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Art. 55 GG - Unvereinbarkeiten (Kommentar)

(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.

(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Inhaltsverzeichnis 

1. Art. 55 Abs. 1 GG

1.1. Einführung

Artikel 55 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland regelt die Unvereinbarkeit des Amtes des Bundespräsidenten mit Tätigkeiten in der Regierung sowie in gesetzgebenden Körperschaften des Bundes oder der Länder. Der Wortlaut des Artikels lautet: „Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.“

Diese Vorschrift ist eng mit der Vorstellung von Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Staatsoberhauptes verbunden. Durch Artikel 55 Absatz 1 GG soll verhindert werden, dass der Bundespräsident durch die gleichzeitige Ausübung weiterer Ämter in Legislative oder Exekutive in einen potenziellen Interessenkonflikt gerät. Das Prinzip der Neutralität, das diesem Artikel zugrunde liegt, stärkt die verfassungsrechtliche Stellung des Bundespräsidenten als ein von tagespolitischen Auseinandersetzungen unabhängiges Staatsorgan und ist in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Neutralität und Integrität des Staatsoberhauptes zu gewährleisten.

1.2. Normzweck und verfassungsrechtlicher Hintergrund

1.2.1. Historische Entwicklung und Vergleich mit dem Reichspräsidenten in der Weimarer Republik

Artikel 44 WRV
Der Reichspräsident kann nicht zugleich Mitglied des Reichstags sein.

Die Unabhängigkeit des Bundespräsidenten ist als Gegenentwurf zur Weimarer Republik zu verstehen, in der das Amt des Reichspräsidenten weitreichende politische Befugnisse besaß. Der Reichspräsident stand in direkter Konfrontation zu Parlament und Regierung und konnte diese gegebenenfalls suspendieren oder auflösen. Aus den Erfahrungen mit dem Weimarer Reichspräsidenten, der in erheblichem Maße politische Einflussnahme ausübte, wurde die Notwendigkeit abgeleitet, das Amt des Bundespräsidenten im Grundgesetz als eine stark zurückhaltende und rein repräsentative Funktion zu konzipieren. Um dies zu erreichen, wurden Befugnisse und Rechte des Bundespräsidenten deutlich eingeschränkt und seine Rolle so gestaltet, dass sie in erster Linie symbolische und moderierende Aufgaben umfasst.

1.2.2. Grundsatz der Gewaltenteilung und institutionelle Neutralität

Artikel 55 Absatz 1 GG basiert auf dem Prinzip der Gewaltenteilung, welches in Deutschland eine Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative vorsieht. Das Amt des Bundespräsidenten wird keiner dieser klassischen Gewalten eindeutig zugeordnet, sondern steht als „verfassungsrechtliches Integrationsorgan“ über den politischen Auseinandersetzungen. Durch das Verbot der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu Regierung und gesetzgebenden Körperschaften wird die institutionelle Unparteilichkeit des Bundespräsidenten abgesichert. Diese Konstruktion stellt sicher, dass der Bundespräsident nicht in parteipolitische Konflikte oder legislativen Entscheidungsprozesse involviert ist, was seine Rolle als „Staatsnotar“ und Repräsentant der Bundesrepublik unterstützt.

1.2.3. Funktion als Vermittler und Repräsentant der gesamten Bevölkerung

Durch die Unvereinbarkeit des Amtes des Bundespräsidenten mit einer Zugehörigkeit zur Legislative oder Exekutive wird auch der Funktion des Bundespräsidenten als Vermittler zwischen den Staatsorganen Rechnung getragen. Der Bundespräsident ist der Repräsentant der gesamten Bevölkerung und nicht einer bestimmten politischen Gruppe oder Partei verpflichtet. Die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit ermöglicht es ihm, ohne Rücksicht auf parteipolitische Bindungen oder Koalitionszwänge zu agieren, was ihm in Krisensituationen eine besondere Stellung als vermittelnde Instanz und moralische Autorität verleiht.

