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BVerfGE 24, 119; DNotZ 1969, 112; DÖV 1968, 765; MDR 1969, 27; NJW 1968, 2233

Daten

Fall: 
Adoption
Fundstellen: 
BVerfGE 24, 119; DNotZ 1969, 112; DÖV 1968, 765; MDR 1969, 27; NJW 1968, 2233
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
29.07.1968
Aktenzeichen: 
1 BvL 20/63; 1 BvL 31/66; 1 BvL 5/67
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Müller, Stein, Ritterspach, Haager, Rupp-v. Brünneck, Brox, Zeidler
Instanzen: 
  • OLG Stuttgart, 08.11.1963 - 8 W 160/73
  • LG Passau, 03.11.1966 - 2 T 43/64

Seitennummerierung nach:

BVerfGE 24, 119

Seiten:


BVerfGE 24, 119 (119):
1. Die in BVerfGE 11, 330 (334 ff.) über die Zulässigkeit von Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätze gelten nicht, wenn ein zur Entscheidung über eine Revision oder weitere Beschwerde berufenes Gericht bei Gültigkeit der zur Prüfung ge
BVerfGE 24, 119 (120):
stellten Norm die Sache zur weiteren tatsächlichen Aufklärung an eine Vorinstanz zurückverweisen würde.

2. "Trennung von der Familie" im Sinne des Art. 6 Abs. 3 GG bedeutet die tatsächliche Trennung bei grundsätzlichem Fortbestand der Eltern-Kind-Beziehung und der darauf beruhenden Rechte und Pflichten.

3. Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Eltern gegenüber dem Staat den Vorrang als Erziehungsträger. Dieses Elternrecht enthält als wesensbestimmenden Bestandteil die Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder; Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen, können sich gegenüber staatlichen Eingriffen zum Wohle des Kindes nicht auf das Elternrecht berufen.

4. Das Wächteramt des Staates (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) beruht in erster Linie auf dem Schutzbedürfnis des Kindes, dem als Grundrechtsträger eigene Menschenwürde und ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zukommt.

5a. Die Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption in Fällen schwerwiegenden und dauernden Versagens der Eltern (§ 1747 Abs. 3 BGB) verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG und steht auch in Einklang mit der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG.

5b. Die Anwendung des § 1747 Abs. 3 BGB ist auch bei Inkognito-Adoptionen verfassungsrechtlich zulässig.

Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.

  Beschluß

des Ersten Senats vom 29. Juli 1968

-- 1 BvL 20/63, 31/66 und 5/67 --

in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 1747 Absatz 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1221) - Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse a) des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. November 1963 (8 W 160/63) b) des Landgerichts Passau vom 3. November 1966 (2 T 43/65) c) des Amtsgerichts Gronau/Westf. vom 31. März 1967 (VII - M - 366) -.

Entscheidungsformel:

§ 1747 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familien


BVerfGE 24, 119 (121):
rechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) vom 11. August 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 1221) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

  Gründe:

  A. -- I.

Die Annahme an Kindes Statt (Adoption) erfordert einen Vertrag zwischen dem Angenommenen und dem oder den Annehmenden sowie die Bestätigung dieses Vertrages durch das zuständige Amtsgericht (§§ 1741, 1754 BGB). Der Vertrag wird für ein unter 14 Jahre altes Kind von seinem gesetzlichen Vertreter, für ein über 14 Jahre altes Kind von diesem selbst mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abgeschlossen; in beiden Fällen ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich (§ 1751 BGB). Nach § 1747 Abs. 1 BGB kann ein ehelich geborenes Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nur mit Einwilligung seiner Eltern, ein außerehelich geborenes Kind bis zum gleichen Lebensalter nur mit Einwilligung seiner Mutter an Kindes Statt angenommen werden. Die Einwilligungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; sie darf nicht durch einen Vertreter erteilt werden und verlangt auch bei beschränkt Geschäftsfähigen nicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters; sie ist unwiderruflich (§ 1748 BGB). Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn der Einwilligungsberechtigte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist (§ 1747 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1746 Abs. 2 BGB).

Das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1221) hat § 1747 durch den folgenden Absatz 3 ergänzt:

§ 1747

(1) ...

(2) ...

(3) Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag des Kindes die Einwilligung eines Elternteils ersetzen, wenn dieser seine Pflichten gegenüber dem Kind dauernd gröblich verletzt oder die elterliche Gewalt verwirkt hat, und wenn er die Einwilligung


BVerfGE 24, 119 (122):
böswillig verweigert und das Unterbleiben der Annahme an Kindes Statt dem Kinde zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde.

II.

1. Die Einfügung dieser Norm in das Bürgerliche Gesetzbuch steht in Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung der Adoption, deren Bedeutung und Funktion sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend gewandelt hat (vgl. Dölle, Familienrecht, 1965, Bd. II, S. 563 ff.; Glässing, Voraussetzungen der Adoption, 1957, S. 28 ff., jeweils mit weiteren Nachw.). Die Statistik verzeichnet etwa seit den zwanziger Jahren eine erhebliche Zunahme der Adoptionen, die zum Teil durch die beiden Kriege bedingt ist: 1965 wurden im Bundesgebiet unter Mitwirkung der Jugendämter 7748 Adoptionen abgeschlossen (vgl. Stat. Jahrbuch f. d. Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 413); für die Zeit von 1920-1933 wird die Anzahl der Adoptionen im ganzen Deutschen Reich dagegen nur auf jährlich 4 000 geschätzt (vgl. Glässing, a.a.O., S. 25). Während früher bei der Adoption das Interesse kinderloser Personen an der Weitergabe des Familiennamens und Familienerbes im Vordergrund stand und häufig Erwachsene adoptiert wurden, dient die Adoption heute vor allem dem Zweck, verwaiste Kinder und Kinder, deren Eltern zur Erziehung nicht in der Lage sind, der dauernden Obhut einer zur Pflege und Erziehung fähigen Familie anzuvertrauen und zugleich den Wunsch von Männern und Frauen ohne natürliche Nachkommenschaft zu erfüllen, ein Kind als ihr eigenes aufzuziehen. Die Adoption erfüllt damit eine bedeutsame soziale Funktion: Die Adoptivkinder erhalten durch die Aufnahme in die neue Familie in aller Regel weit günstigere Lebensverhältnisse und werden damit häufig vor einer Gefährdung in ihrem früheren Milieu bewahrt; als Nebenwirkung ist auch auf die finanzielle und sonstige Entlastung der Träger der öffentlichen Fürsorge hinzuweisen. Die Adoption kommt namentlich den unehelichen Kindern zugute. Für diese ist sie, abgesehen von der Legitimation durch nachfolgende Ehe, ein besonders geeignetes


BVerfGE 24, 119 (123):
Mittel zu einer der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 5 GG entsprechenden Eingliederung in eine vollständige Familie (vgl. BVerfGE 22, 163 [173]).

Die zunehmende Würdigung der Adoption als einer Schutz- und Fürsorgemaßnahme für Kinder, die nicht bei den natürlichen Eltern aufwachsen können, hat zu zahlreichen Rechtsänderungen gegenüber der ursprünglichen Regelung geführt, die insgesamt durch die Betonung des Kindeswohls gekennzeichnet sind (vgl. z. B. die Erleichterungen der Adoptionsvoraussetzungen hinsichtlich Lebensalter und Kinderlosigkeit, den Schutz vor Mißbräuchen, die Einschränkung der Erwachsenenadoption). Im Zusammenhang damit steht eine Zurückdrängung des bürgerlichrechtlichen, rechtsgeschäftlichen Elements zugunsten einer Verstärkung des öffentlich-rechtlichen Elements, wie sie in der staatlichen Regelung der Adoptionsvermittlung (vgl. Gesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom 29. März 1951 - BGBl. I S. 214), in der stärkeren Einschaltung der Jugendbehörden und der Gerichte, in der Erweiterung der Entscheidungsbefugnis des Richters beim Zustandekommen der Adoption und in der gerichtlichen Aufhebung der Adoption von Amts wegen Ausdruck findet.

2. Die zur Prüfung stehende Vorschrift geht zurück auf einen Vorschlag der von der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendwohlfahrt (AGJJ) eingesetzten Kommission zur Reform des Adoptionsrechts (vgl. Begründung zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Familienrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. III/530 S. 13). Die Bundesregierung wollte mit der Aufnahme dieses Vorschlages das Zustandekommen der Adoption in solchen Fällen ermöglichen, in denen die Verweigerung der elterlichen Einwilligung einen Rechtsmißbrauch darstellte, weil die Rechtsprechung überwiegend Bedenken hatte, ohne gesetzliche Ermächtigung in diesen Fällen auf die Einwilligung zu verzichten (vgl. BT-Drucks., a.a.O., S. 21). Während der Bundesrat in beiden Durchgängen die Vorschrift unverändert billigte (vgl. BR Verhandlungen, 195. Sitzung vom 4. Juli 1958,


BVerfGE 24, 119 (124):
S. 162 i.V.m. BR-Drucks. 162/58, 236. Sitzung vom 14. Juli 1961, S. 181 ff. i.V.m. BR-Drucks. 246/61), stieß sie in den beteiligten Bundestagsausschüssen bei mehreren Abgeordneten auf teils verfassungsrechtliche, teils rechtspolitische Bedenken. Die Mehrheit des vom Rechtsausschuß eingesetzten Unterausschusses wollte die Ersetzung der elterlichen Einwilligung nur zulassen, wenn die Eltern die elterliche Gewalt verwirkt haben (§ 1676 BGB); als die Vertreter der Bundesregierung die Vorschrift bei einer solchen Beschränkung für wertlos erklärten, empfahl der Unterausschuß, die Vorschrift gänzlich zu streichen (vgl. Protokoll der 4. Sitzung des Unterausschusses vom 24. Oktober 1960, S. 16 ff.). Der Rechtsausschuß folgte der Empfehlung seines Unterausschusses nicht, sondern stimmte ebenso wie der mitbeteiligte Bundestagsausschuß für Familien- und Jugendfragen mit Mehrheit der Vorschrift in der Fassung der Regierungsvorlage zu (vgl. Protokoll der 147. Sitzung des Rechtsausschusses vom 26. April 1961, S. 19 ff.; Protokolle der 19. und 20. Sitzung des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen vom 5. und 19. März 1959). In der zweiten und dritten Lesung im Bundestag am 28. Juni 1961 wurde die Bestimmung ohne Aussprache angenommen (BT- Verhandlungen, III. Wahlperiode, 164. Sitzung, S. 9459 [9461]).

