danke-sagen-unterstützen

Wissen Sie mehr? Als Co-Autor bearbeiten oder als Leser kommentieren. Mehr erfahren...

Art. 46 GG - Indemnität und Immunität der Abgeordneten (Kommentar)

(1) ¹Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. ²Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.

(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.

(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.

Inhaltsverzeichnis 

1. Allgemeines

Artikel 46 GG ist ein wesentliches Element des deutschen parlamentarischen Systems. Er schützt die Abgeordneten vor strafrechtlichen und sonstigen staatlichen Eingriffen, die ihre Unabhängigkeit und die Funktionsfähigkeit des Parlaments gefährden könnten. Indem er zwischen Indemnität und Immunität unterscheidet, gewährleistet er sowohl die Redefreiheit als auch den Schutz vor politisch motivierter Strafverfolgung. Trotz dieses Schutzes gibt es klar definierte Grenzen, wie die Ausnahme für „verleumderische Beleidigungen“ und die Möglichkeit der Strafverfolgung bei einer auf frischer Tat begangenen Handlung.

2. Absatz 1

2.1. Satz 1

„Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden.“

Dieser Satz enthält die sogenannte Indemnität der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Der Begriff der Indemnität leitet sich vom lateinischen „indemnitas“ ab, was „Unverletzlichkeit“ oder „Schadloshaltung“ bedeutet. Er beschreibt den umfassenden Schutz, den ein Abgeordneter für seine im Parlament getätigten Handlungen und Äußerungen genießt. Die Indemnität gewährleistet, dass Abgeordnete für ihre parlamentarische Tätigkeit nicht rechtlich belangt werden können, wodurch sie ihre Aufgaben ohne Angst vor persönlicher Verfolgung oder Repressalien ausüben können. Dieser Schutzmechanismus ist ein wesentliches Element moderner parlamentarischer Systeme und sichert die freie Mandatsausübung.

2.1.1. Zweck der Indemnität

Die Hauptfunktion der Indemnität besteht darin, die freie Meinungsäußerung der Abgeordneten im Parlament sicherzustellen. Der Gesetzgeber beabsichtigt damit, eine uneingeschränkte politische Auseinandersetzung im Bundestag zu ermöglichen, ohne dass Abgeordnete rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. In einer Demokratie ist es von fundamentaler Bedeutung, dass die gewählten Volksvertreter ihre Ansichten und Überzeugungen ungehindert und ohne Repressalien vertreten können. Der Verzicht auf straf- oder dienstrechtliche Verfolgung schafft die notwendige Grundlage für eine freie Debatte und damit für das Funktionieren des parlamentarischen Systems.

Die Indemnität schützt nicht nur vor gerichtlicher Verfolgung, sondern auch vor dienstrechtlichen Maßnahmen oder sonstigen außerparlamentarischen Verantwortlichkeiten. Dies schließt beispielsweise Disziplinarverfahren oder arbeitsrechtliche Sanktionen ein. Die umfassende Schutzwirkung verhindert somit jegliche Form der persönlichen Repression aufgrund der parlamentarischen Tätigkeit.

2.1.2. Geschützte Handlungen und Äußerungen

Die Indemnität erfasst Abstimmungen und Äußerungen, die Abgeordnete im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse vornehmen. Der räumliche und sachliche Geltungsbereich ist somit eng auf die parlamentarische Tätigkeit begrenzt. Handlungen oder Äußerungen außerhalb des Bundestages oder eines Ausschusses fallen grundsätzlich nicht unter den Schutz der Indemnität, auch wenn sie politisch motiviert sind.

Abstimmungen und Äußerungen im Rahmen der Parlamentsarbeit umfassen neben Reden und Abstimmungen auch alle sonstigen Formen der Willensbildung und Meinungsäußerung, wie Zwischenrufe, schriftliche Anträge oder die Beteiligung an Debatten. Der Schutz der Indemnität gilt „zu keiner Zeit“, also unbegrenzt – sowohl während der Amtszeit als auch danach. Dies bedeutet, dass selbst nach Beendigung des Mandats die getätigten Handlungen nicht nachträglich verfolgt werden dürfen.

Es besteht kein Unterschied, ob die Äußerung im Plenum des Bundestages oder in einem seiner Ausschüsse getätigt wird. Der Schutz der Indemnität greift sowohl in der großen Öffentlichkeit des Plenums als auch in den weniger öffentlichen, aber ebenso parlamentarischen Ausschusssitzungen. Ausschüsse sind integrale Bestandteile der Parlamentsarbeit, und ihre Funktionsfähigkeit muss durch den gleichen Schutz sichergestellt werden.

