BVerfGE 38, 241; NJW 1975, 203
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BVerfGE 38, 241 (241):
Die zeitliche Beschränkung der Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Mann (§ 1594 Abs. 1 und 2 BGB) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Beschluß
des Ersten Senats vom 4. Dezember 1974
- 1 BvL 14/73 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 1594 Absatz 1 und Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1221) - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Amtsgerichts Tübingen vom 26. April 1973 (7 C 98/73) -.
Entscheidungsformel:
Die Regelung der Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Mann in § 1594 Absatz 1 und Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 1221) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
Das Verfahren betrifft die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung der Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Ehemann der Mutter (Scheinvater). Das vorlegende Gericht hält die geltende zeitliche Beschränkung des Anfechtungsrechts des Mannes für unvereinbar mit der Verfassung; besonders sieht es eine verfassungswidrige Benachteiligung darin, daß die Anfechtungsfrist nicht erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen beginnt.
A. - I.
Ein nach der Eheschließung der Mutter geborenes Kind erhält die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes. Die Nichtehelichkeit eines Kindes, das während der Ehe oder innerhalb von dreihundertzwei Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe
BVerfGE 38, 241 (242):
geboren ist, kann nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist; die Anfechtung erfordert die Erhebung einer Klage durch den Anfechtungsberechtigten in einem besonderen Statusverfahren (§§ 1593, 1599 BGB i. V. m. §§ 640 ff. ZPO). Die näheren Bestimmungen über das Anfechtungsrecht und seine Ausübung sind seit Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuchs mehrmals geändert worden.
1. a) Nach der ursprünglichen Fassung des § 1594 BGB stand das Anfechtungsrecht zu Lebzeiten des Mannes nur ihm zu und war auf ein Jahr nach Kenntnis von der Geburt des Kindes beschränkt. In den Motiven wird zur Begründung darauf hingewiesen, daß es im allseitigen Interesse liege, wenn die Frage, ob das Kind ein eheliches sei oder nicht, bald zur definitiven Entscheidung gelange (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. IV, 1899, S. 355).
b) Das Gesetz über die Änderung und Ergänzung familienrechtlicher Vorschriften und über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 12. April 1938 (RGBl. I S. 380) änderte den § 1594 BGB dahin, daß die Jahresfrist für die Anfechtung erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen, und gab damit § 1594 Abs. 2 die heute geltende Fassung. Zugleich wurde - vornehmlich aus rassenpolitischen Gründen - ein zeitlich unbegrenztes Anfechtungsrecht des Staatsanwalts eingeführt.
c) Das Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1221) hat § 1594 BGB insgesamt neu gefaßt. Dabei wurde die Änderung des Fristbeginns durch das Gesetz von 1938 als zweckmäßig beibehalten (vgl. die amtliche Begründung des Entwurfs eines Familienrechtsänderungsgesetzes, BTDrucks. III/530, S. 14). Jedoch wurde die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage für den Mann auf zwei Jahre verlängert, zugleich aber eine absolute Ausschlußfrist von zehn Jahren seit
BVerfGE 38, 241 (243):
der Geburt des Kindes eingeführt, die später wieder wegfiel. Das Anfechtungsrecht des Staatsanwalts wurde beseitigt.
Die Verlängerung der Anfechtungsfrist geht auf einen von der Bundesregierung übernommenen Änderungsvorschlag des Bundesrats zu dem schon im 2. Deutschen Bundestag eingebrachten Entwurf eines Familienrechtsänderungsgesetzes zurück (BTDrucks. II/1586 S. 33) und sollte Wünschen von seiten der Praxis Rechnung tragen: Die Erfahrung habe gezeigt, daß der Mann in einer nicht geringen Zahl von Fällen seine Anfechtungsfrist infolge Rechtsunkenntnis versäumt habe; die Fristverlängerung ermögliche es ihm besser, die Abstammungsverhältnisse des Kindes zu klären und sich gegebenenfalls über die Fortsetzung der Ehe schlüssig zu werden. Der weitere Vorschlag des Bundesrats, dem Mann - gerade um der Erhaltung und Gesundung gefährdeter Ehen und der Verhinderung übereilter Ehelichkeitsanfechtungsklagen willen - ein erneutes zweijähriges Anfechtungsrecht zu geben, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden ist oder wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben (BTDrucks. a.a.O.; vgl. dazu Verhandlungen des Bundesrats, 137. Sitzung vom 4. März 1955, StenBer. S. 40, 42 f.), wurde dagegen von der Bundesregierung abgelehnt: Wenn der Mann sich einmal entschieden habe, die Ehelichkeit des Kindes nicht anzufechten, und deshalb die Anfechtungsfrist des § 1594 Abs. 1 BGB habe verstreichen lassen, müsse diese Entscheidung für die Folgezeit bindend sein; wenn die Ehe entgegen der Erwartung des Mannes nach Ablauf der Frist dennoch scheitere, könne ihm kein neues Anfechtungsrecht gegeben werden; einer solchen Regelung würde das Interesse des Kindes entgegenstehen (vgl. BTDrucks. II/1586, S. 38). Bei der Beratung des zweiten Entwurfs eines Familienrechtsänderungsgesetzes (BTDrucks III/ 530) nahm der Bundesrat diesen Vorschlag nicht wieder auf. Ein entsprechender Antrag fand schon im Rechtsausschuß keine Mehrheit, weil die Gefahr bestehe, daß der Mann die Ehescheidung nur mit dem Ziel anstrebe, sich von dem Kind lossagen zu können (vgl. die Niederschrift über die Sitzung des vom Rechts
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ausschuß eingesetzten Unterausschusses vom 19. Juni 1958, S. 2).
