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RG, 24.11.1917 - V 203/17

Daten
Fall: 
Kaufangebot über Grundstücke
Fundstellen: 
RGZ 91, 226
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.11.1917
Aktenzeichen: 
V 203/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG III Berlin
  • KG Berlin

Kaufangebot über Grundstücke mit Bindung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit der Verpflichtung zur Abgabe eines gleichen Angebots von gleicher Dauer an einen von dem anderen Teile zu bezeichnenden Dritten.
1. Bestimmen sich die rechtlichen Folgen, wenn nach Bezeichnung des Dritten das Kaufangebot an diesen bis zu dem maßgebenden Zeitpunkte nicht abgegeben worden ist, nach den Grundsätzen, die für den Fall der Unmöglichkeit der Erfüllung gelten?
2. Ist die Übernahme der Verpflichtung nichtig, wenn nicht der andere Teil ihre Annahme in gerichtlicher oder notarieller Form erklärt hat?

Tatbestand

In der notariellen Verhandlung vom 22. Februar 1913 erklärte zunächst die Beklagte, sie biete von ihrem Grundstück in Sp. zwei näher bezeichnete Parzellen dem Kläger Schw. für den Preis von 18.000 M zum Kauf an. Die Bestimmungen des Vertrags, den sie anbiete, seien folgende: Der Kaufpreis von 18.000 M werde dem Käufer gestundet; dieser verpflichte sich, den Preis vom 1. April 1913 ab mit 4 % in vierteljährlichen Raten zu verzinsen und das Kapital ohne Kündigung am 1. April 1923 zu zahlen. Das Kapital sei sofort fällig, wenn die Zinsen nicht pünktlich innerhalb vierzehn Tagen nach Fälligkeit gezahlt würden. Zur Sicherheit verpfände der Käufer die beiden Parzellen und bewillige und beantrage die Eintragung des Kaufpreises mit Zinsen in das Grundbuch. Sodann heißt es in der Urkunde:

"Im Anschluß an vorstehendes Kaufangebot erklärt Fräulein L. (die Beklagte):
Ich halte mich an vorstehendes Kaufangebot bis zum 1. April 1915 einschließlich gebunden und verpflichte mich, bis zu diesem Tage ein gleiches Kaufangebot desselben Inhalts jeder dritten Person zu machen, welche mir von Herrn Schw. als Käufer benannt wird, vorausgesetzt, daß letzterer die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Verpflichtungen des Käufers übernimmt. ... Herr Schw. nimmt von Vorstehendem Kenntnis und übernimmt die Kosten der heutigen Verhandlung."

In der notariellen Verhandlung vom 29. März 1915 verlängerte die Beklagte die Bindung an ihr Kaufgebot auf ein weiteres Jahr bis zum 1. April 1916; der Kläger Schw. erklärte, daß er von dieser Verlängerung Kenntnis nehme.

Eine Annahme des Angebots in gerichtlicher oder notarieller Form hat nicht stattgefunden. Durch Schreiben vom 27. März 1916 forderte aber Schw. die Beklagte auf, drei anderen Personen, den ursprünglichen Mitklägern, das Angebot zum Kaufe der Parzellen zu je 1/3 ideellen Anteil gemäß der Urkunde vom 22. Februar 1913 zu machen oder mit ihnen, da sie bereit seien, das Angebot sofort anzunehmen, einen Kaufvertrag zu schließen. Die Beklagte erwiderte durch Schreiben vom 30. März 1916, daß sie den Abschluß des Vertrags unter Stundung des Kaufpreises bis zum 1. April 1923 ablehne, weil die Zinsen nicht pünktlich gezahlt seien, Schw. auch nicht erklärt habe, daß er die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kaufpreis übernehme.

Mit der darauf erhobenen Klage beantragte Schw., die Beklagte zu verurteilen, den drei Mitklägern ein notarielles Angebot des Inhalts zu machen, daß sie ihnen die beiden Parzellen, jedem zu 1/3 ideellem Anteile, zum Preise von 18.000 M unter den in der notariellen Verhandlung vom 22. Februar 1913 angegebenen Bedingungen verkaufe.

Das Landgericht wies die Mitkläger wegen fehlender Klagberechtigung ab, entsprach aber der Klage Schw.s. Hiergegen legte nur die Beklagte Berufung ein mit dem Erfolge, daß auch Schw. abgewiesen wurde. Das Reichsgericht bestätigte aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Der Anspruch des Klägers auf Verurteilung der Beklagten, den früheren Mitklägern ein notarielles Angebot über Verkauf der fraglichen Parzellen ihres Grundstücks unter den in der notariellen Verhandlung vom 22. Februar 1913 angegebenen Bedingungen zu machen, erklärt der Berufungsrichter aus mehreren Gründen für ungerechtfertigt. In erster Linie nimmt er an, nach den Urkunden vom 22. Februar 1913 und 29. März 1915, die einen Antrag der Beklagten an den Kläger zur Schließung eines Kaufvertrags mit Bindung bis zum 1. April 1918 zugleich mit der Verpflichtung enthielten, bis zum gleichen Tage ein Kaufangebot desselben Inhalts jedem vom Kläger benannten Dritten zu machen, habe auch das Angebot an den Dritten und dessen Annahme innerhalb der gestellten Frist erfolgen müssen. Da innerhalb dieser Frist weder eine Annahme des Antrags in der erforderlichen Form des § 313 BGB. durch den Kläger noch ein Angebot der Beklagten an die vom Kläger benannten Dritten stattgefunden habe, sei ein Anspruch auf Abgabe eines Angebots an diese Dritten überhaupt nicht mehr begründet.

