BVerfGE 7, 29; BayVBl 1957, 322; DVBl 1957, 611; DÖV 1957, 788; NJW 1957, 1355
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BVerfGE 7, 29 (29):
1. Die Regelung der Verjährung für Pressedelikte gehört im Sinne der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zum Gebiet der "allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse" (Art. 75 Nr. 2 GG), nicht zum Gebiet des Strafrechts oder des gerichtlichen Verfahrens (Art. 74 Nr. 1 GG).
2. Einzelne Vorschriften aus einer reichsgesetzlichen, erschöpfenden Regelung eines Rechtsgebiets, für das dem Bundesgesetzgeber nur eine Rahmenkompetenz zusteht, gelten nicht als Bundesrecht fort, selbst wenn sie vom Bundesgesetzgeber im Zusammenhang eines Rahmengesetzes erlassen werden könnten.
BVerfGE 7, 29 (30):
3. § 22 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 (RGBI. S. 65) in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 1935 (RGBI. I S. 839) ist Landesrecht geworden.
4. Soweit § 67 Abs. 1 StGB seit dem Gesetz vom 28. Juni 1935 (RGBI. I S. 839) auch die Verjährung der durch die Presse begangenen Verbrechen regelt, enthält er eine Norm des Presserechts, die Landesrecht geworden ist.
5. § 2 EGStGB setzt die in einer bundesstaatlichen Verfassung vorgenommene Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Gliedstaaten und die dort festgelegte Rangfolge der Rechtsquellen voraus. Sein Anwendungsbereich ist also wandelbar und muß auf die jeweils geltende bundesstaatliche Verfassung bezogen werden.
Beschluß
des Zweiten Senats vom 4. Juni 1957
-- 2 BvL 17/56 --
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung, ob § 15 des bayerischen Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949 (GVBl. S. 243) mit Bundesrecht vereinbar ist, -- Anträge des Bundesgerichtshofs, 6. Strafsenat, vom 3. Dezember 1954 (6 StR 71/54), 10. Dezember 1954 (6 StR 167/54), 30 März 1955 (6 StR 188/54), 23. Dezember 1955 (6 StR 130/55) und 3. Strafsenat, vom 31. Oktober 1956 (6 StR 10/56) --.
Entscheidungsformel:
Die im § 15 des bayerischen Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949 (GVBl. S. 243) enthaltene Vorschrift, wonach die Strafverfolgung von Vergehen und Verbrechen, welche durch Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden, in sechs Monaten verjährt, ist mit dem Bundesrecht vereinbar.
Gründe:
A.
Das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 (RGBl. S. 65) bestimmte in § 22 über die Verjährung der Strafverfolgung von Pressedelikten abweichend vom Reichsstrafgesetzbuch:
BVerfGE 7, 29 (31):
"Die Strafverfolgung derjenigen Verbrechen und Vergehen, welche durch die Verbreitung von Druckschriften strafbaren Inhalts begangen werden, sowie derjenigen sonstigen Vergehen, welche in diesem Gesetze mit Strafe bedroht sind, verjährt in sechs Monaten."
Es schloß sich damit den Regelungen an, die vorher in zahlreichen deutschen Landespressegesetzen getroffen waren (vgl. bayer.Ges. 17. März 1850, preuß.Ges. 12. Mai 1851, bad.Ges. 2. April 1868).
Durch Art. 13 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBI. I S. 839) wurde die Verjährungsfrist für Pressevergehen auf ein Jahr verlängert und die verkürzte Verjährungsfrist für Presseverbrechen gänzlich beseitigt. Diese wurden den Verjährungsbestimmungen des § 67 StGB unterstellt. Die neue Fassung des § 22 lautet:
"Die Strafverfolgung von Vergehen, welche durch die Verbreitung von Druckschriften strafbaren Inhalts begangen werden, sowie der nach §§ 18 und 21 dieses Gesetzes strafbaren Vergehen verjährt in einem Jahr."
In den Jahren 1948-1950 erließen die meisten deutschen Länder presserechtliche Vorschriften. In den Ländern der britischen Zone wurden jedoch nur einzelne Gegenstände geregelt (Berufsvoraussetzungen und Berufsverbot für Redakteure, Verleger und Verlagsleiter, Pflicht zur Offenlegung der Eigentumsverhältnisse von Zeitungsverlagen). Ausführlichere Regelungen wurden in Bremen und Württemberg-Baden geschaffen. Zu Pressegesetzen mit dem Ziel einer vollständigen Ersetzung des Reichspressegesetzes kam es in Bayern und Hessen. In diesen Ländern wurden auch die Verjährungsvorschriften des § 22 RPressG i. d. F. des Gesetzes vom 28. Juni 1935 durch Bestimmungen ersetzt, die auf die alte Fassung des § 22 zurückgriffen. So schreibt § 15 des bayerischen Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949 (GVBl. S. 243) vor:
"(1) Die Strafverfolgung der in diesem Gesetz mit Strafe bedrohten Vergehen und derjenigen Vergehen und Verbrechen, welche durch Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden, verjährt in sechs Monaten.
