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BVerfGE 28, 17; NJW 1970, 651

Daten

Fall: 
Substantiierungspflicht
Fundstellen: 
BVerfGE 28, 17; NJW 1970, 651
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
17.02.1970
Aktenzeichen: 
2 BvR 608/69
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Seuffert, Leibholz, Geller, v. Schlabrendorff, Rupp, Geiger, Kutscher, Rinck

Rechtsnormen

Seitennummerierung nach:

BVerfGE 28, 17

Seiten:


BVerfGE 28, 17 (17):
Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann hinreichend substantiiert, wenn der innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG eingegangenen Begründung der Verfassungsbeschwerde
BVerfGE 28, 17 (18):
entnommen werden kann, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte.

  Beschluß

des Zweiten Senats vom 17. Februar 1970

- 2 BvR 608/69 -

in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Elektromeisters ... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Günther Westermann, Jever, Kirchplatz 8 - gegen den Beschluß des Landgerichts Oldenburg vom 23. September 1969 - T 384/69 -.

Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

  Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, Inhaber eines Elektroinstallationsgeschäfts, ist Eigentümer eines im Grundbuch von Sande, Band 16, Blatt 570, eingetragenen Grundstücks. Für Verbindlichkeiten aus seinen Geschäftsbeziehungen zu dem Kaufmann ... hat er sich in einer notariellen Urkunde vom 3. Juni 1966 der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Das Amtsgericht Jever hat durch Beschluß vom 5. Juni 1967 den Beitritt dieses Gläubigers zu dem dort anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren über das Grundstück des Beschwerdeführers zugelassen. Nachdem es zunächst am 16. Oktober 1967 einen Antrag des Beschwerdeführers, das von diesem Gläubiger betriebene Verfahren einzustellen, zurückgewiesen hatte, stellte es das Verfahren auf einen weiteren Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 30 a ZVG durch Beschluß vom 2. September 1968 auf die Dauer von sechs Monaten ein. Am 25. April 1969 wurde das Zwangsversteigerungsverfahren auf Betreiben des Gläubigers fortgesetzt, dann jedoch auf einen erneuten Antrag des Beschwerdeführers durch Beschluß des Amtsgerichts vom 1. Juli 1969 wiederum gemäß §§ 30 a, 30 d ZVG, 765 a ZPO eingestellt. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hob das Landgericht Oldenburg den


BVerfGE 28, 17 (19):
Einstellungsbeschluß auf und wies den Einstellungsantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück: Nachdem das Zwangsversteigerungsgericht zunächst einen nach § 30 a ZVG vom Schuldner gestellten Antrag zurückgewiesen, später indessen eine Einstellung der Zwangsversteigerung nach § 30 a ZVG ausgesprochen habe, sei die Wiederholung eines auf § 30 a ZVG gestützten Antrages, soweit dieser sich gegen die von dem Gläubiger ... betriebene Zwangsversteigerung richte, nicht mehr zulässig. Eine Einstellung nach § 765 a ZPO komme nicht in Betracht, da ein weiteres zwangsweises Vorgehen des Gläubigers in Anbetracht des Verhaltens des Schuldners jedenfalls nicht gegen die guten Sitten verstoße.

Hiergegen wendet sich die Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und trägt dazu vor: Er sei "in der Beschwerdeinstanz völlig übergangen worden" und deshalb gehindert gewesen, "seine Gründe für eine erneute Einstellung der Zwangsversteigerung bei einer gegenüber der Vorinstanz veränderten Sachlage darzutun".

II.

Die fristgerecht eingelegte Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung unzulässig.

§ 92 BVerfGG verlangt, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG in der Begründung seiner Beschwerde das angeblich verletzte Recht und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde bezeichnet, durch die er sich in einem der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG genannten Rechte verletzt fühlt. Darüber hinaus muß sich aus dem Sachvortrag des Beschwerdeführers - ebenfalls innerhalb der genannten Frist - mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte ergeben (BVerfGE 6, 132 [134]).

Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nur Erfolg haben, wenn die angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht,


BVerfGE 28, 17 (20):
d. h. wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlaßt oder im ganzen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte (BVerfGE 7, 239 [241]; 18, 147 [150]; ständige Rechtsprechung). Im Hinblick darauf ist der Substantiierungspflicht aus § 92 BVerfGG bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur genügt, wenn der Begründung der Verfassungsbeschwerde entnommen werden kann, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, Anm. 3 zu § 92, S. 399). Nur dann kann geprüft und entschieden werden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem Verfassungsverstoß beruht. Die bloße Behauptung der Versagung rechtlichen Gehörs reicht zur Begründung einer auf eine angebliche Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde nicht aus.

Die Verfassungsbeschwerde läßt nicht erkennen, was der Beschwerdeführer dem Landgericht über sein bisheriges Vorbringen hinaus noch hätte vortragen wollen. Auch aus den Umständen ist nicht ersichtlich, was das Landgericht im Hinblick auf die erschwerten Voraussetzungen des § 765 a ZPO zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Da weder dargetan noch ersichtlich ist, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf der behaupteten Versagung rechtlichen Gehörs beruhen könnte, ist die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert. Sie war daher als unzulässig zu verwerfen.

Seuffert Leibholz Geller v. Schlabrendorff Rupp Geiger Kutscher Rinck