Erörterung der Handlungspflicht von bayrischen Kommunalbeamten im Privatleben am Beispiel der sogenannten Straßenschilderdiebe

In der vorliegenden Studienarbeit wird geprüft, ob bayerische Kommunalbeamte eine außerdienstliche Pflichtverletzung begehen, wenn sie Kenntnis über einen sogenannten Schilderdiebstahl erhalten.

1. Einleitung

Deutschlandweit werden, laut allgemeinen deutschen Automobilclubs, ca. 16 Millionen Verkehrsschilder gestohlen1. Dabei ist die Aufklärungsrate verschwindend gering. Besonders Ortsschilder werden gerne ins Visier der Diebe genommen. Dieses Phänomen war bis vor einiger Zeit vor allem ein Problem für Gemeinden mit amüsanten Namen, wie „Fickmühlen“, oder besonderen Orten, wie der berühmte Festivalort „Wacken“2. Mittlerweile werden aber auch kleinere Orte insbesondere im bayerischen Regierungsbezirk Mittelfranken Opfer von Schilderdieben.

Für die Gemeinden bedeutet das einen erheblichen finanziellen Schaden. So kostet ein Schild zwischen 150,00 € und 500,00 € in der Anschaffung und Montage3. Auch diebstahlhemmende Verschraubungen und Verschweißungen helfen nichts gegen die teilweise professionell ausgestatteten Täter. Als Motiv wird angenommen, dass die Schilder oft als Mutprobe gestohlen werden oder als Geschenk oder Souvenir dienen4.

Doch was passiert, wenn in der Personengruppe, in der die Idee, ein Straßenschild zu stehlen, entsteht, ein Kommunalbeamter ist? Hat er die Pflicht nun einzugreifen und die Tathandlung zu verhindern? Schließlich sagt der Volksmund gerne, dass ein Beamter immer im Dienst sei. Und vor allem: Begeht er, wenn er es unterlässt einzuschreiten, ein Verstoß gegen seine ihm obliegenden Dienstpflichten? Diese Fragen sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit erörtert werden. Dazu wird zuerst charakterisiert, inwieweit das Abnehmen und ggf. Mitnehmen von Ortsschildern strafbar ist. Im Anschluss wird erst strafrechtlich, dann dienstrechtlich das Verhalten des betreffenden Beamten erörtert.

2. Charakterisierung der Strafbarkeit beim Entfernen von Straßenschildern

2.1. Der objektive Tatbestand des Diebstahls gemäß § 242 StGB

Um einen Diebstahl i. S. d. § 242 Abs. 1 StGB zu verwirklichen, ist es notwendig eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegzunehmen, sich oder einem Dritten diese Sache rechtswidrig zueignen zu wollen.

Eine bewegliche Sache ist hierbei jeder Gegenstand i. S. d. § 90 BGB, welche „tatsächlich fortgeschafft werden kann“5. Nach herrschender Meinung ist hierbei auch auf Gegenstände abzustellen, die erst durch Verwirklichung der Tathandlung beweglich gemacht werden, da hierbei der Schutzwille des Gesetzgebers durch die Strafnorm § 242 Abs. 1 StGB zu beachten ist6. Wenn somit ein Ortsschild, wie im vorliegenden Fall beschrieben, von seiner Verankerung abgeschraubt oder abgeklemmt wird, wird dieses Schild im Moment der Tathandlung unweigerlich beweglich gemacht und somit zu einer beweglichen Sache im Sinne der Strafrechtsnorm.

Bei der Wegnahme handelt es sich um die in Gewahrsamnahme einer Sache7. Hierbei bedarf es des Willens der handelnden Person, die Sache sich zueignen zu wollen (subjektiver Herrschaftswille), und der Möglichkeit über die Sache nach persönlichem Willen zu verfügen (objektiver Herrschaftswille)8. Um dieses Tatbestandsmerkmal nun zu verwirklichen, ist festzuhalten, dass eine Einwilligung des eigentlichen Gewahrsamsinhabers der Erfüllung des objektiven Tatbestandes entgegensteht9. Auf die tatsächliche Neubegründung eines Gewahrsams eines Täters muss nicht abgestellt werden, da die Rechtsnorm durch ihren Aufbau auch die Möglichkeit eröffnet, dass ein Dritter rechtswidrig in den Stand des Gewahrsamsinhabers eintritt10.