BVerfGE 7, 29 (32):
(2) Der Lauf der Frist beginnt mit dem Erscheinen des Druckwerks. Mit dem Erscheinen einer neuen Auflage des Druckwerks beginnt die Frist von neuem."
Der Anstoß zur Neuregelung des Presserechts in der amerikanischen Zone war von der Besatzungsmacht dadurch gegeben worden, daß sie eine Sicherung der Pressefreiheit zur Voraussetzung der Aufhebung des damaligen Lizenzsystems für Zeitungen und Zeitschriften machte.
Sowohl das hessische als das bayerische Pressegesetz ergingen nach der Verkündung des Grundgesetzes, das hessische am 23. Juni 1949, also vor dem Zusammentritt des Bundestages am 7. September 1949, das bayerische am 3. Oktober 1949, also nach diesem Zeitpunkt. Die Verkündung des bayerischen Pressegesetzes, das bereits im Juni 1949 vom Landtag verabschiedet worden war, hatte sich verzögert, weil die amerikanische Militärregierung einige Vorschriften beanstandete. Das Gesetz wurde deshalb vom Landtag erneut beraten und sodann in etwas geänderter Form angenommen (Verhandlungen des Bayer. Landtags 1948/49, StenBer. IV. Bd. S. 357 ff., 370 ff., 589 ff., Beilagen Bd. III Nr. 2784, 2804).
Die Verjährungsregelung des hessischen Pressegesetzes ist vom Bundesgerichtshof als geltendes Recht anerkannt worden (BGHSt. 7, 40 ff.), und zwar mit der Begründung, daß die umfassende Gesetzgebungskompetenz, die den Ländern nach dem Ende des zweiten Weltkrieges zugefallen war, noch bis zum Zusammentritt des Bundestages am 7. September 1949 fortbestanden habe. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die Länder daher in der Lage gewesen, das Reichspressegesetz wirksam abzuändern oder aufzuheben, auch soweit die Voraussetzungen für das Fortgelten als Bundesrecht nach den Vorschriften des Grundgesetzes erfüllt waren.
B.
1. Der Stukkateur Franz Xaver M. aus Schwabach wurde im Juli 1953 durch das Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Auf
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forderung zur staatsgefährdenden Sabotage (§ 90 Abs. 1 und 3, 49a StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Flugblätter strafbaren Inhalts hergestellt und verbreitet hatte. Gegen das Urteil legte er Revision ein. Im Revisionsverfahren des Bundesgerichtshofs wurde von Amts wegen die Frage geprüft, ob die Strafverfolgung verjährt sei. Dabei wurde festgestellt, daß zwischen den letzten verjährungsunterbrechenden Handlungen ein Zeitraum von weniger als einem Jahr, aber von mehr als sechs Monaten gelegen hatte, und daß daher bei Anwendung des BayPressG, nicht aber bei Anwendung des RPressG vom 7. Mai 1874 i.d.F. des Gesetzes vom 28. Juni 1935, eine Verjährung der Strafverfolgung eingetreten war.
Bei der Prüfung dieser sich widersprechenden Vorschriften ist der Bundesgerichtshof, 6. Strafsenat, zu der Überzeugung gekommen, daß das BayPressG rechtsunwirksam sei, soweit es in § 15 eine von der des § 22 RPressG abweichende Regelung treffe. Durch Beschluß vom 3. Dezember 1954 hat er deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 15 BayPressG rechtsgültig ist.
Zur Begründung seiner Auffassung, daß diese Bestimmung nichtig sei, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, das Land Bayern sei am 3. Oktober 1949, also nach dem Zusammentritt des ersten Bundestages (7. September 1949), gemäß Art. 31, 70 GG nicht mehr in der Lage gewesen, eine von § 22 abweichende Vorschrift zu erlassen: § 22 RPressG sei gemäß Art. 125 GG Bundesrecht geworden, da er eine Frage des gerichtlichen Verfahrens betreffe und deshalb nach Art. 74 Nr. 1 GG zum Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung gehöre. Aus dem Standort der Vorschrift im Reichspressegesetz könne nichts Gegenteiliges gefolgert werden, denn inhaltlich sei die Bestimmung nichts anderes als eine Ergänzung des § 67 StGB. Es könne auch nicht angenommen werden, daß der Verfassungsgeber die Kompetenz hierfür den Ländern habe überlassen wollen, da die Einheitlichkeit des Verjährungsrechts im Bundesgebiet dringend not
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wendig sei. Darüber hinaus ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, daß § 22 selbst dann Bundesrecht geworden sei, wenn der darin geregelte Gegenstand nicht der Kompetenznorm des Art. 74 Nr. 1 GG, sondern der des Art. 75 Nr. 2 GG unterstehen sollte. § 22 sei nämlich als Rahmenbestimmung anzusehen.