3. Die Rechtsentwicklung in Deutschland stimmt in der Tendenz mit der Entwicklung in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern überein. Zahlreiche ausländische Staaten kennen in ihrem Adoptionsrecht dem § 1747 Abs. 3 BGB vergleichbare Regelungen, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ein Verzicht auf die elterliche Einwilligung oder eine behördliche Ersetzung der Einwilligung vorgesehen ist, z. B. Österreich, die Schweiz, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark, England und mehrere Staaten der USA (vgl. Dölle, a.a.O., S. 587 ff.; Glässing, a.a.O., S. 107 ff.). Dabei sind die Voraussetzungen zum Teil wesentlich weiter gefaßt als in der deutschen Regelung. So kann nach französischem Recht die Verweigerung der elterlichen Einwilligung durch den Richter als unerheblich erklärt werden, soweit sie einen Mißbrauch des Ermessens des


BVerfGE 24, 119 (125):
Elternteils darstellt und dieser an dem Ergehen des Kindes keinen Anteil genommen hat, so daß dessen Wohl gefährdet war. In England kann das Gericht die Adoption ohne die elterliche Einwilligung zulassen, wenn der betreffende Elternteil seinen Verpflichtungen gegenüber dem Kind ständig schuldhaft nicht nachgekommen ist. Nach der österreichischen Regelung kann das Gericht die Einwilligung auf Antrag eines Vertragspartners ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

4. Die Geltung des § 1747 Abs. 3 BGB ist in der Literatur umstritten. Mehrere Autoren halten eine derartige Regelung für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG

vgl. Hildegard Krüger in Krüger-Breetzke-Nowack, Gleichberechtigungsgesetz, 1958, Einl. S. 207; Göppinger in Staudinger, Kommentar zum BGB, 10./11. Aufl., 1966, Vorbem. vor § 1666, Rdnr. 31; s. a. ders. FamRZ 1962, S. 541 und 1968, S. 302; Bosch, FamRZ 1961, S. 35; Klein, FamRZ 1957, S. 296

oder haben rechtspolitische Bedenken (vgl. Beitzke, Familienrecht, 12. Aufl., 1964, S. 183). Sie stützen sich im wesentlichen auf die gleichen Gründe wie die gerichtlichen Vorlagen; zum Teil befürchten sie ein Präjudiz für totalitäre Eingriffe des Staates in die Familie oder halten eine so weitgehende Maßnahme auch im Interesse des Kindes nicht für erforderlich. Demgegenüber erklären andere Autoren die angefochtene Vorschrift für verfassungsmäßig, sachlich gerechtfertigt und begrüßenswert.

Vgl. Dölle, a.a.O., S. 587; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1964, S. 676 ff.; Lade in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 1747, Rdnr. 9 und 10; Glässing, a.a.O., S. 105; zur Nieden, NJW 1961, S. 639; Arnold, Unehelichenrecht im Wandel, Schriften des Deutschen Instituts für Vormundschaftswesen, Band 4, 1967, S. 41 ff. (50 ff.); Müller, FamRZ 1956, S. 60; Schnitzerling, Die Adoption, 1960, S. 26; Pelle, Unsere Jugend, 1966, S. 375 ff.; Falkenberg, Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 1964, S. 98; im Ergebnis wohl auch Schwoerer in Staudinger, a.a.O., § 1634, Rdnr. 4, 4a, 34 und Donau in Staudinger, a.a.O., § 1626, Rdnr. 8.


BVerfGE 24, 119 (126):
Ebenso gehen die Auffassungen bei den Gerichten auseinander. Für die Verfassungsmäßigkeit haben sich unter anderem das Oberlandesgericht Hamm (FamRZ 1968, S. 110), das Landgericht Mannheim (DAVorm XXXVI [1963] Sp. 129 ff.), das Landgericht Berlin (DAVorm XXXIX [1966] Sp. 98 f.) und das Amtsgericht Hamburg (DAVorm XXXIX [1966] Sp. 335 ff.) ausgesprochen.

III.

Mehrere Gerichte haben gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantragt, weil sie § 1747 Abs. 3 BGB für verfassungswidrig halten.

1. Das der Vorlage des Oberlandesgerichts Stuttgart (FamRZ 1964, S. 51) zugrunde liegende Verfahren betrifft die Adoption eines im Jahre 1953 außerehelich geborenen Kindes. Das Kind wuchs von Anfang an bei den Eltern seines Vaters auf. Die Mutter holte nach ihrer Heirat mit einem anderen Mann 1960 das Kind zu sich. Das Kind konnte sich jedoch in der neuen Umgebung nicht einleben, so daß ernste Erziehungsschwierigkeiten auftraten. Auf Drängen der Mutter und des Stiefvaters nahmen die Großeltern das Kind wieder zu sich.

1962 wurde der Mutter auf Antrag des Jugendamtes das Sorgerecht entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen. Als die Großeltern das Kind adoptieren wollten, verweigerte die Mutter im Gegensatz zu früheren Erklärungen die Einwilligung.

Das Amtsgericht ersetzte die Einwilligung nach § 1747 Abs. 3 BGB; die Beschwerde der Mutter beim Landgericht hatte keinen Erfolg. Beide Gerichte gingen davon aus, daß hier einer der seltenen Fälle vorliege, in denen eine Anwendung des § 1747 Abs. 3 BGB zum Wohle des Kindes zwingend geboten sei. Die Kindesmutter habe ihre Elternpflichten dauernd gröblich verletzt; sie habe kein mütterliches Empfinden und ergreife oder verlange immer wieder Maßnahmen, die das Kind seelisch und geistig schädigten. Auch der Ehemann der Mutter bringe kein Verständnis für das Kind auf. Es sei böswillig, wenn die Mutter die Einwilligung zur Adoption durch die Großeltern verweigere, nach


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dem sie selbst das Kind in sehr liebloser Weise dorthin abgeschoben habe. Das Unterbleiben der Adoption würde dem Kind, das die Pflegeeltern als Vater und Mutter betrachte und sehr an ihnen hänge, zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen. Es habe sich bei den Großeltern günstig entwickelt, lebe jedoch in ständiger Angst, von der Mutter wieder fortgenommen zu werden. Ein dauernder Erziehungserfolg verlange, daß das Kind endgültig zur Ruhe komme und seine Entwicklung nicht fortgesetzt durch Anträge der Mutter gestört werde.

Das Oberlandesgericht meint, daß es für die Entscheidung über die weitere Beschwerde auf die Verfassungsmäßigkeit des § 1747 Abs. 3 BGB ankomme. Sei die Vorschrift verfassungswidrig, so fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Ersetzung der Einwilligung der Mutter; die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts müßten daher aufgehoben und der Antrag des Kindes zurückgewiesen werden. Sei die Vorschrift dagegen mit der Verfassung vereinbar, so müßten die Beschlüsse der Vorinstanzen wegen Verstoßes gegen § 12 FGG aufgehoben und die Sache zu weiterer Aufklärung an das Amtsgericht zurückverwiesen werden; insbesondere wäre eine eingehende Vernehmung der Kindesmutter, ihres Ehemannes und der Pflegeeltern unerläßlich.

Das Oberlandesgericht hält § 1747 Abs. 3 BGB für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG und mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Durch die Anwendung der Vorschrift werde den Eltern die elterliche Gewalt oder der unehelichen Mutter das Sorgerecht der Substanz nach für immer entzogen und das Kind zwangsweise in eine andere Familie "versetzt". Diese Maßnahme sei irreparabel, da die Adoption nur unter besonderen Umständen wieder aufgehoben werden könne (§§ 1768, 1770a, 1770b BGB). Hierin liege zugleich eine Entziehung des in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Elternrechts, das auch der unehelichen Mutter zustehe. Das Elternrecht gewähre als echtes Grundrecht ein Recht zur Abwehr unzulässiger Eingriffe des Staates, es decke sich für den Bereich der Pflege und Erziehung inhaltlich mit der elterlichen Gewalt.


BVerfGE 24, 119 (128):
Da ein Grundrecht gemäß Art. 19 Abs. 2 GG in keinem Falle in seinem Wesensgehalt angetastet werden dürfe, sei das Elternrecht im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG ebenso wie die elterliche Gewalt der Substanz nach unentziehbar; Eingriffe des Vormundschaftsgerichts dürften nur die Ausübung des Elternrechts betreffen. Hierfür spreche auch der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, der keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt enthalte; mit der "Betätigung" der elterlichen Rechte und Pflichten könne nur die "Ausübung" der elterlichen Gewalt im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches gemeint sein. Demgemäß sei eine Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB nur als Untersagung der Ausübung, als eine besondere Art des Ruhens der elterlichen Gewalt zu verstehen. Ebenso dürfe die "Verwirkung" der elterlichen Gewalt nach § 1676 BGB verfassungskonform nur als Untersagung der Ausübung der elterlichen Gewalt ausgelegt werden, da die abschließende Regelung des Art. 18 GG über die Verwirkung von Grundrechten das Elternrecht nicht erwähne. Auch aus Art. 6 Abs. 3 GG, der in innerem Zusammenhang mit Abs. 2 stehe, folge nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte, daß die rechtliche Lösung eines Kindes von seiner Familie durch eine staatliche Zwangsmaßnahme verboten sei. Die dort geregelte "Trennung" betreffe nur die tatsächliche Entfernung des Kindes vom Elternhaus. Da das Erfordernis der Einwilligung auf dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis, dem verwandtschaftlichen Bande beruhe, sei die Einwilligung schon an sich nicht ersetzbar.