Das Ortsschild ist unweigerlich Eigentum der zuständigen Gemeinde i. S. d. § 903 BGB. Die Gemeinde hat rechtmäßig die Verfügungsgewalt über das Ortsschild. Sobald ein Täter dieses Schild nun abmontiert und sich oder einem Dritten zueignet (in seinen Machtbereich oder den eines Dritten zuführt), verliert die Gemeinde die tatsächliche Gewalt über das Schild. Somit verliert sie auch den Stand des Gewahrsamsinhabers. Nachdem keine Einwilligung der Gemeinde zu diesem Handeln vorliegt, kann von einer rechtswidrigen Handlung ausgegangen werden, da der Tatbestand in sich bereits die Rechtswidrigkeit indiziert und ohne Einwilligung oder eine notwehr- oder notstandbegründende Situation auch keine Rechtfertigung ersichtlich ist.

Somit ist der objektive Tatbestand des § 242 StGB beim Abnehmen und der Mitnahme von Ortsschildern verwirklicht.

2.2. Der objektive Tatbestand des gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB

Der objektive Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB wird dadurch verwirklicht, dass jemand eine Anlage beseitigt und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet.

Eine Anlage i. S. d. Norm ist jede „dem Verkehr dienende[n] Einrichtung[en] wie Verkehrszeichen […], aber auch die Straße selbst nebst ihrem dem Verkehr dienenden Zubehör“11. Bei einem Ortsschild handelt es sich um ein Verkehrszeichen i. S. d. § 42 Abs. 2 StVO i. V. m. Anlage 3 Abschnitt 2 Zeichen 310.

Das Beseitigen wird verwirklicht durch das Entfernen der Anlage vom Bestimmungs- und Aufstellungsort12. Hiervon kann nach Abnahme der Schilder in jedem Fall ausgegangen werden, da, selbst wenn das Schild direkt neben der Anbringung abgelegt wird, es sich nicht mehr an seinem ureigenen Bestimmungsort befindet und allein hierdurch eine Gefährdung für Leben und Gesundheit entstehen kann.

Als letztes Tatbestandsmerkmal ist hier auf die Gefahr für Leib und Leben abzustellen. Eine Gefahr ist hierbei ein Sachverhalt, der bei ungehindertem objektiv zu erwartendem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung von Schutzgütern (verfassungsimmanenter Rechtsgüter) führt (vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 PAG)13. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein solches Grundrecht i. S. d. Art. 2 Abs. 2 GG. Sollten die Täter das Ortsschild tatsächlich abmontieren und ein Verkehrsteilnehmer hierdurch der irrigen Meinung sein, dass er sich noch auf einer Straße außerorts befinde, und somit eine andere Person oder er selbst durch wegen des fehlenden Verkehrszeichens irrigen Verhaltens geschädigt werden, wird hier das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit erheblich eingeschränkt. Es liegt somit unstrittig eine Gefahr für Leib und Leben vor.

Im Ergebnis ist nun festzustellen, dass der objektive Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB erfüllt ist.

2.3. Zusammenfassung des rechtswidrigen Charakters der Abnahme von Verkehrszeichen

Wie in den vorherigen Ausführungen gezeigt, erfüllt die Tathandlung hier den objektiven Tatbestand einer Straftat i. S. d. § 242 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB. Daraus kann nun festgehalten werden, dass grundsätzlich die Rechtswidrigkeit der Handlung aus der Erfüllung der oben geprüften objektiven Tatbestände indiziert ist. Natürlich ist in der repressiven Würdigung des Sachverhaltes noch auf den subjektiven Tatbestand, ggf. gegebene Rechtfertigungsgründe und die Vorwerfbarkeit einzugehen, jedoch ist dies für die präventive Abwehr von Gefahren und für die beamtenrechtliche Fragestellung der außerdienstlichen Pflicht zum Eingreifen unerheblich.