Durch Beschlüsse vom 10. Dezember 1954, 30. März 1955, 23. Dezember 1955 und 31. Oktober 1956 haben der 6. und der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in vier weiteren Strafverfahren dieselbe Rechtsfrage wie in der Sache M. zur Entscheidung vorgelegt. Auch diese Verfahren haben Vergehen, die durch Verbreitung von Flugblättern oder durch Zeitungsveröffentlichungen begangen sind, zum Gegenstand. Das Verfahren, das dem Vorlagebeschluß des 3. Strafsenats zugrunde liegt, betrifft außer solchen Vergehen auch ein durch Presseveröffentlichungen begangenes Verbrechen (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung in verfassungsfeindlicher Absicht, §§ 129, 93 StGB). In allen Fällen ist die Feststellung getroffen worden, daß zwischen zwei verjährungsunterbrechenden richterlichen Handlungen ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten, aber von weniger als einem Jahr verstrichen ist. Zur Begründung der Rechtsungültigkeit des §15 BayPressG hat der Bundesgerichtshof in diesen vier Fällen auf die Ausführungen des ersten Vorlagebeschlusses verwiesen.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß §§ 82, 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bayerischen Landtag und der Bayerischen Landesregierung sowie dem Oberbundesanwalt und den Angeklagten der fünf Strafverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und hat gemäß § 80 Abs. 4, 5 BVerfGG neuer Fassung die Vorlagen den obersten Gerichten des Landes Bayern zur Kenntnis gebracht.
Die Bundesregierung und der Oberbundesanwalt haben sich in ihren Stellungnahmen der Auffassung des Bundesgerichtshofs angeschlossen.
Der Bayerische Landtag und die Bayerische Landesregierung haben demgegenüber den Standpunkt eingenommen, das Reichs
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pressegesetz sei nicht Bundesrecht, sondern Landesrecht geworden; der bayerische Gesetzgeber habe daher diese Vorschriften wirksam abändern oder durch andere ersetzen können.
Der 3. Senat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat sich gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG neuer Fassung geäußert und hat in dieser Äußerung an der schon in der Entscheidung BayObLG 1953, S. 168 niedergelegten Ansicht festgehalten, § 15 BayPressG sei gültig.
Durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1957 sind die fünf Vorlagen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.
C. -- I.
Die Vorlagen sind zulässig. Sie genügen den Erfordernissen, die für Normenkontrollverfahren im Art. 100 GG, § 80 BVerfGG aufgestellt und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 1, 184 [189]; 2, 136 [139]; 2, 181 [190]; 2, 380 [389]; 3, 357 [359]) näher bestimmt worden sind: Die zur Entscheidung gestellte Vorschrift ist Bestandteil eines formellen Gesetzes; dieses Gesetz ist zeitlich nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangen; der Bundesgerichtshof ist, wie der Vorlagebeschluß ergibt, von der Ungültigkeit der Vorschrift überzeugt; die Entscheidung des vorlegenden Gerichts ist von der Gültigkeit der Vorschrift abhängig. In dieser Hinsicht gehen die Vorlagebeschlüsse allerdings in ihrem Wortlaut über den Rahmen des Zulässigen hinaus, indem sie § 15 BayPressG vollen Umfangs zur Entscheidung stellen, obgleich es für die beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren offensichtlich nur darauf ankommt, ob diese Bestimmung insoweit gültig ist, als sie eine sechsmonatige Verjährungsfrist für Verbrechen und Vergehen vorschreibt, die durch Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen sind. Der sonstige Inhalt des § 15, also die Verjährungsregelung für die im BayPressG selbst mit Strafe bedrohten Handlungen und die in § 15 Abs. 2 enthaltene Regelung über den Verjährungsbeginn, ist in den vorgelegten
BVerfGE 7, 29 (36):
Fällen ohne Bedeutung. Die weite Fassung der Vorlagebeschlüsse ist jedoch unschädlich. Sie hindert nicht, daß über die Vorlagen in dem Rahmen sachlich entschieden wird, der durch die Abhängigkeit der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs von der Gültigkeit des § 15 BayPressG gezogen ist, und macht andererseits keine Behandlung des darüber hinausgehenden Inhalts der Vorlagen erforderlich.
Zuständig zur Entscheidung über die fünf Vorlagen ist der Zweite Senat (§ 14 Abs. 2 neuer Fassung BVerfGG). Die ersten vier Verfahren sind s. Z. noch beim Ersten Senat anhängig geworden, dann aber mit Wirkung vom 25. Juli 1956 auf den Zweiten Senat übergegangen (Art. 4 des Gesetzes zur ;Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 21. Juli 1956 - BGBl. I S. 662 -). Das letzte Verfahren ist unmittelbar beim Zweiten Senat anhängig geworden.
Der Entscheidung stehen keine Verfahrenshindernisse im Wege. Umstände, durch die die Ausgangsverfahren sich inzwischen erledigt haben könnten, sind nicht ersichtlich; insbesondere ist eine Verjährung der Strafverfolgung in der Zeit, die seit den Vorlagebeschlüssen verstrichen ist, nicht eingetreten, weil die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ein Ruhen der Verjährung bewirkte (§ 69 Abs. 1 Satz 2 StGB).
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen (§ 25 Abs. 2 BVerfGG), da der Bayerische Landtag, der allein den Verfahren beigetreten ist, auf eine mündliche Verhandlung ausdrücklich verzichtet hat (§ 25 BVerfGG; BVerfGE 2, 213 [217]; 4, 178 [181]).
II.
Die in § 15 BayPressG enthaltene Festsetzung einer sechsmonatigen Verjährungsfrist für Verbrechen und Vergehen, die durch Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden, ist mit Bundesrecht vereinbar.
1. Soweit § 15 die sechsmonatige Verjährungsfrist für Presse (Inhalts-)Vergehen vorschreibt, weicht er inhaltlich ab von § 22
BVerfGE 7, 29 (37):
RPressG i.d.F. von 1935, nach dem die Verjährungsfrist für Pressevergehen ein Jahr beträgt.
Die Gültigkeit der damaligen durch Gesetz vom 28. Juni 1935 vorgenommenen Änderung des § 22 unterliegt keinen Bedenken. Daß das Änderungsgesetz als Regierungsgesetz erlassen wurde und auf dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 beruhte, beeinträchtigt seine Wirksamkeit nicht (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957 - 2 BvG 1/55 - und 10. Mai 1957- 1 BvR 550/52 -). Ebenso ist ohne Bedeutung, daß das Gesetz vom 28. Juni 1935 verschiedene Bestimmungen einführte, mit denen spezifisch nationalsozialistische Grundsätze verwirklicht werden sollten, z. B. die Zulassung der Analogie im Strafrecht. Die davon trennbaren Teile des Gesetzes, mit denen Neuerungen geschaffen wurden, die auch nach rechtsstaatlichen Grundsätzen vertretbar waren, wozu die Änderung des § 22 RPressG gehört, werden von der etwaigen Nichtigkeit des sonstigen Gesetzesinhalts nicht ergriffen. demgemäß wird auch nach anfänglichen Zweifeln heute die Gültigkeit des § 22 RPressG i. d. F. d. Ges. vom 28. Juni 1935 in Rechtsprechung und Literatur allgemein bejaht.
-BGH, NJW 1952, S. 1063; Schönke-Schröder, StGB Komm. 7. Aufl. 1954, S. 1017 Anm. l; Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, Strafrecht und Strafverfahren, 36. Aufl. 1955 S. 500; Schwarz, StGB 18. Aufl. 1955 S. 904; Löffler, Presserecht, München 1955 § 22 Anm. 1, im Gegensatz zu Schwarz StGB, 13. Aufl. 1949 S. 634 und Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, Strafrecht und Strafverfahren, 35. Aufl. 1950 S. 330.
§ 22 RPressG stand jedoch dem Erlaß des §1 5 BayPressG nicht entgegen, da § 22 nicht Bundesrecht geworden ist. Die in Art. 125 GG für die Fortgeltung älteren Rechts als Bundesrecht aufgestellten Voraussetzungen werden durch § 22 nur insoweit erfüllt, als diese Vorschrift bei Inkrafttreten des Grundgesetzes in mehr als einer Besatzungszone galt, nämlich der britischen, der französi
BVerfGE 7, 29 (38):
schen und mindestens in Teilen der amerikanischen. Dagegen fehlt es an der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen.
a) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, daß § 22 RPressG Bundesrecht geworden sei, weil er "das gerichtliche Verfahren" betreffe und deshalb unter die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 1 GG) falle, ist unrichtig. Ebensowenig gehört die Regelung des § 22 RPressG zum "Strafrecht" im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG. Zwar ist § 22 eine Vorschrift über die Wirkung des Zeitablaufes auf die Strafverfolgung. Bei Beurteilung, ob die Vorschrift zum Gebiet des Straf- oder Verfahrensrechts im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG gehört, kann das aber nicht ausschlaggebend sein. Die Zuständigkeitskataloge der deutschen bundesstaatlichen Verfassungen kennen nämlich eine besondere Materie "Presserecht" (vgl. Art. 4 Nr. 16 RVerf. von 1871, Art. 7 Nr. 6 WeimRVerf. und Art. 75 Nr. 2 GG). Für die Einordnung der Vorschriften über die kurze Verjährung von Pressedelikten in den Zuständigkeitskatalog ist nun entscheidend die besondere Eigenart der durch die Presse begangenen Delikte. Sie führt dazu, daß die Verjährungsvorschriften dem Presserecht eingeordnet werden müssen; sie sind auch herkömmlich stets dazu gerechnet worden.
Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die Abgrenzung des Rechtsgebietes "Presserecht" in verschiedener Hinsicht zweifelhaft und umstritten ist.
-vgl. Liszt, Das deutsche Reichs-Presserecht, Bln. 1880 S. l; Kloeppel, Das Reichspressrecht 1894 S. 3; Kitzinger, Reichsgesetz über die Presse, 1920 S. 1, 2; Häntzschel, Reichspressgesetz 1927 S. 1, 10; Mannheim, Pressrecht 1927 S. l; Löffler, Presserecht 1955 S. 10 f.-
Die Verschiedenheit der in der Literatur vertretenen Ansichten hat die Autoren nicht gehindert, die besondere Regelung der Verjährung von Pressedelikten als Bestandteil des Presserechts zu betrachten. Sie wird vielmehr von allen als spezifische Einrichtung gewürdigt, die der Eigenart der Presse Rechnung tragen soll.
Ohne Einfluß auf die hier zu entscheidende Frage ist es auch,
BVerfGE 7, 29 (39):
daß die Sonderregelung der Verjährung nicht immer gebilligt, vielmehr von manchen als ungerechtfertigtes Privileg der Presse bezeichnet worden ist. Gegen dieses Privileg haben sich insbesondere Binding (Handbuch d. Strafrechts 1885 S. 846), v. Buri (ZStrW 16 S. 61), Kitzinger (aaO S. 171) und in gewissem Umfange, nämlich soweit § 22 a. F. RPressG eine sechsmonatige Verjährungsfrist für Verbrechen vorsah, auch Mannheim (aaO S. 82) gewendet. Aber auch diese Bedenken gegen die Berechtigung der Regelung haben niemals dazu geführt, an ihrem presserechtlichen Charakter zu zweifeln.
Dieser ergibt sich aus der Tatsache, daß mit Vorschriften wie § 22 RPressG, § 15 BayPressG, § 13 HessPressG mit Rücksicht auf die besondere Begehungsart der durch die Presse begangenen Delikte von den sonst geltenden strafrechtlichen Grundsätzen abgewichen wird. Die Abweichung erklärt sich, wie schon die Motive zum Reichspressegesetz betonen, aus "der Natur der Pressedelikte" (Verh. d. DRT 2. LegPer. 3. Bd. S. 142), aus der besonderen Situation der Presse als Mittler der öffentlichen Meinung und aus der meist vorhandenen Augenblicksbedingtheit, Offenkundigkeit, geringeren Nachhaltigkeit der Wirkung der Delikte (vgl. Häntzschel aaO § 22 Anm. 1). In der kurzen Verjährungsfrist kommt also die durch die spezifische Begehungsform geprägte Eigenart der Pressestraftaten zum Ausdruck. Sie war darum schon vor Erlaß des Reichspressegesetzes in den deutschen Ländern Rechtens. Wegen dieses inneren Zusammenhangs zwischen Verjährung und Pressewesen ist die Verknüpfung der Verjährungsregelung mit dem Presserecht enger und stärker als ihre Verbindung zum allgemeinen Strafrecht; sie wird auch als enger empfunden. Das spiegelt sich wider in der herkömmlichen Zuordnung bei der rechtswissenschaftlichen Behandlung dieses Fragenkreises und noch deutlicher in dem für das deutsche Recht herkömmlichen Standort solcher Bestimmungen in speziellen Pressegesetzen statt in allgemeinen Strafgesetzbüchern. Die deutsche Gesetzgebung zeigt, seit eine einschlägige Regelung im Anschluß an das französische Pressegesetz vom 26. Mai 1819
BVerfGE 7, 29 (40):
(Art. 29) in den Rechtsordnungen deutscher Länder auftaucht (vgl. z. B. badisches Pressegesetz vom 28. Dezember 1831, Staats und RegBl. 1832 S. 29 ff.), ein fast einheitliches Bild. Mit wenigen Ausnahmen (vgl. Bayer. Strafgesetzbuch vom 10. November i 861 Art. 94, Hamburgisches Criminalgesetzbuch vom 30. April 1869 Art. 64, 66) ist die kurze Presseverjährung nicht in den Strafgesetzbüchern, sondern in speziellen Pressegesetzen geregelt worden. Diese Handhabung setzt sich über das Reichspressegesetz bis in die Gegenwart fort. Auch der Entwurf eines Bundespressegesetzes, der im Jahre 1952 aus dem Bundesministerium des Innern veröffentlicht wurde, enthält die Regelung der kurzen Presseverjährung (§ 59). Ebenso ist in (Österreich und Frankreich die Verjährung in den Pressegesetzen geregelt [§ 32 öPressG vom 7. April 1922 i. d. F. vom 7. Mai 1952, Art. 65 des französischen Gesetzes vom 29. Juli 1881].