Statt des Anfechtungsrechts des Staatsanwalts haben unter bestimmten Voraussetzungen nunmehr auch die Eltern des Mannes und das Kind ein Anfechtungsrecht. Das Anfechtungsrecht des Kindes ist auf fünf im einzelnen geregelte Tatbestände beschränkt und teils befristet, teils unbefristet (§ 1596 BGB); ein sachlich uneingeschränktes Anfechtungsrecht des Kindes wurde im Interesse des Familienfriedens abgelehnt (vgl. die amtliche Begründung BTDrucks. III/530, S. 15, sowie den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses, zu BTDrucks. III/2812, S. 4). Unter anderem kann das Kind seine Ehelichkeit anfechten, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt ist oder wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben und nicht zu erwarten ist, daß sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Die Anfechtungsfrist beträgt in diesem Falle zwei Jahre und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen, die für seine Nichtehelichkeit sprechen, und von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt, der nach dieser Bestimmung Voraussetzung für die Anfechtung ist (also z. B. von der Scheidung). Für das minderjährige Kind kann der gesetzliche Vertreter die Ehelichkeit mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts anfechten (§ 1597 Abs. 1 BGB).
d) Das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243) beseitigte die zehnjährige Ausschlußfrist für die Anfechtungsklage des Mannes, weil sie zu Ungerechtigkeiten führe. In der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks. V/2370, S. 24 f.) heißt es dazu: Die Ausschlußfrist werde bedeutsam, wenn die Ehefrau es verstehe, ihren Ehebruch lange genug zu verbergen, oder wenn der Mann keine Kenntnis von der Geburt erlange, weil er von seiner Ehefrau getrennt lebe, oder wenn ihm das Datum einer Geburt nach der Scheidung falsch angegeben werde. Es lasse sich schwer rechtfertigen, daß der Mann in diesen Fällen infolge seiner unverschuldeten Unkenntnis ein Recht verlieren solle. Das Interesse des Scheinvaters an der Feststellung der wirk
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lichen Abstammung sei höher zu bewerten als das Bestreben, dem Kinde eine den Tatsachen widersprechende Rechtslage zu sichern. In der geschichtlichen Entwicklung des § 1594 BGB habe die Einfügung der Ausschlußfrist einen Rückschritt dargestellt.
2. Die für das vorliegende Verfahren relevanten Vorschriften lauten demgemäß wie folgt:
§ 1594 BGB
(1) Die Ehelichkeit eines Kindes kann von dem Mann binnen zwei Jahren angefochten werden. (2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen. Sie beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes. (3) Auf den Lauf der Frist sind die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 entsprechend anzuwenden.
§ 1596 BGB
(1) Das Kind kann seine Ehelichkeit anfechten, wenn 1. der Mann gestorben oder für tot erklärt ist, ohne das Anfechtungsrecht nach § 1594 verloren zu haben, 2. die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt ist oder wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben und nicht zu erwarten ist, daß sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen, 3. die Mutter den Mann geheiratet hat, der das Kind gezeugt hat, 4. die Anfechtung wegen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels oder wegen einer schweren Verfehlung des Mannes gegen das Kind sittlich gerechtfertigt ist oder 5. die Anfechtung wegen einer schweren Erbkrankheit des Mannes sittlich gerechtfertigt ist. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 kann das Kind seine Ehelichkeit nur binnen zwei Jahren anfechten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen, die für seine Unehelichkeit sprechen, und von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt, der nach Absatz 1 Nr. 1, 2 oder 3 Voraussetzung für die Anfechtung ist. Die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 sind entsprechend anzuwenden.