1.3. Systematische Einordnung

Artikel 55 Absatz 1 GG steht in engem Zusammenhang mit weiteren verfassungsrechtlichen Normen, die die Unabhängigkeit und Neutralität des Bundespräsidenten garantieren. In systematischer Hinsicht ist insbesondere das Zusammenspiel mit Artikel 54 und Artikel 56 GG relevant:

1.3.1. Zusammenhang mit Artikel 54 GG: Wahl und parteipolitische Unabhängigkeit

Artikel 54 GG legt die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung fest. Hierdurch soll einerseits eine breite demokratische Legitimation gewährleistet, andererseits aber auch die parteipolitische Unabhängigkeit gefördert werden. Der Bundespräsident ist durch seine Amtsausübung weder einer Regierung noch einer parlamentarischen Mehrheit verpflichtet. Artikel 55 Absatz 1 GG ergänzt diese Norm, indem er eine formale Distanz zu gesetzgebenden und exekutiven Organen festschreibt und damit sicherstellt, dass der Bundespräsident über die gesamte Amtszeit hinweg institutionell unabhängig bleibt.

1.3.2. Verhältnis zu Artikel 56 GG: Amtseid und Verantwortung gegenüber dem Grundgesetz

Artikel 56 GG fordert vom Bundespräsidenten bei Amtsantritt einen Eid auf das Grundgesetz, womit er sich zur „Wahrung des Grundgesetzes“ verpflichtet. Diese Verpflichtung zur Verfassungstreue beinhaltet auch die Beachtung und Umsetzung des Gewaltenteilungsprinzips, welches durch Artikel 55 Absatz 1 GG konkretisiert wird. Die Norm ist somit ein Instrument, um sicherzustellen, dass der Bundespräsident seiner Rolle als Hüter und Wahrer des Grundgesetzes gerecht wird und nicht in legislative oder exekutive Entscheidungsprozesse involviert ist, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.

1.4. Inhalt und Auslegung von Artikel 55 Absatz 1 GG

1.4.1. „Der Regierung angehören“

Der Begriff „Regierung“ bezieht sich auf die Exekutive, im Falle des Bundes auf die Bundesregierung, in den Ländern auf die jeweilige Landesregierung. Artikel 55 Absatz 1 GG schließt es daher aus, dass der Bundespräsident gleichzeitig Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung ist. Diese Unvereinbarkeit betrifft sowohl das Amt des Bundeskanzlers als auch die der Minister.

1.4.2. „Einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören“

Der Begriff der gesetzgebenden Körperschaft ist als Synonym für das Parlament zu verstehen. Auf Bundesebene umfasst dies den Bundestag, auf Landesebene die jeweiligen Landtage. Artikel 55 Absatz 1 GG bedeutet somit, dass der Bundespräsident nicht gleichzeitig Abgeordneter im Bundestag oder in einem Landtag sein darf.

Hieraus ergibt sich eine klare organisatorische und institutionelle Abgrenzung des Bundespräsidenten gegenüber den Legislative, um seine Neutralität und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Es ist ihm verwehrt, parallel zu seiner Tätigkeit als Bundespräsident politische Entscheidungen als Abgeordneter zu beeinflussen oder durch Regierungsarbeit unmittelbar in Exekutivprozesse einzugreifen.

1.4.3. Verzicht auf andere politische Ämter und Posten

Die Regelung in Artikel 55 Absatz 1 GG wird in der Rechtswissenschaft weitgehend als weitreichendes Unvereinbarkeitsgebot verstanden. Auch wenn der Artikel nur die Zugehörigkeit zur Regierung und zu gesetzgebenden Körperschaften regelt, wird daraus eine generelle Erwartung abgeleitet, dass der Bundespräsident sich aus allen politischen Funktionen zurückzieht, die mit der Unparteilichkeit seines Amtes kollidieren könnten.