Von diesen Grundlagen her ist die Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes zu verstehen:
Die Entwürfe des Grundgesetzes bis zur 3. Lesung im Hauptausschuß (10. Februar 1949) sahen im Anschluß an Art. 7 Nr. 6 der Weimarer Reichsverfassung und an Art. 4 Nr. 16 der Reichsverfassung von 1871 eine konkurrierende Kompetenz des Bundes für das Presserecht vor (vgl. JZR 1951 S. 557 ff.). Diese Kompetenz wurde jedoch auf Veranlassung der Alliierten (vgl. Memorandum vom 2. März 1949, Bonner KommEinl. S. 106 ff.) beseitigt und durch die Rahmenkompetenz des Art. 75 Nr. 2 GG ersetzt. Mit dieser Herausnahme des Presserechts aus dem Katalog des Art. 74 GG ist angesichts der wesensmäßigen und historischen Zugehörigkeit der Verjährungsregelung in diesem Gebiet auch die Gesetzgebungskompetenz für diesen Gegenstand der konkurrierenden Kompetenz des Bundes entzogen worden. Es ist nicht angängig, diese im Grundgesetz getroffene Entscheidung durch die Inanspruchnahme der Strafrechtskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 1 GG hinfällig zu machen (vgl. BVerfGE 4, 74 [85]). Für den Sachbereich des Presserechts einschließlich der Regelung der Verjährung von Pressedelikten steht dem
BVerfGE 7, 29 (41):
Bunde also nur die Kompetenz zum Erlaß von Rahmenbestimmungen über die allgemeinen Rechtsverhältnisse zu (Art. 75 Nr. 2 GG). § 22 kann somit nicht über Art. 125 i.V. m. Art. 74 GG Bundesrecht geworden sein.
b) Auch nach Art. 125 i.V. m. Art. 75 GG gilt § 22 RPressG nicht als Bundesrecht fort.
Die umstrittene Frage, ob die in Art. 75 GG aufgezählten Gegenstände der Rahmengesetzgebung des Bundes überhaupt als Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne des Art. 125 GG anzusehen sind, ist vom Bundesverfassungsgericht bisher offengelassen worden. Sie braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Wenn sie entgegen der Auffassung des Bayer. Verfassungsgerichtshofs (VGHE n.F. 2, II 144 [160]) zu bejahen sein sollte, könnte in den Bereichen der Rahmengesetzgebung des Bundes allenfalls eine reichsrechtliche Regelung, die als Ganzes Rahmen- oder Grundsatzcharakter hat, Bundesrecht geworden sein (BVerfGE 4, 115 [133]). Eine solche Regelung ist das Reichspressegesetz nicht. Es war bei seinem Erlaß auf vollständige Regelung der Materie gerichtet (Häntzschel aaO S. 11) und war nicht als eine der Ausfüllung fähige und bedürftige Grundsatzregelung gedacht. § 1 RPressG, der landesrechtliche Beschränkungen der Pressefreiheit ausschließt, und § 30 RPressG, der den Landesgesetzgebern nur wenige Fragen zur Regelung ausdrücklich überläßt, zeigen das deutlich. An diesem Gesamtcharakter des Reichspressegesetzes hat sich auch dadurch nichts geändert, daß im Laufe der Jahrzehnte die Regelung aus dem Jahre 1874 änderungs- und ergänzungsbedürftig geworden ist. Daß im übrigen § 22 RPressG für sich genommen nicht auf Ausfüllung angelegt ist, bedarf keiner Darlegung.
Die Beschränkung der Bundeskompetenz auf Rahmenvorschriften verschließt übrigens dem Bundesgesetzgeber nicht die Möglichkeit, Rechtssätze mit unmittelbarer Wirkung zu erlassen (BVerfGE 4, 115 [129]). Im Zusammenhang eines Rahmengesetzes über die Presse könnte die Bundesgesetzgebung auch Bestimmungen über die Verjährung von Pressedelikten schaffen,
BVerfGE 7, 29 (42):
falls das Gesetz im übrigen dem Landesgesetzgeber soviel Spielraum läßt, daß erst mit der Ausfüllung durch ein Landesgesetz das Presserecht in sich geschlossen und vollziehbar wird (vgl. aaO S. 130 Nr. 4 am Ende). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß § 22 RPressG Bundesrecht geworden ist, sofern man die Anwendbarkeit des Art. 125 GG auf die Gebiete des Art. 75 GG anerkennt. Denn § 22 steht nicht im Zusammenhang eines Rahmengesetzes. Es geht nicht an, selbst wenn die Anwendbarkeit des Art. 125 auf Art. 75 GG zu bejahen sein sollte, für einzelne Vorschriften aus einer erschöpfenden Gesamtregelung eine Fortgeltung als Bundesrecht anzunehmen mit der Begründung, daß sie auch in einer Rahmengesetzgebung zulässig seien. Die Fortgeltung von einzelnen Vorschriften, die diese Voraussetzung erfüllen, würde nicht ein Bundesrahmengesetz im Sinne des Art. 75 GG schaffen. Es muß der Freiheit des Bundesgesetzgebers überlassen bleiben, in der Gesamtkonzeption eines Rahmengesetzes zu entscheiden, wie weit die bundesrechtliche Regelung gehen soll und wie weit der den Ländern zur Ausfüllung verbleibende Raum gezogen wird. Dieser spezifisch gesetzgebungspolitischen Aufgabe darf das Bundesverfassungsgericht nicht dadurch vorgreifen, daß es einzelne Bruchstücke aus einer früheren reichsrechtlichen Kodifikation als unmittelbar geltendes Bundesrahmenrecht anerkennt.
2. § 15 BayPressG führt für Bayern die Verjährungsfrist von sechs Monaten auch für Presseverbrechen wieder ein. Seit dem Gesetz von 1935 unterlagen im gesamten Reichsgebiet die Presseverbrechen der für alle Verbrechen geltenden Verjährungsvorschrift des § 67 Abs. 1 RStGB. §15 BayPressG hat diese Bestimmung für einen Teil ihres sachlichen und räumlichen Anwendungsbereichs aufgehoben und durch eine abweichende Regelung ersetzt.
Diese Abweichung hat ebenfalls nicht die Nichtigkeit der Vorschrift zur Folge. Denn die rechtliche Möglichkeit zu einer solchen Abweichung von den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs ist dem Landesgesetzgeber durch die für das Presserecht getrof
BVerfGE 7, 29 (43):
fene Kompetenzregelung des Grundgesetzes verliehen worden. Da das Presserecht herkömmlich und kraft Sachzusammenhangs die Bestimmungen über die Verjährung von Pressedelikten umfaßt, ist mit der Kompetenz zur Gesetzgebung auf diesem Gebiet auch die Kompetenz zur Regelung der Verjährung der durch die Presse begangenen Verbrechen gegeben, solange nicht der Bund diese Kompetenz durch ein zulässiges Rahmengesetz an sich gezogen hat.
Soweit § 67 StGB seit der Reform des Jahres 1935 auch die Verjährung für die durch die Presse begangenen Verbrechen regelt, enthält er eine Norm des Presserechts, die Landesrecht geworden ist.
3. Die Zulässigkeit landesrechtlicher Bestimmungen über die Verjährung von Pressedelikten kann nicht anhand der in den Einführungsgesetzen zum Strafgesetzbuch (§ 2) und zur Strafprozeßordnung (§ 6) enthaltenen Vorschriften über das Verhältnis von Reichs- (Bundes-) recht und Landesrecht beurteilt werden, ohne die im Grundgesetz neu vorgenommene Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern zu berücksichtigen.
§ 6 EGStPO muß schon aus dem Grunde außer Betracht bleiben, weil die Verjährung der Strafverfolgung ihren Platz im Strafgesetzbuch gefunden hat. Es kann insofern nicht darauf ankommen, wo sie rechtssystematisch richtig einzuordnen ist, sondern wo der Gesetzgeber sie eingeordnet hat.