Die Rechtsprechung stellt bei der Anwendung des § 1594 Abs. 2 BGB relativ strenge - zugunsten des anfechtungsberechtigten
BVerfGE 38, 241 (246):
Mannes wirkende - Anforderungen an die Kenntnis der für die Nichtehelichkeit sprechenden Umstände, mit der die Anfechtungsfrist beginnt. Die maßgebenden Grundsätze sind in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 1973 (BGHZ 61, 195 [197 ff.]) zusammengefaßt.
3. Ein rechtsvergleichender Überblick über die Rechte Kontinentaleuropas ergibt, daß vielfach eine Ehelichkeitsanfechtung nur in bestimmten, eng umschriebenen Fällen und überwiegend nur innerhalb wesentlich enger bemessener Anfechtungsfristen möglich ist (vgl. im einzelnen Dölle, Familienrecht, Bd. II, 1965, S. 73 ff., 84 f.). Besonders kurz ist die Frist in den romanischen Rechten (Frankreich und Niederlande 6 Monate, Portugal 120 Tage, Italien 3 Monate, Spanien 2 Monate, Belgien und Luxemburg 1 Monat); in den Ostblockstaaten beträgt sie 6 Monate (Jugoslawien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei) oder 1 Jahr (Albanien, Bulgarien, DDR, UdSSR, Ungarn), in der Schweiz 3 Monate, in Österreich und Griechenland 1 Jahr. Lediglich einige skandinavische Staaten (Norwegen, Schweden) kennen eine längere Anfechtungsfrist (3 Jahre).
II.
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ficht mit der im Februar 1973 erhobenen Klage die Ehelichkeit der am 10. September 1970 von seiner Ehefrau geborenen Tochter M. an. Seine Ehe mit der Mutter der Beklagten, aus der zuvor bereits zwei Kinder hervorgegangen waren, ist seit 1973 geschieden.
Nachdem der Kläger 1969 seine Frau mit einem anderen Mann überrascht und sie zugegeben hatte, mit diesem Mann schon öfters geschlechtlich verkehrt zu haben, vereinbarten die Eheleute, zunächst auf unbestimmte Zeit getrennt zu leben. Diese Trennung dauerte etwas über ein halbes Jahr und bestand während der gesamten gesetzlichen Empfängniszeit für das beklagte Kind - 12. November 1969 bis 13. März 1970 -. In dieser Zeit ist es nach Aussage des Klägers sehr wahrscheinlich nicht, nach Aussage der Frau mit Sicherheit nicht zum ehelichen Verkehr gekommen;
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dagegen setzte die Frau ihre geschlechtlichen Beziehungen zu dem anderen Manne fort.
Nach den Angaben des Klägers, die seine geschiedene Frau im wesentlichen bestätigt hat, wollte der Kläger auch nach Entdeckung der offenbaren Untreue seiner Frau seine Ehe schon im Interesse der beiden erstgeborenen Kinder retten. Er habe sich trotz Zweifeln an die Vermutung oder wenigstens Hoffnung geklammert, das beklagte Kind sei von ihm. Erst etwa ein halbes Jahr nach der Geburt, im Frühjahr 1971, habe er endgültig gegenteilige Gewißheit erlangt, als ihm seine Frau bei einer Auseinandersetzung erklärt habe, das Kind sei von jenem anderen Mann. Auch danach habe er mit der Erhebung der Anfechtungsklage gezögert, um die Ehe nicht zusätzlich zu belasten. Erst als er Anfang 1973 seine Ehe für endgültig gescheitert angesehen habe, habe der Entschluß zur Erhebung der Scheidungsklage auch die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes ausgelöst.
2. Das Amtsgericht hat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber beantragt, ob § 1594 BGB insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sei, als die Anfechtungsfrist für den Mann auch dann mit dem Zeitpunkt seiner Kenntnis von den Umständen, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen (frühestens mit der Geburt), beginne, wenn die Ehe mit der Mutter und die eheliche Gemeinschaft fortbestehe. Zur Begründung führt das Gericht aus:
a) Wenn die zum nachkonstitutionellen Recht gehörende Vorschrift des § 1594 BGB gültig sei, müsse die Klage ohne weitere Sachprüfung sofort als verspätet und damit unzulässig abgewiesen werden, da nach der Überzeugung des Gerichts die zweijährige Anfechtungsfrist mit der Geburt des Kindes zu laufen begonnen habe. Sei dagegen § 1594 BGB ungültig, so wolle das Gericht in die sachliche Prüfung der Frage eintreten, ob die Vaterschaft des Klägers offenbar unmöglich sei (§ 1591 Abs. 1 Satz 2 BGB), und hierzu Beweis erheben.