Auch wenn § 1747 Abs. 3 BGB dem Wohle des Kindes dienen wolle, könne das einen so schweren Eingriff in das Elternrecht nicht rechtfertigen, selbst dann nicht, wenn die Eltern ein schweres Verbrechen an dem Kind begangen hätten. Die Entziehung der gesamten elterlichen Stellung taste den Wesensgehalt des Grundrechts an, weil, anders als etwa bei der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG, hier ein Ausgleich nicht denkbar sei. Solche unentziehbaren Rechte gebe es auch sonst, z. B. die deutsche Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG).

§ 1747 Abs. 3 BGB sei weiterhin zu unbestimmt gefaßt. Aus


BVerfGE 24, 119 (129):
rechtsstaatlichen Gründen müßten die Voraussetzungen für schwere Eingriffe in Rechte Einzelner klar und genau festgelegt werden. Diesen Anforderungen genügten die Begriffe "dauernd gröblich verletzt", "böswillig" und "unverhältnismäßiger Nachteil" nicht. Wie unklar das letztgenannte Merkmal sei, zeige sich in der Rechtsprechung zu § 1727 BGB. § 1747 Abs. 3 BGB sei daher geeignet, der zwangsweisen Wegnahme eines Kindes Tür und Tor zu öffnen.

2. Das der Vorlage des Landgerichts Passau zugrunde liegende Verfahren betrifft die Adoption zweier in den Jahren 1962 und 1963 ehelich geborener Geschwister, deren Mutter bei der Geburt des jüngeren Kindes gestorben ist. Der Vater ist elfmal wegen verschiedener Delikte bestraft (u. a. wegen Diebstahls, Betrugs, Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Notzucht an einer 71jährigen Frau). Mit Rücksicht auf die längeren Haftzeiten stellte das Vormundschaftsgericht fest, daß die elterliche Gewalt des Vaters ruhe, und bestellte das Jugendamt zum Vormund. Das Jugendamt hatte die Kinder zunächst in einem Heim untergebracht und leitete später eine Adoption ein; beide Kinder befinden sich seit Anfang 1966 bei den vorgesehenen Adoptiveltern in Pflege. Da der Vater seine Einwilligung verweigerte, ersetzte das Amtsgericht die Einwilligung des Vaters zur Adoption "durch die in der Adoptionsliste des Kreisjugendamtes ... unter der Nr. 2/65 eingetragenen Eltern" (sog. Inkognito-Adoption); es ging davon aus, daß die Voraussetzungen für die in eng begrenzten Fällen verfassungsrechtlich zulässige Ersetzung der Einwilligung vorlägen. Hiergegen hat der Vater Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hält § 1747 Abs. 3 BGB für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG, da diese nur eine Beschränkung in der Ausübung der elterlichen Gewalt, nicht aber eine Entziehung der Substanz nach zuließen. Einer solchen komme die Adoption aber gleich, weil die elterliche Gewalt der leiblichen Eltern durch die der Adoptiveltern ersetzt werde. Entgegen Art. 19 Abs. 2 GG werde damit ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet.

Im Falle einer Inkognito-Adoption verstoße die Ersetzung der


BVerfGE 24, 119 (130):
Einwilligung außerdem gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Da der Name der Adoptiveltern verschwiegen werden müsse, hätten die leiblichen Eltern keine Möglichkeit, sich eigenverantwortlich ein Bild von der Persönlichkeit der Adoptiveltern zu machen. Damit seien sie hinsichtlich eines für die Beurteilung des Sachverhalts sehr erheblichen Gesichtspunkts der Möglichkeit beraubt, auf die Entschließung des Gerichts Einfluß zu nehmen. Solange sich der Einwilligungsberechtigte nicht auch zur Persönlichkeit der Adoptiveltern äußern könne, lasse sich nicht zuverlässig beurteilen, ob er die Einwilligung böswillig verweigere.

3. Das der Vorlage des Amtsgerichts Gronau zugrunde liegende Verfahren betrifft die Ersetzung der Einwilligung zur Adoption eines 1952 außerehelich geborenen Jungen. Die Mutter hat drei weitere uneheliche Kinder, von denen eines denselben Vater hat wie das zur Adoption vorgesehene. Dieses Kind wurde 1954 von der Mutter, die damals mit zwei anderen Kindern in einem einzigen Zimmer lebte, seinem Vater und dessen Ehefrau zur Pflege übergeben mit der Vereinbarung, daß die Unterhaltsrente weiter an die Mutter gezahlt werden solle. Als die Zahlungen nach einigen Monaten ausblieben, verlangte die Mutter erfolglos ihr Kind zurück. Die Mutter war früher Trinkerin und hat ihre drei anderen Kinder zeitweilig so schlecht versorgt, daß die vorläufige Fürsorgeerziehung angeordnet werden mußte. Der uneheliche Vater will nunmehr gemeinsam mit seiner Ehefrau das Kind adoptieren, die inzwischen gleichfalls verheiratete Mutter verweigert jedoch die Einwilligung.

Das Amtsgericht sieht in der Weggabe des Kindes und in der Tatsache, daß sich die Mutter nach dem erfolglosen Versuch, das Kind zurückzubekommen, nicht mehr um ihren Sohn gekümmert hat, eine dauernde gröbliche Verletzung ihrer Pflichten; die Weigerung, der Adoption zuzustimmen, sei böswillig, weil sie vorwiegend darauf gestützt werde, daß die Mutter bereits früher die Einwilligung versagt habe, nun dabei bleiben wolle und es nicht für notwendig ansehe, daß das eine Kind es besser haben solle als sein


BVerfGE 24, 119 (131):
von demselben Erzeuger abstammender Bruder. Nach Ansicht des Gerichts ist das Kind im Haushalt seines Vaters sehr viel besser aufgehoben als bei seiner Mutter, bei der ein Rückfall in frühere, die Kinder gefährdende Verhaltensweisen nicht ausgeschlossen sei. Das Amtsgericht möchte daher dem Antrag auf Ersetzung der Einwilligung gemäß § 1747 Abs. 3 BGB entsprechen, sieht sich daran aber gehindert, weil es die Vorschrift für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG hält. In der Begründung schließt es sich dem Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. November 1963 (vgl. A III 1) an.

IV.

Der Bundesminister der Justiz, der sich für die Bundesregierung geäußert hat, hält die Vorlage des Oberlandesgerichts Stuttgart für unzulässig, weil es beim derzeitigen Verfahrensstand für die Entscheidung nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des § 1747 Abs. 3 BGB ankomme. Der Grundsatz, daß ein Gericht nicht schon vorlegen dürfe, um eine Beweisaufnahme zu ersparen (vgl. BVerfGE 11, 330 [335]), gelte bei der Bedeutung des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auch dann, wenn das vorlegende Gericht die nach seiner Ansicht gebotene Sachaufklärung nicht selbst durchführen könne, sondern die Sache hierfür an die Vorinstanz zurückverweisen müsse.

Im übrigen hält er die zur Prüfung vorgelegte Vorschrift für verfassungsmäßig.

Da die Vorschrift das Ausscheiden des Kindes aus der natürlichen Familie ermögliche, müsse sie vorrangig an Art. 6 Abs. 1 GG gemessen werden. Neben ihrer Bedeutung als wertentscheidende Grundsatznorm und Institutsgarantie schütze diese Verfassungsnorm als klassisches Grundrecht die Eigenständigkeit der Familie, ihre grundsätzliche Selbstverantwortlichkeit und Zusammengehörigkeit gegen schädigende und störende Eingriffe des Staates. Art. 6 Abs. 2 und 3 GG stellten nur nähere Ausprägungen des Grundsatzes der Selbstverantwortlichkeit der Familie für die


BVerfGE 24, 119 (132):
Pflege und Erziehungsfunktion dar; die dabei zum Schutz des Kindes gesetzten Schranken beträfen nur Eingriffsmöglichkeiten in das elterliche Erziehungsrecht bei noch vorhandener Bindung des Kindes an die Eltern.

Art. 6 Abs. 1 GG werde durch § 1747 Abs. 3 BGB nicht verletzt, da sich diese Vorschrift als notwendige Ergänzung in das überkommene Adoptionsrecht einfüge, das seinerseits mit dem Schutz der Familie vereinbar sei. Wie sich schon aus der rechtlichen Ausgestaltung der Adoption ergebe, gehöre es nicht zu den wesentlichen Strukturen der Familie, daß Adoptionen allein auf der Willensentscheidung der natürlichen Eltern beruhten. Den seit jeher vorgesehenen Ausnahmen vom Erfordernis der elterlichen Einwilligung bei dauernd unbekanntem Aufenthalt des Einwilligungsberechtigten oder bei seiner Unfähigkeit zur Abgabe einer Erklärung habe § 1747 Abs. 3 BGB zwei weitere hinzugefügt, weil der Gesetzgeber die Belange der Partner des Adoptionsvertrages für schutzwürdiger angesehen habe als die der Eltern. Die neue, bewußt eng formulierte Vorschrift greife erst ein, wenn die Familiengemeinschaft ihre verfassungsrechtlich vorausgesetzten natürlichen Funktionen nicht mehr erfülle, und ermögliche gerade die günstigen Wirkungen einer familiär geordneten Pflege und Erziehung in der Adoptionsfamilie. Die Kumulierung schwerwiegender objektiver und subjektiver Voraussetzungen lasse erkennen, daß es sich um Fälle handeln müsse, bei denen es nur uneinsichtigen Eltern verborgen bleiben könne, daß das Unterbleiben der Adoption dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereiche. Der gerichtlichen Entscheidung gehe zudem nach § 12 FGG von Amts wegen eine umfassende Situationsprüfung voraus.

Da das Kind ebenfalls zur Familie gehöre und Art. 6 Abs. 1, 2 und 3 GG in besonderem Maße auch das Kind schützen wollten, könne die Frage einer Störung des Familienverhältnisses nicht nur vom Standpunkt der Eltern beurteilt werden. Angesichts der Bindung der elterlichen Gewalt an das Kindeswohl bilde § 1747 Abs. 3 BGB eine notwendige Ergänzung zu § 1666 BGB, weil


BVerfGE 24, 119 (133):
bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen eine stetige Entwicklung des Kindes vielfach nur durch eine Adoption gesichert werden könne. Die einzelnen Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung seien klar und bestimmt genug. Ähnliche Begriffe seien auch sonst im Familienrecht üblich, ohne daß sich besondere Auslegungsschwierigkeiten ergeben hätten.

  B.

Die Vorlagen sind zulässig.

I.

Das Oberlandesgericht Stuttgart will bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden als bei ihrer Gültigkeit: Im ersten Fall will es die Beschlüsse der Vorinstanzen aufheben und zugleich selbst endgültig in der Sache entscheiden, nämlich den Antrag des Kindes auf Ersetzung der mütterlichen Einwilligung in die Adoption zurückweisen. Im zweiten Fall will es zwar auch die Beschlüsse der Vorinstanzen aufheben, aber zugleich die Sache zu weiteren Ermittlungen gemäß § 12 FGG an das Amtsgericht zurückverweisen. Diese weitere Sachaufklärung könnte nun freilich ergeben, daß eine oder mehrere der in § 1747 Abs. 3 BGB normierten Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung tatsächlich nicht vorliegen, so daß der Antrag des Kindes schon aus diesem Grunde abgelehnt werden müßte; insoweit steht zur Zeit noch nicht fest, ob es für die Sachentscheidung des Ausgangsverfahrens letzten Endes auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm ankommt.

Dies steht jedoch der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen, weil das vorlegende Gericht hier - anders als in dem der Entscheidung in BVerfGE 11, 330 (334 f.) zugrunde liegenden Verfahren - nicht in der Lage ist, die gebotenen Ermittlungen selbst durchzuführen. Die weitere Beschwerde entspricht der Revision im Zivilprozeß; die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist dem Tatrichter vorbehalten. Eine die Revisions- oder weitere Beschwerdeinstanz abschließende Entscheidung unterscheidet sich auch dann, wenn sie das Gesamtverfahren nicht beendet, sondern die Sache zurückverweist, wesentlich von einer


BVerfGE 24, 119 (134):
Zwischenentscheidung nach Art eines Beweisbeschlusses innerhalb derselben Instanz: Sie enthält inhaltlich eine Entscheidung über Rechtsfragen, sie hebt die bis dahin gültige Sachentscheidung auf und bindet das untere Gericht im Rahmen der für die Aufhebung maßgebenden Begründung. Vor allem aber stellt sich die Frage der Prozeßökonomie bei einer Zurückverweisung anders als bei einer Zwischenentscheidung in derselben Instanz. Der Gesichtspunkt, das Bundesverfassungsgericht vor einer Überlastung mit Verfahren der konkreten Normenkontrolle zu bewahren, muß hier zurücktreten hinter dem berechtigten Interesse der Verfahrensbeteiligten und der Gerichte, ein erneutes Durchlaufen des Instanzenzuges nach Möglichkeit zu vermeiden. Daher hat das Bundesverfassungsgericht bereits in ähnlichen Fällen Vorlagen von Revisionsgerichten als zulässig behandelt (BVerfGE 16, 286 [293]; s. a. 18, 257 [263]).

II.

Der Vorlagebeschluß des Landgerichts Passau läßt erkennen, daß das Gericht bei Ungültigkeit des § 1747 Abs. 3 BGB der Beschwerde des Vaters stattgeben und den Antrag des Kindes auf Ersetzung der Einwilligung zur Adoption zurückweisen will. Dagegen wird nicht deutlich, wie es entscheiden würde, wenn die Norm verfassungsmäßig wäre, besonders ob es sich in diesem Fall die Tatsachenfeststellung und -würdigung des Amtsgerichts zu eigen machen will. Die Vorlage läßt sich aber dahin auslegen, daß nach Ansicht des vorlegenden Gerichts § 1747 Abs. 3 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers auch den Fall der Inkognito-Adoption umfassen soll und sich hieraus ein zusätzliches Argument für die Verfassungswidrigkeit der Norm ergibt. Das Gericht hält die Norm zudem für widerspruchsvoll, weil sie einerseits auch für Inkognito-Adoptionen gelten solle, andererseits in diesem Falle nicht geprüft werden könne, ob die Verweigerung der Einwilligung böswillig sei. Bei dieser Auslegung kann die Vorlage als zulässig angesehen werden, weil eine Voraussage des Gerichts über die bei Anwendung der Norm zu treffende Entscheidung nicht erwartet werden kann.

 


BVerfGE 24, 119 (135):
C.

§ 1747 Abs. 3 BGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

1. Als Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung kommt vor allem Art. 6 GG als die grundlegende Verfassungsvorschrift für den Lebensbereich der Familie in Betracht. Innerhalb dieser Verfassungsnorm ist die Familie als Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern Gegenstand der Regelung in den Absätzen 1, 2 und 3, die in innerem Zusammenhang miteinander stehen, jedoch jeweils besondere Aspekte des einheitlichen Gegenstandes betreffen. Unter Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG sind zunächst die Eltern ehelich geborener Kinder zu verstehen; der Schutz dieser Bestimmung kommt aber auch der Mutter eines außerehelich geborenen Kindes zu.

Generalnorm ist Art. 6 Abs. 1 GG; er statuiert ein umfassendes an die Adresse des Staates gerichtetes Schutzgebot, das weder durch einen Gesetzesvorbehalt noch auf andere Weise beschränkt ist. Die dreifache verfassungsrechtliche Bedeutung dieser Vorschrift ist bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt; sie enthält sowohl eine Institutsgarantie wie ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht (BVerfGE 6, 55 [71 f.]). In allen diesen Beziehungen ist die Familie als ein geschlossener, eigenständiger Lebensbereich zu verstehen; die Verfassung verpflichtet den Staat, diese Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren und zu fördern.

Demgegenüber betreffen Art. 6 Abs. 2 und 3 GG als speziellere Bestimmungen die Eltern-Kind-Beziehung und bestimmen zugleich die Funktion des Staates und ihre Grenzen in diesem Bereich. Abs. 2 Satz 1 hebt den Vorrang der Eltern bei der Erziehung und Pflege der Kinder hervor und garantiert ihn verfassungsrechtlich; jedoch läßt schon das Wort "zuvörderst" erkennen, daß neben den Eltern auch der Staat die Funktion


BVerfGE 24, 119 (136):
eines Erziehungsträgers mit entsprechenden Pflichten hat. Darüber hinaus legt Abs. 2 Satz 2 dem Staat das Amt auf, über die Pflege und Erziehung der Kinder durch die Eltern zu wachen. Abs. 3 regelt schließlich einen speziellen Eingriff des Staates in die Pflege und Erziehung und statuiert hierfür einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt.

2. Welche der erläuterten Teilregelungen des Art. 6 GG zum Ansatzpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1747 Abs. 3 BGB zu wählen ist, hängt davon ab, in welcher Weise diese Vorschrift den Schutzbereich des Art. 6 GG berührt. Dabei ist davon auszugehen, daß die darin zugelassene Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption den familienrechtlichen Status des Kindes noch nicht ändert, da die familienrechtlichen Wirkungen der Adoption erst mit der späteren Bestätigung des Adoptionsvertrages eintreten (§§ 1741 Satz 2, 1754 Abs. 1 BGB). Die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung enthält aber bereits einen Eingriff in das Eltern-Kind-Verhältnis; sie nimmt den Eltern das ihnen grundsätzlich zustehende Recht, frei zu entscheiden, ob und wie die Adoption zustande kommen soll. Freilich ist nach fast einhelliger Auffassung im Schrifttum dieses Recht kein Bestandteil der elterlichen Gewalt oder des Personensorgerechts, sondern beruht grundsätzlich auf der durch Zeugung und Geburt vermittelten verwandtschaftlichen Beziehung (vgl. Engler in Staudinger, a.a.O., § 1747, Rdnr. 1). Gerade auch Eltern, denen die elterliche Gewalt oder das Personensorgerecht nicht zusteht, weil etwa ein Fall der Verwirkung vorliegt oder eine Maßnahme nach § 1666 Abs. 1 BGB getroffen ist, behalten das Einwilligungsrecht nach § 1747 Abs. 1 BGB. Andererseits bildet die blutsmäßige Abstammung nicht das entscheidende Kriterium; denn die elterliche Einwilligung ist nur bei Kindern unter 21 Jahren erforderlich, und für den umgekehrten Fall - die Adoption eines Elternteiles - bedarf es keiner Zustimmung des Kindes; ferner steht das Einwilligungsrecht einerseits dem "Scheinvater" zu, solange er die Ehelichkeit des Kindes nicht wirksam angefochten hat, andererseits ist es dem unehelichen Vater versagt. Tragender Gesichts


BVerfGE 24, 119 (137):
punkt für das Erfordernis der elterlichen Einwilligung ist danach die von der Rechtsordnung anerkannte und gewährleistete Befugnis und Verantwortlichkeit der Eltern für die Pflege und Erziehung des Kindes (so schon Motive zum BGB, Bd. IV, S. 964 f.).

Dies wird bestätigt, wenn man die rechtlichen Wirkungen der Adoption einbezieht. Eine Entscheidung nach § 1747 Abs. 3 BGB schafft im Regelfall die wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Adoption, da die gerichtliche Bestätigung des Annahmevertrages nur versagt werden darf, wenn ein gesetzliches Erfordernis der Adoption fehlt oder begründete Zweifel daran bestehen, daß durch die Adoption ein dem Eltern-Kind- Verhältnis entsprechendes Familienband hergestellt werden soll. Die rechtswirksame Adoption berührt weder das allgemeine rechtliche Familienband noch die blutsmäßige Bindung zu der bisherigen Familie des Kindes; das rechtliche Verwandtschaftsverhältnis und die darauf beruhenden gegenseitigen Unterhaltsrechte und -pflichten sowie die gegenseitigen Erbrechte bleiben bestehen (§ 1764 BGB). Neue verwandtschaftliche Beziehungen werden nur zwischen dem Kinde und dem Annehmenden persönlich begründet, dessen Familiennamen das Kind grundsätzlich erhält, dagegen nicht zwischen dem Kinde und den Verwandten des Annehmenden (§§ 1757 Abs. 1, 1763, 1758, 1758a BGB). Gegenseitige Unterhaltspflichten entstehen demgemäß allein zwischen dem Annehmenden und dem Kinde, wobei die Unterhaltspflicht des Adoptivelternteils der Unterhaltspflicht der bisherigen Familie vorgeht (§ 1766 BGB). Ein Erbrecht steht nur dem Kinde gegenüber dem Annehmenden zu, nicht umgekehrt; auch dieses Recht kann vertraglich ausgeschlossen werden (§§ 1759, 1767 Abs. 1 BGB).