§ 2 EGStGB handelt seinem Wortlaut nach nur von der Einwirkung des Reichsstrafgesetzbuchs auf das bei seinem Inkrafttreten geltende Reichs- und Landesstrafrecht. Sinngemäß hat er aber auch Bedeutung für den Umfang, in dem der Landesgesetzgeber weiterhin zum Erlaß von Strafgesetzen zuständig bleiben sollte. Insofern ist er aber nicht von den Veränderungen im bundesstaatlichen Gefüge des Reichs unberührt geblieben. Er setzt die in einer bundesstaatlichen Verfassung vorgenommene Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Gliedstaaten und die dort festgelegte Rangfolge der Rechtsquellen vor
BVerfGE 7, 29 (44):
aus. Sein Anwendungsbereich ist also wandelbar und muß auf die jeweils geltende bundesstaatliche Verfassung bezogen werden.
Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Unter der Geltung des Grundgesetzes hat § 2 EGStGB also die Bedeutung, das "soweit" in Art. 72 Abs. 2 GG mit Beziehung auf die Materie "Strafrecht" in Art. 74 Nr. 1 GG zu konkretisieren; er besagt, daß der Bund das Strafrecht in dem Umfang des Abs. 1 "erschöpfend" geregelt hat und für die in Abs. 2 bezeichneten Sachbereiche dem Landesstrafrecht Spielraum für eigene Gestaltung beläßt. Da aber die Regelung der Verjährung für Pressedelikte nicht zu der Materie "Strafrecht" des Art. 74 Nr. 1 GG gehört, kann die Bundesrecht gewordene Vorschrift des § 2 EGStGB die Landesgesetzgebung auf diesem Gebiet nicht sperren. Wegen ihrer besonderen Verknüpfung mit dem Pressewesen gehört die Verjährungsregelung im Sinne der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zur Materie "allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse" des Art. 75 Nr. 2 GG. Unter anderem Aspekt mag sie auch zum "Strafrecht" oder zum "gerichtlichen Verfahren" gezählt werden können; die in den einzelnen Nummern der Art. 74 und 75 GG aufgezählten Gegenstände der Gesetzgebung sind aber nicht jeder für sich in abstrakter Deutung zu bestimmen; ihre Abgrenzung ergibt sich auch aus dem Gesamtgefüge dieser Artikel, so daß zum Beispiel der Gegenstand der sowohl unter eine spezielle Bezeichnung eingeordnet werden kann, nur der speziellen Bestimmung zu unterstellen ist. Bei der Umfangbestimmung der einzelnen Materien sind auch der Grundsatz des Art. 30 GG und der historische Zusammenhang in der deutschen Gesetzgebung zu beachten. Schon der Reichsgesetzgeber des Jahres 1874 erkannte die "Besonderheit" (vgl. § 2 Abs. 2 EGStGB) der Vorschrift über die Verjährung von Pressedelikten dadurch an, daß er sie in das Pressegesetz einfügte, also aus dem allgemeinen Strafrecht herausnahm. Diese
BVerfGE 7, 29 (45):
Eigenart fiel so lange nicht auf, als dem Reich im gleichen Umfang die Regelung des Strafrechts wie die des Presserechts zukam. Nachdem nun durch das Grundgesetz die Materie Presserecht grundsätzlich den Ländern zugefallen ist, können die Länder, solange der Bund nicht das nach Art. 75 Nr. 2 GG zulässige Rahmengesetz erlassen hat, kraft Bundesverfassungsrecht das Presserecht in dem Umfang für ihre eigene Gesetzgebung in Anspruch nehmen, den es früher durch die Gesetzgebung des Reichs erhalten hatte. Demgegenüber verschlägt es nichts, daß die pressefeindliche Gesetzgebung des Nationalsozialismus 1935 die sondergesetzliche Vorschrift für die Verjährung von Presseverbrechen aufgehoben und insofern die allgemeine Verjährungsregelung anwendbar gemacht hat. Grundsätzlich beließ auch diese Änderung des Pressegesetzes eine Verjährungsvorschrift im Pressegesetz als dem Sondergesetz, das vom Sachbereich Presse und nicht vom Strafrecht bestimmt ist. Außerdem zeigen gerade die nach 1945 unternommenen Änderungen des Pressegesetzes durch Hessen und Bayern, wie der Entwurf aus dem Bundesministerium des Innern, daß die alten Vorstellungen von der Zugehörigkeit der Verjährung der Pressedelikte zum Presserecht nach wie vor maßgebend sind. Wenn aber die Regelung der Verjährung von Pressedelikten zum Presserecht gehört, kann die Landesgesetzgebung nicht durch § 2 EGStGB eingeschränkt sein, sondern dann kann der Bund kraft Art. 31 GG nur durch ein nach Art. 75 Nr. 2 GG zulässiges Rahmengesetz den Landesgesetzgeber ausschalten.