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RG, 30.04.1880 - IVa 251/79

Daten
Fall: 
Deposition des Kaufgeldes wegen Gewährleistung
Fundstellen: 
RGZ 2, 216
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.04.1880
Aktenzeichen: 
IVa 251/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Spremberg
  • Appellationsgericht Frankfurt a./O.

Deposition des Kaufgeldes wegen Gewährleistung.

Tatbestand

In einem Kaufvertrage hat die klagende Verkäuferin die Verpflichtung übernommen, die Löschung der hypothekarischen Vermerke zu bewirken. Sie ist hierzu in betreff eines Intabulates trotz rechtskräftiger Verurteilung außer stande. Der Klage auf Zahlung einer Kaufgelderrate setzten die belangten Käufer die Einrede der Preisminderung entgegen und stellten den Minderwert zur Kompensation. Unter Anwendung der §§. 222. 223 A.L.N. I. 11 hat der Appellationsrichter die Beklagten zur Zahlung gegen Kaution verurteilt. Das Apellationsurteil ist vernichtet aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der Appellationsrichter hat thatsächlich festgestellt, daß die Klägerin zur Löschung der auf der Braunkohlenabbau - Gerechtigkeit Nr. 62 Särchen haftenden Last rechtskräftig verurteilt sei, aber erklärt habe, diesem Urteile nicht Folge leisten zu können, weil der Berechtigte seine Berechtigung nicht aufgeben wolle; er hat ferner festgestellt, daß diese Last den Wert des Grundstückes vermindere. Der Appellationsrichter erachtet deshalb die Beklagten für berechtigt, diesen Minderwert im jetzigen Prozesse geltend zu machen; er nimmt aber an, daß die Beklagten nach §. 222 A.L.R. I. 11 nur berechtigt seien, einen verhältnismäßigen Teil des Kaufgeldes zurückzuhalten und gerichtlich niederzulegen, also nach §. 223 daselbst gegen hinlängliche Sicherheit zu zahlen, da die Klägerin sich hierzu erboten hat.

Durch diese Annahme hat der Appellationsrichter, wie die Beschwerde mit Recht rügt, die erwähnten Gesetzesvorschriften verletzt. Der §. 222 a. a. O. berechtigt den Käufer, wenn Gewährsmängel oder Ansprüche eines Dritten an die Sache vor erfolgter Bezahlung des Kaufgeldes zum Vorschein kommen, einen verhältnismäßigen Teil desselben zurückzuhalten und gerichtlich niederzulegen. Will der Verkäufer sich dies nicht gefallen lassen, so muß er nach §. 223 wegen der bevorstehenden Vertretung nach richterlichem Ermessen hinlängliche Sicherheit leisten. Diese Vorschriften handeln also von der evictio imminens, d. h. von solchen Ansprüchen auf die Sache, welche dem Käufer wegen mangelnden Rechtes des Verkäufers das habere licere zu beenden drohen, und von Gewährsmängeln, welche, wenn sie zum Vorschein kommen, wenn also der Käufer in Gefahr schwebt, deshalb in Anspruch genommen zu werden und dem Verkäufer die Vertretung bevorsteht, wie evictio imminens behandelt werden.

Zu solchen Gewährsmängeln gehören nach §. 183 a. a. O. Privatdienstbarkeiten, Lasten und Abgaben und nach §. 184 Privatschulden und Verbindlichkeiten. Ist für diese vom Verkäufer einzustehen, so finden nach §. 188 daselbst die Regeln von der Gewährleistung (§§. 319 flg. A.L.R. I. 5) statt.

Solange nicht feststeht, daß die Mängel nicht beseitigt werden können (durch Zahlung, Liberation, Exnexuation), werden sie wie evictio imminens behandelt, d. h. der Käufer klagt entweder auf Fortschaffung, oder er retiniert als Beklagter einen entsprechenden Teil des Kaufgeldes; weil aber der Verkäufer dadurch in sehr üble Lage geraten kann, darf er die Retention durch Kaution beseitigen.

Steht aber fest, daß die Last nicht zu beseitigen und daß sie - weil nicht bloß eine prätendierte, sondern eine rechtlich feststehende - den Wert des Kaufobjektes mindert, so handelt es sich nicht mehr um evictio imminens noch um einen schwebenden Zustand, gegen dessen Gefahren Sicherstellung hilft, sondern der Käufer, welcher nicht zurücktreten kann oder will, fordert resp. kürzt - ohne auf das Recht zur " Zurückhaltung" nach §. 222 angewiesen zu sein - nach den allgemeinen Vorschriften (§§. 271. 285 ff. 317. 328 A.L.R. I. 5) als Schadenersatz (Vergütung, Interesse) die Minderwertsdifferenz nach sachkundiger Schätzung. Für diese Schätzung kommt in Betracht die Wahrscheinlichkeit, wann und in welchem Umfange die Realisierung der Last abseiten des Berechtigten voraussichtlich thatsächlich geübt werden mag.

Nach diesen auch in der Rechtsprechung des preußischen Obertribunales - vergl. Entsch. Bd. 28 S. 15, Bd. 39 S. 69; Striethorst's Arch. Bd. 40 S. 45 - anerkannten Grundsätzen ist die Anwendung der §§. 222. 223 A.L.R. I. 11 im vorliegenden Falle ausgeschlossen, da feststeht, daß die Klägerin die Befreiung von der Last nicht gewähren kann, der Wert des Grundstückes aber durch die Last vermindert wird.

Die Entscheidung des Appellationsrichters unterliegt daher wegen unrichtiger Anwendung der gedachten Gesetzesvorschriften nach §. 4 Nr. 1 der Verordnung vom 14. Dezember 1833 der Vernichtung."