2.1.3. Grenzen der Indemnität: Bezug zur parlamentarischen Tätigkeit

Entscheidend für die Anwendung der Indemnität ist der enge Bezug zur parlamentarischen Tätigkeit. Tätigkeiten oder Äußerungen, die keinen direkten Zusammenhang mit der parlamentarischen Arbeit haben oder im privaten Bereich erfolgen, unterliegen nicht dem Schutz der Indemnität. Es muss also eine klare Verbindung zu den Aufgaben des Abgeordneten im Rahmen seiner Mandatsausübung bestehen.

Bei Handlungen außerhalb des Parlaments, wie zum Beispiel bei politischen Veranstaltungen, öffentlichen Reden oder Veröffentlichungen, greift die Indemnität nicht. In solchen Fällen könnten Abgeordnete wegen ihrer Aussagen oder Handlungen rechtlich belangt werden. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist der Fall des Abgeordneten Strauß, der in den 1980er Jahren wegen diffamierender Äußerungen gegen einen Journalisten außerhalb des Bundestages zu Schadensersatz verurteilt wurde.

2.2. Satz 2

„Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.“

Die verleumderische Beleidigung stellt eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz der Indemnität dar. Während der Schutz der Indemnität weitgehend und umfassend ist, soll er nicht dazu missbraucht werden können, andere Personen durch bewusst falsche oder diffamierende Äußerungen herabzusetzen.

Die Einschränkung bezieht sich explizit auf verleumderische Beleidigungen, also auf Äußerungen, bei denen eine absichtliche Unwahrheit mit dem Ziel der Herabwürdigung oder Diffamierung einer Person vorliegt. Damit ist die Ausnahme von der Indemnität sehr eng gefasst. Für eine Äußerung, die lediglich eine harte oder polemische politische Kritik darstellt, greift diese Ausnahme nicht. Sie schützt nur vor dem Missbrauch der Redefreiheit, um andere bewusst und ohne faktische Grundlage zu beleidigen.

Im deutschen Strafrecht ist die Beleidigung in § 185 StGB geregelt, während § 187 StGB die Verleumdung als bewusste Verbreitung falscher Tatsachen beschreibt. Im parlamentarischen Kontext gilt, dass das bewusste Vorbringen falscher Tatsachen zum Zwecke der Herabsetzung einer Person nicht durch die Indemnität gedeckt ist. Das bedeutet, dass Abgeordnete bei nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen, die diffamierend wirken, sowohl zivilrechtlich (Schadenersatz) als auch strafrechtlich verfolgt werden können.

Die Einordnung, ob eine Äußerung als verleumderische Beleidigung im Sinne dieser Norm zu bewerten ist, erfolgt im Einzelfall durch die Gerichte. Hier kommt es oft zu einer schwierigen Abwägung zwischen dem Schutz der Redefreiheit und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person. Die Rechtsprechung ist hier gefordert, eine sorgfältige Grenzziehung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Verleumdung vorzunehmen.

2.3. Abgrenzung zur allgemeinen Meinungsfreiheit

Art. 46 Abs. 1 GG steht im Spannungsverhältnis zu Art. 5 Abs. 1 GG, der die allgemeine Meinungsfreiheit garantiert. Während Art. 5 GG die freie Meinungsäußerung der Bürger schützt, bietet Art. 46 GG den Abgeordneten einen besonderen Schutz für ihre parlamentarische Tätigkeit. Allerdings sind die Anforderungen an den Schutz im parlamentarischen Raum aufgrund der besonderen Funktion der Abgeordneten strenger, weshalb die Indemnität in diesem Kontext über den allgemeinen Schutz von Art. 5 GG hinausgeht.

Die Ausnahme für verleumderische Beleidigungen stellt sicher, dass die parlamentarische Redefreiheit nicht zur Schädigung anderer missbraucht wird, und schafft so einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Mandats und den Persönlichkeitsrechten anderer.

2.4. Bedeutung der Regelung für die parlamentarische Demokratie

Art. 46 Abs. 1 GG ist von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Er garantiert, dass die Abgeordneten ihre Aufgaben ohne Angst vor strafrechtlichen oder sonstigen Repressalien ausüben können. Dies fördert eine freie und offene politische Debatte, die für das demokratische System unerlässlich ist.