b) Nach Auffassung des Gerichts verletzt die Regelung der An
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fechtungsfrist das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG, das staatliche Eingriffe sowohl in gesunde wie in gefährdete Ehen verbiete. Der dem Ehemann auferlegte Zwang, binnen zwei Jahren die Ehelichkeit des Kindes anfechten zu müssen, widrigenfalls er des Rechts hierzu für alle Zeiten verlustig gehe, sei geeignet, die durch den "Fehltritt" der Frau ohnehin gefährdete Ehe vollends zu zerstören. Entgegen den überholten moralischen und soziologischen Vorstellungen, die dem § 1594 BGB zugrunde lägen, sei es für einen Mann heute nicht mehr von vornherein undenkbar, nach Kenntnis von einer Untreue seiner Frau die Ehe mit ihr fortzusetzen. In der entstandenen Konfliktssituation erscheine es aber als eine zusätzliche Gefährdung von Ehe und Familie, wenn der Mann sich noch während des Bestehens seiner Ehe entscheiden müsse, ob er hinsichtlich der Vaterschaft klare Verhältnisse schaffen und dadurch Wunden, die besser heilen sollten und auch heilen könnten, noch weiter aufreißen wolle. Schon das gerichtliche Anfechtungsverfahren störe jeden Heilungsversuch empfindlich. Werde die Nichtehelichkeit des Kindes festgestellt, so stehe es von da an als Störenfried zwischen den Eheleuten und neben den ehelichen Kindern. Diesen Zustand müßten Eheleute auf die Dauer als unerträglich ansehen und schließlich ihr Heil in der endgültigen Trennung suchen.
Die gegenwärtige Gestaltung der Anfechtungsfrist könne auch durch ein Interesse des Kindes nicht gerechtfertigt werden; seine Interessen hätten nach der Verfassung keinen Vorrang vor den Interessen des Mannes und der Frau.
§ 1594 BGB verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Während der Ehemann die Anfechtung schon während Bestehens der Ehe und ohne Rücksicht auf den Zustand der ehelichen Gemeinschaft vornehmen müsse, beginne für das Kind die zweijährige Anfechtungsfrist erst mit der förmlichen Auflösung der Ehe oder mindestens dreijähriger, voraussichtlich endgültiger tatsächlicher Trennung der Ehegatten (§ 1596 BGB). Diese Bevorzugung des Kindes gegenüber dem als Vater geltenden Ehemann sei sachlich nicht gerechtfertigt. Hierin liege zugleich eine Benachteiligung des
BVerfGE 38, 241 (249):
Mannes gegenüber der Frau, wenn ihr nach Scheidung oder längerer Trennung die elterliche Gewalt übertragen werde.
III.
1. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mitgeteilt, daß er die zeitliche Beschränkung des Anfechtungsrechts des Mannes in § 1594 BGB stets für verfassungsmäßig angesehen habe. Er hält die von dem vorlegenden Gericht geäußerten Bedenken für nicht begründet. Zwar könne es eine zusätzliche Gefährdung der Ehe bedeuten, wenn sich der Mann während des Bestehens der Ehe binnen zwei Jahren entscheiden müsse, ob er hinsichtlich der Abstammung des Kindes klare Verhältnisse schaffen wolle. Andererseits falle das Interesse des Kindes ins Gewicht. Es sei eine durchaus vertretbare Entscheidung des Gesetzgebers, daß er das Schicksal des Personenstandes des Kindes mit seinen vielfachen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Auswirkungen nicht vom Bestand der Ehe der Eltern abhängig gemacht habe.
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes entfalle schon deswegen, weil die Lage von Mann und Kind nicht die gleiche sei. Ein allgemeines zweijähriges Anfechtungsrecht stehe dem Kinde nicht zu. Der Gesetzgeber habe das Interesse des Mannes an der Klärung der wahren Abstammung dem der Familieneinheit vorangehen, das des Kindes jedoch hinter diesem zurücktreten lassen (vgl. Heinrich Lange, NJW 1962, S. 1697 [1698]).