Die Revision macht hiergegen geltend, die Beklagte sei dadurch, daß der Kläger sie vor Ablauf der Frist, welche ihre Verpflichtung zum Kaufangebot an die vom Kläger bezeichneten Dritten bis zum 1. April 1916 zeitlich begrenzte, mittels seines Schreibens vom 27. März 1918 zum Kaufangebot an die früheren Mitkläger aufforderte, in Verzug gesetzt worden. Nachdem sie der Aufforderung nicht nachgekommen sei, könne sie sich nicht auf den Fristablauf berufen, da sie diesen durch ihre eigene Handlungsweise verursacht habe und arglistig handle, wenn sie trotzdem den Ablauf der Frist geltend mache.

Die Leistung jedoch, zu der sich die Beklagte verpflichtet hatte, bestand darin, bis zum 1. April 1916 dem ihr vom Kläger benannten Dritten ein Kaufangebot unter den Bedingungen des Angebots zu machen, das sie in der Urkunde vom 22. Februar 1913 zunächst an den Kläger selbst gerichtet hatte, und zu diesen Bedingungen gehörte auch die von ihr gesetzte Bindungsfrist. Hätte sich diese Frist über den 1. April 1916 hinaus erstreckt, so könnte es sich fragen, ob letzterer Zeitpunkt als Endtermin (§ 163 BGB.), mit dessen Eintritt sie von ihrer Verpflichtung frei wurde, zu betrachten oder ob nicht anzunehmen wäre, daß ihre Verpflichtung auch über den Zeitpunkt hinaus fortdauerte oder daß gar erst mit Eintritt des Zeitpunkts der Kläger zum Verlangen der Leistung berechtigt wurde (vgl. § 271 Abs. 2 BGB.). Tatsächlich erreichte nach den Urkunden vom 22. Februar 1913 und 29. März 1915 die Bindungsfrist ebenfalls am 1. April 1916 ihr Ende. Daraus aber ergibt sich, daß die von der Beklagten übernommene Verpflichtung zur Abgabe eines Kaufangebots an den ihr vom Kläger benannten Dritten nur bis zum 1. April 1916 erfüllt werden konnte, oder mit anderen Worten, daß die Leistung, welche die Beklagte bewirken sollte, eine solche war, die nur dann, wenn sie bis zum 1. April 1916 bewirkt wurde, sich als Erfüllung der Verpflichtung darstellte. Denn durch das Kaufangebot, zu dessen Abgabe an den Dritten sich die Beklagte verpflichtet hatte, sollte offenbar dem Dritten, ebenso wie durch das an den Kläger gerichtete Angebot ihm selbst ermöglicht werden, durch formgerechte (§ 313 BGB.) Annahme einen Kaufvertrag über die zum Kauf angebotenen Parzellen zum Abschluß zu bringen. Diese Möglichkeit war nicht mehr gegeben, wenn das Kaufangebot erst nach dem 1. April 1916 erfolgte, da dann die Bindungsfrist, die in dieses aus dem an den Kläger gerichteten zu übernehmen war, bereits abgelaufen und somit das Angebot wirkungslos war. Es war also mit dem Ablaufe des 1. April 1916 die Erfüllung der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung unmöglich geworden, weil, wenn auch an sich das Kaufangebot an den vom Kläger als Kauflustigen bezeichneten Dritten noch abgegeben werden konnte, doch nur ein innerhalb der genannten fest bestimmten Zeit abgegebenes Kaufangebot als verpflichtungsgemäße Leistung zu gelten hatte (vgl. RG. Jur. Wochenschr. 1902 Beil. S. 229 Nr. 92, 1913 S. 196 Nr. 6).

Daraus ergibt sich freilich noch nicht ohne weiteres, daß die Abweisung der Klage gerechtfertigt ist. Die Folgen der Nichtleistung des Kaufangebots bis zum 1. April 1916 an die vorher der Beklagten vom Kläger als Kauflustige bezeichneten früheren Mitkläger bestimmen sich nach den Grundsätzen, die für den Fall einer nach Vertragsschluß eingetretenen Unmöglichkeit der Erfüllung gelten, und zwar, wenn es sich um einen gegenseitigen Vertrag handeln würde, gemäß den §§ 323 bis 325, andernfalls gemäß den §§ 275, 280 BGB. Danach könnte der Kläger, wenn die Beklagte die Unmöglichkeit der Erfüllung zu vertreten hätte, den ihm durch die Nichterfüllung entstandenen Schaden von der Beklagten ersetzt verlangen. Dieser Schadensersatz wäre gemäß § 249 Satz 1 BGB. durch Herstellung des Zustandes zu leisten, der bestehen würde, wenn die Beklagte, nachdem ihr der Kläger durch Schreiben vom 27. März 1916 als Kauflustige die früheren Mitkläger bezeichnet hatte, an diese das Kaufangebot rechtzeitig, also spätestens bis zum 1. April 1916, abgegeben hätte. Würde im Fall eines solchen Angebots, wie als Behauptung des Klägers gelten muß, die Annahme von den früheren Mitklägern bis zum Ablaufe des 1. April 1916 formgerecht erklärt worden, also ein rechtsgültiger Kaufvertrag über die beiden zum Kauf angetragenen Parzellen zum Abschluß gelangt sein, so könnte der Kläger als Schadensersatzleistung beanspruchen, daß die Beklagte mit den früheren Mitklägern gemäß den Bedingungen des Kaufangebots einen Kaufvertrag abschlösse. Gegenüber solchem gerechtfertigten Anspruche würde der hier mit der Klage erhobene Anspruch auf Abgabe eines notariellen Angebots an die früheren Mitkläger des Inhalts, daß sie von ihrem Grundstücke die beiden Parzellen den früheren Mitklägern, jedem von ihnen zu 1/3, ideellen Anteil, zum Preise von unter den in der notariellen Verhandlung vom 22. Februar 1913 angegebenen Bedingungen verkaufe, nur ein Minderes sein. Als Frist für die Annahme dieses Angebots würde die gesetzliche Frist nach § 147 oder nach § 152 in Verb. mit § 151 Satz 2 BGB. zu gelten haben. Es fragt sich daher, ob es der Beklagten als Verschulden zur Last zu legen ist, daß sie nicht bis zum 1. April 1916 das Kaufangebot an die früheren Mitkläger abgegeben hat.... (Dies wird verneint, weil der Kläger die Zinsen nicht pünktlich gezahlt habe. Sodann wird fortgefahren:) Danach hat die Beklagte die Unmöglichkeit der Erfüllung der übernommenen Verpflichtung nicht zu vertreten, weshalb der Klaganspruch unbegründet ist, und zwar sowohl von dem Gesichtspunkt eines Vertragsanspruchs auf Erfüllung wie von dem eines Schadenseisatzanspruchs (vgl. RGZ. Bd. 54 S. 32; Jur. Wochenschr. 1911 S. 807 Nr. 10; Gruchot Bd. 48 S.881)

Die Abweisung der Klage ist aber nach der klaren Sachlage auch noch aus folgendem Grunde gerechtfertigt. Die von bei Beklagten in der Urkunde vom 22. Februar 1913 übernommene Verpflichtung, ein gleiches Kaufangebot wie das zunächst an den Kläger abgegebene an die vom Kläger bezeichneten Dritten zu machen, enthielt eine, wenn auch bedingte, Verpflichtung gegenüber dem Kläger zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken, und zwar an Dritte, welche der Kläger etwa bezeichnen würde. Zur Rechtswirksamkeit der Verpflichtungsübernahme war daher die Beobachtung der Form des § 313 BGB. erforderlich (RGZ. Bd. 50 S. 165; Bd. 81 S. 50; Jur. Wochenschr. 1909 S. 11 Nr. 4). Damit aber ein Vertrag zustande kam und der Kläger Rechte aus der von der Beklagten erklärten Verpflichtungsübernahme erlangte, mußte vom Kläger die Annahme der Verpflichtungsübernahme erklärt werden. Da diese Annahmeerklärung sonach einen wesentlichen Bestandteil des Vertrags bildete, mußte sie ebenfalls in der Form des § 313 BGB. abgegeben werden (RGZ. Bd. 81 S. 135; Rep. V 348/12 vom 14. Dezember 1912; Jur. Wochenschr. 1916 S. 396 Nr. 2). Eine solche Erklärung des Klägers ist in der genannten Urkunde nicht enthalten. Zwar wäre nicht unbedingt notwendig gewesen, daß der Kläger die Erklärung unter Gebrauch des Wortes "annehmen" in der Urkunde abgegeben hätte; es würde zur Erfüllung der Formvorschrift auch eine anders geartete Erklärung genügt haben, wenn sie erkennbar den Willen zum Ausdruck gebracht hätte, die von der Beklagten abgegebene Vertragserklärung anzunehmen (Jur. Wochenschr. 1916 a. a. O.). Die Urkunde enthält aber keine andere Erklärung des Klägers als die am Schlusse: "Herr Schw. nimmt von Vorstehendem Kenntnis und übernimmt die Kosten der heutigen Verhandlung." Das enthält nur eine Erklärung des Klägers, das als Erklärung der Beklagten Beurkundete zur Kenntnis zu nehmen; nicht wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er ihre Verpflichtungsübernahme als Vertragserklärung annehmen wolle und annehme. Demnach ist gemäß § 125 BGB. die Verpflichtungserklärung der Beklagten nichtig, so daß der Kläger überhaupt keine Rechte daraus herleiten kann." ...