Kiesabbau und Photovoltaik – ein Brückenschlag zum mitgezogenen Gewerbebetrieb
Der Gesetzgeber forciert den Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch aus Sicht des öffentlichen Baurechts sind diese Tendenzen deutlich erkennbar. So hat der Bundesgesetzgeber beispielsweise Mitte des Jahres 2023 den § 35 Abs. 1 BauGB um einen neuen Tatbestand ergänzt, der Agri-Photovoltaikanlagen1 im räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem landwirtschaftlichen Betrieb privilegiert zulässig macht. Wohin die Reise noch führt, wird sich zeigen - auch wie die Vorschrift des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 a), b) oder c) EEG im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung und dem § 2 S. 1 EEG auszulegen sein wird.
In Oberschwaben fand Kiesabbau in größerem Stil jedenfalls seit Beginn des 20. Jahrhunderts rege statt, wenn nicht sogar schon früher. Dies hängt mit den geologischen Gegebenheiten hier zusammen. So mag sich der ein oder andere noch an die Würmeiszeit aus dem Erdkundeunterricht aus der Schule erinnern. Eiszeiten und die Alpen trugen vor tausenden von Jahren dazu bei, dass der Bodensee entstand und die Region Oberschwaben landschaftlich so geformt wurde, wie sie jetzt ungefähr noch ist. Kiesabbaubetriebe profitieren heute davon. Ein Freund, der unter dem großen Dach des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg beruflich tätig ist, witzelte einst als „oberschwäbische Fruchtfolge“ darüber: „Weizenacker, Maisacker, Kiesgrube, Bauplatz“.
Dorfbewohner, Touristen und im öffentlichen Baurecht Tätige kennen es: Ein landwirtschaftlicher Betrieb hat oft noch irgendwo ein oder zwei weitere Standbeine, die im Zusammenhang mit diesem stehen: Sei es das Vesperstüble, in dem die eigens erzeugten landwirtschaftlichen Produkte, wie beispielsweise Brot, Wurst und Käse, Ausflüglern angeboten werden, sei es das Gästezimmer, das zu Ferienzwecken vermietet wird. Ein sogenannter mitgezogener Gewerbebetrieb rundet einen bereits schon seit Generationen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb oft erst richtig ab, die weitergehende Nutzung fügt sich – auch betriebswirtschaftlich – in das Gesamtkonzept ein.
So erreichte die Baurechtsbehörde im Herbst 2023 eine interessante Bauvoranfrage, in welcher ein bestehender Kiesabbaubetrieb seinen Betrieb mit der photovoltaischen Nutzung zur überwiegenden Eigenstromproduktion kombinieren wollte. Wieso also nicht Brücken bauen?
Kiesabbaubetriebe werden unter das Merkmal in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB der sogenannten ortsgebundenen gewerblichen Betriebe subsumiert. Kiesvorkommen finden sich nicht überall, wenn auch hier und da häufiger.
Wieso sollten die von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu dem mitgezogenen Gewerbebetrieb für einen landwirtschaftlichen Betrieb also nicht auch für den Kiesabbau als ebenfalls im Außenbereich privilegierte Vorhaben gelten?
Die von der unteren Baurechtsbehörde eingeholte fachbehördliche Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde ergab jedenfalls, dass diese die geplante Photovoltaikanlage im Zusammenhang mit dem Kiesabbaubetrieb nicht als Nebeneinrichtung i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 4. BImSchV verstand, da es ihr an einem betriebstechnischen Zusammenhang mangelte. So argumentierte die untere Immissionsschutzbehörde, dass die Stromerzeugung für den Kiesabbaubetrieb auch durch einen beliebigen Dritten (Stromerzeuger) geleistet werden könne.
Also unternahm die Baurechtsbehörde das, was sie immer tun kann, wenn Unsicherheiten anstehen: Sie holte weitere Informationen beim Bauherrn ein, da insbesondere noch nicht klar war, welchen Anteil an dem benötigten Strom des Kiesabbaubetriebs die geplante Photovoltaikanlage künftig durchschnittlichen decken würde.
Die Baurechtsbehörde leitete die Anfrage aber auch der höheren Baurechtsbehörde weiter, insbesondere, um zu erfragen, ob der gedankliche Brückenschlag zu dem mitgezogenen Gewerbebetrieb bei einem landwirtschaftlichen Betrieb so denkbar wäre. Jedenfalls sprach hierfür doch auch der § 2 S. 1 EEG.
Glücklicherweise war der höheren Baurechtsbehörde eine ähnliche Anfrage bereits etwas früher übersandt worden. Die höhere Baurechtsbehörde hatte sich in dem vorausgegangenen Fall mit der obersten Baurechtsbehörde abgestimmt, welche aber auch die Meinung vertrat, dass ein Kiesabbaubetrieb eine Freiflächen-Photovoltaikanlage als mitgezogener Gewerbebetrieb haben könne.
Letztendlich beschied die untere Baurechtsbehörde die Bauvoranfrage mit mehreren Nebenbestimmungen positiv.