3. Ableitung der Handlungspflicht aus § 13 Abs. 1 StGB – „Begehen durch Unterlassen“

Zu Beginn der Prüfung der Pflichtverletzung eines Kommunalbeamten ist die Strafbarkeit des Unterlassens des Einschreitens zu betrachten. Dies ist für die beamtenrechtliche Prüfung zwingend erforderlich, wenngleich eine Strafbarkeit nicht immer gleichzeitig Auslöser disziplinarischer Konsequenzen ist.

3.1. Objektiver Tatbestand

Den objektiven Tatbestand des § 13 Abs. 1 StGB verwirklicht, wer es unterlässt, den Erfolg eines (objektiven) Tatbestandes des StGB abzuwenden, wenn er für das Nichteintreten hätte einstehen müssen.

3.1.1. Der Erfolgseintritt

Die Verhinderung des Eintritts des Taterfolges muss in erster Linie dem Täter zugeschrieben werden können14. Hierzu muss ihm die Möglichkeit gegeben sein, die Handlung abzuwehren, und sein Unterlassen muss im direkten Zusammenhang mit der Tatverwirklichung gestanden haben15. Bei der Möglichkeit des Unterlassens stellt die Judikative regelmäßig darauf ab, dass der Nichthandelnde hätte, selbst handeln können oder Dritte mit der Abwehr des Erfolges beauftragen können16.

Ob es einem anwesenden Kommunalbeamten regemäßig möglich ist, selbst die Abnahme eines Ortsschildes, wie im vorliegenden Fall, zu verhindern, sei dahingestellt. Natürlich könnte er die Störer mündlich zum Unterlass auffordern, was einen Erfolg bei Gelegenheitstätern oder bei einer Tathandlung auf Grund einer Mutprobe sicherlich verhindern könnte. Jedoch sind die Möglichkeiten beim Eingriff im Rahmen des Notstandes oder der Durchsetzung von ihm obliegenden hoheitlichen Maßnahmen wohl begrenzt.

In jedem Fall hätte er jedoch die Möglichkeit im Rahmen der Amtshilfe die Polizei über den Vorfall zu informieren und ein Einschreiten der Polizeibehörden entsprechend zu veranlassen, dass die Täter entweder nicht die Tathandlung des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 Satz 1 StGB) verwirklichen können oder zumindest die im objektiven Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB als Tatbestandsmerkmal normierte Gefahr abgewehrt werden kann.

Ein direkter Zusammenhang zwischen Unterlassen und objektivem Taterfolg ist nach herrschender Meinung nicht als direkte Kausalität zu prüfen, sondern als Quasikausalität17. Hierbei wird also darauf abgestellt, dass der Erfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit durch das Einschreiten verhindert worden wäre18. Diese Problematik wird hier jedoch nicht näher erörtert, da zu vermuten ist, dass ein direktes Eingreifen durch einen Amtswalter oder durch ihn beauftragte Vollzugsbeamte immer zumindest zur Störung der Täter und somit zum Tatscheitern mindestens im Bezug auf den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB) führt.

3.1.2. Die Garantenstellung

Die Garantenstellung ist ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 13 StGB.

Im Fall eines Kommunalbeamten kommt hier eine Begründung der Garantenstellung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Zu beachten ist, dass dieser Beamte im Rahmen des ihm übertragenen Amtes auch sachlich und örtlich für die Abwehr des Eintritts des Taterfolges zuständig sein muss19. Es müssen für den vorliegenden Fall also Beamtengruppen gebildet werden, um konkret herauszufinden, wer für diese Gefahrenabwehr zuständig wäre oder nicht.

Hier seien zuerst die Polizeibeamten ins Auge zu fassen, die eine gesetzliche Garantenstellung gemäß Art. 1 Abs. 1 PAG zur Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung innehaben. Allerdings sind diese nicht Teil der Kommunalverwaltung. Somit für die angestrebte Erörterung nicht relevant.

Im Bereich der Kommunalverwaltung kommt im ersten Schritt die Frage auf, ob die Gemeinde überhaupt für solche Fälle der Abwehr einer Straftat zuständig wäre. Es ist zuerst festzustellen, dass die Zuständigkeit zur Abwehr der rechtswidrigen Abnahme von Ortsschildern nicht im Bundes- oder Landesrecht normiert ist. Auch hat sich die Literatur oder Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Rechts noch nicht zu der Frage der Zuständigkeit von Kommunalbehörden in solchen Fällen geäußert.

