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BGHSt 23, 329; DB 1970, 2171; JZ 1971, 33; MDR 1971, 60; NJW 1970, 2071; afp 1971, 38

Titel zum Volltext

Daten

Fall: 
Postbeschlagnahme / Beschlagnahme von pornographischen Schriften
Fundstellen: 
BGHSt 23, 329; DB 1970, 2171; JZ 1971, 33; MDR 1971, 60; NJW 1970, 2071; afp 1971, 38
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
29.09.1970
Aktenzeichen: 
5 StR 234/70
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Sarstedt, Siemer, Schmitt, Herrmann, Fleischmann
Instanzen: 
  • LG Berlin, 11.02.1970

Rechtsnormen

Seitennummerierung nach:

BGHSt 23, 329

Seiten:


BGHSt 23, 329 (329):
Postbeschlagnahme von eingeführten unzüchtigen Schriften im selbständigen Einziehungsverfahren.

Urteil

des 5. Strafsenats vom 29. September 1970 (Landgericht Berlin)

-- g. W. 5 StR 234/70 --

Gründe:

Das Landgericht hat die pornographischen Schriften eingezogen, die ein schwedischer Händler durch die Post an den Einziehungsbeteiligten gesandt hatte. Die Sendung wurde von der Bundespost dem Hauptzollamt Berlin-Schöneberg-Post gestellt, dort zollamtlich geöffnet und kontrolliert. Die Zollbehörde leitete die Sendung an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese erwirkte die gerichtliche Beschlagnahme. Ein Ermittlungsverfahren gegen den schwedischen Händler wurde nicht eingeleitet, weil er aus tatsächlichen Gründen nicht verfolgt werden konnte. Das Landgericht hat daher die selbständige Einziehung nach § 41 b StGB angeordnet.

Hiergegen richtet sich die Revision des Einziehungsbeteiligten mit der Verfahrens- und Sachbeschwerde.

Die Verfahrensrüge dringt durch. Mit ihr macht der Beschwerdeführer gerltend, die Beschlagnahme der Schriften sei unzulässig gewesen. Sie hätten daher im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet und eingezogen werden dürfen.

Das Brief- und Postgeheimnis darf nur durch Gesetz eingeschränkt werden. Es gibt kein Gesetz, das die Zollbeamten ermächtigt, dem Zollamt gestellte Sendungen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, um die Beschlagnahme und Einziehung unzüchtiger Schriften in einem auf § 184 Abs. 1 Nr. 1 a, § 41 b StGB gestützten Verfahren zu ermöglichen.

Das gilt auch für § 6 Abs. 7 des Zollgesetzes vom 14. Juni 1961 (soweit BGHSt 9, 351 eine andere Auffassung zugrunde liegen sollte, bezog sie sich ausdrücklich auf das alte Zollgesetz,


BGHSt 23, 329 (330):
"das vor der Geltung des Grundgesetzes geschaffen worden ist" - S. 353 -).

§ 6 Abs. 7 ZollG ist eine Ausnahmevorschrift, die ein Grundrecht einschränkt.Sie ist deshalb eng auszulegen. Darin und in den daraus zu ziehenden Folgerungen stimmt der Senat mit den Entscheidungen des Landgerichts Wuppertal (NJW 1969, 1544, 2247) und des Landgerichts Berlin (NJW 1970, 577) überein. § 6 Abs. 7 ZollG verpflichtet die Post lediglich zur Gestellung eingeführter Sendungen an die Zollbehörde. Dadurch wird weder der Mitgewahrsam der Post an den Sendungen aufgehoben (die Sendung wurde bei dem Hauptzollamt Berlin-Schöneberg-Post aufbewahrt; vergleiche auch Evers, JZ 1965, 661 mit Hinweisen), noch wurde das Postgeheimnis so weit durchbrochen, daß nunmehr auch der Zugriff anderer Behörden als des Zolls auf die Sendung statthaft wurde. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 7 ZollG ("Soweit die Deutsche Bundespost zur Gestellung verpflichtet ist") folgt vielmehr, daß das Brief- und Postgeheimnis nur in bestimmtem Umfange eingeschränkt worden ist. Die Post hat lediglich ihrer Gestellungspflicht an den Zoll nachzukommen. Damit bleibt die Sendung auch nach ihrer Gestellung im Internbereich einer Behörde, deren Verfahren unauffällig ist, vor allem nicht an die Öffentlichkeit dringt. Den Zugriff anderer staatlichen Stellen, der etwa durch die Gestellung erleichtert werden sollte, sieht das Gesetz nicht vor. Ein Verfahren, wie es § 2 des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 (BGBl. I 607) in Staatsschutzsachen eingeführt hat, kannt das erst später erlassene Zollgesetz nicht. Auch anläßlich der Einführung des § 184 Abs. 1 Nr. 1 a StGB hat der Gesetzgeber den Strafverfolgungsbehörden für die Beschlagnahme von eingeführten pornographischen Schriften keine Befugnisse eingeräumt, wie sie zur Sicherung der Beschlagnahme und Einziehung staatsgefährdender Schriften für erforderlich gehalten wurden.

Damit gelten für die Beschlagnahme von unzüchtigen Einzelsendungen die Einschränkungen, denen das allgemeine Beschlagnahmerecht unterworfen ist. § 99 StPO läßt die Beschlag


BGHSt 23, 329 (331):
nahme nur zu, wenn das Verfahren gegen einen Beschuldigten betrieben wird, nicht dagegen im objektiven Einziehungsverfahren. In ihm ist die Postbeschlagnahme, soweit nicht Sonderregelungen eingreifen, unzulässig. Das Gesetz mißt dem objektiven Einziehungsverfahren grundsätzlich nicht die Bedeutung zu, der den schwerwiegenden Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis rechtfertigen würde. Dann aber darf dieser Eingriff auch nicht in tatsächlicher Hinsicht dadurch ermöglicht werden, daß eine Behörde, die gestellte Postsendungen auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in Gewahrsam hat, solche Sendungen an andere Behörden weiterleitet, denen der Zugriff auf die Sendung nicht gestattet ist und die sie vom Zoll auch nicht herausverlagen dürfen. Das gilt allerdings nur für Sendungen mit einzelnen unzüchtigen Schriften. Werden solche Schriften in größeren Mengen für einen einzelnen Bezieher eingeführt, so kann das Verfahren gegen den Bezieher betrieben werden, die Beschlagnahme nach § 99 StPO durchgeführt werden.

Da die Einziehung auf der Verwertung der in unzulässiger Weise erlangten Sendung beruht und ausgeschlossen ist, daß die Schriften in anderer Weise in ein Einziehungsverfahren eingeführt werden könnten, hat der Senat den Inhalt der Sendung freigegeben. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob ein unter Verletzung des Art. 10 GG erlangtes Beweismittel schlechthin unverwertbar ist. In einem Verfahren nach § 41 b StGB, in dem es um die Einziehung unzüchtiger Schriften geht, die an einen privaten Besteller gerichtet sind, haben jedenfalls die staatlichen Verfolgungsinteressen keinen Vorrang vor der Wahrung des Postgeheimnisses.