1. Wenn gesetzliche Vorschriften nach dem Willen des Gesetzgebers sich generell auf die Normadressaten erst von einem Zeitpunkt ab auswirken sollen, der jeweils für bestimmte örtliche Bereiche durch Rechtsverordnung festgelegt wird, so endet die Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG jedenfalls nicht früher als ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung.
2. Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umschließt grundsätzlich die freie Wahl zwischen den verschiedenen Bildungswegen, die der Staat in der Schule zur Verfügung stellt.
3. Zum staatlichen Gestaltungsbereich im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 GG gehört nicht nur die organisatorische Gliederung der Schule, sondern auch die Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele.
4. Die gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes zum Ziele hat, verlangt ein sinnvolles Zusammenwirken der beiden Erziehungsträger.
5. Die Aufnahme des Kindes in einen bestimmten Bildungsweg kann an Zulassungsvoraussetzungen geknüpft werden. Jedoch darf das Wahlrecht der Eltern zwischen den vom Staat zur Verfügung gestellten Schulformen nicht mehr als notwendig begrenzt werden.
6. Die wesentlichen Merkmale einer als Pflichtschule eingeführten Förderstufe müssen durch Gesetz festgelegt werden.
7. Art. 7 Abs. 4 GG erfordert, daß die Möglichkeit offenbleibt, nach Abschluß der Grundschule statt einer öffentlichen Schule eine private Ersatzschule zu besuchen.
8. Die Einführung der obligatorischen Förderstufe in Hessen verletzt grundsätzlich nicht das Elternrecht. Jedoch ist SchulPflG-HE § 5 Abs. 2 Satz 2 mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG insoweit unvereinbar, als in Schuljahrgängen 5 und 6 der Besuch einer weiterführenden öffentlichen Schule außerhalb des Schulbezirks oder einer privaten Ersatzschule ausgeschlossen wird.
§ 93 BVerfGG
BVerfG, 06.12.1972 - 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71
BVerfG, 26.05.1970 - 1 BvR 83/69, 1 BvR 244/69, 1 BvR 345/69
1. Ist über den Antrag eines Soldaten auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer noch nicht rechtskräftig entschieden und verweigert der Soldat in dieser Zeit eine von ihm geforderte militärische Dienstleistung, so verstößt die Bewertung seines Verhaltens als Dienstvergehen nicht gegen seine Grundrechte aus Art. 4 Abs. 3, Art. 1 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG.
2. Nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen.
BVerfG, 17.02.1970 - 2 BvR 608/69
Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann hinreichend substantiiert, wenn der innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG eingegangenen Begründung der Verfassungsbeschwerde entnommen werden kann, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte.
BVerfG, 05.07.1960 - 1 BvR 232/58
Die Ausschlußfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine unverändert gebliebene Norm eines im übrigen geänderten Gesetzes beginnt nicht deshalb neu, weil der Gesetzgeber jene Bestimmung in seinen Willen aufgenommen hat. Die im Verfahren der konkreten Normenkontrolle für die Abgrenzung vorkonstitutionellen Rechts entwickelten Grundsätze (BVerfGE 6, 55 [64]) gelten hier nicht.
BVerfG, 06.03.1968 - 1 BvR 975/58
1. Eine innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG unmittelbar gegen ein Gesetz erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Frist selbst und unmittelbar durch das Gesetz betroffen worden ist.
2. Währungs- und Umstellungsgesetzgebung einerseits, das Allgemeine Kriegsfolgengesetz andererseits sind Teile einer einheitlichen Gesamtregelung mit dem Ziel, die durch den Krieg und den Zusammenbruch entstandene Konkurslage des Deutschen Reiches zu bereinigen und die Grundlagen für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau und gesunde staatliche Finanzen zu schaffen.
3. Werden innerhalb dieser Gesamtregelung Vorteile und Nachteile für eine bestimmte Wirtschaftsgruppe im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gegeneinander abgewogen, so können als begünstigende Sonderregelungen alle gesetzlichen Maßnahmen berücksichtigt werden, die die betreffende Gruppe objektiv und unmittelbar begünstigt haben.
4. Der Ausschluß der Banken von der Ablösung der verbrieften Forderungen gegen das Deutsche Reich in § 32 Abs. 1 Nr. 3 AKG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt auch für die Banken, die keine Ausgleichsforderungen erhalten haben.
BVerfG, 16.06.1959 - 1 BvR 71/57
1. Wird eine Verfassungsbeschwerde gegen einen "Vollziehungsakt" erhoben, der das in einer Norm enthaltene generelle Verbot nur für den konkreten Fall wiederholt, so steht der Ablauf der Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG der Zulässigkeit auch dann nicht entgegen, wenn die Verfassungsbeschwerde nur mit der Grundrechtswidrigkeit der Norm selbst begründet wird.
2. Wird mit einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht, daß eine belastende Norm den Gleichheitssatz verletze, weil sie nicht auf andere, gleiche Verhältnisse ausgedehnt worden sei, so fehlt ihr das Rechtsschutzinteresse dann nicht, wenn die Möglichkeit besteht, daß die Gleichheit verfassungsrechtlich eindeutig durch Nichtigkeit der belastenden Regelung herbeizuführen wäre.
3. Altersgrenzen für die Ausübung eines Berufs sind subjektive Zulassungsvoraussetzungen im Sinne des Urteils BVerfGE 7, 377. Die darin liegende generalisierende Vermutung der Leistungsunfähigkeit widerstreitet nicht der Bedeutung der Berufsfreiheit für die Freiheit der einzelnen Persönlichkeit.
4. Sind Ausnahmen von der Altersgrenze zugelassen, so gebietet Art. 12 Abs. 1 GG nicht, daß eine Ausnahme bewilligt werden muß, wenn die individuelle Leistungsfähigkeit des Antragstellers feststeht.
BVerfG, 20.02.1957 - 1 BvR 441/53
1. Führt der Gesetzgeber den Verfassungsauftrag zum Erlaß eines bestimmten Gesetzes infolge unrichtiger Auslegung des Grundgesetzes nur teilweise aus und verletzt er durch die Nichtberücksichtigung eines bestimmten Bevölkerungskreises Grundrechte aus Art. 3 GG, so kann auch gegen sein teilweises Unterlassen eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Eine solche Verfassungsbeschwerde kann nur zu der Feststellung führen, daß der Gesetzgeber durch sein Unterlassen Grundrechte verletzt habe. Eine deshalb ergänzungsbedürftige Teilregelung ist dann nicht verfassungswidrig, wenn das Grundgesetz zeitlich aufeinander folgende Teilregelungen zuläßt und eine dem Art. 3 GG entsprechende Ergänzung des Gesetzes noch möglich ist.
2. § 93 BVerfGG setzt Fristen zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde nur für den Fall, daß die öffentliche Gewalt durch positive Handlungen Grundrechte verletzt hat.
3. Art. 131 GG will denjenigen Personen eine besondere staatliche Fürsorge zuteil werden lassen, die im Dienste des öffentlichen Gemeinwesens gestanden hatten, nicht jedoch denjenigen, die bei privaten Arbeitgebern tätig gewesen waren.
BVerfG, 24.04.1952 - 1 BvR 36/52
Die Fristvorschrift des § 93 Abs. 3 BVerfGG kann bei Verfassungsbeschwerden gegen "sonstige Hoheitsakte" nicht entsprechend angewendet werden.