Die bayerischen Gemeinden haben – egal ob kreisfrei oder kreisangehörig – gemäß Art. 2 Satz 1 Nr. 1 ZustGVerk, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZustGVerk i. V. m. § 45 StVO auf ihrem Gemeindegebiet die Aufgabe des Erlasses von Anordnungen zur Aufstellung der Straßenschilder (örtliche Straßenverkehrsbehörde). Gleichzeitig kommt ihnen die privat-rechtliche Pflicht zu, die ordnungsgemäßen Ausrichtungen der Verkehrsschilder regelmäßig gemäß § 823 BGB zu prüfen20. Jedoch kann sowohl aus der Zuständigkeit für das Aufstellen von Straßenschildern als auch aus der privat-rechtlichen Pflicht keine Garantenstellung für den Kommunalbeamten im Einzelnen außerhalb seiner Dienstzeit abgeleitet werden.

3.2. Ergebnis aus dem § 13 StGB

Der § 13 StGB kam deshalb in Betracht, da er von Grund auf ein Indiz für eine Dienstpflichtverletzung hätte darstellen können. Insbesondere für die Gesamtschau des Sachverhaltes ist er nicht unerheblich und darf keinesfalls außer Acht bleiben. Es ist festzustellen, dass einem Kommunalbeamten die Verhinderung des Erfolgseintrittes regelmäßig zuzumuten ist. Nachdem jedoch keine Garantenstellung des Beamten besteht, ist der objektive Tatbestand des § 13 StGB nicht erfüllt und somit macht sich der Beamte dieser Strafnorm nicht schuldig. Der § 13 StGB kann in der Summe also nicht als Hinweis für einen dienstwidrigen Verstoß eines Kommunalbeamten dienen.

4. Ableitung von Pflichten zum Einschreiten aus dem Beamtenrecht

Eine außerdienstliche Pflichtverletzung ist nicht automatisch dann nicht gegeben, wenn keine Straftat durch den Beamten begangen wurde. Sobald eine Straftat nicht verwirklicht wurde, kann jedoch im Regelfall nicht mehr das Höchstmaß im disziplinarrechtlichen Sanktionssinne angesetzt werden21.

Aus diesem Grund sind für die Bestimmung der außerdienstlichen Dienstpflichtverletzung der § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und der § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG als Maßstab für die Verwirklichung einer solchen Verletzung heranzuziehen.

4.1. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG – Die außerdienstliche Pflichtverletzung

Um eine außerdienstliche Pflichtverletzung i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zu begehen, müsste der Beamte das Vertrauen der Bevölkerung in das Amt des Beamten in bedeutsame Weise verletzen.

Neben der Tatsache, dass der Gesetzgeber das besondere Maß der Pflichtverletzung voraussetzt, hat auch die Judikative bereits die Hürden für eine Dienstpflichtverletzung angehoben. So wurde im Beamtenstatusgesetz, anders als in den vorherigen einschlägigen Rechtsnormen auf das Wort „Achtung“ verzichtet und nur auf das Vertrauen abgestellt22. Zudem orientiert sich auch das Bundesverwaltungsgericht bereits vor der Novellierung des Beamtenstatusgesetzes an dem Fakt, dass bei der Rechtsprechung immer auch das aktuelle gesellschaftliche und politische Geschehen in Betracht zu ziehen ist. So hat sich seit Entstehung des Beamtentums die gesellschaftliche Stellung hierzu mehrfach geändert23.

Die Schwere der Tat ist also insbesondere am allgemeinen Stand des Beamtentums in der Gesellschaft zu bemessen. Es ist also auf das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit der Verwaltung abzustellen, wenngleich vom Beamten kein wesentlich anderes Verhalten verlangt werden kann als von einem durchschnittlich-pflichtbewussten Bürger24.

Ein höherer Maßstab darf regelmäßig nur von Beamten in einer besonderen Stellung gefordert werden, welche im öffentlichen Ansehen ein besonderes Verhalten auch außerhalb des Dienstes verlangen lässt (so zum Beispiel Polizeibeamte)25.

