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§ 1 DSchG BW - Aufgabe (Kommentar)
(1) Es ist Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, die Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen, insbesondere den Zustand der Kulturdenkmale zu überwachen sowie auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung von Kulturdenkmalen hinzuwirken.
(2) Diese Aufgabe wird vom Land und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit von den Gemeinden erfüllt.
1. Einleitung
1.1. Allgemeines
§ 1 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) von Baden-Württemberg legt die grundsätzlichen öffentlichen Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege im Land Baden-Württemberg als Zielrichtung fest. Die Vorschrift kann beispielsweise wichtig und herangezogen werden, wenn das Ermessen in einer denkmalrechtlichen Entscheidung näher begründet werden soll (z. B. Effektivität des Schutzes eines Kulturdenkmals durch Wahrung von dessen Integrität) oder, um die unbestimmten Rechtsbegriffe im Denkmalschutzgesetz einer sachdienlichen Interpretation zuzuführen.1
Die Norm gliedert sich in zwei Absätze:
Absatz 1 thematisiert die Aufgabenbestimmung: Hier wird festgelegt, dass es die Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege ist, Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen. Dies umfasst in nicht abschließender Weise:
- Die Überwachung des Zustandes der Kulturdenkmale,
- die Abwendung von Gefährdungen von Kulturdenkmalen und
- Bergung von Kulturdenkmalen.
Die Vorschrift betont die aktive Rolle der Denkmalschutzbehörde beim Erhalt des kulturellen Erbes. So steht die Gefahrenabwehr im Zentrum der Aktivitäten des Denkmalschutzes.2
Absatz 2 thematisiert die Aufgabenzuweisungen, geregelt wird also die Verantwortlichkeiten für die im ersten Absatz genannten Aufgaben:
- Das Land Baden-Württemberg trägt die Hauptverantwortung.
- Die Gemeinden sind im Rahmen ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit aber ebenfalls zur Aufgabenerfüllung verpflichtet.
Diese Regelung stellt somit sicher, dass sowohl auf der Landes- als auch auf der Gemeindeebene Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege von Kulturdenkmalen ergriffen werden.
1.2. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Der Denkmalschutz und die Denkmalpflege beruhen auf (landes-)verfassungsrechtlichen Grundlagen. "Diese Rechtsmaterie gehört als Element des Kulturstaates zum Hausgut der Länder."3 So hat das Denkmalschutzgesetz hat einen direkten Anknüpfungspunkt in Art. 3c Abs. 2 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV). Die Vorschrift ist eine Staatszielbestimmung4 und bestimmt:
„Artikel 3c
(1) Der Staat, die Gemeinden und die Gemeindeverbände fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl, das kulturelle Leben und den Sport unter Wahrung der Autonomie der Träger.
(2) Die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden.“
Weiterer Anknüpfungspunkt des Denkmalrechts sind die Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 [Kunst- und Wissenschaftsfreiheit], Art. 14 [Eigentumsfreiheit] des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Insbesondere die Aufgabe Denkmalschutz steht im Einklang mit Art. 14 Abs. 2 GG.
Zwar ist das Denkmalschutzgesetz erst seit dem 01.01.1972 in Kraft (§ 29 Abs. 1 DSchG). Jedoch gibt der § 29 Abs. 2 DSchG auch Auskunft darüber, dass denkmalrechtliche Vorschriften bereits mindestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts existierten.
2. Absatz 1
2.1. Denkmalschutz und Denkmalpflege
Unter Denkmalschutz versteht man alle rechtlichen Anordnungen, Verfügungen, Genehmigungen, Auflagen oder Untersagungen, welche die Denkmalpflege sicherstellen. Mit anderen Worten: „Denkmalschutz ist […] der Bereich der hoheitlich geregelten Tätigkeit.“5 Das heißt, das Begriffsmerkmal bezieht sich eher auf die administrativen Maßnahmen, die einen Rahmen für die Denkmalpflege vorgeben und nimmt, wie erwähnt, eher Aspekte der speziellen Gefahrenabwehr in den Fokus.6
Unter Denkmalpflege versteht man alle geistigen, technischen, handwerklichen und künstlerischen Maßnahmen, die zur Bewahrung und Unterhaltung von Kulturdenkmalen erforderlich sind. Das heißt, das Begriffsmerkmal bezieht sich einerseits auf die praktischen Maßnahmen zur Erhaltung, Pflege und Restaurierung von Kulturdenkmalen. Die Denkmalpflege füllt somit den vom Denkmalschutz gezogenen Rahmen aus. Andererseits bedeutet Denkmalpflege jedoch auch neben den Tätigkeiten, die dem sorgsamen Umgang mit den Kulturdenkmalen dienen auch die Beratung der Denkmaleigentümer bis zur finanziellen Unterstützung von Erhaltungsmaßnahmen oder denkmalfördernde Öffentlichkeitsarbeit.7
Das Verhältnis der Begriffe zueinander ist zwar umstritten.8 Auf diesen Streit kommt es jedoch sowohl theoretisch als auch praktisch in Baden-Württemberg nicht an. Die Begriffe Denkmalschutz und Denkmalpflege ergänzen sich; Denkmalschutz und Denkmalpflege verfolgen jedenfalls dieselbe Aufgabe,9 um einen ganzheitlichen Schutz des kulturellen Erbes zu erreichen.