2. Der Bundesminister der Justiz, der sich für die Bundesregierung geäußert hat, schließt sich der Auffassung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs an und bemerkt ergänzend folgendes:
Der Gesetzgeber greife durch die Gewährung eines befristeten Anfechtungsrechts des Ehemannes nicht unmittelbar in den Bestand von Ehe und Familie ein. Die Gefährdung der Ehe beruhe in diesem Falle auf dem Verhalten der Ehegatten, besonders der Untreue der Frau. Allerdings könne sich die Befristung des Anfechtungsrechts mittelbar auf den Fortbestand der Ehe auswirken, wenn sich der Ehemann durch den Ablauf der Anfechtungs
BVerfGE 38, 241 (250):
frist genötigt sehe, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten, und dadurch bei einer möglicherweise noch heilbaren Ehezerrüttung die Ehescheidung erst eigentlich auslöse. Hierin könne jedoch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gesehen werden. Es widerspreche der Rechtssicherheit und dem Wohl des Kindes, wenn sein Personenstand allzu lange in der Schwebe bleibe und die Zugehörigkeit zu einer Familie, in der es heranwachse, nach unangemessen langer Zeit in Zweifel gezogen werde. Die geltende Regelung entspreche einer angemessenen Abwägung der Interessen von Ehemann und Kind.
B.
Die Vorlage ist zulässig. Jedoch ist die Vorlagefrage auf die verfassungsrechtliche Prüfung von § 1594 Abs. 1 und 2 BGB zu beschränken, soweit darin die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit geregelt wird.
C.
Die Regelung der Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Mann in § 1594 Abs. 1 und 2 BGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. bereits BVerfGE 35, 41 [48]).
I.
1. Die Regelung der ehelichen Abstammung, besonders der Frage, wie die Nichtehelichkeit eines in der Ehe geborenen Kindes festgestellt werden kann, betrifft nicht nur die Rechtsstellung des Ehemannes, sondern ebensowohl die des Kindes und der Mutter wie auch der Familie, in die das Kind hineingeboren wird, und des Erzeugers. In bezug auf die nähere Ausgestaltung des Rechts zur Anfechtung der Ehelichkeit, namentlich auf die Bemessung der Anfechtungsfrist, weichen naturgemäß die Interessen der Genannten erheblich voneinander ab:
a) Dem Interesse des Ehemannes entspricht es, durch die Anfechtung der Ehelichkeit Zweifel an der Abstammung eines von seiner Ehefrau geborenen Kindes zu klären und zu verhindern, daß ein nicht von ihm abstammendes Kind nach außen als sein
BVerfGE 38, 241 (251):
eigenes Kind erscheint und ihm gegen seinen Willen die Stellung eines Vaters mit den sich daraus ergebenden Pflichten aufgebürdet wird. Von seinem Standpunkt ist ein sachlich und zeitlich möglichst unbeschränktes Anfechtungsrecht erwünscht; ein unbefristetes Anfechtungsrecht oder eine lang bemessene Anfechtungsfrist erleichtert ihm nicht nur die Wahrung seiner Rechte, sondern ermöglicht ihm auch, die Entscheidung über die Anfechtung von der weiteren Entwicklung der ehelichen Gemeinschaft abhängig zu machen. Falls der Mann den Ehebruch der Frau nicht als Anlaß zu einer Scheidung der Ehe ansieht, wird er häufig an einer Anfechtung nicht interessiert sein, solange die eheliche Lebensgemeinschaft besteht.
b) Das Kind hat zwar ebenfalls ein Interesse an der Klärung seiner Abstammung. Es hat aber vor allem ein selbständiges Interesse daran, daß möglichst frühzeitig und endgültig Gewißheit über seine familienrechtliche Stellung besteht. Der Personenstand des Kindes mit seinen vielfachen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Auswirkungen darf nicht für unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben und in Frage gestellt werden können. Je später seine Ehelichkeit angefochten wird, um so größer ist die Gefahr, daß das Wohl des Kindes gefährdet wird, daß es erhebliche seelische Erschütterungen erleidet und seine Stellung in der Gesellschaft eine Minderung erfährt.
Im allgemeinen überwiegt das Interesse des Kindes, als eheliches Kind in der Familie aufzuwachsen, in die es hineingeboren ist, sein Interesse an der genauen Feststellung seiner Abstammung. Die Erhaltung des günstigen Familienstandes eines ehelichen Kindes ist für seine Entwicklung - auch nach Auflösung der Ehe seiner Mutter - regelmäßig vorteilhafter als die Stellung eines nichtehelichen Kindes des wirklichen Erzeugers. Besonders widerspricht es dem Wohl des Kindes, seinen Familienstand an das Schicksal der Ehe der Eltern zu binden. Der Bestand oder Nichtbestand der Ehe der Eltern braucht mit dem Ehebruch der Frau und der Geburt des Kindes nichts zu tun zu haben - man denke nur an eine Scheidung viele Jahre nach der Geburt des Kindes.