Ohne die Indemnität könnte es dazu kommen, dass Abgeordnete sich selbst zensieren oder ihre Meinung nicht frei äußern, aus Furcht vor rechtlichen Konsequenzen. Der demokratische Diskurs würde dadurch eingeschränkt, und das Parlament könnte seine Rolle als Ort der politischen Willensbildung nur noch eingeschränkt wahrnehmen.

Die Regelungen zur Indemnität und die begrenzte Ausnahme für verleumderische Beleidigungen stellen daher einen wesentlichen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit eines freien politischen Diskurses und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte dar.

3. Absatz 2

Art. 46 Abs. 2 GG befasst sich mit der Immunität der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und bildet einen zentralen Bestandteil des parlamentarischen Schutzes. Die Immunität ergänzt die in Art. 46 Abs. 1 GG geregelte Indemnität und schützt die Abgeordneten in einem weiteren Sinne. Während die Indemnität die parlamentarische Rede- und Abstimmungsfreiheit absichert, betrifft die Immunität die gerichtliche Verfolgung der Abgeordneten wegen Straftaten, unabhängig davon, ob diese in Verbindung mit der Ausübung des Mandats stehen oder nicht.

3.1. Halbsatz 1

„Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden [...]“

Dieser Halbsatz beschreibt das Immunitätsprivileg der Abgeordneten. Abgeordnete dürfen für strafrechtlich relevante Handlungen, die sie außerhalb ihrer parlamentarischen Tätigkeit begehen, nur unter bestimmten Voraussetzungen strafrechtlich verfolgt oder verhaftet werden. Die zentrale Voraussetzung ist die Genehmigung des Bundestages, wodurch dem Parlament eine Schutzfunktion gegenüber seinen Mitgliedern eingeräumt wird. Diese Regelung dient nicht in erster Linie dem persönlichen Schutz des Abgeordneten, sondern soll die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen.

3.1.1. Zweck der Immunität

Der Zweck der Immunität liegt im Schutz der Unabhängigkeit des Parlaments und der Sicherstellung, dass die Abgeordneten ihre Arbeit ohne Beeinträchtigung durch staatliche Organe ausüben können. Die Immunität soll verhindern, dass Abgeordnete durch staatliche Repressionsmaßnahmen in ihrer Arbeit behindert werden, sei es durch tatsächliche Inhaftierung oder durch die Drohung einer Strafverfolgung. Eine unkontrollierte Strafverfolgung könnte genutzt werden, um den politischen Prozess zu beeinflussen oder zu stören.

Der Bundestag hat somit das Recht, darüber zu entscheiden, ob ein Abgeordneter für eine strafbare Handlung zur Verantwortung gezogen werden darf. Dies stellt sicher, dass die Unabhängigkeit des Parlaments gewahrt bleibt und eine mögliche Einflussnahme durch die Exekutive oder die Justiz auf das Parlament verhindert wird.

Die Immunität umfasst dabei nicht nur das gerichtliche Verfahren, sondern auch andere Formen der strafrechtlichen Verantwortung wie beispielsweise die Anklageerhebung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

3.1.2. Bedeutung der Genehmigung durch den Bundestag

Die Erfordernis der Genehmigung des Bundestages stellt einen zentralen Schutzmechanismus dar. Der Bundestag prüft, ob die beabsichtigte Strafverfolgung tatsächlich auf eine legitime strafrechtliche Verfolgung abzielt oder ob möglicherweise politische Motive eine Rolle spielen. In der Praxis erteilt der Bundestag in der Regel die Genehmigung, wenn die Verfolgung auf einer tatsächlichen Straftat und nicht auf politischer Repression beruht. Diese Prüfung erfolgt im Rahmen der Parlamentsautonomie.

In den meisten Fällen wird die Genehmigung zur Strafverfolgung von der Immunitätskommission des Bundestages geprüft und dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt. Diese Kommission untersucht den Fall und gibt eine Empfehlung ab, ob die Immunität aufgehoben werden soll. Dabei wird berücksichtigt, ob die strafrechtliche Verfolgung möglicherweise die Funktionsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigen könnte. Die endgültige Entscheidung trifft das Plenum des Bundestages.

3.1.3. Einschränkung auf strafrechtlich relevante Handlungen

Art. 46 Abs. 2 GG bezieht sich ausdrücklich auf eine „mit Strafe bedrohte Handlung“. Das bedeutet, dass die Immunität nur für strafrechtliche Verfolgungen gilt, nicht jedoch für andere Arten von rechtlicher Verantwortung, wie zivilrechtliche Verfahren oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen. Für solche Verfahren ist keine Genehmigung des Bundestages erforderlich, und Abgeordnete können ohne parlamentarische Zustimmung in diesen Fällen zur Verantwortung gezogen werden.