2.2. Hauptaufgabe: Schützen und pflegen
§ 1 Abs. 1 HS. 1 DSchG bestimmt, dass Kulturdenkmale zu schützen und zu Pflegen sind. Die indikativische Formulierung (Wirklichkeitsform) bedeutet in der weiteren Konsequenz, dass der Schutz und die Pflege von Kulturdenkmalen für die Denkmalpflege und den Denkmalschutz verpflichtend sind.
„Schützen [bedeutet] – unabhängig von den eingesetzten hoheitlichen oder schlicht hoheitlichen Mitteln – primär die abwehrende, repressive […] Tätigkeit.“10
„Pflege meint alle Tätigkeiten, die dem sorgsamen Umgang mit den Kulturdenkmalen dienen.“11 Somit werden von dem Begriff Tätigkeiten erfasst, die das Kulturdenkmal eher aktiv behandeln oder fördern.12
Aus diesen beiden Hauptaufgaben, lassen sich alle in § 1 Abs. 1 DSchG weiter benannten Einzelaufgaben ableiten.
2.2.1. Einzelaufgabe: Überwachung des Zustands von Kulturdenkmalen
„Zum Überwachen des Zustandes gehört die Kenntnis der Schutzobjekte (Inventarisation). Darüber hinaus setzt der Kontrollauftrag voraus, dass sich die Denkmalschutz- und Denkmalpflegebehörden einen allgemeinen Überblick über den Denkmalzustand verschaffen, das Baugeschehen begleiten und auf konkrete Hinweise von dritter Seite hin tätig werden. Jedes einzelne Kulturdenkmal im Land zu überwachen ist gesetzlich nicht gefordert.“13
Hieraus ergibt sich eine zeitliche Reihenfolge: Historisch am Anfang aller staatlichen Denkmalpflege steht die wissenschaftliche Erfassung und das Sammeln von Kenntnissen über Kulturdenkmale neben deren Erforschung, Dokumentation und Veröffentlichung der über sie gewonnenen Erkenntnisse.14
Die Einzelaufgabe sollte aber auch aus der Perspektive der Gefahrenabwehr interpretiert werden. Das führt zu einem Aufgabenverständnis, welches mit § 66 LBO, also der Bauüberwachung, verwandt ist.
2.2.2. Einzelaufgabe: Abwendung von Gefährdungen
„Eine Gefahr liegt nach der klassischen Begriffsdefinition dort vor, wo ‚aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden‘ (PrOVG, Urteil vom 15. Oktober 1894, PrVBl 16, 125 <126>).“15 „[Ein] Schaden ist jede erhebliche Beeinträchtigung der Integrität eines Kulturdenkmals.“16
Das bedeutet, wegen der Aufgabe gelten die aus dem allgemeinen Polizeirecht entwickelten Grundsätze der Effektivität der Gefahrenabwehr gleichermaßen im Denkmalrecht. Da zum Zeitpunkt der Abwendung der Gefahr lediglich ein Schaden erwartbar, aber noch nicht eingetreten sein muss, bedeutet dies auch, dass sich die Gefährdungsabwendung aus der zeitlichen Perspektive im Voraus bewertet. Es muss also danach gefragt werden, ob bei ungestörter Weiterentwicklung des Zustandes aus der jetzigen Perspektive für das Kulturdenkmal Schädigungen zu erwarten sind.
2.2.3. Einzelaufgabe: Bergung
„Bergen meint einen Ortswechsel des Denkmals von dem jetzigen an einen sicheren Ort.“17 Aus der Schutzaufgabe und dem natürlichen Sprachgebrauch ergibt sich, dass mit dem Begriffsmerkmal hauptsächlich das in Sicherheit bringen von gefährdeten Kulturdenkmälern gemeint ist. Nicht zwingend erforderlich ist, dass die Bergung im Rahmen der archäologischen Denkmalpflege erfolgt, da z. B. auch Luftverschmutzungen oder saurer Regen ein Kulturdenkmal angreifen können.18
2.2.4. Weitere nicht in § 1 Abs. 1 DSchG direkt benannte Einzelaufgaben
Die Denkmalförderung ist nicht explizit im Gesetz genannt. Sie hat sich jedoch seit Langem neben den in § 1 Abs. 1 DSchG genannten Aufgaben etabliert. Die denkmalfördernde Tätigkeit erfasst insbesondere auch:
- Bildungsarbeit, beispielsweise durch Bibliotheken oder Museen,19
- Finanzielle Unterstützung für Kulturdenkmale,20
- Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung der Bevölkerung für den Wert des kulturellen Erbes.21
3. Absatz 2
3.1. Landesaufgabe
§ 1 Abs. 2 HS. 1 DSchG stellt klar, dass es sich beim Schutz von Kulturdenkmalen um eine staatliche Aufgabe handelt. Denkmalschutz und Denkmalpflege sind damit grundsätzlich Ländersache.
3.2. Übertragene Aufgabe für Gemeinden
Durch die im Gesetz verankerte Aufgabenverteilung wird sichergestellt, dass auch die Gemeinden aktiv zum Schutz und zur Pflege von Kulturdenkmalen beitragen. Diese Pflichtenstellung ist stärker als jene eines privaten Denkmaleigentümers.22 Die Gemeinden sind dabei angehalten, im Rahmen ihrer finanziellen und personellen Möglichkeiten entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Zwar handelt es sich hierbei um einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung (Art. 71 LV). Dieser wird jedoch als zumutbar erkannt.23
§ 1 Abs. 2 HS. 2 DSchG stellt klar, dass der Schutz von Kulturdenkmalen vom Land auch auf die Gemeinden übertragen werden kann. Damit wird einerseits eine Verknüpfung zu § 3 Abs. 3 S. 1 DSchG hergestellt. Andererseits ergibt sich daraus auch, dass die Gemeinden ebenfalls Akteure im Denkmalschutz sind: So werden diese beispielsweise bei der Eintragung von Kulturdenkmalen angehört (§ 13 Abs. 2 DSchG), Gemeinden können Gesamtanlagensatzungen erlassen (§ 19 Abs. 1 DSchG) und Zufallsfunde können auch bei der Gemeinde angezeigt werden (§ 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 DSchG).
- 1. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 1.
- 2. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 3 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 – 7 A 4/07.
- 3. Kluth in: Wolff/Bachof/Stober/Klut, VerwaltungsR I, 13. Aufl. (2017), § 38 Rn. 49.
- 4. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 1, 14.
- 5. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 3.
- 6. Kluth in: Wolff/Bachof/Stober/Klut, VerwaltungsR I, 13. Aufl. (2017), § 38 Rn. 49 formuliert "ordnungsrechtliche Komponente."
- 7. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 4.
- 8. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 3.
- 9. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 3.
- 10. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 3.
- 11. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 4.
- 12. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 3.
- 13. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 5.
- 14. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 9.
- 15. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 7 C 19/02.
- 16. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 3.
- 17. Hager in: Hager/Hammer/Morlock/Zimdars/Davydov, DenkmalR BW, 2. Aufl. (2016), § 1 Rn. 5; vgl. auch § 18 Abs. 1, 20 Abs. 2 DSchG.
- 18. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 9.
- 19. Strobl in: Strobl/Sieche/Kemper/Rothemund, DSchG für BW, 5. Aufl. (2025), § 1 Rn. 8.
- 20. Beispielsweise findet dies Ausdruck in der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums für die Gewährung von Zuwendungen zur Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmalen (VwV-Denkmalförderung) vom 28. November 2019 - Az.: 5-2552.1/9.
- 21. So zumindest in § 1 Abs. 1 S. 2 DSchG SL 2018 (Amtsblatt I 2018, 358, zuletzt geändert durch Artikel 260 des Gesetzes vom 8. Dezember 2021 (Amtsbl. I S. 2629).
- 22. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.1992 - 1 S 2245/90.
- 23. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.1989 1 S 736/88.