BVerfGE 38, 241 (252):
Aus allen diesen Erwägungen liegt eine kurze Anfechtungsfrist im Interesse des Kindes (vgl. BGHZ 23, 1 [6 f.]; OLG Koblenz, FamRZ 1964, S. 89 [90]; OLG Neustadt, FamRZ 1965, S. 80 [81]; Dölle, a.a.O. S. 82; Schwarzhaupt, FamRZ 1961, S. 329).
Hinzu kommt noch ein weiteres: Je länger die Frist ist, innerhalb deren die Ehelichkeit des Kindes angefochten werden kann, um so weiter werden auch die Feststellung des nichtehelichen Vaters und die Erhebung von Ansprüchen gegen ihn hinausgeschoben (vgl. §§ 1593, 1600 a BGB). Je mehr Zeit aber bis zur Feststellung des nichtehelichen Vaters verstreicht, um so ungünstiger wird die Stellung des Kindes im Vaterschafts- und Unterhaltsprozeß.
c) Das Interesse der Mutter wird sich regelmäßig mit den aufgezeigten Interessen des Kindes decken. Von ihrem Standpunkt wird es im allgemeinen erwünscht sein, daß möglichst bald Klarheit besteht über die Konsequenzen, die der Mann aus ihrem Ehebruch hinsichtlich seines Verhältnisses zu ihr und zu dem Kinde ziehen will, und weder die - fortbestehende - Ehe noch die Zuordnung des Kindes zu der Familie auf längere Sicht mit der Anfechtungsmöglichkeit belastet wird.
d) Der mögliche oder wirkliche Erzeuger wird häufig kein eigenes Interesse an der Anfechtung der Ehelichkeit haben. Er hat jedoch ebenso wie das Kind ein berechtigtes Interesse daran, daß nicht für unbegrenzte Zeit ein Schwebezustand besteht und er möglicherweise erst viele Jahre nach der Geburt des Kindes als Vater festgestellt und rückwirkend auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen wird (vgl. §§ 1615 d, 1615 b BGB).
2. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung der Anfechtung der Ehelichkeit im allgemeinen und der Entscheidung über die Anfechtungsfrist im besonderen die Interessen der verschiedenen Beteiligten zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Er muß ferner bedenken, daß die Regelung auch öffentliche Belange berührt, weil der Personenstand in zahlreichen Rechtsgebieten von Bedeutung ist. Wie schon die Entwicklung der Ehelichkeitsanfechtung im deutschen Recht und der Vergleich mit anderen
BVerfGE 38, 241 (253):
Rechtsordnungen zeigt, ist eine Fülle von Lösungsmöglichkeiten denkbar, je nachdem welches Gewicht den einzelnen einander widerstreitenden Interessen zugemessen wird.
Aus dem Grundgesetz läßt sich nicht entnehmen, zu welchem Ergebnis die bei der Bemessung der Anfechtungsfrist vorzunehmende Interessenabwägung zu gelangen hat. Die Verfassung schränkt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nur insoweit ein, als er hier wie auch sonst die Wertentscheidungen der Verfassung, wie sie namentlich in den Grundrechten zum Ausdruck kommen, beachten und zu deren Verwirklichung beitragen muß. Als solche Wertentscheidungen kommen vor allem das in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Mannes und des Kindes (vgl. BVerfGE 24, 119 [144]), die Verfassungsgebote zum Schutz von Ehe und Familie und zum Schutz der nichtehelichen Kinder (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 GG) in Betracht; auch ist der Grundsatz der Gleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beachten.
II.
Die gegenwärtige Regelung der Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Mann genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen; sie liegt, sowohl was ihre Dauer wie die Bestimmung des Fristbeginns angeht, im Rahmen der dem Gesetzgeber zukommenden Gestaltungsfreiheit.
1. Die Interessen des Mannes sind hinreichend gewahrt, wenn er die Ehelichkeit eines Kindes innerhalb von zwei Jahren, nachdem er Kenntnis von den für die Nichtehelichkeit sprechenden Umständen erlangt hat, anfechten kann, wobei die Frist frühestens mit der Geburt des Kindes beginnt. Innerhalb dieser Frist kann vom Mann eine endgültige Entschließung darüber erwartet werden, ob er die Ehelichkeit des Kindes anfechten will oder nicht - einschließlich der Überlegungen, wie ein solcher Schritt sich auf den Fortbestand der Ehe auswirken wird. Wie die rechtsvergleichende Übersicht gezeigt hat, ist diese Frist relativ lang, länger als in den entsprechenden Regelungen der meisten anderen europäischen Rechte.
BVerfGE 38, 241 (254):
2. Es verstößt nicht gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie, daß die Anfechtung auf zwei Jahre befristet ist und der Lauf dieser Frist unabhängig davon beginnt, ob die Ehe und die eheliche Gemeinschaft zwischen der Mutter des Kindes und dem Mann noch fortbesteht, oder - anders betrachtet - daß das durch Fristablauf erloschene Anfechtungsrecht des Mannes bei einer späteren Auflösung der Ehe oder dauernden Trennung der Eheleute nicht wieder auflebt. Gewiß könnte der Wunsch, eine gefährdete Ehe zu erhalten, für eine solche Regelung sprechen (vgl. den oben zu A I 1 c erwähnten Änderungsvorschlag des Bundesrats zum ersten Entwurf eines Familienrechtsänderungsgesetzes). Eine allzu kurze Anfechtungsfrist mag sich im Einzelfall für den Bestand der Ehe und die Erhaltung der Ehelichkeit des Kindes ungünstig auswirken. Der Mann kann sich veranlaßt sehen, wegen Ablaufs der Frist die Ehelichkeit des Kindes ohne gründliche Überlegung anzufechten und dadurch bei einer möglicherweise noch heilbaren Ehezerrüttung die Ehescheidung erst eigentlich auszulösen (vgl. Maßfeller, StAZ 1961, S. 241 [242]). So ist die Verlängerung der Anfechtungsfrist auf zwei Jahre begrüßt worden in der Hoffnung, der anfechtungsberechtigte Ehemann werde, nachdem er vom Anfechtungsgrund erfahren und die erste Erschütterung hierüber überwunden habe, sich eher bereit finden, ein nicht von ihm stammendes Kind als eheliches hinzunehmen, wenn er nicht zu einer raschen Entscheidung gedrängt und ihm eine längere Überlegungsfrist eingeräumt werde, in der er Zeit habe, sich an das im Familienkreis aufwachsende Kind zu gewöhnen und es liebzugewinnen (vgl. Brühl, FamRZ 1962, S. 8 [10]; G. Scheffler in BGB- RGRK, 10./11. Aufl., Bd. IV/2, 1964, § 1594 n. F., Anm. 2).
Auf der anderen Seite dient eine lange Dauer der Anfechtungsfrist oder ein Wiederaufleben des Anfechtungsrechts durchaus nicht immer dem Schutz von Ehe und Familie. Falls die Kenntnis des Mannes von dem Ehebruch und sonstigen für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechenden Umständen nicht bereits als solche
BVerfGE 38, 241 (255):
zur Lösung der ehelichen Gemeinschaft führt, wird es eher zur Überwindung der entstandenen Krise beitragen, wenn der die fortbestehende Ehe belastende Vorfall möglichst bald im einen oder anderen Sinne endgültig bereinigt wird. Jede Anfechtung wirkt sich regelmäßig nachteilig für den Familienfrieden aus, und schon die drohende Ungewißheit einer noch möglichen Anfechtung ist geeignet, die gedeihliche Entwicklung der fortbestehenden Gemeinschaft zu stören. Bei entgegengesetzter Regelung besteht auch die Gefahr, daß der Mann das Anfechtungsrecht als ständiges Druckmittel gegen die Frau und das Kind mißbraucht (vgl. Breetzke, FamRZ 1955, S. 159 [160]; Dölle, a.a.O., S. 82); ebenso könnte ein Wiederaufleben des Anfechtungsrechts nach Auflösung der Ehe dazu führen, daß der Mann die Ehescheidung nur anstrebt, um sich von lästigen Verpflichtungen gegenüber dem Kind lossagen zu können.
Übrigens trifft es nicht zu, daß - wie das vorlegende Gericht meint - die Erhebung der Anfechtungsklage über kurz oder lang stets die Scheidung der Ehe nach sich ziehen müsse. Es kommt nicht selten vor, daß der Mann, obwohl er trotz des Ehebruchs der Frau an der Ehe festhält, die Ehelichkeit des aus dem Ehebruch stammenden Kindes anficht; hierfür können namentlich finanzielle Erwägungen sprechen.