1.5. Verfassungsrechtliche Streitfragen und praktische Relevanz

1.5.1. Frage der Inkompatibilität während der Wahl

Die Frage, ob ein Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten während der Wahl ein Mandat oder eine Regierungsposition innehaben darf und gegebenenfalls erst nach erfolgreicher Wahl zurücktreten muss, wird in der Literatur diskutiert. Die meisten Kommentatoren vertreten die Ansicht, dass der Rücktritt spätestens mit der Annahme des Amtes erfolgen muss. Solange die Wahl nicht abgeschlossen ist, sind parlamentarische oder exekutive Tätigkeiten im Sinne des Art. 55 Abs. 1 GG noch zulässig.

1.5.2. Praktische Relevanz in der politischen Praxis

In der politischen Praxis hat Artikel 55 Absatz 1 GG dazu geführt, dass Bundespräsidenten ihre Mitgliedschaft in politischen Parteien während ihrer Amtszeit ruhen lassen oder gar vollständig aufgeben. Dies soll verhindern, dass parteipolitische Loyalitäten die Wahrnehmung des Amtes beeinflussen. So trat beispielsweise Theodor Heuss während seiner Amtszeit als Bundespräsident von seinem Vorsitz in der FDP zurück. Diese freiwillige Selbstbeschränkung geht zwar über die Anforderungen des Art. 55 Abs. 1 GG hinaus, spiegelt jedoch den Geist der Verfassung wider, demzufolge der Bundespräsident als überparteilicher Repräsentant des Staates auftreten soll.

1.5.3. Potenzielle Interessenkonflikte und Herausforderungen

Ein potenzielles Spannungsfeld ergibt sich, wenn der Bundespräsident sich dennoch politisch äußert oder Positionen bezieht, die parteipolitisch kontrovers sind. Hier besteht die Gefahr, dass der Bundespräsident – auch ohne formale Zugehörigkeit zu einer Partei oder Fraktion – de facto politisch tätig wird und somit die Unparteilichkeit seines Amtes gefährdet. Das Verbot nach Art. 55 Abs. 1 GG soll dazu beitragen, diese Grenze zu wahren, wird jedoch in der praktischen Umsetzung auch immer wieder Gegenstand der öffentlichen und juristischen Diskussion.

2. Art. 55 Abs. 2 GG

2.1. Einführung

Artikel 55 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland schreibt vor, dass der Bundespräsident während seiner Amtszeit kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben darf und auch weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören darf. Ziel dieser Norm ist es, die Unabhängigkeit und Integrität des höchsten Staatsamtes zu wahren, indem potenzielle Interessenkonflikte vermieden werden, die sich durch private oder gewerbliche Tätigkeiten des Bundespräsidenten ergeben könnten. Diese Regelung trägt entscheidend dazu bei, die parteipolitische und wirtschaftliche Neutralität des Bundespräsidenten sicherzustellen, und stärkt somit seine Rolle als überparteilicher Repräsentant und moralische Autorität der Bundesrepublik.

2.2. Normzweck und verfassungsrechtliche Einordnung

2.2.1. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Bundespräsidenten

Der Hauptzweck von Artikel 55 Absatz 2 GG besteht darin, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Bundespräsidenten zu sichern. Diese Anforderung ist im politischen System der Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung, da der Bundespräsident als oberster Repräsentant des Staates eine besondere Rolle der überparteilichen und integrativen Instanz einnimmt. Die Norm schützt das Amt des Bundespräsidenten vor Einflüssen, die seine Neutralität gefährden könnten, insbesondere durch wirtschaftliche Verpflichtungen oder kommerzielle Interessen.

2.2.2. Verbindung zum Gewaltenteilungsprinzip und zur besonderen Stellung des Amtes

Artikel 55 Absatz 2 GG ist im Zusammenhang mit dem Gewaltenteilungsprinzip zu sehen, das eine strikte Trennung zwischen staatlichen und privaten bzw. wirtschaftlichen Interessen verlangt. Da der Bundespräsident keine exekutive oder legislative Funktion im engeren Sinne ausübt, sondern eine primär repräsentative Rolle innehat, muss sichergestellt sein, dass seine Entscheidungen und Handlungen ausschließlich im Interesse des Staates und der Bevölkerung getroffen werden, frei von ökonomischen oder berufsbezogenen Abhängigkeiten. Durch Artikel 55 Absatz 2 GG wird diese Position des Bundespräsidenten gestärkt.

