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BGHSt 44, 103; JuS 1998, 1166; NJW 1998, 2915; NStZ 1998, 462; StV 1998, 485

Titel zum Volltext

Daten

Fall: 
Waffenbegriff i. S. d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
Fundstellen: 
BGHSt 44, 103; JuS 1998, 1166; NJW 1998, 2915; NStZ 1998, 462; StV 1998, 485
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
17.06.1998
Aktenzeichen: 
2 StR 167/98
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Jähnke, Theune, Detter, Bode, Rothfuß
Instanzen: 
  • LG Aachen, 16.10.1997

Rechtsnormen

Seitennummerierung nach:

BGHSt 44, 103

Seiten:


BGHSt 44, 103 (103):
Eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.d. Fassung des 6. StrRG muß objektiv gefährlich und geeignet sein, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Die Gefährlichkeit der Waffe kann sich auch aus der konkreten Art ihrer Benutzung im Einzelfall ergeben.

StGB § 250 Abs. 1; StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 F: 26. Januar 1998

2. Strafsenat

  Beschluß

vom 17. Juni 1998 g.M.

- 2 StR 167/98 -

Landgericht Aachen

 


BGHSt 44, 103 (104):
Aus den Gründen:

1. Nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des StGB hat das Landgericht den Angeklagten zutreffend wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (§§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.) verurteilt. Auch nach der Neufassung des § 250 StGB durch das 6. StrRG hat der Schuldspruch Bestand, weil die versuchte Tat des Angeklagten zumindest die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB n.F. erfüllt.

Der Angeklagte hat den Tankwart F. mit einer Waffe bedroht, die wie eine geladene Schußwaffe aussah, und versucht, ihn zur Herausgabe von Geld zu veranlassen. Nachdem er dreimal erfolglos den Abzug seiner Waffe betätigt hatte, gab er sein Vorhaben auf. Die Strafkammer meinte, keine Feststellungen dazu treffen zu können, ob die vom Angeklagten benutzte Waffe eine Schußwaffe war und ob sie geladen war. Sie ging deshalb zugunsten des Angeklagten davon aus, es habe sich nicht um eine geladene Schußwaffe gehandelt, sondern um ein sonstiges Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht einen minder schweren Fall verneint, den damals geltenden Strafrahmen (Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren) aber nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert (Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu elf Jahren drei Monate).

2. Die nachträgliche Änderung des § 250 StGB führt zur Aufhebung des Strafausspruchs wegen der versuchten schweren räuberischen Erpressung. Diese Tat erfüllt nach den bisherigen Feststellungen nicht den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F., sondern lediglich die vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand (vgl. hierzu: Deutscher Bundestag 13. Wp. Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 13/9064 S. 18) vorgesehene Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB n.F. mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren, weil die vom Angeklagten verwendete Tatwaffe keine "Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 250 StGB n.F. ist. Der Begriff "Waffe" allein kann zwar dahin verstanden werden, daß darunter auch eine ungeladene und somit objektiv ungefährliche Waffe zu verstehen ist. Aus dem Zusammen


