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Art. 61 GG - Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht (Kommentar)

(1) ¹Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. ²Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. ³Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. ⁴Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.

(2) ¹Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. ²Durch einstweilige Anordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes verhindert ist.

1. Absatz 1

1.1. Einleitung und Normzweck

Art. 61 Abs. 1 GG regelt die Möglichkeit, den Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wegen einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes anzuklagen. Diese Vorschrift unterstreicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass auch das höchste Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland rechtlicher Verantwortlichkeit unterliegt. Art. 61 GG stellt eine besondere Form der Verantwortlichkeit des Bundespräsidenten dar, die auf eine gravierende Verletzung rechtlicher Normen durch vorsätzliches Verhalten abzielt und damit einer hohen Eingriffsschwelle unterliegt. Diese Anklagemöglichkeit gegen den Bundespräsidenten ist ein seltenes Instrument zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit und Integrität des höchsten Amts des Staates und dient zugleich als Schutzmechanismus der Verfassung selbst.

1.2. Historische Entwicklung und verfassungsrechtliche Stellung

Die Regelung der Anklage gegen das Staatsoberhaupt findet ihren Ursprung in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und geht zurück auf die Vorstellung, dass auch das Staatsoberhaupt für verfassungswidriges Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann.

Artikel 59 WRV
Der Reichstag ist berechtigt, den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und die Reichsminister vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich anzuklagen, daß sie schuldhafterweise die Reichsverfassung oder ein Reichsgesetz verletzt haben. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens hundert Mitgliedern des Reichstags unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit. Das Nähere regelt das Reichsgesetz über den Staatsgerichtshof.

Im Grundgesetz hingegen, das dem Bundespräsidenten eine überwiegend repräsentative und nicht exekutive Rolle zuspricht, war ein solches Verfahren nicht vorgesehen, sondern eine juristische Verantwortlichkeitsregelung im Sinne einer Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht, ähnlich den Verfahren gegen verfassungswidriges Verhalten anderer Staatsorgane. Mit der Einführung des Art. 61 GG bekräftigte der parlamentarische Rat, dass auch der Bundespräsident dem Rechtsstaatsprinzip unterworfen bleibt und insbesondere bei Verstößen gegen die Verfassung oder andere Bundesgesetze im Rahmen seiner Amtsausübung für sein Handeln einstehen muss.

1.3. Voraussetzungen für die Anklageerhebung

Art. 61 Abs. 1 GG nennt mehrere zentrale Voraussetzungen, die zur Einleitung eines Anklageverfahrens gegen den Bundespräsidenten erfüllt sein müssen:

1.3.1. Anklagegrund: Vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes

Die Anklage gegen den Bundespräsidenten setzt eine „vorsätzliche Verletzung“ des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes voraus. Hierbei handelt es sich um eine eng auszulegende Tatbestandsvoraussetzung, die auf ein erhebliches Fehlverhalten des Bundespräsidenten abzielt. Der Vorsatz muss nach verfassungsrechtlicher Definition nicht nur die bewusste Tatbestandsverwirklichung umfassen, sondern insbesondere auch die gezielte und gewollte Missachtung der verfassungsmäßigen Ordnung. Ein fahrlässiges Handeln reicht daher nicht aus, was die hohe Schwelle für eine Anklageerhebung unterstreicht und zugleich die Stabilität des Amtes schützt.

Eine Verletzung des Grundgesetzes kann etwa vorliegen, wenn der Bundespräsident in die Gewaltenteilung eingreift, etwa durch die unzulässige Einflussnahme auf Entscheidungen der Exekutive oder Judikative. Darüber hinaus erfasst die Norm auch Verstöße gegen „andere Bundesgesetze“. Der Begriff „Bundesgesetze“ ist dabei wörtlich zu verstehen, d.h., der Bundespräsident kann nicht für Verstöße gegen Landesgesetze angeklagt werden, sondern nur für solche gegen das Grundgesetz oder Bundesgesetze, die ihn unmittelbar in seiner Amtsführung binden. Der Gesetzgeber hat damit eine klare Begrenzung auf die höchsten Normen der Rechtsordnung festgelegt, wodurch die politische und rechtliche Integrität des Amtes gestärkt wird.

1.3.2. Antragserfordernis: Mindestanforderungen an die Antragsteller

Art. 61 Abs. 1 Satz 2 GG sieht vor, dass der Antrag auf Erhebung der Anklage durch mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder ein Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden muss. Diese Hürde ist als Schutz vor missbräuchlicher oder parteipolitisch motivierter Antragstellung gedacht und stellt sicher, dass nur bei hinreichendem Konsens im Bundestag oder Bundesrat ein Antrag auf Anklage überhaupt initiiert werden kann. Dieses Quorum verleiht der Anklage den Charakter eines kollektiven und institutionell gestützten Vorwurfs und verhindert, dass einzelne Abgeordnete oder politische Minderheiten die Möglichkeit haben, durch eine leichtfertige Antragstellung das Amt des Bundespräsidenten zu diskreditieren.

Diese Erfordernis eines Viertels der Stimmen verdeutlicht den Verfassungsanspruch, dass die Initiative zur Anklageerhebung nur von einer signifikanten Anzahl an Vertretern des Bundestages oder Bundesrates ausgehen kann. Dies betont die Verantwortung, die die Vertreter des Bundestages und Bundesrates im Rahmen des Anklageverfahrens für das Amt und die Verfassung tragen, und zeigt zugleich die Ernsthaftigkeit, die einem solchen Antrag zugrunde liegen muss.

1.3.3. Erhöhter Beschluss: Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich

Eine weitere verfahrensrechtliche Voraussetzung ist, dass der Beschluss auf Erhebung der Anklage einer qualifizierten Mehrheit bedarf: In Satz 3 verlangt Art. 61 Abs. 1 GG die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Diese Erfordernis verdeutlicht die hohe verfassungsrechtliche Schwelle, die genommen werden muss, um einen amtierenden Bundespräsidenten tatsächlich anzuklagen. Eine solche Mehrheit soll die Integrität des Amtes schützen und nur bei einer breiten Unterstützung der Anklageerhebung innerhalb der Legislative das Verfahren einleiten.

Der Bundespräsident ist in dieser Hinsicht mit dem Bundesverfassungsgericht als hoheitliche Instanz konfrontiert, deren Entscheidung letztlich über das Anklageverfahren entscheidet. Der erhöhte Beschluss und die geforderte Mehrheit demonstrieren eine notwendige und bewusst hohe Schwelle, um zu verhindern, dass das Verfahren leichtfertig und ohne fundierte Grundlage angestrengt wird.

1.3.4. Vertretung der Anklage durch Beauftragte

Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 4 GG ist die Anklage durch einen Beauftragten der anklagenden Körperschaft – Bundestag oder Bundesrat – vor dem Bundesverfassungsgericht zu vertreten. Der Gesetzgeber sieht eine klare Verteilung der Aufgaben vor, indem er sicherstellt, dass ein institutionell ausgewählter Vertreter die Anklage stellvertretend für das jeweilige Organ repräsentiert und vorträgt. Dies dient einerseits der Verfahrensökonomie, andererseits aber auch dem Schutz des Bundespräsidenten vor einer allzu breiten und möglicherweise parteipolitisch geprägten Anklagevertretung.

Die genaue Ausgestaltung der Vertretung durch den jeweiligen Beauftragten ist nicht detailliert im Grundgesetz geregelt und obliegt den Verfahrensbestimmungen des Bundesverfassungsgerichts. Dies zeigt die bewusste Offenheit des Verfahrens, die dem Bundesverfassungsgericht als höchster judikativer Instanz und Hüter der Verfassung eine gewisse Flexibilität gewährt, auf verfahrensrechtliche Besonderheiten einzugehen.

1.4. Funktion und Bedeutung des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Anklage gegen den Bundespräsidenten ist ein herausragender Ausnahmefall im deutschen Verfassungsrecht, der auf die Sicherung der Verfassungsmäßigkeit des höchsten Amtes abzielt und die Stabilität des Amtes wie auch der Staatsorganisation als Ganzes gewährleisten soll. Das Verfahren zielt nicht auf eine strafrechtliche Sanktionierung ab, sondern auf die Sicherung der verfassungsmäßigen Ordnung und die Wahrung der Integrität des Amtes. Bei einer Verurteilung durch das Bundesverfassungsgericht könnte das Verfahren zur Amtsenthebung des Bundespräsidenten führen, womit das Organ der Legislative die Aufgabe hat, den Weg für eine solche gerichtliche Überprüfung zu bereiten, falls schwerwiegende Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes oder eines Bundesgesetzes vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine zentrale Rolle ein, indem es als unabhängige Instanz die Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Bundespräsidenten prüft und so eine strikte Bindung an die Verfassung auch für das höchste Amt des Staates sicherstellt. Die Gewaltenteilung und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit werden durch diese Verankerung gestärkt, da das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung ein neutrales und unabhängiges Organ für die Beurteilung eines derart schwerwiegenden Vorwurfs darstellt.