Sehr viel einschneidender sind die Wirkungen der Adoption auf das Eltern-Kind-Verhältnis. Da das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden erlangt, steht diesem in vollem Umfang die elterliche Gewalt zu. Die natürlichen Eltern verlieren die elterliche Gewalt oder das Personensorge


BVerfGE 24, 119 (138):
recht, falls ihnen nur dieses zustand (§ 1765 BGB). Ob das gleiche für das Verkehrsrecht gilt, ist neuerdings streitig geworden (vgl. die Übersicht bei Schwoerer in Staudinger, a.a.O., § 1634, Rdnr. 34). Die früher herrschende und heute jedenfalls in der Praxis überwiegende Ansicht bejaht dies, weil das Verkehrsrecht ein Restbestandteil des Personensorgerechts, nicht eine Folge der Blutsverwandtschaft sei, und weil das Wohl des Kindes im allgemeinen gegen einen Fortbestand dieses Rechtes spreche. Endigt die elterliche Gewalt des Annehmenden oder ruht sie, so lebt das Personensorgerecht der natürlichen Eltern nur dann wieder auf, falls sie dem Kinde Unterhalt gewähren; das Recht zur Vertretung des Kindes bleibt in jedem Falle ausgeschlossen (§ 1765 Abs. 2 BGB).

Danach berührt die zur Prüfung stehende Norm nicht, wie der Bundesjustizminister meint, in erster Linie die rechtliche Zugehörigkeit des Kindes zu einer bestimmten Familie und seine allgemeine Stellung in dieser Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern betrifft vornehmlich die Eltern-Kind-Beziehung. § 1747 Abs. 3 BGB ist daher vorrangig an Art. 6 Abs. 2 und 3 GG zu messen.

II.

1. Der Freiheitsraum der elterlichen Betätigung wird durch Abs. 2 und 3 des Art. 6 GG im Verhältnis zum Staate abgegrenzt: Diese Normen garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das so umgrenzte Elternrecht ist ein Grundrecht im klassischen Sinne, das den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährt, soweit diese nicht durch das "Wächteramt" gedeckt sind (vgl. BVerfGE 4, 52 [57]; 7, 320 [323]).

Die Absätze 2 und 3 des Art. 6 GG stehen in engem Zusammenhang, weil Absatz 3 einen bestimmten, auf Grund des staatlichen Wächteramts in Betracht kommenden Eingriff in das Elternrecht regelt und zugleich begrenzt: Er gewährt ein Abwehrrecht gegen staatliche Maßnahmen, die ohne gesetzliche Grundlage und


BVerfGE 24, 119 (139):
ohne Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Kinder von ihrer Familie trennen, und begründet zugleich einen Vorbehalt für den Gesetzgeber, unter diesen Voraussetzungen die Trennung zuzulassen.

2. Im Verhältnis der beiden Absätze könnte es naheliegen, den Prüfungsmaßstab allein aus Absatz 3 zu entnehmen, weil die durch eine Maßnahme nach § 1747 Abs. 3 BGB ermöglichte Adoption die Lebensgemeinschaft des Kindes mit seinen Eltern löst und hierin eine "Trennung" des Kindes von der Familie im Sinne des Absatzes 3 gesehen werden könnte. Danach würde es für die Verfassungsmäßigkeit der zu prüfenden Vorschrift nur darauf ankommen, ob die darin normierten Tatbestände den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG (Versagen der Eltern und drohende Verwahrlosung des Kindes) entsprächen, was grundsätzlich zu bejahen wäre. Eine solche Subsumierung des hier in Rede stehenden Rechtsvorgangs unter Art. 6 Abs. 3 GG läßt sich jedoch aus den folgenden Gründen nicht halten:

Schon der Wortlaut der Verfassungsvorschrift spricht, wie das Oberlandesgericht Stuttgart zutreffend hervorhebt, mehr dafür, unter "Trennung von der Familie" nur die tatsächliche Trennung, und zwar die "Wegnahme" des Kindes von seinen Eltern zu sehen. Hierum handelt es sich aber bei Maßnahmen nach § 1747 Abs. 3 BGB nicht eigentlich; in diesen Fällen ist vielmehr der Einleitung der Adoption regelmäßig die tatsächliche Trennung des Kindes von den Eltern vorausgegangen, sei es, daß den Eltern auf Grund des § 1666 Abs. 1 BGB die elterliche Gewalt, das Personensorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist oder daß nach einer Verwirkung der elterlichen Gewalt Jugendamt und Vormundschaftsgericht für eine anderweitige Unterbringung des Kindes gesorgt haben oder daß auf Grund der §§ 64 ff. JWG die Fürsorgeerziehung angeordnet worden ist. Hierzu ist auch auf die Praxis der Jugendämter hinzuweisen, die regelmäßig eine Adoption erst vermitteln, wenn das Kind einige Zeit bei den Adoptiveltern in Pflege war und diese sich hierbei bewährt haben (vgl. Dölle, a.a.O., Bd. 2 II,


BVerfGE 24, 119 (140):
S. 562 und die in vielen Ländern erlassenen Richtlinien für die Adoptionsvermittlung, z.B. Hessischer Staatsanzeiger 1964 Nr. 8 S. 268). Schließlich kommt bei ehelichen Kindern eine Adoption gegen den Willen der Eltern überhaupt nur in Betracht, wenn ihnen die elterliche Gewalt einschließlich des Rechts zur gesetzlichen Vertretung nicht mehr oder nicht unbeschränkt zusteht, weil die nach § 1751 BGB erforderliche Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters nicht durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden kann.

Die aus dem Wortlaut und Sinn gewonnene Auslegung des Art. 6 Abs. 3 GG wird durch die Entstehungsgeschichte unterstützt (vgl. dazu Jahrbuch des öffentlichen Rechts n. F., Bd. 1, 1951, S. 99 ff., 101 ff.; v. Mangoldt, AöR, Bd. 75, S. 284):

Im Parlamentarischen Rat entschloß man sich erst im Verlaufe der Beratungen, entgegen der ursprünglichen Konzeption über die klassischen Grundrechte hinaus auch Grundsätze für die soziale Lebensordnung aufzunehmen. Dabei bildeten ursprünglich die jetzigen Absätze 1, 4 und 5 des Art. 6 einen besonderen Artikel, während die jetzigen Absätze 2 und 3 Teil eines anderen zugleich die Schulfragen (vgl. jetzt Art. 7) umfassenden Artikels waren.

Die Formulierung in Art. 6 Abs. 2 und 3 geht zum Teil auf Art. 120 und 122 der Weimarer Verfassung zurück. Im Grundsatzausschuß beantragte die CDU eine Vorschrift über "Elternrecht und Erziehung", die bereits den heutigen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 inhaltlich enthielt, wobei in der letzten Vorschrift nicht von "Trennung", sondern von der "Herausnahme von Kindern aus der Familiengemeinschaft" die Rede war. Die Vorschrift über das Elternrecht war ergänzt durch einen weiteren Satz, wonach dieses Recht auch bei der Bestimmung des religiös-weltanschaulichen Charakters der Schule zu wahren war; die folgenden Erörterungen im Ausschuß betrafen fast ausschließlich diese Bestimmung, also das Problem Konfessionsschule oder Gemeinschaftsschule. Äußerungen, die sich speziell auf den Inhalt des Satzes 3 (jetzt Abs. 3) beziehen, sind nur von drei Abgeordneten verzeichnet. Der Abg. Bergsträsser (SPD) war der Auffassung,


BVerfGE 24, 119 (141):
daß diese Bestimmung sich als Sicherung eines "Gruppen-Individualrechts", nämlich des Rechts der Familiengruppe, daß sie zusammenbleibe, in den Rahmen der übrigen Grundrechte einfüge. Abg. Heuss (FDP) äußerte Verständnis für die Tendenz des Satzes 3 als Abwehrhaltung gegenüber der Nazi-Zeit, "weil die Kinder in die Organisationen hineingezwängt worden sind".

Der Hauptausschuß nahm in 1. Lesung die Sätze 1 und 3 (jetzt Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3) ohne den Zwischensatz über die Bestimmung des religiös-weltanschaulichen Charakters der Schule pp. an. Der Vorsitzende Abg. Schmid sah die Zuordnung der beiden Sätze als möglich an und führte dazu aus: "Ich könnte mir denken, daß die Absicht (bei Satz 3) weniger fürsorgerischer Art war, als zu verhindern, daß etwa Dinge wie HJ, Staatsjugend und ähnliche Dinge wieder aufgezogen werden könnten."

Der Grundsatzausschuß änderte auf Grund einer Empfehlung des Allg. Redaktionsausschusses den Satz 3 redaktionell wie folgt: "Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen und deshalb die Kinder zu verwahrlosen drohen." In dieser Fassung wurde die Vorschrift vom Hauptausschuß in 2. Lesung beschlossen. Der Allg. Redaktionsausschuß schlug daraufhin vor, den letzten Halbsatz wie folgt zu fassen: "wenn Gefahr der Verwahrlosung besteht", weil eine Verwahrlosung, welche die Trennung des Kindes von der Familie erfordere, auch durch äußere von den Erziehungsberechtigten nicht abhängige oder verschuldete Umstände verursacht sein könne.