BGHSt 44, 103 (105):
hang mit dem Begriff "oder anderes gefährliches Werkzeug" wird aber zweifelsfrei deutlich, daß die Waffe im Sinne der Neufassung des § 250 StGB objektiv gefährlich und geeignet sein muß, für das Tatopfer eine Lebens- oder Leibesgefahr zu begründen. Dies bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung knüpfte für die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB an das Verwenden einer Schußwaffe an (BTDrucks. 13/8587 S. 9/10). Dieser Begriff wurde im Gesetzgebungsverfahren durch die weiteren Begriffe "Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug" ersetzt, weil auch andere gefährliche Tatmittel, die nicht Schußwaffen sind, wie zum Beispiel Handgranaten, von der erhöhten Strafdrohung erfaßt werden sollten. Die tatbestandlichen Begriffe "Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug" sind § 223 a StGB a.F. entnommen, so daß zur Auslegung auf die hierzu entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann (Deutscher Bundestag 13. Wp. Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 13/9064 S. 18). Danach ist das gefährliche Werkzeug als Oberbegriff anzusehen (BGHSt 22, 235, 236; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 223 a Rdn. 4; Lackner, StGB 22. Aufl. § 223 a Rdn. 2; a.A. Tröndle, StGB 48. Aufl. § 223 a Rdn. 2; Hirsch in LK 10. Aufl. § 223 a Rdn. 6). Hieraus folgt, daß auch die Waffe im Sinne des § 250 StGB n.F. objektiv gefährlich und geeignet sein muß, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Die Gefährlichkeit der Waffe kann sich auch aus der konkreten Art ihrer Benutzung im Einzelfall ergeben, etwa bei der Verwendung einer ungeladenen Schußwaffe als Schlagwerkzeug. Diese Auslegung entspricht im Ergebnis der Auffassung des 3. und 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, die sie auf eine Anfrage des 1. Strafsenats zur Auslegung des § 250 StGB n.F. mitgeteilt haben (3 ARs 7/98, 4 ARs 7/98). Der 1. Strafsenat hat bereits entschieden, daß Spielzeugpistolen und Schußwaffenattrappen mangels Eignung, eine Leibes- oder Lebensgefahr zu begründen, keine Waffen, sondern "Werkzeuge oder Mittel" im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB in der Fassung des 6. StrRG sind. Er hat dabei jedoch ausdrücklich offengelassen, ob dies auch gilt, wenn der Täter mit einer echten, aber unge
BGHSt 44, 103 (106):
ladenen Schußwaffe droht und diese dadurch "verwendet" (NJW 1998, 2914). Weder aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte, noch aus dem Gesamtzusammenhang der tatbestandlichen Begriffe "Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug" läßt sich jedoch herleiten, daß echte Schußwaffen auch dann den Begriff der Waffe im Sinne des § 250 StGB n.F. erfüllen, wenn sie ungeladen und damit objektiv ungefährlich sind. Die erhöhte kriminelle Energie, die dadurch zum Ausdruck kommt, daß ein Täter derartige Waffen bei der Tatbegehung bei sich führt oder verwendet, kann im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden. Hierfür gibt auch der Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F., der von drei bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reicht, genügend Raum. Auf die in § 250 Abs. 2 StGB n.F. angedrohte höhere Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren kommt es dabei nicht an. Die Neufassung des § 250 StGB sieht bei der Verwendung von ungefährlichen Tatmitteln oftmals höhere Strafen vor als das alte Recht. Denn in diesen Fällen war nach der Rechtsprechung zu § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. je nach den Umständen des Einzelfalles ein minder schwerer Fall in Erwägung zu ziehen (BGHR StGB § 250 Abs. 2 Strafrahmenwahl 3, 4; Wertungsfehler 2; Tröndle a.a.O. § 250 Rdn. 9; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 250 Rdn. 29; Herdegen in LK 10. Aufl. § 250 Rdn. 34, jew. m.w.N.). Der Strafrahmen für minder schwere Fälle war aber nach altem Recht (§ 250 Abs. 2 StGB a.F.) deutlich milder als in der Fassung des 6. StrRG (§ 250 Abs. 4 StGB n.F.; vgl. hierzu auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BTDrucks. 13/8587 S. 45).

Die Gefährlichkeit der Tatwaffe hat das Landgericht im vorliegenden Fall bisher nicht festgestellt. Es geht zugunsten des Angeklagten davon aus, er habe "keine geladene Schußwaffe" verwendet. Versteht man darunter eine ungeladene Schußwaffe, für die auch keine Munition mitgeführt wird, ist sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch objektiv ungefährlich, weil der Täter nicht schießen kann. Es könnte sich aber auch um eine Scheinwaffe (Spielzeugpistole, Pistolenattrappe) gehandelt haben. Solche Gegenstände fallen ebenfalls nicht


BGHSt 44, 103 (107):
unter den Waffenbegriff des § 250 StGB n.F. (BGH NJW 1998, 2914). Nichts anderes kann für eine ungeladene Gas- oder Schreckschußpistole gelten (vgl. hierzu aber BGH NStZ 1989, 476). Der Angeklagte hat seine Waffe nur zur Bedrohung und nicht als Schlagwerkzeug gegen den Tankwart verwendet, so daß auch aus der konkreten Art der Verwendung die Gefährlichkeit der Tatwaffe nicht hergeleitet werden kann. Die Feststellungen des Landgerichts belegen daher lediglich die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB n.F.

Die in § 250 Abs. 1 StGB n.F. angedrohte Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist milder als die Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren in § 250 Abs. 1 StGB a.F. von der das Landgericht bei seiner Strafzumessung ausging. Es läßt sich somit nicht ausschließen, daß das Landgericht für die versuchte schwere räuberische Erpressung eine geringere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es die Gesetzesfassung des 6. StrRG angewandt hätte. Da die dem Angeklagten günstige Gesetzesänderung auch im Revisionsverfahren zu beachten ist (§ 354 a StPO), muß die hiervon betroffene Einsatzstrafe aufgehoben werden. Damit entfällt die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe.