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ius dispositivum
Unter dem ius dispositivum (dt. abdingbares Recht) fallen jene Rechtsnormen, die vertraglich ganz oder teilweise abbedungen werden können. Der Gegensatz hierzu ist das ius cogens.
1. Zivilrecht
Im Zuge der Privatautonomie sind privatrechtliche Vorschriften, vor allem jene des Schuldrechts, grundsätzlich dispositiv. Die Funktion dieser Normen erschöpft sich darin, den Parteien die Last abzunehmen, für alle Eventualitäten der Vertragsordnung und -durchführung Vereinbarungen treffen zu müssen. Sie sollen aber nicht im Wege stehen, wenn die Parteien für ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen andere Regelungen treffen wollen.
Gleichwohl kann die Abdingbarkeit nicht uneingeschränkt gelten. Andernfalls könnte eine wirtschaftlich oder intellektuell überlegene Partei die Dispositivität unzweckmäßig ausnutzen. Der historische Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches setzte dem Zeitgeist des Liberalismus entsprechend die Freiheit der Vertragsgestaltung voraus, jedoch ging er auch von gleichberechtigten Vertragspartnern aus. Ein dem und damit der Abdingbarkeit von Normen widersprechendes Missverhältnis zwischen den Parteien besteht zum Beispiel im Tarifvertragsrecht, Mietrecht oder Verbraucherrecht.
Der Gesetzgeber hat insbesondere bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Gefahr einer Ausnutzung der wirtschaftlich übergeordneten Stellung erkannt. Auch dort haben gemäß § 305b BGB individuelle Vertragsabreden Vorrang vor den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Doch wenn der AGB-Verwender, der der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags die AGB stellt (§ 305 I 1 BGB), seine Stellung dadurch ausnutzen versucht, dass ein die andere Seite schützendes Recht in den AGB abbedungen wird, so hindern ihn § 305c BGB und §§ 307 ff. BGB daran. Insbesondere § 307 II BGB kommt für das dispositive Recht eine Ordnungs- und Leitbildfunktion zu.
§ 305c BGB - Überraschende und mehrdeutige Klauseln
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.§ 307 BGB - Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
- Die Abdingbarkeit bzw. Unabdingbarkeit einer Norm ist durch Auslegung zu ermitteln. So kann sich die Unabdingbarkeit schon per Wortlaut ergeben (vgl. §§ 619, 1518, 2220 BGB) oder über ihren schützenden Zweck für den Vertragspartner oder einen Dritten.
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Beispiel: Ein Vermieter verwendet in seinen Mietvertragsformularen die Klausel „Die Schönheitsreparaturen werden vom Mieter getragen.“ Ist diese Klausel wirksam?
Die Schönheitsreparaturen-Klausel befindet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 I 1 BGB, da sie in einer Vielzahl von Verträgen verwendet wird. Sie unterliegt damit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die Klausel weicht hier unter Berücksichtigung des § 307 BGB von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab: Nach § 535 I 2 BGB ist es Hauptpflicht des Vermieters die Mietsache auch während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Allerdings ist eine unangemessene Benachteiligung nur „im Zweifel“ anzunehmen, sodass eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Eine Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist Verkehrssitte geworden und die Kosten werden im Allgemeinen bei der Mietkalkulation berücksichtigt. Eine unangemessene Benachteiligung liegt daher nicht vor. Die Klausel ist wirksam (vgl. BGH, 30.10.1984 - VIII ARZ 1/84; BGH, 18.02.2009 - VIII ZR 210/08).
2. Öffentliches Recht
Da sich das gesamte Öffentliche Recht – im Gegensatz zur Privatautonomie des Privatrechts und ihrem gleichberechtigten Parteienverhältnis – auf ein Subordinationsverhältnis zwischen Staat und Bürger stützt, sind öffentlich-rechtliche Normen grundsätzlich unabdingbar.