Des Weiteren hat das Vergehen nicht immer im direkten Zusammenhang mit dem konkreten Amt zu stehen, welches dem Beamten übertragen wurde. Es sind viel mehr „nach Amt und Funktion unterschiedliche Anforderungen“26 zu stellen.

Nachdem die Rechtsprechung sich nicht zur Fragestellung bezüglich des aktiven Eingreifens des Kommunalbeamten außerhalb seines Dienstes zur Abwehr von Straftaten geäußert hat und dies insbesondere vom Gesetzgeber nicht erfasst wurde, sind Vergleichsgruppen von Dienstverstößen zu bilden:

Als Erstes gibt es Dienstvergehen, bei welchen der Beamte im selben Zug eine Straftat verwirklicht. Die gerichtliche Feststellung der Straftat durch die ordentliche Gerichtsbarkeit kann somit Indizwirkung auf das Disziplinarverfahren und die Frage des Dienstvergehens entfalten27. Doch wie im vorherigen Kapitel bereits festgestellt, ist diese Fallgruppe bereits von Beginn an auszuschließen, da im vorliegenden Fall keine Straftat vorzuwerfen ist.

Eine weitere Fallgruppe bildet der Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die teilweise normiert oder hergeleitet werden können oder durch ihr traditionelles Bestehen Anwendung finden. Ein Beispiel ist der Verstoß gegen das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), wenn ein Beamter einer verfassungswidrigen Partei beitritt oder sich für diese engagiert (Neutralitätspflicht)28. Allerdings würde sich das Nichteingreifen zur Verhinderung einer Straftat in Hinblick auf den Gesetzgeberwillen bezogen auf das Tatbestandsmerkmal des Vertrauens im § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht wirklich subsumieren lassen.

Als Auffangfallgruppe ließe sich sicherlich noch auf den reinen Gesetzgeberwortlaut des Vertrauens abstellen. Wie zuvor beschrieben, kann dem Beamten nur ein Abkommen vom allgemeinen Verhalten eines durchschnittlich-pflichtbewussten Bürgers zur Last gelegt werden. Bei einem Kommunalbeamten der Verwaltung kann regelmäßig keine besondere herausragende Stellung ersehen werden. Hierbei kann nur ein Blick in das Strafrecht (§ 13 StGB), welches für alle Bürger gilt, Klarheit schaffen. Ein Bürger, welcher das Abmontieren gesehen und nicht eingegriffen hätte, wäre wohl kaum hierfür belangt worden. Es fehlt ihm schlichtweg an der Garantenstellung oder einer gesetzlichen Handlungspflicht (beispielsweise die Pflicht Straftaten zu melden). Wenn, wie zuvor festgestellt, dem Beamten die Garantenstellung ebenfalls nicht zukommt und eine spezialgesetzliche Norm ebenfalls keine Pflicht zum Tätigwerden (auch außerhalb des Dienstes) fordert, kann dem Beamten kein eigenes Verfehlen zugerechnet werden, weshalb auch diese Fallgruppe wohl keine Einschlägigkeit im vorliegenden Fall findet.

Als Zwischenfazit kann somit auch hier festgestellt werden, dass dem Beamten sein Verhalten nicht als außerdienstliches Pflichtvergehen i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zur Last gelegt werden kann.

4.2. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG – Die Wohlverhaltenspflicht

Mit dem § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG normierte der Gesetzgeber eine Auffangnorm, welche alle nicht normieren Dienstpflichten festhalten soll. Besonders ins Auge müssen die Tatbestandsmerkmale des Berufes und des Vertrauens gefasst werden.
Anders als im vorherig geprüften § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG wird hier zudem neben dem Vertrauen in das Amt noch auf die Achtung des Amtes abgestellt29.

Als Erstes ist zu beachten, dass hier das Tatbestandsmerkmal „Beruf“ – anders als beim § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG – nicht allgemein auf das Beamtentum abgestellt, sondern konkret auf das jeweilige Amt30.

Grundsätzlich wird von der Kommentarliteratur als außerdienstliche Pflichtverletzung der Tatbestand des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG inzident zum § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG gesehen31. Somit ist der § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG als Grundnorm zu sehen. Folgt man dieser Rechtsauffassung, würde sich aus dem § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG im vorliegenden Fall keine Dienstpflichtverletzung ergeben, da bereits festgestellt wurde, dass der § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht einschlägig sein kann.

Da weder aus der regelmäßigen Rechtsprechung noch aus einschlägiger Kommentarliteratur andere Auslegungsweisen zum § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG hervorgehen, ist davon auszugehen, dass regelmäßig keine Dienstpflichtverletzung außerhalb der Dienstverrichtung (also in der Freizeit) vorliegt, wenn der Kommunalbeamte bei der Kenntnisnahme der Abnahme eines Ortsschildes nicht umgehend tätig wird.

5. Fazit und Ausblick

Abschließend kann festgehalten werden, dass sich ein Kommunalbeamter wohl keiner außerdienstlichen Pflichtverletzung schuldig macht, wenn er beobachtet, wie eine Person ein Ortsschild abmontiert und ggf. mitnimmt.

Der vorliegende Sachverhalt ist sehr wahrscheinlich für denjenigen strafbar, welcher das Schild entfernt. Insbesondere da kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist. Es konnte aber ergründet werden, dass der Kommunalbeamte sich nicht gemäß § 13 StGB schuldig macht.

Ein Dienstvergehen ist nicht automatisch dann begründet, wenn ein Beamter eine Straftat begangen hat. Vielmehr ist das Verfahren getrennt vom Strafverfahren zu führen. Festzustellen ist, dass eine Straftat eine Indizwirkung hat. Da im vorliegenden Fall jedoch keine Straftat verwirklicht wurde, ist allein auf das Verhalten in Bezug auf das Ansehen der Öffentlichkeit zum Beamtentum gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auszugehen.

Auch der § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG hat sich als Einstiegsnorm in ein Dienstpflichtvergehen nicht als tauglich erwiesen. Es fehlte schlichtweg an der besonderen Schwere und dem Vertrauensbruch der Öffentlichkeit zum Beamtentum.

Eine weitere Möglichkeit bildete der § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, welcher jedoch nach Literatur und Rechtsprechung auf den zuvor geprüften § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verweist bzw. an diesen anlehnend auszulegen ist und somit schon von vornherein nicht einschlägig sein kann.

Die eingangs gestellte Frage, ob ein Kommunalbeamter eine außerdienstliche Pflichtverletzung begeht, wenn er nicht die strafbare Handlung der Ortsschildabnahme verhindert, muss also verneint werden.

Fraglich ist, ob der Beamte eine innerdienstliche Pflichtverletzung begeht, wenn er den Vorgang nicht den zuständigen Stellen seines Dienstherren meldet und somit die Möglichkeit einer dauerhaften Gefahrenquelle im Straßenverkehr eröffnet – insbesondere innerhalb seiner Dienstzeiten. Dieser Frage wird jedoch in der vorliegenden Arbeit keine Beachtung beigemessen, da eine innerdienstliche Pflichtverletzung vollständig anders zu bewerten ist.

Zum Schluss sei gesagt, dass der im Volksmund bekannte Spruch „Der Beamte ist immer im Dienst!“, so nicht vollständig beizupflichten ist.

  • 1. Ammel, Kuriose Ortsschilder bei Dieben sehr beliebt, Onlinequelle (zuletzt aufgerufen am 07.07.2024): https://www.adac.de/news/diebstahl-ortsschilder/.
  • 2. Schnackig, Was führen die Diebe im Schilde?, Onlinequelle (zuletzt aufgerufen am 07.07.2024): https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/was-fuhren-die-diebe-im-schil....
  • 3. ebda.
  • 4. Eggemann, Wenn aus Partyspaß eine Straftat wird, Onlinequelle (zuletzt aufgerufen am 07.07.2024): https://www.azonline.de/lokales/rosendahl/wenn-aus-partyspass-eine-straf....
  • 5. Heger, Lackner und Kühl, StGB, § 242 Rn. 3.
  • 6. Lüke, Das Tatobjekt als Bezugspunkt zur Tathandlung, S. 454.
  • 7. Heger, Lackner und Kühl, StGB, § 242 Rn. 8.
  • 8. Heger, Lackner und Kühl, StGB, § 242 Rn. 9,10, 21.
  • 9. Heger, Lackner und Kühl, StGB, § 242 Rn. 14.
  • 10. Heger, Lackner und Kühl, StGB, § 242 Rn. 15.
  • 11. Eser in: Schönke/Schröder, StGB, §315b Rn. 5.
  • 12. Eser in: Schönke/Schröder, StGB, §315 Rn. 10.
  • 13. Schmidbauer/Steiner, PAG, Art. 11 Rn. 28.
  • 14. Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, § 13 Rn. 11.
  • 15. ebda.
  • 16. Kühne: Nr. II.2.
  • 17. Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, § 13 Rn. 14.
  • 18. Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, § 13 Rn. 15.
  • 19. BGH, Urteil vom 29.10.1992 - 4 StR 358/92.
  • 20. Förster, BGB, §823 Rn. 651.
  • 21. Herrmann/Sandkuhl, BeamtenDisziplinarR/BeamtenStrafR, § 4 Rn. 172.
  • 22. Reich, BeamtStG, § 47 Rn. 6.
  • 23. BVerwG, Urteil vom 30.08.2000 - 1 D 37/99.
  • 24. Herrmann/Sandkuhl, BeamtenDisziplinarR/BeamtenStrafR, § 10 Rn. 951.
  • 25. Herrmann/Sandkuhl, BeamtenDisziplinarR/BeamtenStrafR, § 4 Rn. 172.
  • 26. Herrmann/Sandkuhl, BeamtenDisziplinarR/BeamtenStrafR, § 10 Rn. 950.
  • 27. Herrmann/Sandkuhl, BeamtenDisziplinarR/BeamtenStrafR, § 4 Rn. 171.
  • 28. Schnellenbach/Bodanowitz, BeamtenR, § 6 R. 8.
  • 29. Brinktrine/Schollendorf, BeamtStG, § 34 Rn. 13.
  • 30. ebda.
  • 31. Brinktrine/Schollendorf, BeamtStG, § 34 Rn. 16.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Brinktrine, Ralf und Schollendorf, Kai, Beck’sche Online-Kommentar Beamtenrecht Bund, 29. Aufl. (2023), C.H. Beck oHG.
  • Förster, Beck’sche Online-Kommentar BGB, 66. Aufl. (2023), C.H. Beck oHG.
  • Heger, Martin, Lackner, Karl und Kühl, Kristian, Strafgesetzbuch Kommentar, 30. Aufl. (2023), C.H. Beck oHG.
  • Herrmann, Klaus, und Sandkuhl, Heide, Beamtendisziplinarrecht - Beamtenstrafrecht Kommentar, 2. Aufl. (2021), C.H. Beck oHG.
  • Kindhäuser, Urs, Neumann, Ulfrid, Paeffgen, Hans-Ullrich, und Saliger, Frank, Strafgesetzbuch Kommentar. 6. Aufl. (2023), Nomos Verlagsgesellschaft.
  • Kühne, Hans-Heiner, „Zur Strafbarkeit eines Bürgermeisters wegen Gewässerverunreinigung“, Neue Juristische Wochenschrift, Nr. 47 (1991).
  • Lüke, Gerhard, Götz, Heinrich, Deubner, Karl G. und Weber, Hermann. „Das Tatobjekt als Bezugspunkt zur Tathandlung“, Juristische Schulung, Nr. 5/2002.
  • Reich, Andreas, Beamtenstatusgesetz Kommentar, 3. Aufl. (2018), C.H. Beck oHG.
  • Schmidbauer, Wilhelm und Steiner, Udo, Polizeiaufgabengesetz Polizeiorganisationsgesetz Kommentar, 6. Aufl. (2023), C.H. Beck oHG.
  • Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 30. Aufl. (2019), C.H. Beck oHG.
  • Schnellenbach, Helmut und Bodanowitz, Jan, Beamtenrecht in der Praxis. 10. Aufl. (2020), C.H. Beck oHG.