverbots und stellt sicher, dass die Religionsfreiheit, die in Art. 4 GG geschützt ist, auch im Bereich des öffentlichen Dienstes vollumfänglich gewahrt wird.

4.2. Bedeutung für das staatliche Neutralitätsgebot

Diese Regelung steht im Einklang mit dem staatlichen Neutralitätsgebot, das von den Gerichten konsequent eingefordert wird. Ein Beamter muss sich zwar durch eine neutrale Amtsführung auszeichnen, jedoch darf sein privates religiöses Bekenntnis nicht zu einer Benachteiligung oder einem Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst führen.

4.3. Konflikte und Rechtsprechung

Besonders relevant wird dieser Grundsatz im Kontext des Kopftuchstreits und der Frage, ob Lehrerinnen an öffentlichen Schulen religiöse Symbole tragen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass pauschale Kopftuchverbote ohne konkrete Gefahr für den Schulfrieden verfassungswidrig sind, sofern nicht gewichtige Gründe im Einzelfall vorliegen (BVerfGE 138, 296).

5. Absatz 4: Hoheitsrechtliche Befugnisse und das Dienst- und Treueverhältnis

"Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen."

5.1. Prinzip des Berufsbeamtentums

Absatz 4 von Art. 33 GG enthält die zentrale Bestimmung für das Berufsbeamtentum in Deutschland. Die Regelung, dass hoheitsrechtliche Befugnisse als ständige Aufgabe grundsätzlich Beamten zu übertragen sind, stützt sich auf das Prinzip der staatlichen Kontinuität und Neutralität. Hoheitsrechtliche Befugnisse umfassen insbesondere Befehls- und Zwangsgewalt, also die Ausübung staatlicher Machtbefugnisse, die typischerweise dem Kernbereich staatlicher Aufgaben vorbehalten sind.

5.2. Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses

Das „öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis“ hebt sich vom privatrechtlichen Arbeitsverhältnis ab. Es beinhaltet eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Staat und im Gegenzug eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Diese spezifischen Pflichten gewährleisten, dass Beamte unabhängig von parteipolitischen oder wirtschaftlichen Einflüssen handeln können.

5.3. Verfassungsrechtliche Kontroversen

In der Rechtswissenschaft gibt es Diskussionen darüber, wie weit die Exklusivität des Beamtenverhältnisses bei der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse reicht. Einige Stimmen argumentieren, dass bestimmte hoheitliche Aufgaben auch von Angestellten im öffentlichen Dienst wahrgenommen werden können, insbesondere wenn es um Aufgaben geht, die keinen unmittelbaren Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellen.

6. Absatz 5: Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums

"Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln."

6.1. Definition der „hergebrachten Grundsätze“

Absatz 5 von Art. 33 GG verweist auf die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“, die als ungeschriebene, aber durch Tradition und Rechtsprechung fest etablierte Grundsätze des Beamtenrechts verstanden werden. Dazu zählen unter anderem das Lebenszeitprinzip, das Alimentationsprinzip, das Laufbahnprinzip und die politische Neutralität.

6.2. Historischer Kontext und Entwicklung

Diese Grundsätze sind aus der Geschichte des deutschen Berufsbeamtentums gewachsen und wurden insbesondere in der Weimarer Republik und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg rechtlich weiterentwickelt. Sie dienen dem Schutz der Unabhängigkeit und Integrität des öffentlichen Dienstes und stellen sicher, dass Beamte ihre Aufgaben frei von parteipolitischem Einfluss ausüben können.

6.3. Anwendung und Anpassung

Obwohl die „hergebrachten Grundsätze“ als rechtlich verbindlich angesehen werden, sind sie nicht unveränderlich. Sie müssen im Lichte der gesellschaftlichen Entwicklung interpretiert und angepasst werden. Ein klassisches Beispiel ist die Diskussion um das „Verbot der Parteipolitik“ im Beamtenrecht, das nicht mehr als absolutes Verbot, sondern als eine Differenzierung zwischen aktiver politischer Betätigung und politischer Neutralität im Dienst verstanden wird.