RG, 23.01.1880 - II 187/79

Daten
Fall: 
Handlungen gegen die Dienstinstruktion
Fundstellen: 
RGZ 1, 48
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.01.1880
Aktenzeichen: 
II 187/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Elberfeld
  • Appellationsgericht Köln

Ist eigenes Verschulden im Sinne des §. 1 des Reichshaftpflichtgesetzes anzunehmen, wenn der Verletzte unter Zulassung der Vorgesetzten gegen die Vorschriften der Dienstinstruktion gehandelt hat?

Tatbestand

Das Reichsgericht ist der vom Reichsoberhandelsgerichte ausgesprochenen Ansicht (Entsch. Bd. 15 Nr. 50 S. 165) beigetreten, daß die Übertretung einer Dienstinstruktion die Bedeutung und Wirkung eines eigenen Verschuldens dadurch verlieren könne, daß sie unter thatsächlicher Billigung der Vorgesetzten geschehen ist. Die Gründe sagen hierüber:

Gründe

"In Erwägung, daß das angefochtene Urteil den Begriff des eigenen Verschuldens nicht rechtsirrtümlich aufgefaßt hat, wenn aus den darin festgestellten Thatsachen und bei Würdigung aller Umstände des Falles der Schluß gezogen wird, daß sich der Kassationsbeklagte der mit Überschreitung der Dienstvorschriften und mit seinem Vorgehen verbundenen Gefahr weder bewußt gewesen sei noch bewußt sein mußte;

daß nun aber aus der tatsächlichen Feststellung, daß die Übertretung des schriftlich und mündlich unter Strafandrohung ergangenen Verbotes, zwischen die Wagen zu gehen, so lange solche noch in Bewegung sind, von den mit der Leitung und Aufsicht beim Rangierdienste betrauten Bediensteten der Kassationsklägerin nicht nur geduldet worden sei, sondern sogar unter den Augen der Rangiermeister stattfand, ohne daß dieselben zur Verhinderung dieser Ausschreitungen die geringste Maßnahme trafen, allerdings hergeleitet werden durfte, daß der Instruktion durch diese stillschweigende Billigung der Überschreitung derselben in den Augen der Arbeiter Wert und Bedeutung entzogen worden sei, und daß danach nicht schon deren Übertretung allein als ein anrechenbares Verschulden in Betracht kommen, könne;

daß sodann das Appellationsgericht auch das Verhalten des Kassationsbeklagten an sich geprüft und aus dem noch jugendlichen Alter desselben, der kurzen Zeit, welche er im Dienste gestanden hat, aus dem Beispiele, welches ihm andere und ältere Arbeiter gegeben, die Überzeugung gewonnen hat, es habe von ihm nicht erwartet werden dürfen, daß er in Übertretung der allgemeinen Vorschriften und der ihm erteilten Weisungen eine besondere Gefahr erkenne." ...