„Remigration” – Über die Strafbarkeit von Plänen zur ethnischen Säuberung

Correctiv hat aufgedeckt, dass im November 2023 ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern in einem Hotel bei Potsdam stattfand, bei dem unter dem Stichwort „Remigration” die Vertreibung von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland geplant wurde. Konkret heißt das, dass eine Art Wannseekonferenz im 21. Jahrhundert stattgefunden hat, bei der die ethnische Säuberung von fast 25 Millionen Menschen, also knapp 30 % der Bevölkerung in Deutschland, besprochen wurde. Indirekt wären noch mehr Menschen betroffen. Als dies bekannt wurde, gab es hinreichend Empörung und Proteste. Und die Folgen? Bislang keine. Denn die Frage, inwiefern sich die Teilnehmer auch strafbar gemacht haben könnten, wurde noch nicht diskutiert.

Die Remigration, also ein umgekehrter Migrationsprozess, ist, wenn sie – insbesondere gemäß der Neuen Rechten und der Konferenzteilnehmer des Geheimtreffens – forciert stattfinden soll, ein Euphemismus für eine ethnische Säuberung. Als solche versteht man das Entfernen einer ethnischen oder religiösen Gruppe aus einem bestimmten Territorium. Beispiele der jüngeren europäischen Geschichte liefern die Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren. Damals bekriegte Serbien als Hegemonialstaat innerhalb der Föderation seine abtrünnigen Nachbarn und versuchte dort, wo kein Gesamtsieg zu erringen war, zumindest durch ethnische Säuberungen Territorium zu gewinnen. Im Gegenzug vertrieb man Serben ungeachtet ihrer politischen Einstellung, weil sie aufgrund ihrer Ethnie automatisch als Teil des Unterdrückerstaates gesehen wurden. Das Massaker von Srebrenica zeigt zudem, dass ethnische Säuberungen eine Vorstufe vom Völkermord sind. Diese Ereignisse sind erst 30 Jahre her – und sie geschahen nur 50 Jahre nach dem Vorhaben, in Europa nie wieder einen Völkermord geschehen zu lassen.

Was erreicht man also, wenn man in einem Land, in dem es soetwas schon einmal gegeben hat, erneut Remigration, ethnische Säuberung oder Vertreibung fordert? Eine Dynamik mit gefährlichen Automatismen. So fordere beispielsweise der Konferenzteilnehmer Martin Sellner, Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und nicht assimilierte Staatsbürger, die das größte Problem seien, auszuweisen. Wo zieht man bei Letzteren die Grenze? Und ist nicht in der Schlussfolgerung bald jeder Deutsche nicht assimiliert genug, wenn er sich der neuen, gewünschten Ordnung nicht anpasst oder eine andere Meinung vertritt? Wie früher. Was den Konferenzteilnehmern nicht gelungen ist, haben die meisten Menschen sowie auch der Gesetzgeber geschafft: sie haben aus der Geschichte, insbesondere des letzten Jahrhunderts, gelernt.

So stellt beispielsweise § 7 Abs. 1 Nr. 4 Völkerstrafgesetzbuch die ethnische Säuberung, was die Remigration letztlich darstellt, inbesondere wie sie im Kontext jener Konferenz geplant ist, unter Strafe:

§ 7 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) – Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung
[...]
4. einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
[...]
wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

Die Ernsthaftigkeit der Pläne lässt sich schwerlich kleinreden. Der Konferenzteilnehmer Gernot Mörig soll bereits in dem Einladungsbrief geschrieben haben, dass es um ein „Gesamtkonzept, im Sinne eines Masterplans“ gehe. Man könnte hier in Analogie zur Wannseekonferenz auch direkt „Endlösung der Ausländerfrage“ schreiben.

Das Besondere an § 7 VStGB ist, dass es eine derart schwerwiegende Straftat darstellt, dass bereits die Planung gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur Anzeige gebracht werden muss:

§ 138 Strafgesetzbuch (StGB) – Nichtanzeige geplanter Straftaten
(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung
[...]
5. eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches),
[...]
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Die Proteste der letzten Wochen aus dem Volk und der Wirtschaft haben auch gezeigt, dass der öffentliche Frieden erheblich gestört wurde. Hier findet § 126 StGB Anwendung:

§ 126 Strafgesetzbuch (StGB) – Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
[...]
3. einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches),
[...]
androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ferner drängt sich in einem solchen Fall insbesondere eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB auf:

§ 130 Strafgesetzbuch (StGB) – Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Im Ergebnis ist der „Masterplan“ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern nicht nur verfassungsfeindlich, wie etwa die Autoren von Correctiv resümieren, sondern nach geltendem Recht auch nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 4 VStGB, 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB, 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar.

Zweifellos ist in der Einwanderungspolitik vieles schief gelaufen. Das war vor 1933 auch bei anderen politischen Themen der Fall. Aber jene Zeit lehrt auch, wohin einfältige Ideen zu großen Herausforderungen führen können. So wie damals, ist dieser sog. „Masterplan“ keine Lösung für ein Problem, sondern eine Anleitung zur Auflösung einer Bevölkerung und eines Landes, eine Blaupause für Verbrechen. Das beginnt bei der Entrechtung von Menschen, dann kommen größere bilaterale Probleme hinzu, wie das Wohin mit den Vertriebenen (bei den Nazis war dies der Madagaskarplan-Moment), und mündet in größere Verbrechen wie Konzentrationslagern. Das Geheimtreffen zur ethnischen Säuberung und die dabei geäußerte Idee eines „Musterstaats“ in Nordafrika zeigen, dass sich Geschichte wiederholen soll. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung wäre es abwegig, einen Holocaustleugner für mehrere Jahre ins Gefägnis zu stecken, auf der anderen Seite aber eine Gruppe von Menschen, die ein Geheimtreffen zur Planung eines (wiederholten) epochalen Verbrechens veranstalten, straffrei davonkommen zu lassen. Die Gesetze für eine Heranziehung sind jedenfalls da. Der Rest ist Sache der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Uns allen bleibt nur die Mahnung der Alten, die diese Geschichte schon einmal erlebt haben: Wehret den Anfängen.