Auf Vorschlag des Fünfer-Ausschusses ordnete der Hauptausschuß in 3. Lesung die beiden Sätze mit unveränderter Fassung als Abs. 2 und 3 in den Artikel über Ehe und Familie ein. In 4. Lesung im Hauptausschuß erhielt der Abs. 3 aus den Gründen des Allg. Redaktionsausschusses auf Vorschlag des Abg. Zinn (SPD), der zugleich Vorsitzender des Redaktionsausschusses war, die heutige Fassung. Ferner wurde dem Abs. 2 (über das Elternrecht) auf Antrag des Abg. Dehler (FDP), der ebenfalls Mitglied


BVerfGE 24, 119 (142):
des Redaktionsausschusses war, und des Abg. Zinn der Satz 2 (über das Wächteramt des Staates) angefügt. Im Plenum wurden beide Absätze nicht mehr erörtert.

Der Verfassunggeber des Grundgesetzes hat danach die Adoption eines Kindes gegen den Willen der Eltern im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 GG nicht in Betracht gezogen. Die Vorschrift ist vielmehr in der Grundtendenz durch die Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit motiviert und wendet sich gegen die "Wegnahme" der Kinder von ihren Eltern zum Zwecke einer staatlichen Zwangserziehung, wie sie in totalitären Staaten üblich ist (Staatsjugend, Zwangsinternate, Schulungslager), ohne daß die bekannten fürsorgerischen Maßnahmen dadurch berührt werden sollten. Entsprechend hat die Vorschrift partielle Eingriffe des Staates bei grundsätzlichem Fortbestand des Eltern-Kind-Verhältnisses und der darauf beruhenden Rechte und Pflichten zum Gegenstand. Maßnahmen zur Adoption eines Kindes gegen den Willen der natürlichen Eltern unterscheiden sich hiervon nicht durch die Intensität des Eingriffs, sondern durch die andersartige Zweckrichtung. Sie wollen nicht die elterliche Erziehungstätigkeit zugunsten eines staatlichen Erziehungseinflusses zurückdrängen, sondern wegen des Versagens der natürlichen Eltern ein neues, funktionsfähiges Eltern-Kind-Verhältnis begründen, dessen Träger die Funktion der Pflege und Erziehung selbständig und eigenverantwortlich ausüben und hierbei ihrerseits durch die Grundrechtsgarantie vor staatlichen Eingriffen geschützt sind. Maßnahmen dieser Art fallen nicht unter Art. 6 Abs. 3 GG, sie sind aber - als ein Aliud - durch diese Verfassungsvorschrift auch nicht ausgeschlossen. Ihre Zulässigkeit ist vielmehr nach Art. 6 Abs. 2 GG zu beurteilen.

III.

1. Der Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart und die Vertreter der gleichen Auffassung im Schrifttum gehen offenbar davon aus, daß das Schutzobjekt des Art. 6 Abs. 2 GG eine Rechtsposition sei, die sich nicht in der Wahrnehmung der Pflege und Erziehung erschöpfe. Sie soll allein mit der biologischen


BVerfGE 24, 119 (143):
Elternschaft gegeben sein und auch weiter bestehen, wenn die Eltern sich niemals um die Pflege und Erziehung des Kindes gekümmert oder diese Aufgabe gröblich und schuldhaft vernachlässigt haben. Selbst dann soll sie als unentziehbare Rechtssubstanz fortdauern, wenn die Eltern zum Schutz des Kindes durch Richterspruch von jeder Einflußnahme auf seine Pflege und Erziehung ausgeschlossen sind, ja sogar, wenn sie durch eine Straftat gegen das Kind für immer die elterliche Gewalt verloren haben.

Diese Auffassung entspricht nicht dem Wortlaut und Sinn der Verfassungsnorm. Das darin gewährleistete Grundrecht bezieht sich auf eine bestimmte Aufgabe und die hierfür zu entfaltende Tätigkeit, die durch die Wortstellung besonders hervorgehoben ist. Die Eltern haben das Recht, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen frei zu gestalten und genießen insoweit, vorbehaltlich des Art. 7 GG, Vorrang vor anderen Erziehungsträgern. Dieser Grundrechtsschutz darf aber nur für ein Handeln in Anspruch genommen werden, das bei weitester Anerkennung der Selbstverantwortlichkeit der Eltern noch als Pflege und Erziehung gewertet werden kann, nicht aber für das Gegenteil: die Vernachlässigung des Kindes. Die Verfassung macht dies durch die Verknüpfung des  Rechts  zur Pflege und Erziehung mit der  Pflicht  zu dieser Tätigkeit deutlich. Diese Pflichtbindung unterscheidet das Elternrecht von allen anderen Grundrechten; sie ist auch anderer Art als die Sozialgebundenheit des Eigentums (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). In Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Recht und Pflicht von vornherein unlöslich miteinander verbunden; die Pflicht ist nicht eine das Recht begrenzende Schranke, sondern ein wesensbestimmender Bestandteil dieses "Elternrechts", das insoweit treffender als "Elternverantwortung" bezeichnet werden kann (vgl. BVerfGE 10, 59 [67, 76 ff.]; Erwin Stein, Die rechtsphilosophischen und positiv-rechtlichen Grundlagen des Elternrechts, in Stein-Joest-Dombois, Elternrecht, 1958, S. 5 ff. [S. 10]). Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt danach die freie Entscheidung der Eltern darüber, wie sie


BVerfGE 24, 119 (144):
dieser natürlichen Verantwortung gerecht werden wollen; er schützt nicht diejenigen Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen.

2. Wenn Eltern in dieser Weise versagen, greift das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG ein; der Staat ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen. Diese Verpflichtung des Staates folgt nicht allein aus dem legitimen Interesse der staatlichen Gemeinschaft an der Erziehung des Nachwuchses (vgl. § 1 JWG), aus sozialstaatlichen Erwägungen oder etwa aus allgemeinen Gesichtspunkten der öffentlichen Ordnung; sie ergibt sich in erster Linie daraus, daß das Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertsystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Die Anerkennung der Elternverantwortung und der damit verbundenen Rechte findet daher ihre Rechtfertigung darin, daß das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbilde des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 7, 198 [205]; s. a. die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1959 [Yearbook of the United Nations, 1959, S. 198]). Hierüber muß der Staat wachen und notfalls das Kind, das sich noch nicht selbst zu schützen vermag, davor bewahren, daß seine Entwicklung durch einen Mißbrauch der elterlichen Rechte oder eine Vernachlässigung Schaden leidet.

In diesem Sinne bildet das Wohl des Kindes den Richtpunkt für den Auftrag des Staates gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 10, 59 [84]). Dies bedeutet nicht, daß jedes Versagen


BVerfGE 24, 119 (145):
oder jede Nachlässigkeit den Staat berechtigt, die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen; vielmehr muß er stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern Rechnung tragen. Zudem gilt auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Art und Ausmaß des Eingriffs bestimmen sich nach dem Ausmaß des Versagens der Eltern und danach, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muß daher nach Möglichkeit zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen. Er ist aber nicht darauf beschränkt, sondern kann, wenn solche Maßnahmen nicht genügen, den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend und sogar dauernd entziehen; in diesen Fällen muß er zugleich positiv die Lebensbedingungen für ein gesundes Aufwachsen des Kindes schaffen.

3. Nach diesen Maßstäben überschreitet § 1747 Abs. 3 BGB die von der Verfassung für ein Tätigwerden des Staates gezogenen Grenzen nicht.

Die Vorschrift enthält keine generelle, schematische Beschränkung der elterlichen Rechte in bezug auf eine Adoption des Kindes, sondern läßt nur durch richterliche Entscheidung im Einzelfall nach Prüfung der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse die Ersetzung der Einwilligung zu. Sie entspricht damit dem Grundsatz, daß individuelle Maßnahmen zur Abwehr einer Gefährdung der Kinder den Vorrang vor generellen Regelungen haben und der Gesetzgeber sich regelmäßig darauf beschränken muß, die Voraussetzungen für einen Eingriff im Einzelfall zu normieren (vgl. BVerfGE 7, 320 [323 f.]).

Die Anwendung der Vorschrift ist weiter an drei eng begrenzte Voraussetzungen gebunden, die zudem kumulativ vorliegen müssen:

a) Die Verwirkung der elterlichen Gewalt tritt nach § 1676 BGB automatisch und unwiderruflich ein, wenn ein Elternteil an dem Kinde ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen verübt


BVerfGE 24, 119 (146):
hat und deswegen rechtskräftig zu Zuchthaus oder zu einer Gefängnisstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist. Hierunter fallen vornehmlich die Fälle der Kindesmißhandlung oder eines Sittlichkeitsdelikts. Der Verwirkung gleichgestellt ist die im Einzelfall vom Vormundschaftsrichter festzustellende dauernde gröbliche Verletzung der Pflichten gegenüber dem Kind. Diese Voraussetzung dürfte zum Teil dem Tatbestand des § 1666 Abs. 1 BGB entsprechen; zudem müssen die Umstände des Falles die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, das Verhalten der Eltern dem Kinde gegenüber werde sich in dem für die Entwicklung des Kindes entscheidenden Zeitraum voraussichtlich nicht ändern.

b) § 1747 Abs. 3 BGB verlangt weiter, daß das Unterbleiben der Adoption dem Kinde zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde; damit wird ausdrücklich die durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ohnehin gebotene Abwägung zwischen dem Interesse des Kindes und dem Interesse des sich weigernden Elternteils verlangt. Die Adoption gegen den Willen der Eltern muß erforderlich sein, um die infolge des Versagens der Eltern bereits eingetretene oder drohende Gefahr für eine gesunde Entwicklung des Kindes abzuwenden; sie darf erst angewandt werden, wenn mildere Mittel zu diesem Zweck nicht ausreichen, wie besonders die zeitweilige Unterbringung des Kindes in einem Heim oder einer Pflegestelle. Welche Maßnahme jeweils erforderlich ist, kann freilich nicht nur vom Standpunkt der Eltern beurteilt werden. Für sie mag die Adoption wegen der besonders durch die Namensänderung dokumentierten Statusänderung in der Skala der möglichen Eingriffe als der einschneidendste erscheinen, obwohl sie sich faktisch nicht wesentlich von der Verwirkung der elterlichen Gewalt oder einer umfassenden Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 Abs. 1 BGB unterscheidet, da in diesen Fällen die Eltern ebenfalls vollständig von der Pflege und Erziehung der Kinder ausgeschaltet werden. Demgegenüber kann aber nach den Umständen des Falles das Interesse des Kindes gerade dafür sprechen, der Adoption vor einer dauern


BVerfGE 24, 119 (147):
den Heimunterbringung den Vorzug zu geben (vgl. dazu noch unten III 4).

c) Schließlich muß die Verweigerung der Einwilligung böswillig sein. Dieses Merkmal wird vorliegen, wenn die Weigerung eigensüchtigen Motiven entspringt, z. B. weil der Elternteil sich die Einwilligung "abkaufen" lassen möchte (vgl. den vom LG Hamburg entschiedenen Fall [FamRZ 1957, S. 328 f.]), oder wenn sie auf einer feindseligen Gesinnung gegenüber dem Kind, den Adoptiveltern oder den zuständigen Behörden beruht oder sonst aus einer das Wohl des Kindes außer acht lassenden Einstellung folgt.