2.2.3. Historische Entwicklung und konzeptioneller Hintergrund

Die verfassungsrechtliche Konstruktion des Bundespräsidenten als unabhängiges Staatsoberhaupt unterscheidet sich grundlegend von der Stellung des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik, der sowohl wirtschaftliche als auch politische Machtfülle besaß und durch Verbindungen zur Privatwirtschaft potentiell beeinflusst wurde. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben aus den Erfahrungen der Weimarer Republik Konsequenzen gezogen und das Amt des Bundespräsidenten explizit von exekutiven Befugnissen, politischer Parteizugehörigkeit und wirtschaftlichen Abhängigkeiten getrennt. Diese Vorkehrungen spiegeln sich direkt in Artikel 55 Absatz 2 GG wider, der die Möglichkeit ökonomischer Einflussnahme explizit untersagt.

2.3. Inhalt und Auslegung des Art. 55 Abs. 2 GG

Artikel 55 Absatz 2 GG verbietet dem Bundespräsidenten vier konkrete Tätigkeiten: das Ausüben eines besoldeten Amtes, eines Gewerbes, eines Berufes sowie die Mitgliedschaft in der Leitung oder im Aufsichtsrat eines erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmens. Jede dieser Verbote hat spezifische Implikationen und Zwecke, die im Folgenden genauer untersucht werden.

2.3.1. „Kein anderes besoldetes Amt“

Mit dem Begriff „besoldetes Amt“ ist jede staatliche oder staatsnahe Tätigkeit gemeint, die mit einer Vergütung verbunden ist. Hierzu gehören öffentliche Ämter auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, beispielsweise Beamtenstellen, Richterämter oder auch Tätigkeiten in öffentlichen Körperschaften. Artikel 55 Absatz 2 GG soll verhindern, dass der Bundespräsident durch eine solche Besoldung in wirtschaftliche Abhängigkeit gerät oder durch eine parallele Amtsausübung staatliche Ressourcen für persönliche Zwecke nutzt.

Die verfassungsrechtliche Formulierung „anderes besoldetes Amt“ stellt klar, dass der Bundespräsident zwar in seinem Amt selbst besoldet ist, jedoch keine weiteren Besoldungen aus staatlichen oder staatsnahen Positionen annehmen darf. Auch ein ehrenamtliches, unbesoldetes Engagement könnte hier als verfassungswidrig gelten, wenn es in der Praxis eine Vergütung oder sonstige geldwerte Vorteile nach sich zieht.

2.3.2. „Kein Gewerbe“

Das Verbot, ein Gewerbe auszuüben, umfasst alle Tätigkeiten, die unternehmerisch ausgerichtet sind und auf Gewinnerzielung abzielen. Dazu zählen beispielsweise der Betrieb eines Unternehmens, Handelsaktivitäten oder sonstige gewerbsmäßige Tätigkeiten, die mit einer Gewinnerzielungsabsicht verbunden sind. Der Begriff „Gewerbe“ ist weit auszulegen und erfasst auch indirekte Beteiligungen, die das Ansehen des Bundespräsidenten oder das Vertrauen in seine Amtsausführung gefährden könnten.

Dieses Verbot soll verhindern, dass der Bundespräsident in ökonomische Abhängigkeiten gerät oder aufgrund unternehmerischer Interessen politische Entscheidungen beeinflussen könnte. Darüber hinaus wird dadurch das Risiko von Interessenkonflikten minimiert, die sich aus geschäftlichen Verflechtungen oder Verpflichtungen gegenüber anderen wirtschaftlichen Akteuren ergeben könnten.

2.3.3. „Keinen Beruf ausüben“

Das Verbot, einen Beruf auszuüben, erfasst grundsätzlich jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Erzielung eines Einkommens dient. Darunter fallen sowohl selbstständige als auch unselbstständige Tätigkeiten, beispielsweise als Berater, Anwalt, Arzt oder Dozent. Auch eine akademische Lehrtätigkeit, die an sich als ehrenhaft angesehen wird, ist hiervon betroffen, wenn sie berufsmäßig erfolgt und nicht rein ehrenamtlichen Charakter hat.

