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Vergaberechtliche Pflichten für Zuwendungsempfänger

CMS Hasche Sigle Blog - Do, 02.10.2025 - 13:42

Die Anwendung des Vergaberechts obliegt nach den Regelungen der §§ 98 – 103 GWB öffentlichen Auftraggebern, die öffentliche Aufträge zur Beschaffung von Leistungen an Unternehmen vergeben wollen. Über die Vorschrift des § 99 Nr. 4 GWB oder über Bestimmungen in Zuwendungsbescheiden werden indes auch private Unternehmen an das Vergaberecht oder bestimmte Regelungen des Vergaberechts gebunden. 

Gesetzliche Ausschreibungspflicht von Zuwendungsempfängern in bestimmten Fällen

Die Bindung an das Vergaberecht kann nach § 99 Nr. 4 GWB zunächst von Gesetz wegen eintreten. Nach dieser Vorschrift sind auch private Zuwendungsempfänger zur Anwendung des EU-Vergaberechts verpflichtet, soweit sie für bestimmte Baumaßnahmen, nämlich

  • Tiefbaumaßnahmen
  • Krankenhäuser
  • Sport- Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen
  • Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäude oder 
  • zugehörige Dienstleistungen 

staatliche Mittel von mehr als 50 % des Projektvolumens erhalten.

Da es sich um eine gesetzliche Ausschreibungspflicht nach dem EU-Vergaberecht handelt, steht Dritten, die den Auftrag nicht erhalten haben, bei Verstößen der klassische vergaberechtliche Rechtsschutz zur Verfügung, d.h. bei Verstößen gegen einzelne Vorschriften des Vergaberechts ist das Nachprüfungsverfahren zur Vergabekammer eröffnet. Unterbleibt die Ausschreibung vollständig, kann der Vertrag gemäß § 135 GWB auch noch nachträglich als sog. De facto Vergabe bei der Vergabekammer angefochten werden. 

Ausschreibungspflichten aufgrund eines Zuwendungsbescheids

Des Weiteren können Zuwendungsbescheide der Grund für eine Anwendungspflicht des Vergaberechts für Unternehmen sein. Diese Fallgruppe hat noch deutlich größere praktische Bedeutung, da damit vergaberechtliche Pflichten auch jenseits der o.g. Maßnahmen und unabhängig von einer bestimmten Förderquote begründet werden. Daraus ergeben sich verschiedene Pflichten und auch Risiken im Hinblick auf etwaige Rückforderungen von Zuwendungen.

Vorgaben im Zuwendungsbescheid

Zuwendungsbescheide enthalten regelmäßig sog. Allgemeine Nebenbestimmungen (ANBest), in denen u.a. die anzuwendenden vergaberechtlichen Bestimmungen genannt sind. Durch die Vorgabe, das Vergaberecht bei Beschaffungsmaßnahmen anzuwenden, soll die wirtschaftliche Mittelverwendung sichergestellt werden. Die ANBest werden jeweils verbindlicher Bestandteil des Zuwendungsbescheids und müssen daher von dem Zuwendungsempfänger eingehalten werden. Es gibt verschiedene Arten Allgemeiner Nebenbestimmungen, z.B. für Zuwendungen zur institutionellen Förderung (ANBest-I) oder zur Projektförderung (ANBest-P). Die verschiedenen ANBest enthalten verschiedene Anforderungen zur Anwendung des Vergaberechts. 

Zuwendungsgeber können über die Vorgaben der ANBest hinaus bestimmen, dass weitere Regelungen des Vergaberechts anzuwenden und einzuhalten sind. Dadurch werden dem Zuwendungsempfänger Handlungspflichten vorgeschrieben. Diese sind als Auflage i.S. von § 36 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu qualifizieren.

In Zuwendungsbescheiden wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass im Falle eines Verstoßes gegen die Nebenbestimmungen und Auflagen die Zuwendung widerrufen werden kann. Missachtet ein Unternehmen daher die jeweils anwendbaren ANBest oder weitere Auflagen, besteht die Gefahr, dass der Zuwendungsbescheid – je nach Schwere des Verstoßes – ganz oder teilweise widerrufen und die etwaig ausgezahlte Förderung zurückgefordert wird.

Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens 

Beabsichtigt ein Unternehmen, mit zugewendeten Mitteln einen Auftrag an einen Dritten zu erteilen, zum Beispiel Dienstleistungen zur Durchführung eines geförderten Projekts einzukaufen, enthalten die ANBest verschiedene Pflichten zur Anwendung des Vergaberechts. Teilweise ist die Pflicht für den Zuwendungsempfänger vorgesehen, bestimmte Regelungen der Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) oder im Baubereich die Einhaltung von Teil A Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) bei einem Auftragswert von mehr als EUR 100.000 netto anzuwenden. Teilweise wird der Zuwendungsempfänger aber auch verpflichtet, umfassend das Vergaberecht, insbesondere im Falle der Überschreitung der EU-Schwellenwerte den vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nebst aller Vergaberechtsverordnung (VgVKonzVgVVSVgVSektVO) anzuwenden. Im letzteren Fall gelten für das betroffene Unternehmen alle vergaberechtlichen Anforderungen, die auch für öffentliche Auftraggeber gelten. Im ersten Fall geht es regelmäßig darum, den Zuwendungsempfänger jedenfalls dazu zu verpflichten, ein Vergabeverfahren vor der Erteilung eines Auftrags an einen Dritten durchzuführen.

1. Die vergaberechtlichen Vorgaben zur Durchführung von Vergabeverfahren sind u.a. in der VgV sowie UVgO enthalten

Das Vergaberecht kennt verschiedene Ausschreibungsverfahren, die unter verschiedenen Voraussetzungen angewendet werden können. Der Regelfall ist die Durchführung eines offenen Verfahrens nach § 15 VgV bzw. einer öffentlichen Ausschreibung nach § 9 UVgO.Vorbereitung, Bekanntgabe und Vergabeunterlagen.

Die Durchführung eines Vergabeverfahrens muss öffentlich bekannt gemacht werden zum Beispiel über die Vergabeplattform www.service.bund.de. Ist die vollständige Anwendung des Vergaberechts bestimmt, hat die Bekanntmachung zwingend europaweit über https://ted.europa.eu/de/ zu erfolgen. Vor der Bekanntmachung sind alle Vergabeunterlagen zu erstellen, die für die Beschaffung einer Leistung relevant sind. Dazu gehören nach § 29 VgV bzw. § 21 UVgO 

  • ein Anschreiben, insbesondere eine Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen oder Angeboten oder Begleitschreiben für die Abgabe der angeforderten Unterlagen,
  • eine Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sofern nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung genannt, und
  • Vertragsunterlagen, die aus einer Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen bestehen.

Die Vorbereitung der Vergabeunterlagen, insbesondere die Erstellung der Leistungsbeschreibung, kann mitunter zeitaufwendig sein, weswegen hierzu Vorbereitungszeit einzukalkulieren ist. Da der Zuschlag stets auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden muss, gehört zu der Erstellung der Vergabeunterlagen auch, dass das betroffene Unternehmen transparent bestimmt, wie die Angebote bewertet werden. Dazu sind Zuschlagskriterien zu definieren. Maßgeblich können nur der Preis, nur die zu bewertende Leistung oder eine Kombination aus Preis und Leistung sein. Regelmäßig wird hierzu eine Bewertungsmethode festgelegt. Die Methode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und Zuschlagskriterien müssen sodann in der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens oder der Angebotsaufforderung veröffentlicht werden.

Die Vergabeunterlagen werden mit der Bekanntmachung allen interessierten Vertragspartnern bereitgestellt. In der Bekanntmachung muss eine Frist bestimmt werden, bis zu der Angebote eingereicht werden können. Im Anwendungsbereich der VgV beträgt diese Frist nach § 15 VgV mindestens 30 Tage. Im Anwendungsbereich der UVgO ist nach § 13 UVgO nur eine angemessene Frist zu bestimmen. Welche Frist angemessen ist, hängt von der zu beschaffenden Leistung ab, insbesondere wie viel Zeit die Kalkulation und Angebotserstellung üblicherweise in Anspruch nimmt.

2. Angebote, Prüfung und Wertung 

Alle Angebote dürfen erst nach Ablauf der Angebotsfrist geöffnet, geprüft und gewertet werden. Die Wertung erfolgt in einem offenen Verfahren grundsätzlich vierstufig:

  • 1. Stufe: Formale Wertung (form- und fristgerechte Abgabe, Vollständigkeit des Angebots, keine Abweichungen von der Leistungsbeschreibung)
  • 2. Stufe: Eignungsprüfung (anhand der Eignungskriterien und geforderten Eignungsnachweisen)
  • 3. Stufe: Preisliche Prüfung (Ausschluss von Niedrigpreisangeboten)
  • 4. Stufe: Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (anhand der Zuschlagskriterien und der Wertungsmethode). Hierbei hat das sich das ausschreibende Unternehmen streng an die festgelegte Bewertungsmethode zu halten. 

Im offenen oder nicht offenen Verfahren bzw. im Rahmen einer öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung sind Verhandlungen über die Angebote unzulässig. Unternehmen dürfen nur dann über Angebote verhandeln, wenn ein Verhandlungsverfahren nach § 17 VgV bzw. eine Verhandlungsvergabe nach § 12 UVgO durchgeführt wird, was nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig ist. 

Exkurs:

Verhandlungsverfahren sind nach § 14 Abs. 3 VgV bzw. § 8 Abs. 4 UVgO insbesondere dann zulässig, wenn 

  • die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
  • der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst oder 
  • der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann. 

Verhandlungsverfahren sind deutlich zeitaufwendiger, da regelmäßig zunächst ein Teilnahmewettbewerb stattfindet, in dem die Eignung der Bieter anhand zuvor festgelegter Eignungskriterien sowie Referenzen überprüft wird. Anschließend können Erstangebote von allen geeigneten Bietern eingereicht werden. Es folgen Verhandlungen mit jedem geeigneten Bieter und erst danach werden finale Angebote von den teilnehmenden Bietern eingereicht. Es darf über alle leistungsbezogenen Angebotsinhalte verhandelt werden, indes nicht über die Wertungsmethode und Zuschlagskriterien. Für das Verhandlungsverfahren gelten zudem mehrere Fristen, die bei der Durchführung des Teilnahmewettbewerbs, der Erstellung der Erstangebote sowie der finalen Angebotserstellung jeweils zu beachten sind.

Im Vergaberecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, sodass jedes Angebot gleich bewertet werden muss. Fehlen unternehmensbezogene Unterlagen, die für das Angebot relevant sind, können diese nachgefordert werden, wobei auch hier stets der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist. Ebenso möglich und häufig erforderlich ist die Aufklärung der Angebote, wobei hier in den Regelverfahren die Grenze zur Verhandlung nicht überschritten werden darf.

3. Zuschlag 

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Sofern ein EU-weites Vergabeverfahren durchzuführen war, sind alle Bieter nach § 134 GWB über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu informieren. In diesem Fall darf der Vertrag erst 10 Tage nach elektronischer Absendung der Information an die anderen Bieter geschlossen werden. Finden hingegen nur Vorschriften der UVgO Anwendung, darf der Zuschlag direkt erteilt werden und die nicht berücksichtigten Bieter sind nach § 46 UVgO erst nach erteiltem Zuschlag, jedoch unverzüglich nach Zuschlagserteilung darüber zu informieren. Da es sich nicht um eine gesetzliche Ausschreibungspflicht nach dem EU-Vergaberecht handelt, steht Dritten, die den Auftrag nicht erhalten haben, der Rechtsweg zu den Vergabekammern nicht offen.

Rückforderungsrisiko bei Vergabeverstößen 

Schwerwiegende Verstöße gegen die ANBest stellen einen Grund für den Widerruf des Förderbescheids und die Rückforderung der Zuwendung dar. Das kann bei einem Verstoß gegen das Vergaberecht bejaht werden, weil in diesem Fall Auflagen aus dem Zuwendungsbescheid verletzt werden (OVG NRW, Urteil v. 12. Dezember 2024 – 10 A 2417/22). Dabei ist der Zuwendungsgeber auch nicht verpflichtet, die Einhaltung der Vergabevorschriften zu prüfen, vielmehr liegt dies allein im Risikobereich des betroffenen Unternehmens.

Die Entscheidung über die Schwere eines Verstoßes sowie über die Rückforderung als solche steht zwar im Ermessen des Zuwendungsgebers, allerdings kommt es in diesem Zusammenhang weder auf vorsätzliches noch fahrlässiges Handeln an. Maßgebend ist allein, dass die ANBest oder weitere Auflagen von dem Zuwendungsempfänger verletzt worden sind. In der Regel führt ein schwerwiegender Verstoß zu einem vollständigen Widerruf des Zuwendungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG sowie einem Erstattungsanspruch des Zuwendungsgebers nebst Zinsen gemäß § 49a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG.

Vor einem Widerruf ist das betroffene Unternehmen anzuhören. Sofern das Unternehmen gegen den Widerruf vorgehen will, ist in der Regel der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Wir freuen uns, dass Sie unsere Blogserie „Fördermittel und Subventionen“ begleiten. Weitere Beiträge wie Corona-Hilfen: Rückforderung bei verbundenen Unternehmen folgen!

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