Art. 103 GG
BVerfG, 10.10.1973 - 2 BvR 574/71
1. Art. 103 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, durch Präklusionsbestimmungen auf eine beschleunigte Abwicklung des Rechtsmittelverfahrens hinzuwirken, soweit die betroffene Partei in 1. Instanz ausreichend Gelegenheit hatte, sich in allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat.
2. Im Regelfall reicht eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen in 1. Instanz unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht aus, um das Berufungsgericht zu verpflichten, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen des Berufungsklägers auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen. Das Gericht kann grundsätzlich ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör davon ausgehen, daß der Berufungskläger in seiner den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung nicht nur darlegt, in welchen Punkten er das erstinstanzliche Urteil angreift, sondern auch das Vorbringen und die Beweisanträge ausdrücklich kennzeichnet, auf die er weiterhin Wert legt.
3. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn das Erstgericht ein unter Beweis gestelles Vorbringen als unerheblich behandelt, der Berufungskläger mit seiner Berufung gerade diese Rechtsauffassung angreift und das Berufungsgericht den betreffenden Sachvortrag daraufhin ebenfalls für erheblich ansieht. Unter diesen Voraussetzungen ist das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG gehalten, sich zu vergewissern, ob das Beweismittel nicht bereits in 1. Instanz benannt worden ist.
BVerfG, 23.02.1972 - 2 BvL 36/71
Gemeindesatzungen können Strafbestimmungen enthalten, die auf einer speziellen Ermächtigung des Landesgesetzgebers beruhen. Dem in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot der Gesetzesbestimmtheit ist jedoch nur Genüge getan, wenn schon aus der Ermächtigung die Grenzen der Strafbarkeit sowie Art und Höchstmaß der Strafe für den Bürger voraussehbar sind.
BVerfG, 17.02.1970 - 2 BvR 608/69
Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann hinreichend substantiiert, wenn der innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG eingegangenen Begründung der Verfassungsbeschwerde entnommen werden kann, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte.
BVerfG, 14.05.1969 - 2 BvR 238/68
Die Strafbestimmung über den groben Unfug (§ 360 Abs. 1 Nr. 11 [zweite Alternative] StGB) ist mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.
BVerfG, 11.03.1969 - 1 BvR 665/62, 1 BvR 152/69
Über die Grenzen der Pressefreiheit bei der Beschaffung von Informationen durch strafbare Handlungen.
BVerfG, 26.02.1969 - 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68
1. Art. 103 Abs. 2 GG bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein Verhalten für strafbar erklärt werden kann. Er verbietet sowohl die rückwirkende Strafbegründung wie die rückwirkende Strafverschärfung.
2. Verjährungsvorschriften regeln, wie lange eine für strafbar erklärte Tat verfolgt werden soll. Sie lassen die Strafbarkeit der Tat unberührt. Verjährungsvorschriften unterliegen daher nicht dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.
3. Die Verlängerung oder Aufhebung noch nicht abgelaufener Verjährungsfristen verstößt jedenfalls bei Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind, weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen den Gleichheitssatz.
BVerfG, 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02
Es verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.