Nimmt man alle drei Voraussetzungen zusammen, so ist der Ausnahmecharakter der Vorschrift klar erkennbar: Sie betrifft nur Fälle eines besonders schwerwiegenden, vollständigen und dauernden Versagens der Eltern in ihrer Verantwortung dem Kinde gegenüber. Es handelt sich daher letztlich um eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens, daß die mißbräuchliche Ausübung eines Rechts von der Rechtsordnung nicht geschützt wird. Hinzu kommt, daß die Ersetzung der Einwilligung in einem mit den entsprechenden Garantien ausgestatteten gerichtlichen Verfahren ausgesprochen wird, in dem der Sachverhalt von Amts wegen umfassend aufgeklärt werden muß. Die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts kann in zwei weiteren Instanzen überprüft werden. Einen Schutz gegen eine fehlsame Anwendung der Vorschrift bietet ferner die umfangreiche Einschaltung behördlicher und gerichtlicher Kontrollen im Adoptionsverfahren. Die Behauptung, § 1747 Abs. 3 BGB öffne der zwangsweisen Wegnahme von Kindern Tür und Tor, erscheint unter diesen Umständen weit übertrieben. Die Vorschrift gibt vielmehr die materiell und verfahrensmäßig eng begrenzte Ermächtigung, in den genannten Fällen das nur noch formal bestehende Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern weitestgehend zu lösen; dies steht in Einklang mit dem durch die Verfassung geforderten


BVerfGE 24, 119 (148):
Schutz des Kindes wie auch mit der allgemeinen Wertentscheidung des Art. 6 GG zugunsten der Familie.

4. Wenn die staatliche Gemeinschaft eingreifen muß, um anstelle der versagenden Eltern die Voraussetzungen für eine gesunde körperliche und seelische Entwicklung des Kindes und für seine rechte Einordnung in die Gesellschaft zu schaffen, so steht der Staat hierbei vor der Wahl, die Fürsorgeerziehung anzuordnen, das Kind sonst in einem Heim unterzubringen oder es in Pflege zu geben oder schließlich eine Adoption zu vermitteln. Vom Blickpunkt des Kindes werden in dieser Situation die letzten beiden Möglichkeiten regelmäßig den Vorzug verdienen. Die überlieferte Überzeugung, daß für eine normale Entwicklung des Kindes das Erlebnis einer harmonischen und lebenstüchtigen Familiengemeinschaft schlechthin unersetzlich ist, wird durch die Erfahrungen der Jugend- und Fürsorgebehörden sowie die Erkenntnisse der modernen Psychologie, Psychiatrie und Kinderheilkunde bestätigt. Das Fehlen einer solchen Lebensordnung in der Kindheit, namentlich in den ersten Lebensjahren, vor allem die damit einhergehende seelische Vernachlässigung, verursachen häufig schwere Entwicklungsstörungen und geistige oder moralische Defekte, die sich in kriminellem oder asozialem Verhalten oder in abartigen sexuellen Neigungen äußern. Eine Heimerziehung kann auch unter günstigen Verhältnissen die Geborgenheit des Kindes in der Familie und die dort gegebenen Voraussetzungen für die Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten und sozialen Kontakte des Kindes nicht ersetzen, zumal es in zahlreichen Heimen an ausreichendem oder ausreichend geschultem Personal, an geeigneten Räumlichkeiten und besonders an finanziellen Mitteln fehlt. Auch bei einwandfreier äußerer Pflege und Versorgung kann der Mangel an personaler Zuwendung, an äußeren Entwicklungsreizen, der häufige Wechsel der Beziehungspersonen, später auch die Unsicherheit über die eigene Herkunft und über die Zukunft zu Entwicklungsschäden führen, die mit der Dauer des Heimaufenthalts zunehmen und in schweren Fällen das Bild einer Krankheit annehmen.


BVerfGE 24, 119 (149):
Schon daraus folgt, daß der Staat bei dauerndem Versagen der Eltern sowohl im Interesse des Kindes wie der Allgemeinheit in erster Linie bestrebt sein muß, das Kind in einer anderen Familie unterzubringen, die freiwillig die Funktion des natürlichen Verbandes übernimmt (vgl. BVerfGE 22, 163 [173]). Die beiden Möglichkeiten hierfür bilden die Unterbringung in einer Pflegefamilie und die Adoption. Nach den Erfahrungen der Praxis ist es verhältnismäßig nicht schwer, geeignete Eltern zu finden, die ein Kind in Pflege nehmen, um es zu adoptieren. Dagegen ist es sehr schwierig, gute Pflegeeltern zu finden, wenn von vornherein eine Adoption nicht in Betracht kommt. Beim Angebot an Pflegestellen steht nicht selten das Motiv des Gelderwerbs oder der Wunsch nach einer Arbeitskraft an erster Stelle; Schädigungen der Kinder durch eigensüchtige, lieblose oder gar kriminelle Pflegeeltern werden infolge Mangels an Aufsichtspersonal oft zu spät entdeckt. Die Entwicklung harmonischer Beziehungen zwischen dem Kind und den Pflegeeltern mag auch durch das Verhalten von Eltern gestört werden, die das Kind aus finanziellen oder anderen eigennützigen Motiven zurückverlangen, ohne selbst zur Pflege und Erziehung bereit und fähig zu sein. Demgegenüber erhält das Kind durch die Adoption normalerweise die Voraussetzungen für eine gesunde körperliche und seelische Entwicklung, vor allem das für die Entwicklung der sozialen Beziehungen entscheidende Erlebnis der Geborgenheit, der dauernden ungestörten Zugehörigkeit zu  seiner  Familie.

5. Die begrenzte Zulassung einer Adoption gegen den Willen der Eltern in den geschilderten Fällen steht auch in Einklang mit der in Art. 6 Abs. 1 bis 3 GG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Wertentscheidung zugunsten der Familie. Das Grundgesetz sieht in der Familie die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft, deren Bedeutung mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden kann (BVerfGE 6, 55 [71]); es erkennt ihre Funktion für die Pflege und Erziehung der Kinder an und sichert ihr den Vorrang vor kollektiven Erziehungsformen. Dieser Grundtendenz entspricht es aber mehr, wenn sich


BVerfGE 24, 119 (150):
der Staat in der geschilderten Situation bemüht, die in der natürlichen Familie ausnahmsweise nicht mögliche Familienerziehung des Kindes auf andere Weise sicherzustellen, anstatt den verwaltungsmäßig bequemeren Weg der Unterbringung in staatlichen oder anderen kollektiven Einrichtungen zu wählen.

6. Sind Maßnahmen nach § 1747 Abs. 3 BGB unter den geschilderten Voraussetzungen danach eine zulässige Ausübung des staatlichen Wächteramts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, die mit den allgemeinen Wertentscheidungen des Art. 6 GG vereinbar ist, so ist damit zugleich klargestellt, daß die zur Prüfung stehende Norm das Elternrecht nicht in seinem Wesensgehalt antastet. Die Kennzeichnung des Elternrechts als "natürliches Recht" in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht dem nicht entgegen (vgl. auch BVerfGE 10, 59 [81]). Der Verfassunggeber geht davon aus, daß diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen. Fehlt es ausnahmsweise an dieser Voraussetzung, so trifft die Ersetzung der Einwilligung zur Adoption die Eltern-Kind-Beziehung in einer Lage, in der ein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Recht der natürlichen Eltern nicht mehr besteht. Es handelt sich daher nicht um einen zwangsweisen "Eltern- tausch ". Eltern, die im Sinne des Grundgesetzes diesen Namen verdienen, weil sie bereit sind, die mit dem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflichten auf sich zu nehmen (vgl. auch BVerfGE 10, 59 [67]), erhält das Kind erst durch die Adoption.

7. Auch die Auffassung, eine Ersetzung der elterlichen Einwilligung zur Adoption könne allenfalls bei einer Beschränkung auf die Fälle der Verwirkung der elterlichen Gewalt anerkannt werden, trifft nicht zu. Sie läßt sich insbesondere nicht mit dem Übermaßverbot stützen. Da die Verwirkung allein an das Strafmaß anknüpft, das nicht allein von dem Ausmaß der konkreten Pflichtverletzung gegenüber dem Kinde abhängt, sondern von zahlreichen anderen Elementen bestimmt wird (Täterpersönlichkeit, Bedeutung und Folgen der Tat, Generalprävention usw.),


BVerfGE 24, 119 (151):
läßt sich nicht sagen, daß im Falle einer den Tatbestand des § 1676 BGB bildenden strafgerichtlichen Verurteilung die Pflichtverletzung des betreffenden Elternteils allemal schwerer wiegt, als wenn kein Strafverfahren stattgefunden hat. Es gibt nicht selten Fälle eines sadistischen Verhaltens der Eltern oder grober körperlicher oder seelischer Vernachlässigung, die nicht durch das Strafgesetzbuch erfaßt werden oder aus anderen Gründen nicht verfolgt werden können. Daher ist die Verwirkung der elterlichen Gewalt unter dem Gesichtspunkt der Elternverantwortung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG kein absolut geeignetes Kriterium für die Zulassung der Adoption gegen den Willen der Eltern. Vielmehr könnten umgekehrt Bedenken dagegen bestehen, die schematische Regelung des § 1676 BGB zum Ausgangspunkt des in § 1747 Abs. 3 BGB zugelassenen Eingriffs zu nehmen. Denn danach erfüllt etwa auch eine Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht oder wegen eines Deliktes am Kindesvermögen bei entsprechender Strafhöhe den Tatbestand des § 1676 BGB ohne Rücksicht auf die Bedeutung der strafbaren Handlung für die konkrete Eltern-Kind-Beziehung. Dies gibt jedoch keinen Anlaß, die hier zur Prüfung stehende Norm zu beanstanden, weil der Beurteilungsspielraum, den der Gesetzgeber dem Vormundschaftsrichter eingeräumt hat, diesem ohne weiteres eine verfassungsgemäße Anwendung gestattet.