3. Läßt sich danach schon nicht sagen, daß im Verhältnis der Eheleute der Schutz von Ehe und Familie eine Regelung der Anfechtungsfrist gebietet, wie sie der Auffassung des vorlegenden Gerichts entspricht, so konnte der Gesetzgeber um so mehr seine Gestaltung danach ausrichten, was dem Wohl des betroffenen Kindes am besten dient. Der Staat muß gemäß dem ihm in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG erteilten Auftrag darüber wachen, daß die Entwicklung des Kindes, das sich noch nicht selbst zu schützen vermag, durch eine Anfechtung seiner Ehelichkeit nicht mehr als unvermeidlich Schaden leidet.
Wie oben dargelegt, geht aber das Interesse des Kindes eindeutig dahin, möglichst frühzeitig endgültige Gewißheit über seinen Personenstand zu erhalten. Je später das Anfechtungsrecht durch
BVerfGE 38, 241 (256):
den Mann ausgeübt werden kann, um so nachteiliger sind die Folgen für das Kind. Insoweit bedeutet schon der Wegfall der zehnjährigen absoluten Ausschlußfrist durch die letzte Rechtsänderung eine nicht unerhebliche Verschlechterung seiner Situation, weil es danach nicht ausgeschlossen ist, daß eine Anfechtung erst viele Jahre oder gar Jahrzehnte nach der Geburt des Kindes durchgeführt wird. Um so weniger ist es verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber im übrigen das Interesse des Kindes als vorrangig angesehen und die Anfechtungsfrist auf zwei Jahre von der Kenntnis der für die Nichtehelichkeit sprechenden Umstände begrenzt hat. Bei einer Abwägung der aufgezeigten, einander zum Teil widerstreitenden Interessen der verschiedenen Beteiligten erscheint das Kind am schutzwürdigsten und schutzbedürftigsten. Mann und Kind werden von der Anfechtung der Ehelichkeit in ganz verschiedener Weise betroffen. Für das Kind wirkt sich die Anfechtung überwiegend nachteilig, für den Mann dagegen vorteilhaft aus. Das Kind erleidet durch die Anfechtung einen Rechtsverlust, indem es den günstigen Personenstand eines ehelichen Kindes verliert und nunmehr als nichtehelich gilt mit allen sich daraus für seine Entwicklung und seine Rechtsstellung ergebenden Nachteilen. Demgegenüber wird der Mann durch die Anfechtung von einem ihn belastenden Scheinrechtsverhältnis befreit mit der Folge, daß er künftig für das Kind keinen Unterhalt mehr zu leisten und auch sonst für das Kind nicht mehr zu sorgen braucht. Zudem befindet sich das Kind in einer ungleich ungünstigeren Lage als der Ehemann der Mutter, als es nicht selbst seine Rechte wahrnehmen und aus eigenem Wissen nichts zur Klärung seiner Abstammung beitragen kann (vgl. BGH, FamRZ 1966, S. 504 [505]).
4. Es verletzt auch nicht den Gleichheitssatz, daß das Anfechtungsrecht des Mannes nicht wieder auflebt, wenn die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt ist oder die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben und eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist, obwohl in diesen Fällen nach § 1596 Abs. 1 Nr. 2 BGB
BVerfGE 38, 241 (257):
dem Kinde und seinem gesetzlichen Vertreter ein Anfechtungsrecht eingeräumt ist (vgl. BGH, a.a.O.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz kann der Gesetzgeber grundsätzlich unter mehreren Lösungen die ihm am geeignetsten erscheinende wählen, mag sie auch nicht die zweckmäßigste oder gerechteste sein. Art. 3 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich für die gesetzliche Differenzierung bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt (vgl. BVerfGE 17, 319 [330]; 32, 157 [167 f.]; 33, 367 [384] - jeweils mit weiteren Nachweisen). Hier ergeben sich sachlich einleuchtende Gesichtspunkte für die verschiedene Ausgestaltung des Anfechtungsrechts des Mannes einerseits, des Kindes andererseits bereits aus den eingangs dargestellten grundsätzlichen Unterschieden der beiderseitigen Interessen. Schon diese rechtfertigen es, daß das Anfechtungsrecht sowohl hinsichtlich der Frist wie der sachlichen Voraussetzungen abweichend geregelt ist.
5. Schließlich verstößt es auch nicht - wie das vorlegende Gericht meint - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, daß die Ehescheidung nach § 48 EheG eine dreijährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft voraussetzt. Ehelichkeitsanfechtung und Ehescheidung sind zwei wesensverschiedene Rechtsinstitute mit voneinander abweichenden Zielsetzungen und müssen jede für sich betrachtet werden (vgl. BVerfGE 34, 118 [130 f.]).
Benda Haager Böhmer Rupp-v. Brünneck Ritterspach Faller Brox Simon