3.1.4. Vergleich mit anderen Immunitätsregelungen

Die Immunität der Abgeordneten ist nicht einzigartig für das deutsche parlamentarische System. Viele demokratische Systeme kennen ähnliche Schutzregelungen, um die Unabhängigkeit des Parlaments zu gewährleisten. Ein Beispiel ist das französische Parlament, in dem ebenfalls eine Immunitätsregelung besteht, die den Schutz der Abgeordneten vor strafrechtlicher Verfolgung sicherstellt.

Auch im britischen System gibt es Immunitätsregelungen, die als "Parliamentary Privilege" bezeichnet werden. Diese Regelungen gewähren den Abgeordneten Schutz vor Verfolgung wegen Äußerungen, die im Rahmen parlamentarischer Debatten getätigt werden, vergleichbar mit der in Art. 46 Abs. 1 GG geregelten Indemnität.

3.2. Halbsatz 2

„[...] es sei denn, dass er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.“

Dieser Halbsatz stellt eine Ausnahme von der Immunität dar. Er bezieht sich auf Fälle, in denen ein Abgeordneter auf frischer Tat bei der Begehung einer Straftat ertappt wird oder am folgenden Tag festgenommen wird. Diese Ausnahme ist von großer praktischer Bedeutung, da sie das Spannungsverhältnis zwischen dem Immunitätsschutz und dem Rechtsstaatsprinzip regelt.

3.2.1. Auf frischer Tat ertappt: Verfolgung ohne Genehmigung

Wird ein Abgeordneter auf frischer Tat bei der Begehung einer Straftat ertappt, entfällt der Immunitätsschutz. In solchen Fällen kann der Abgeordnete unmittelbar festgenommen und strafrechtlich verfolgt werden, ohne dass der Bundestag seine Genehmigung erteilen muss. Dies soll verhindern, dass Abgeordnete den Immunitätsschutz dazu nutzen können, sich der Strafverfolgung in eindeutig strafbaren Situationen zu entziehen.

Die Formulierung „bei Begehung der Tat“ ist dabei so zu verstehen, dass der Abgeordnete in dem Moment, in dem er die strafbare Handlung ausführt oder unmittelbar danach, gefasst wird. Die Festnahme muss also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat stehen. Dies umfasst beispielsweise Situationen wie Diebstahl, Körperverletzung oder andere strafbare Handlungen, bei denen die Polizei oder andere staatliche Organe den Abgeordneten direkt bei der Ausführung der Tat festnehmen.

3.2.2. „Im Laufe des folgenden Tages“

Auch eine Festnahme, die im Laufe des folgenden Tages erfolgt, stellt eine Ausnahme von der Immunität dar. Diese Regelung berücksichtigt, dass es nicht immer möglich ist, einen Täter unmittelbar nach der Tat zu ergreifen, und schafft eine gewisse zeitliche Flexibilität für die Strafverfolgungsbehörden. Wird ein Abgeordneter also innerhalb von 24 Stunden nach der Tat gefasst, entfällt der Immunitätsschutz ebenfalls.

Diese Regelung verhindert, dass Abgeordnete durch den bloßen Zeitablauf und unter Berufung auf die Immunität der strafrechtlichen Verfolgung entkommen können. Die zeitliche Begrenzung auf den „folgenden Tag“ dient der Verhältnismäßigkeit, da die Ausnahme von der Immunität sonst in einem zu großen zeitlichen Rahmen gelten könnte, was wiederum die Schutzfunktion der Immunität untergraben würde.

3.3. Rechtsstaatliche Abwägung

Die Ausnahme in Art. 46 Abs. 2 GG stellt einen Ausgleich zwischen dem Schutz des Parlaments und dem Rechtsstaatsprinzip dar. Auf der einen Seite steht der Schutz der Abgeordneten und des Parlaments vor unrechtmäßiger Verfolgung, auf der anderen Seite das legitime Interesse des Staates, Straftaten schnell und effektiv zu verfolgen. Diese Abwägung ist Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips, das in der deutschen Rechtsordnung eine zentrale Rolle spielt.