Dieses umfassende Verbot stellt sicher, dass der Bundespräsident seine gesamte Arbeitskraft und Aufmerksamkeit der Amtsausführung widmet und nicht durch berufliche Verpflichtungen abgelenkt wird. Die vollständige Konzentration auf die Aufgaben des Amtes ist für die ordnungsgemäße Ausübung der repräsentativen und integrativen Funktion des Bundespräsidenten unerlässlich.

2.3.4. „Weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören“

Schließlich schließt Artikel 55 Absatz 2 GG aus, dass der Bundespräsident in der Leitung oder im Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens tätig wird. Damit wird verhindert, dass er in Entscheidungsstrukturen eingebunden ist, die auf die wirtschaftliche Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Unternehmen, die als „auf Erwerb gerichtet“ verstanden werden, umfassen alle Gesellschaften und Organisationen, die wirtschaftliche Ziele verfolgen, unabhängig davon, ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert sind.

Das Verbot betrifft insbesondere Mitgliedschaften in Aufsichtsgremien wie dem Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat. Auch die bloße Beratungs- oder Ehrenmitgliedschaft in solchen Gremien wird durch die Norm ausgeschlossen, da hier ebenfalls ein Interessenkonflikt entstehen könnte. Durch dieses Verbot wird die Gefahr minimiert, dass der Bundespräsident von wirtschaftlichen Akteuren beeinflusst wird oder durch seine Stellung indirekt wirtschaftliche Entscheidungen beeinflusst.

2.4. Verfassungsrechtliche Streitfragen und Auslegungsfragen

2.4.1. Erlaubte und verbotene Tätigkeiten – Interpretationsspielräume

Eine der zentralen Auslegungsfragen von Artikel 55 Absatz 2 GG betrifft die Bestimmung der zulässigen und verbotenen Tätigkeiten. Die Norm verbietet explizit besoldete Ämter, Gewerbe und Berufe, jedoch bleibt unklar, inwiefern unentgeltliche, ehrenamtliche Tätigkeiten, die keinen direkten Bezug zur Gewinnerzielung haben, ebenfalls ausgeschlossen sind. Die herrschende Meinung sieht auch hier strikte Beschränkungen vor, da auch unentgeltliche Tätigkeiten den Fokus des Bundespräsidenten auf sein Amt beeinträchtigen könnten.

2.4.2. Abgrenzung zu repräsentativen Ehrenämtern

Die Verfassungsrechtsprechung hat sich mehrfach mit der Frage befasst, ob der Bundespräsident Ehrenämter ausüben darf, die eine repräsentative Funktion haben, jedoch nicht gewerblich oder beruflich ausgerichtet sind. Solche Tätigkeiten können beispielsweise Schirmherrschaften für wohltätige Organisationen oder Vereine umfassen. Der Bundespräsident darf solche Ehrenämter übernehmen, sofern diese keine gewerbliche oder berufsähnliche Tätigkeit darstellen und nicht mit einer entgeltlichen Vergütung verbunden sind.

2.4.3. Folgen von Verstößen gegen Artikel 55 Absatz 2 GG

Ein potenzieller Verstoß gegen Artikel 55 Absatz 2 GG würde verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, da hierdurch die Amtsausübung des Bundespräsidenten als beeinträchtigt angesehen werden könnte. Die Frage, welche Sanktionen im Fall eines Verstoßes zu ergreifen sind, ist jedoch rechtlich umstritten. Es gibt keine explizite Norm, die ein Amtsenthebungsverfahren aufgrund eines solchen Verstoßes vorschreibt, jedoch könnte eine anhaltende Missachtung des Artikels 55 Absatz 2 GG als schwerwiegender Verfassungsbruch interpretiert und politisch thematisiert werden. Deshalb würde am ehesten politischer Druck aufgebaut werden – von Parteien, Medien oder dem Volk –, um den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen.