danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

RG, 12.11.1880 - III 79/80

Daten
Fall: 
Zustellung von Urteilen
Fundstellen: 
RGZ 2, 418
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.11.1880
Aktenzeichen: 
III 79/80
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • Generalkommission Kassel
Stichwörter: 
  • Zustellung von Urteilen in Auseinandersetzungsangelegenheiten bei Existenz von Prozessbevollmächtigten

Wem sind die in Auseinandersetzungsangelegenheiten erlassenen Urteile zuzustellen, wenn Prozeßbevollmächtigte vorhanden sind?

Tatbestand

Bei dem Verfahren, betr. die hutefreie Zusammenlegung der Grundstücke der Gemeinde Heßlingen, Kreis Rinteln, ist auch das Kolonat Nr. 13 zu Heßlingen beteiligt. Über das Eigentum an diesem Kolonate besteht Streit zwischen den Eheleuten L. sen. und den Eheleuten L . jun. Von dem in der Appellationsinstanz von dem Revisionskollegium für Landeskultursachen am 19. März 1880 erlassenen Urteile wurde im Auftrage des Specialkommissärs eine Ausfertigung den Klägern, Eheleuten L. sen. am 19. Mai 1880 laut Postzustellungsurkunde behändigt und eine Abschrift dem Anwälte der Kläger am 20. Mai 1880 zugestellt. Über die letztere Zustellung liegt ein Behändigungsschein eines Kommissionsboten vor. In einem am 30. Juni bei der Generalkommission zu Kassel präsentierten Schriftsätze legte der Anwalt der Kläger gegen dieses Urteil die Revision ein, dieselbe wurde jedoch von der Generalkommission wegen Versäumung der Frist aus Grund des §. 71 des Gesetzes vom 18. Februar 1880 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß haben die Kläger sofortige Beschwerde erhoben. Sie halten die der angefochtenen Verfügung zu Grunde liegende Annahme, daß die Revisionsfrist mit der Zustellung der Abschrift des Urteiles an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger zu laufen begonnen habe, für unrichtig, führen vielmehr aus, daß dem Anwalte eine Ausfertigung des Urteiles unter Beobachtung der in §§. 152 flg. C.P.O. bezw. §. 21 des Gesetzes vom 18. Februar 1880 gegebenen Vorschriften hätte behändigt werden müssen.

Die Beschwerde ist für begründet erkannt.

Gründe

"Die Königliche Generalkommission geht in der angefochtenen Verfügung von der Annahme aus, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger, welchem am 20. Mai 1880 eine Abschrift des Urteiles des Königlichen Revisionskollegiums für Landeskultursachen vom 19. März d. J. zugestellt worden ist, dieses Urteil in Gemäßheit des §. 162 C.P.O, und des §. 27 des Gesetzes vom 18. Februar 1880, betreffend das Verfahren in Auseinandersetzungsangelegenheiten, ordnungsmäßig behändigt sei, daß von diesem Tage an der Lauf der Frist zur Einlegung der Revision begonnen habe, und daher die erst am 30. Juni eingelegte Revision als verspätet zurückzuweisen sei. Diese Ansicht kann jedoch für zutreffend nicht erachtet werden; es erscheint vielmehr die von der Mitklägerin Witwe L. auf Grund des §. 71 des Gesetzes vom 18. Februar 1880 erhobene Beschwerde und die in ihr vertretene Annahme, daß, um die Frist für Einlegung des Rechtsmittels in Lauf zu fetzen, dem Prozeßbevollmächtigten eine Ausfertigung des Urteiles unter Beobachtung der in der Civilprozeßordnung, beziehungsweise in dem Gesetze vom 18. Februar 1880 über die Zustellung der Urteile gegebenen Vorschriften, hätte behändigt werden müssen, begründet.

Im §. 162 C.P.O. ist bestimmt:

"Zustellungen, welche in einem anhängigen Rechtsstreite geschehen sollen, müssen an den für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen."

Diese allgemeine Vorschrift findet auch im Verfahren in Auseinandersetzungsangelegenheiten Anwendung, sofern nicht die Partei selbst geladen wird, indem nur für diesen Fall im §.27 des Gesetzes vom 18. Februar 1880 deren Anwendbarkeit ausgeschlossen ist. Diese Ausnahme liegt im gegebenen Falle nicht vor. Es mußte daher das Urteil des Revisionskollegiums dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger behändigt werden, und zwar in Gemäßheit des §. 50 des citierten Gesetzes von Amts wegen und in Ausfertigung. Wenn im §. 50 a. a. O. bestimmt ist:

"Die Urteile sind von Amts wegen in Ausfertigung zuzustellen, die Prozeßbevollmächtigten erhalten Abschrift des Urteiles",

so ist dadurch die in §. 162 a. a. O. enthaltene Vorschrift nicht geändert, und es kann daraus insbesondere nicht gefolgert werden, wie die Generalkommission thut, daß die Zustellung der Abschrift des Urteiles an den Prozeßbevollmächtigten der den Fristenlauf bestimmende Akt sei. Im §. 50 a. a. O. ist über die Frage, wem zu behändigen sei, nichts bestimmt, namentlich die im §. 162 a. a. O. enthaltene, für alle Zustellungen maßgebende Vorschrift nicht dahin abgeändert, daß die Urteile der Partei selbst in Ausfertigung, auch wenn sie einen Prozeßbevollmächtigten hat, behändigt werden sollen, vielmehr nur, abweichend von §. 288 C.P.O., wonach die Zustellung der Urteile auf Betreiben der Partei erfolgt, die Zustellung einer Ausfertigung des Urteiles von Amts wegen vorgeschrieben. Die Bestimmung, daß die Prozeßbevollmächtigten Abschrift des Urteiles erhalten sollen, tritt auch nicht in Widerspruch mit der Vorschrift in §. 162 a. a. O. Der Prozeßbevollmächtigte soll danach zu seiner Benachrichtigung eine Abschrift des Urteiles erhalten; daneben ist ihm aber das Urteil in Ausfertigung ordnungsmäßig für die Partei zu behändigen, um die an die Behändigung geknüpften prozessualischen Folgen, insbesondere den Lauf der Fristen herbeizuführen.

Könnte man aber annehmen, daß durch §. 50 a. a. O. die Bestimmung im §. 162 dahin abgeändert wäre, daß die Urteile in Ausfertigung der Partei selbst zu behändigen seien, so würde man nicht mit der Königlichen Generalkommission die Zustellung der Abschrift an den Prozeßbevollmächtigten für maßgebend ansehen können, sondern es würde dann die Behändigung an die Partei entscheidend sein müssen. Da nun im vorliegenden Falle dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger eine Ausfertigung des Urteiles vom 19. März 1880 nicht zugestellt, also eine die Frist für die Einlegung der Revision in Lauf setzende Behändigung des Urteiles überhaupt noch nicht stattgefunden hat, da ferner nach §. 514 C.P.O. die Einlegung der Revision vor Zustellung des Urteiles wirkungslos ist, die Einlegung der Revision vom 30. Juni d. J. also nicht in Betracht kommen kann, so war die erhobene Beschwerde für begründet zu erkennen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache an die Generalkommission zurückzuweisen, um zunächst die ordnungsmäßige Zustellung der Ausfertigung des Urteiles des Revisionskollegiums vom 19. März 1880, unter Beachtung der in der Civilprozeßordnung beziehungsweise in dem Gesetze vom 18. Februar 1880 über Zustellungen gegebenen Vorschriften, an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger zu veranlassen." ...