§ 1747 Abs. 3 BGB ist daher mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar.

IV.

Die Vorschrift verletzt auch keine anderen Verfassungsbestimmungen.

1. Einer Prüfung an Art. 2 Abs. 1 GG bedarf es nicht, weil dessen Anwendung auf das elterliche Erziehungsrecht jedenfalls durch Art. 6 Abs. 2 GG ausgeschlossen wird (BVerfGE 4, 52 [56]).

2. Der Hinweis des Vorlagebeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart auf Art. 18 GG verkennt den Begriff der Verwirkung im Sinne dieser Verfassungsvorschrift und ihre verfassungsrecht


BVerfGE 24, 119 (152):
liche Funktion. § 1747 Abs. 3 BGB konkretisiert lediglich eine dem Grundrecht des Art. 6 Abs. 2 GG von vornherein anhaftende Begrenzung. Seine Wirkung erschöpft sich in dem betreffenden Einzelakt und in der Beziehung der Eltern zu einem bestimmten Kind.

3. Auch eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips wegen mangelnder Bestimmtheit der zur Prüfung gestellten Norm liegt nicht vor (vgl. BVerfGE 11, 234 [237]; 17, 67 [82]; 21, 245 [261]). Die darin verwendeten Begriffe sind nicht unbestimmter oder weniger bestimmbar als etwa die Tatbestandsmerkmale des § 1666 Abs. 1 BGB, deren Anwendung das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet hat (vgl. BVerfGE 4, 52 [57]).

Die Auslegung des Begriffes "böswillig" ist zwar in Rechtsprechung und Schrifttum bisher nicht einheitlich. Zum Teil wird verlangt, daß die Einwilligung aus einer verwerflichen, feindseligen Gesinnung verweigert werde, zum Teil wird es für ausreichend angesehen, wenn sachfremde, keineswegs anzuerkennende Motive vorliegen oder wenn keine objektiv beachtlichen Gründe für die Weigerung vorgebracht werden (vgl. die Übersicht in KG FamRZ 1966, S. 266 f.; ferner Gernhuber, a.a.O., S. 677). Dieser Unterschied der Meinungen ist aber schon deshalb kein Indiz für eine mangelnde Bestimmtheit, weil die Norm erst 1961 eingefügt worden ist und mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Bedenken bisher nur zögernd angewandt wird. Verfassungsrechtlich lassen sich alle genannten Auslegungen halten; sie zeigen, daß sich aus dem Zweck der Vorschrift und ihrer Formulierung durchaus Kriterien zur inhaltlichen Auslegung gewinnen lassen.

V.

Die zu prüfende Norm verletzt die Verfassung auch nicht deswegen, weil sie auch für den Fall einer Inkognito-Adoption gilt.

1. Die bei der Zulässigkeitsprüfung zugrunde gelegte Rechtsansicht über die Anwendbarkeit des § 1747 Abs. 3 BGB auf diese besondere Form der Adoption erweist sich auch bei näherer Prüfung als zutreffend. Der Wortlaut der Vorschrift steht nicht ent


BVerfGE 24, 119 (153):
gegen, ihr Sinngehalt spricht dafür. Die Rechtsprechung und die überwiegende Auffassung im Schrifttum halten eine Adoption, bei der den Eltern der Name der Adoptiveltern unbekannt bleibt, für zulässig, wenn die Einwilligung der Eltern sich trotzdem auf ein individuell bestimmtes Adoptionsverhältnis bezieht (vgl. BGHZ 2, 287 [290 ff.]). Dabei wird so verfahren, daß das Jugendamt oder die sonstige staatlich anerkannte Adoptionsvermittlungsstelle die Adoptiveltern auswählt und in eine Liste einträgt; die Einwilligung wird zur Adoption des Kindes durch die in dieser Liste unter einer bestimmten Nummer aufgeführten Adoptiveltern erklärt. Maßgebend für die Zulassung der Inkognito- Adoption war vor allem die Erfahrung, daß auch Eltern, die zunächst mit der Adoption einverstanden sind, später wieder Verbindung mit dem Kinde aufnehmen wollen und daß hierdurch das Einleben des Kindes in die neue Umgebung und die Entwicklung einer harmonischen Beziehung zu den Adoptiveltern gestört werden. Es liegt nahe, daß ein Bedürfnis des Kindes zum Schutz vor solchen Störungen gerade in den Fällen auftreten kann, für die der § 1747 Abs. 3 BGB bestimmt ist, nämlich bei besonders verantwortungslosen, uneinsichtigen oder labilen Eltern. Nach dem Zweck der Vorschrift ist daher anzunehmen, daß die Möglichkeit der Ersetzung der elterlichen Einwilligung auch für die Inkognito-Adoption gelten soll; anderenfalls hätte der Gesetzgeber, dem die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Inkognito- Adoption bekannt war, die Bestimmung entsprechend eingeschränkt.

2. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit kommt es allein auf den durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Vorrang der Eltern bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder an. Insoweit sind aber die rechtlichen und faktischen Wirkungen einer Inkognito-Adoption die gleichen wie bei einer gewöhnlichen Adoption. Der Unterschied besteht nur darin, daß die rechtlich fortbestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen von seiten der Eltern praktisch nicht mehr aufrechterhalten werden können. Für das Kind gilt dies nicht, da die Namen und Anschriften aller Beteiligten in den


BVerfGE 24, 119 (154):
Akten des Jugendamtes und der beteiligten Gerichte sowie - wenn auch mit Sperrvermerk (vgl. § 61 PStG) - in den Personenstandsbüchern erfaßt sind. Das Kind oder sein gesetzlicher Vertreter können also die Verbindung mit den Eltern oder anderen Verwandten herstellen, wenn dies im Interesse des Kindes liegt, z. B. um nach dem Tode der Adoptiveltern einen Unterhaltsanspruch geltend zu machen. Zudem wird üblicherweise dem Kinde schon während des Heranwachsens oder bei Volljährigkeit die Tatsache der Adoption mitgeteilt, so daß es jedenfalls nach der Volljährigkeit die Möglichkeit hat, Beziehungen zu den natürlichen Eltern aufzunehmen.

Selbst wenn man aber in der Inkognito-Adoption einen stärkeren Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG sehen wollte, würde es sich nur um einen Gradunterschied im Ausmaß des Eingriffes handeln, der nach den oben entwickelten Kriterien, besonders der Rücksicht auf das Kindeswohl und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist. Ist danach eine Inkognito- Adoption erforderlich, um eine gesunde Entwicklung des Kindes zu sichern, so muß das Interesse an der Aufrechterhaltung der verwandtschaftlichen Beziehungen zurücktreten. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist im Rahmen der in § 1747 Abs. 3 BGB ohnehin gebotenen Interessenabwägung festzustellen.

3. Demgegenüber kann auch der Hinweis auf das Verkehrsrecht nicht personensorgeberechtigter Eltern nach § 1634 Abs. 1 BGB nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Selbst wenn man ein Verkehrsrecht der natürlichen Eltern auch nach vollzogener Adoption noch anerkennen wollte, würden, falls die gekennzeichneten Erfordernisse für die Ersetzung einer Einwilligung zur Inkognito-Adoption vorliegen, zugleich stets die Voraussetzungen für einen Ausschluß des Verkehrsrechts nach § 1634 Abs. 2 BGB gegeben sein (vgl. dazu auch BGHZ 2, 287 [292]).

4. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Passau lassen sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 1747 Abs. 3 BGB auch bei einer Inkognito-Adoption beurteilen; insbesondere geht der Einwand fehl, die Unkenntnis der Person der Adoptiveltern ver


BVerfGE 24, 119 (155):
wehre den Eltern eine "verantwortungsbewußte Entscheidung" über die Einwilligung. Wenn die ohnehin engen Voraussetzungen des § 1747 Abs. 3 BGB für eine Ersetzung der Einwilligung vorliegen und darüber hinaus aus den genannten Gründen eine Inkognito-Adoption erforderlich ist, so handelt es sich nicht um Eltern, von denen eine verantwortungsbewußte, d. h. am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung überhaupt erwartet werden kann. Im übrigen bedeutet die Inkognito-Adoption nur, daß die Eltern den Namen und die Anschrift der Adoptiveltern nicht erfahren; eine Unterrichtung der Eltern über die allgemeinen Verhältnisse der Adoptiveltern (Staatsangehörigkeit, Konfession, wirtschaftliche und soziale Lage) ist dadurch nicht ausgeschlossen und wird in der Regel geboten sein.

5. Eine solche Anwendung des § 1747 Abs. 3 BGB auf Inkognito- Adoptionen verstößt auch nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsvorschrift gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern (BVerfGE 1, 418 [429]; st. Rspr.). Im Verfahren nach § 1747 Abs. 3 BGB können die Eltern als Beteiligte in vollem Umfang ihre Einwände gegen die Adoption überhaupt wie auch gegen die etwa beabsichtigte Form der Inkognito-Adoption geltend machen. Damit sind ihre verfahrensrechtlichen Interessen hinreichend gewahrt.

(gez.) Dr. Müller, Dr. Stein, Ritterspach, Dr. Haager, Rupp-v. Brünneck, Dr. Brox, Dr. Zeidler