3.4. Rechtliche Folgen

Wird ein Abgeordneter ohne die Genehmigung des Bundestages oder außerhalb der Ausnahmefälle festgenommen oder zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen, so liegt ein Verstoß gegen die Immunitätsvorschriften vor. Eine unrechtmäßige Festnahme oder Verfolgung könnte dazu führen, dass alle im Zusammenhang damit getroffenen Maßnahmen – wie etwa eine Anklageerhebung – als rechtswidrig eingestuft werden und im Nachhinein aufgehoben werden müssen. Dies sichert die besondere Rechtsstellung der Abgeordneten ab und sorgt dafür, dass ihre Immunität nicht durch Maßnahmen unterlaufen wird, die nicht mit dem Grundgesetz im Einklang stehen.

3.5. Fazit

Art. 46 Abs. 2 GG bildet einen wichtigen Baustein für die Sicherstellung der parlamentarischen Unabhängigkeit und schützt die Abgeordneten vor politisch motivierter Strafverfolgung. Die Immunität dient nicht dem persönlichen Schutz des Abgeordneten, sondern soll das Parlament als Institution vor unrechtmäßigen Eingriffen von außen schützen. Die Ausnahme für Fälle der Festnahme „auf frischer Tat“ oder am folgenden Tag stellt sicher, dass der Immunitätsschutz nicht missbraucht wird, um sich der Verantwortung für strafbare Handlungen zu entziehen.

Durch die enge Verzahnung von Immunität und der Genehmigung des Bundestages wird ein hoher Maßstab an die Aufhebung dieses Schutzes gelegt, um politische Einflussnahme auf Abgeordnete zu verhindern. Diese Regelung trägt somit zum Funktionieren der parlamentarischen Demokratie in Deutschland bei und stärkt die Unabhängigkeit der Volksvertreter.

4. Absatz 3

Art. 46 Abs. 3 GG ergänzt die in den Absätzen 1 und 2 geregelte Indemnität und Immunität der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und regelt insbesondere den Schutz vor Beschränkungen der persönlichen Freiheit sowie die Anforderungen an die Einleitung eines Verfahrens gemäß Art. 18 GG.

4.1. Alternative 1

„Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten [...] erforderlich.“

Diese erste Alternative des Art. 46 Abs. 3 GG bezieht sich auf den Schutz der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten und erweitert den Anwendungsbereich der Immunität über strafrechtliche Verfolgungen hinaus. Die persönliche Freiheit eines Abgeordneten darf nur mit Zustimmung des Bundestages eingeschränkt werden. Dies dient dem umfassenden Schutz der parlamentarischen Tätigkeit und gewährleistet, dass Abgeordnete nicht durch staatliche Maßnahmen, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken, in ihrer Arbeit behindert werden.

4.1.1. Beschränkung der persönlichen Freiheit

Mit dem Begriff „Beschränkung der persönlichen Freiheit“ sind Maßnahmen gemeint, die die körperliche Bewegungsfreiheit des Abgeordneten einschränken. Hierunter fallen nicht nur Verhaftungen oder Inhaftierungen, sondern auch andere Maßnahmen wie etwa die Untersuchungshaft, die Anordnung von Hausarrest, die Polizeigewahrsam oder auch Maßnahmen, die durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen wie etwa die Durchsuchung oder Beschlagnahme bedingt sein könnten, sofern sie unmittelbar die Freiheit des Abgeordneten beeinträchtigen.

Dieser Schutz ist von zentraler Bedeutung, da Abgeordnete durch derartige Maßnahmen in ihrer Fähigkeit, an Sitzungen und Entscheidungen des Bundestages teilzunehmen, massiv eingeschränkt wären. Die parlamentarische Immunität dient dem Ziel, die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern, indem verhindert wird, dass Mitglieder durch exekutive Eingriffe in ihrer Tätigkeit behindert werden.

4.1.2. Verfahren der Genehmigung

Wie bereits in Abs. 2, liegt es auch hier in der Kompetenz des Bundestages, über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen zu entscheiden. Der Bundestag wird in einem eigenen Verfahren darüber abstimmen, ob eine Maßnahme, die die persönliche Freiheit eines Abgeordneten betrifft, gerechtfertigt ist. Diese Genehmigungspflicht bedeutet, dass der Bundestag als Schutzinstanz seiner Mitglieder fungiert und die Möglichkeit hat, Maßnahmen der Exekutive zu kontrollieren, bevor diese wirksam werden.

In der Praxis bedeutet dies, dass das Immunitätsausschuss des Bundestages zunächst den Sachverhalt prüft und dem Plenum des Bundestages eine Empfehlung gibt, ob die Immunität aufgehoben werden sollte. Das Plenum entscheidet dann über die Aufhebung der Immunität und damit über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung. Dabei wird in der Regel abgewogen, ob die Maßnahme rechtlich begründet ist oder ob möglicherweise politische Motive eine Rolle spielen.

