Unterschied und Anwendbarkeit von § 278 BGB und § 831 BGB

Sowohl der § 278 BGB als auch der § 831 BGB beschreiben Situationen, in denen ein Verhalten einer Person für eine Schadensersatzpflicht einer anderen Person relevant wird. Dennoch unterscheiden sich beide Normen insbesondere in drei Aspekten deutlich und prägen dadurch eine wesentliche Besonderheit des Deliktsrechts. Dadurch lassen sich letztlich auch die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der zwei Vorschriften erschließen.

Die wesentlichen Unterschiede

Zuerst wird bereits aus dem Wortlaut von § 831 Abs. 1 S. 1 BGB klar, dass dieser eine eigenständige Schadensersatzanspruchsgrundlage darstellt.1 Dagegen rechnet § 278 S. 1 BGB nur Verschulden und Pflichtverletzungen zu, ohne alleinstehend Ansprüche zu begründen.2

Außerdem spricht § 278 S. 1 BGB neben gesetzlichen Vertretern vor allem von Personen, denen sich ein Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient (sog. Erfüllungsgehilfen),3 während § 831 Abs. 1 S. 1 BGB dann eingreift, wenn jemand einen anderen zu einer Verrichtung bestellt (sog. Verrichtungsgehilfe).4 Hier wird nicht ohne Sinn ein unterschiedlicher Wortlaut verwendet – es gibt einen tatsächlichen Unterschied zwischen beiden. Im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen ist ein Verrichtungsgehilfe zusätzlich, z.B. durch Vertrag, verpflichtet, den Weisungen einer anderen Person zu folgen (Weisungsgebundenheit).5 Ein Erfüllungsgehilfe muss dagegen nur mit dem Willen eines Schuldners bei der Erfüllung der Pflichten des Schuldners behilflich sein, was dann auch unabhängig davon gilt, ob er weisungsgebunden ist, oder nicht.6 Die Weisungsgebundenheit ist somit ein zusätzliches Merkmal, das für den § 831 Abs. 1 S. 1 BGB nötig ist. Bereits hierdurch wird klar, dass Fälle des § 278 S. 1 BGB wohl häufiger vorkommen, da deren Hürden an Voraussetzungen niedriger liegen. Der Anwendungsbereich des § 278 S. 1 BGB ist daher weiter gefasst.

Schließlich ist zentral, dass § 831 Abs. 1 S. 1 BGB eine Exkulpation ermöglicht.7 Der Schuldner kann unter den Umständen des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB von einer Haftung befreit werden, wenn er widerlegen kann, dass ihn selbst Verschulden hinsichtlich der in der Norm aufgelisteten Kriterien trifft. Somit stellt § 831 Abs. 1 S. 1 BGB eine Schadensersatzpflicht für ein eigenes vermutetes Verschulden des Geschäftsherrn dar.8 Eine vergleichbare Alternative sieht der § 278 S. 1 BGB nicht vor. Hierfür ist es irrelevant, ob der Schuldner, der sich dem Erfüllungsgehilfen bedient, etwas selbst vertreten muss. Somit ist auch hier eine erfolgreiche Anwendung des § 278 S. 1 BGB näherliegend als beim § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.

Aus all den Unterschieden ist im Wesentlichen das systematische Verständnis zu ziehen, dass die Voraussetzungen des § 278 S. 1 BGB eher erfüllt sind als die des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB. Die deliktische Haftung für das Verhalten Dritter ist damit beschränkt, was eine bedeutende Besonderheit des generell enger gefassten Deliktsrechts darstellt.9

Anwendbarkeit von § 278 BGB und § 831 BGB

Da nun festgestellt ist, dass die deliktische Haftung für das Verhalten Dritter beschränkt ist, wird klar, dass der § 278 BGB im gesamten Deliktsrecht grundsätzlich keine Anwendung finden kann; andernfalls würde man diese Wertung eines beschränkten Deliktsrechts durch die Anwendung des weiten § 278 BGB umgehen.10 Stattdessen spricht der § 278 S. 1 BGB bereits von einem „Schuldner“, woraus abzuleiten ist, dass als Voraussetzung stets schon ein Schuldverhältnis bestehen muss.11 Ein solches wird wohl meistens ein vertragliches Schuldverhältnis sein; allerdings sind auch andere Schuldverhältnisse hierfür denkbar, solange sie nicht deliktisch sind.12

  • 1. Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 22. Auflage 2024, § 23 Rn. 43.
  • 2. Westermann/Bydlinski/Arnold, BGB – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2020, Rn. 471.
  • 3. Stadler, in: Jauernig, BGB. Kommentar, 19. Auflage 2023, § 278 Rn. 6.
  • 4. Wagner, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2024, § 831 Rn. 16.
  • 5. Westermann/Bydlinski/Arnold, BGB – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2020, Rn. 473.
  • 6. Stadler, in: Jauernig, BGB. Kommentar, 19. Auflage 2023, § 278 Rn. 6.
  • 7. Westermann/Bydlinski/Arnold, BGB – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2020, Rn. 473.
  • 8. Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 22. Auflage 2024, § 23 Rn. 43.
  • 9. Vgl. auch weiterführend Baldus, in: Staudinger BGB. Eckpfeiler des Zivilrechts, 9. Auflage 2024, A 128.
  • 10. Vgl. Westermann/Bydlinski/Arnold, BGB – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2020, Rn. 472 f.
  • 11. Vgl. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 48. Auflage 2024, § 20 Rn. 39.
  • 12. Westermann/Bydlinski/Arnold, BGB – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2020, Rn. 472, 474 mit den Beispielen des EBVs und der cic.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Siehe Fußnoten.