Das Erfordernis des Vorliegens einer vorsätzlichen Handlung und die notwendigen Mehrheiten zur Anklageerhebung zeigen, dass das Anklageverfahren nicht nur eine juristische, sondern eine verfassungsrechtliche und politische Hürde beinhaltet, deren Funktion die Wahrung der Stabilität des Bundespräsidentenamtes ist.

2. Absatz 2

2.1. Einführung zu Art. 61 Abs. 2 GG

Art. 61 Abs. 2 GG ergänzt den ersten Absatz des Artikels 61 GG, indem er die Zuständigkeit und Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Verfahren gegen den Bundespräsidenten definiert. Nach einer Anklageerhebung durch Bundestag oder Bundesrat gemäß Art. 61 Abs. 1 GG wird in Art. 61 Abs. 2 GG festgelegt, welche Entscheidungen das BVerfG im Falle der Schuld des Bundespräsidenten treffen kann. Dabei regelt Art. 61 Abs. 2 GG sowohl die Möglichkeit der endgültigen Amtsenthebung als auch die Verhängung einer einstweiligen Anordnung, durch die dem Bundespräsidenten bereits während des laufenden Verfahrens die Amtsausübung untersagt werden kann. Diese Norm stellt damit sicher, dass das höchste Amt im Staat nicht durch einen Amtsinhaber geschädigt wird, der im Verdacht steht, sich verfassungswidrig zu verhalten.

2.2. Inhalt und Funktion von Art. 61 Abs. 2 GG

Art. 61 Abs. 2 GG gliedert sich in zwei Sätze, die sich auf unterschiedliche Maßnahmen des BVerfG beziehen: Satz 1 regelt die Möglichkeit, den Bundespräsidenten des Amtes zu entheben, und Satz 2 stellt die Befugnis zur Verhängung einer einstweiligen Anordnung sicher.

2.2.1. Amtsverlust bei Feststellung der Schuld durch das Bundesverfassungsgericht (Satz 1)

Der erste Satz des Abs. 2 sieht vor, dass das BVerfG den Bundespräsidenten „des Amtes für verlustig“ erklären kann, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass dieser das Grundgesetz oder ein anderes Bundesgesetz vorsätzlich verletzt hat. Diese Entscheidungskompetenz des BVerfG wird im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens ausgeübt, das strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen unterliegt.

2.2.1.1. Voraussetzungen für die Amtsenthebung

Der Amtsverlust des Bundespräsidenten setzt eine „vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes“ voraus. Hierbei knüpft Art. 61 Abs. 2 GG an die in Abs. 1 genannten Tatbestände an, indem nur gravierende und vorsätzliche Gesetzesverstöße den Verlust des Amtes zur Folge haben können. Eine fahrlässige Rechtsverletzung reicht nicht aus. Der Vorsatz ist dabei im juristischen Sinne zu verstehen, d.h., es muss dem Bundespräsidenten nachgewiesen werden, dass er bewusst und gewollt gegen eine gesetzliche Bestimmung oder die Verfassung verstoßen hat.

Der Maßstab der vorsätzlichen Handlung verdeutlicht, dass Art. 61 GG insgesamt als „ultima ratio“ konzipiert ist, um dem Amt des Bundespräsidenten einen angemessenen Schutz vor leichtfertigen Anklagen zu gewährleisten und zugleich die Integrität des Amtes durch schwerwiegende Verfehlungen nicht zu beeinträchtigen. Die Norm zielt also nur auf solche Verstöße ab, die eine weiterführende Amtsführung für untragbar erscheinen lassen, insbesondere bei Verstößen gegen die grundgesetzlichen Prinzipien oder die Neutralitätspflicht des Amtes.

2.2.1.2. Bindung des Bundesverfassungsgerichts an die festgestellte Schuld

Sollte das Bundesverfassungsgericht die vorsätzliche Verletzung einer Vorschrift feststellen, hat es in seiner Entscheidung die Möglichkeit, den Bundespräsidenten des Amtes zu entheben. Diese Entscheidung ist eine endgültige, unaufschiebbare Maßnahme. Die Formulierung „kann“ zeigt, dass das BVerfG in der Entscheidung über den Amtsverlust Ermessensspielraum hat. Auch wenn die vorsätzliche Verletzung eines Gesetzes festgestellt wird, könnte es im Einzelfall mildernde Umstände geben, die eine Amtsenthebung als unangemessen erscheinen lassen. Der Ermessensspielraum des BVerfG dient der Flexibilität, individuelle Umstände zu berücksichtigen, die eine Amtsenthebung möglicherweise nicht rechtfertigen.

Diese Maßnahme des Amtsverlusts ist eine irreversible Entscheidung und stellt die drastischste Sanktion für das Staatsoberhaupt dar, da der Bundespräsident mit dem Amtsverlust nicht nur seine formelle Amtsausübung verliert, sondern auch die damit verbundenen repräsentativen Pflichten und Rechte als Staatsoberhaupt.

2.2.2. Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung zur Amtsenthebung während des Verfahrens (Satz 2)

In Art. 61 Abs. 2 Satz 2 GG wird dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit gegeben, bereits vor einer endgültigen Entscheidung eine einstweilige Anordnung zu erlassen, die dem Bundespräsidenten die Ausübung seines Amtes untersagt. Diese Regelung ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da ein Verfahren vor dem BVerfG Zeit in Anspruch nehmen kann und ein Bundespräsident, gegen den Anklage wegen vorsätzlicher Verfassungsverletzung erhoben wurde, das Amt in der Zwischenzeit potenziell beschädigen könnte.

2.2.2.1. Voraussetzungen und Ermessensspielraum für die Anordnung

Eine einstweilige Anordnung setzt die „Erhebung der Anklage“ voraus und zielt darauf ab, Schaden für das Amt und die Staatsordnung zu verhindern, bis eine abschließende gerichtliche Klärung herbeigeführt wurde. Der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass die Entscheidung über eine einstweilige Anordnung in das Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellt ist. Die einstweilige Anordnung hat präventiven Charakter und dient dazu, mögliche schädliche Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Bundespräsidentenamtes oder das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern, wenn der Bundespräsident weiterhin seine Amtsgeschäfte führen könnte.

2.2.2.2. Rechtsfolgen der einstweiligen Anordnung

Die einstweilige Anordnung nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 GG führt zur unmittelbaren Amtsverhinderung des Bundespräsidenten. Dies bedeutet, dass der Bundespräsident für die Dauer des Verfahrens von allen Amtspflichten und Befugnissen suspendiert wird. Eine solche Anordnung ist jedoch nicht mit einer vorweggenommenen Schuldvermutung gleichzusetzen; vielmehr bleibt der Ausgang des Verfahrens offen. Die Amtsverhinderung hat somit allein die Funktion, eine Gefährdung des öffentlichen Interesses abzuwenden.

Bei einer Amtsverhinderung durch eine einstweilige Anordnung tritt gemäß Art. 57 GG der Präsident des Bundesrates an die Stelle des Bundespräsidenten und übernimmt die Amtsgeschäfte. Diese Regelung dient der Kontinuität und Sicherstellung der Funktionalität des Bundespräsidentenamtes und beugt der Entstehung eines Machtvakuums vor.

2.3. Bedeutung des Verfahrens für die verfassungsmäßige Ordnung

Art. 61 Abs. 2 GG ist eine Maßnahme zur Sicherung der verfassungsmäßigen Ordnung und Integrität des Bundespräsidentenamtes. Die Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts, eine Amtsenthebung auszusprechen oder eine einstweilige Anordnung zu erlassen, stellen ein wichtiges Instrumentarium zur Sicherung der höchsten Staatsämter und zur Wahrung der verfassungsmäßigen Integrität dar. Dieses Verfahren gegen den Bundespräsidenten hat Seltenheitswert und wird als äußerstes Mittel angesehen, um verfassungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Die Norm bekräftigt, dass das Amt des Bundespräsidenten ebenso wie andere Staatsorgane der Verfassung unterliegt und durch das Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden kann.

Art. 61 Abs. 2 GG bietet somit einen Rahmen für ein Verfahren, das eine strikte Bindung des Bundespräsidenten an das Grundgesetz gewährleistet und die Möglichkeit vorsieht, bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsordnung die notwendige Verantwortlichkeit durchzusetzen. Durch die Einbindung des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung wird die Unabhängigkeit und Neutralität der Entscheidung gewährleistet, und eine sachgerechte Beurteilung wird durch die verfassungsrechtliche und verfahrensrechtliche Kompetenz des Gerichts sichergestellt.