4.1.3. Ausnahme: Festnahme auf frischer Tat oder am folgenden Tag

Wie in Art. 46 Abs. 2 GG bereits geregelt, gilt auch hier die Ausnahme, dass eine Festnahme auf frischer Tat oder am folgenden Tag keine vorherige Genehmigung des Bundestages erfordert. Diese Regelung dient dem Zweck, dass Abgeordnete, die auf frischer Tat bei einer Straftat ertappt werden, sich nicht unter dem Schutz der Immunität ihrer Verantwortung entziehen können. Diese Ausnahme stellt sicher, dass die Immunität nicht missbraucht wird, um Straftaten zu decken.

4.2. Alternative 2

„oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.„

Der zweite Teil des Absatzes bezieht sich auf Verfahren nach Art. 18 GG, die den Verlust von Grundrechten zum Gegenstand haben. Art. 18 GG regelt die Möglichkeit, dass Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Pressefreiheit verwirkt werden können, wenn diese zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht werden.

4.2.1. Art. 18 GG und Grundrechtsverwirkung

Art. 18 GG sieht vor, dass Personen, die ihre Grundrechte „zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ einsetzen, diese Grundrechte verlieren können. Die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG ist ein außerordentliches Instrument des Rechtsstaats und wird sehr selten angewendet, da es sich um einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Rechtsposition handelt.

4.2.2. Bedeutung für Abgeordnete

Die besondere Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, dass sie sich explizit auf Abgeordnete bezieht. Sollte ein Abgeordneter derart gegen die demokratische Grundordnung verstoßen, dass die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 18 GG gegen ihn in Betracht kommt, bedarf es ebenfalls der Genehmigung des Bundestages. Dies dient wiederum dem Schutz des Parlaments als Institution und stellt sicher, dass solche Verfahren nicht ohne parlamentarische Kontrolle gegen Abgeordnete eingeleitet werden können.

Im Gegensatz zur Immunität nach Abs. 2, die sich auf strafrechtliche Verfahren bezieht, geht es hier um ein Verfahren, das den möglichen Verlust von Grundrechten nach Art. 18 GG zum Ziel hat. Da ein solches Verfahren auf die Verwirkung zentraler Grundrechte abzielt, ist die Hürde für dessen Einleitung sehr hoch. Es ist erforderlich, dass der Bundestag als gesamtes Gremium die Einleitung eines solchen Verfahrens prüft und genehmigt.

4.2.3. Voraussetzungen und Verfahren

Die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 18 GG ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Das Bundesverfassungsgericht ist das einzige Organ, das befugt ist, über die Verwirkung von Grundrechten zu entscheiden. Bevor jedoch ein solches Verfahren eingeleitet werden kann, muss der Bundestag seine Zustimmung erteilen. Dies ist eine besondere Hürde, die verhindern soll, dass solche Verfahren politisch instrumentalisiert werden.

Das Verfahren nach Art. 18 GG wird in der Praxis nur selten angewendet. Ein prominenter Fall, in dem Art. 18 GG eine Rolle spielte, war das Verfahren gegen Karl-Heinz Hoffmann, den Anführer der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann, dem vorgeworfen wurde, seine Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingesetzt zu haben.

4.3. Historischer und systematischer Kontext

Der Schutz vor politisch motivierter Strafverfolgung und die Sicherstellung der parlamentarischen Unabhängigkeit waren bereits in früheren parlamentarischen Systemen ein zentrales Anliegen. Im Kontext des Grundgesetzes stellt Art. 46 eine systematische Fortführung der bereits in der Weimarer Reichsverfassung enthaltenen Schutzregelungen für Abgeordnete dar. Diese Regelungen sollen verhindern, dass Abgeordnete wegen ihrer politischen Tätigkeit oder aus politischen Motiven heraus von der Exekutive unter Druck gesetzt oder in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.

4.4. Funktion des Art. 46 Abs. 3 GG im Gesamtsystem

Im Gesamtsystem der parlamentarischen Immunitätsregelungen nimmt Art. 46 Abs. 3 GG eine Sonderstellung ein, da er nicht nur die strafrechtliche Immunität, sondern auch den Schutz vor Beschränkungen der Freiheit in einem breiteren Sinne betrifft. Gleichzeitig wird der hohe Stellenwert der parlamentarischen Unabhängigkeit durch die Einbeziehung des Verfahrens nach Art. 18 GG unterstrichen.

Art. 46 Abs. 3 GG sichert damit nicht nur die Arbeitsfähigkeit der Abgeordneten ab, sondern schützt sie auch vor dem Missbrauch staatlicher Zwangsmaßnahmen, die auf politische Disziplinierung abzielen könnten. Damit ist Art. 46 GG insgesamt eine der zentralen Normen des Grundgesetzes, die die Unabhängigkeit des Parlaments und der demokratisch gewählten Volksvertreter garantiert.

4.5. Fazit

Art. 46 Abs. 3 GG stellt sicher, dass die persönliche Freiheit eines Abgeordneten nur mit Zustimmung des Bundestages eingeschränkt werden darf und bietet damit einen umfassenden Schutz der Abgeordneten vor staatlichen Maßnahmen. Die Regelung schützt zudem Abgeordnete vor der Einleitung von Verfahren nach Art. 18 GG ohne parlamentarische Kontrolle. Die Notwendigkeit der Genehmigung des Bundestages bei solchen Eingriffen trägt zur Sicherung der Unabhängigkeit des Parlaments und der Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen bei.

5. Absatz 4

Art. 46 Abs. 4 GG ergänzt die Bestimmungen zur parlamentarischen Immunität und gewährt dem Bundestag ein besonderes Recht im Zusammenhang mit Strafverfahren, Verfahren nach Art. 18 GG sowie mit Maßnahmen, die die persönliche Freiheit eines Abgeordneten beschränken. Diese Regelung dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments und der Unabhängigkeit seiner Mitglieder.

5.1. Umfang des Schutzes

5.1.1. Strafverfahren

Diese Bestimmung bezieht sich auf jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten, unabhängig von der Schwere des Vorwurfs oder dem Stadium des Verfahrens. Das Verfahren kann also in jeder Phase – sei es bei der Ermittlung, bei der Anklageerhebung oder während des Prozesses – auf Verlangen des Bundestages ausgesetzt werden.

5.1.2. Verfahren nach Art. 18 GG

Der besondere Hinweis auf Art. 18 GG verdeutlicht die Schwere eines solchen Verfahrens, das darauf abzielt, einem Abgeordneten bestimmte Grundrechte zu entziehen, wenn dieser diese Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht. Da ein solches Verfahren eine sehr hohe Bedeutung für den Staat und seine demokratische Ordnung hat, ist die Möglichkeit zur Aussetzung hier besonders zu beachten.

5.1.3. Haft

Unter den Begriff der Haft fallen sowohl Untersuchungshaft als auch eine mögliche Strafhaft. Der Bundestag hat das Recht, die Vollstreckung von Freiheitsstrafen oder andere Formen des Freiheitsentzugs auszusetzen.

5.1.4. Sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit

Dieser Begriff umfasst alle sonstigen Zwangsmaßnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit des Abgeordneten beeinträchtigen, wie etwa Hausarrest, Reiseverbote, Polizeigewahrsam oder Untersuchungshaft. Er deckt auch strafprozessuale Maßnahmen ab, wie die Durchsuchung von Wohnungen oder die Überwachung der Kommunikation, sofern diese Maßnahmen direkt in die persönliche Freiheit eingreifen.

5.2. Zweck der Regelung

Der Schutz der parlamentarischen Funktionsfähigkeit steht bei dieser Vorschrift im Vordergrund. Indem der Bundestag die Möglichkeit hat, Verfahren und Maßnahmen gegen seine Mitglieder auszusetzen, soll verhindert werden, dass Abgeordnete durch Maßnahmen der Exekutive oder der Justiz in ihrer Fähigkeit, das Mandat auszuüben, behindert werden. Dies ist besonders in Zeiten wichtiger parlamentarischer Entscheidungen von großer Bedeutung, da das Parlament handlungsfähig bleiben muss.

Die Regelung trägt somit zur Unabhängigkeit der Legislative bei und verhindert, dass einzelne Abgeordnete durch staatliche Maßnahmen in ihrer parlamentarischen Arbeit behindert werden, ohne dass der Bundestag selbst eine Möglichkeit der Kontrolle und Einflussnahme hat.

5.3. Verfahren zur Aussetzung

Das Verfahren zur Aussetzung von Strafverfahren oder Maßnahmen gegen einen Abgeordneten setzt einen parlamentarischen Beschluss voraus. Das bedeutet, dass der Bundestag über den Antrag zur Aussetzung abstimmen muss. Der Antrag kann von Abgeordneten oder Fraktionen gestellt werden und wird in der Regel im dafür zuständigen Immunitätsausschuss geprüft. Dieser Ausschuss gibt dann eine Empfehlung an das Plenum des Bundestages ab, das über den Antrag entscheidet.

Wichtig ist, dass der Bundestag dabei nicht über die Schuld oder Unschuld des Abgeordneten entscheidet, sondern lediglich über die Frage, ob die Verfolgungsmaßnahme oder die Einschränkung der Freiheit des Abgeordneten in einem bestimmten Moment ausgesetzt werden soll. Die Aussetzung eines Verfahrens bedeutet nicht, dass das Verfahren endgültig eingestellt wird, sondern lediglich, dass es für die Dauer der Aussetzung nicht fortgeführt wird.

5.4. Dauer und Wirkung der Aussetzung

Die Aussetzung gilt so lange, wie der Bundestag dies fordert. Das bedeutet, dass der Bundestag die Aussetzung jederzeit widerrufen und die Wiederaufnahme des Verfahrens zulassen kann. Dies stellt sicher, dass die Immunität nicht dauerhaft die gerichtliche Verfolgung behindert, sondern nur für die Dauer der parlamentarischen Tätigkeit greift.

In der Praxis erfolgt die Aussetzung vor allem dann, wenn der Bundestag der Auffassung ist, dass die Durchführung eines Verfahrens oder einer Maßnahme gegen einen Abgeordneten die parlamentarische Arbeit oder die Funktionsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigen könnte.

5.5. Abwägung von Immunität und Rechtsstaatlichkeit

Die Möglichkeit, Verfahren gegen Abgeordnete auszusetzen, führt zu einer Spannung zwischen der Immunität der Abgeordneten und dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Auf der einen Seite steht der legitime Schutz der Abgeordneten vor politisch motivierten oder willkürlichen Maßnahmen, auf der anderen Seite darf die Immunität nicht zu einem Freibrief führen, der es Abgeordneten erlaubt, sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

In der Praxis wird die Aussetzung daher in der Regel nur in solchen Fällen angewandt, in denen der Bundestag der Ansicht ist, dass das Verfahren nicht aus politischen Motiven oder zu dem Zweck eingeleitet wurde, den Abgeordneten in seiner Arbeit zu behindern. Ein Missbrauch der Immunität wird dadurch vermieden, dass der Bundestag das Verfahren jederzeit wieder aufnehmen lassen kann.

5.6. Verhältnis zur Gewaltenteilung

Art. 46 Abs. 4 GG ist Ausdruck des Gewaltenteilungsprinzips, bei dem die Legislative und Judikative in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Die Regelung trägt zur Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Parlaments bei, ohne jedoch die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden. Durch die Möglichkeit, Verfahren auszusetzen, wird die Freiheit der Abgeordneten geschützt, ohne dass ihre Verantwortlichkeit für strafrechtliches Verhalten grundsätzlich außer Kraft gesetzt wird.

5.7. Verfahren nach Art. 18 GG

Die Aussetzungsmöglichkeit erstreckt sich auch auf Verfahren nach Art. 18 GG, die auf die Verwirkung von Grundrechten abzielen. Die Aussetzung solcher Verfahren ist von besonderer Bedeutung, da Art. 18 GG nur in extremen Fällen angewendet wird, in denen ein Abgeordneter seine Grundrechte missbraucht, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen. Da solche Verfahren eine erhebliche politische Bedeutung haben, wird dem Bundestag hier die Möglichkeit gegeben, die Verhängung solch schwerwiegender Maßnahmen zu kontrollieren und im Einzelfall zu verhindern, dass ein Abgeordneter in seiner Tätigkeit beeinträchtigt wird.

5.8. Fazit

Art. 46 Abs. 4 GG stellt eine wichtige Schutzvorkehrung für die Unabhängigkeit der Abgeordneten und die Funktionsfähigkeit des Bundestages dar. Durch die Möglichkeit der Aussetzung von Strafverfahren, Verfahren nach Art. 18 GG und anderen Maßnahmen, die die persönliche Freiheit eines Abgeordneten betreffen, wird der Bundestag in die Lage versetzt, seine Mitglieder vor politischer Verfolgung oder unrechtmäßigen Eingriffen zu schützen. Zugleich wahrt die Regelung das Gleichgewicht der Gewalten und sichert, dass Abgeordnete weiterhin ihrer Verantwortung für strafrechtliches Fehlverhalten nachkommen müssen, sobald die Immunität aufgehoben wird oder das Verfahren fortgesetzt werden kann.