Außenbereichsvorhaben und der Zeitfaktor – Gedanken zu befristeten Bebauungsplänen und Freiflächen-PV-Anlagen als Behelfsbau

Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass, wenn sicher zu erwarten ist, dass ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB nur vorübergehend beeinträchtigt wird, diesem bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB ein geringeres Gewicht zukommt, als dauerhafte Beeinträchtigungen.1

Wie hingegen der Begriff „vorübergehend“ im Einzelnen auszulegen ist, dürfte wegen dessen Unbestimmtheit stets von einer wertenden Betrachtung und dem jeweiligen Einzelfall abhängig sein. Streng am Wortlaut klebend argumentiert ist alles irgendwie vorübergehend, selbst im Bau- und Kommunalrecht. Dies hat die Gemeindegebietsreform in Baden-Württemberg zu Beginn der 1970er Jahre gezeigt.2 Dies zeigen Einfamilienhäuser, wenn diese lange keine Instandhaltungsmaßnahmen erfahren und zu Ruinen werden.

Dass der Faktor Zeit auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sowie für die von der Gemeinde zu treffende Abwägung eine entscheidende Rolle spielen kann, zeigt auch der § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BauGB. Die Vorschrift fand ihren Eingang in das Baugesetzbuch im Jahre 2004 und bezweckte Gemeinden das planungsrechtliche Instrument in die Hand zu geben, um z. B. im Vorgriff auf absehbare Entwicklungen und Veränderungen bauliche Nutzungen festlegen lassen zu können.3 So wäre es jedenfalls nach geltendem Recht denkbar, einen Bebauungsplan für die photovoltaische Nutzung (mit der Festsetzung als Sondergebiet) in befristeter Weise als Gemeinde aufzustellen. Da Photovoltaikmodule jedoch über eine begrenzte „Lebensdauer“ verfügen, welche derzeit wohl ca. 20 Jahre beträgt, könnte auf diese Weise die in dem Geltungsbereich des Bebauungsplans stattfindende Nutzung weiter gesteuert werden, da gem. § 9 Abs. 2 S. 2 BauGB die Folgenutzung ebenfalls festgesetzt werden soll. Auf diese Weise könnte beispielsweise dem oft als Stellungnahme vorgetragenen Einwand des „Flächenentzugs für die Landwirtschaft“ etwas der Wind aus den Segeln genommen werden.

Jedoch auch aus bauordnungsrechtlicher Perspektive hätte ein derartiger, wenn auch befristeter Bebauungsplan, weitere Vorteile. Sofern der Bebauungsplan qualifizierte Festsetzungen nach § 30 Abs. 1 BauGB enthielte, wäre es jedenfalls denkbar, Freiflächenphtovoltaikanlagen im Geltungsbereich des befristeten Bebauungsplans im Wege des Kenntnisgabeverfahrens zu realisieren (vgl. § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HS. 2 LBO). Die Vorschrift des § 51 Abs. 2 LBO macht jedenfalls im Hinblick auf befristete Bebauungspläne keine Einschränkungen. Wegen des späteren Rückbaus nach Ablauf der Frist für die festgesetzte Nutzung in dem Bebauungsplan könnte beispielsweise ein städtebaulicher Vertrag (§ 11 BauGB) dies absichern. In der Praxis werden Vorhabenträger erfahrungsgemäß ohnehin dazu übergehen, ein derartiges Projekt im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB realisieren zu wollen, sodass entsprechende Regelungen über einen (sukzessiven) Rückbau bereits im Durchführungsvertrag getroffen werden könnten.

Wenn befristete Außenbereichsvorhaben wegen deren vorübergehender Standzeit bei einer zu treffenden Abwägung nach § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB wegen des Zeitfaktors eher positiv zu bewerten sind, da keine dauerhafte Außenbereichsbeeinträchtigung eintritt, dann könnte dies für Freiflächenphotovoltaikanlagen doch auch bedeuten, dass diese ohne Bebauungsplan als befristeter Behelfsbau an sich unter bestimmten Umständen zulässig sein können. Aufgrund der jetzigen Rechtslage erscheint diese Schlussfolgerung geradezu ketzerisch.

So könnte der Schlussfolgerung beispielsweise folgendermaßen argumentativ begegnet werden:

  • Ab einer gewissen Größe handelt es sich auch bei einer Freiflächenphotvoltaikanlage um ein Großvorhaben, für welches das von der Rechtsprechung entwickelte Erfordernis eines Bebauungsplans gilt.4
  • Wird die Anlage realisiert, handelt es sich um einen Eingriff in die Natur nach § 14 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 NatSchG, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB. Das folgt auch daraus, dass die Anlage wege- und leitungsmäßig erschlossen werden muss.

Kennzeichnend für einen Behelfsbau gem. § 56 Abs. 4 Nr. 2 LBO ist, dass er nach der Art der Ausführung für eine dauernde Nutzung nicht geeignet ist und für eine begrenzte Zeit aufgestellt wird. Daher bestimmt § 58 Abs. 4 LBO, angepasst an vorgenannte Definitionsvorschrift: „Behelfsbauten dürfen nur befristet oder widerruflich genehmigt werden. Nach Ablauf der gesetzten Frist oder nach Widerruf ist die Anlage ohne Entschädigung zu beseitigen und ein ordnungsgemäßer Zustand herzustellen.“.

Das Merkmal der befristeten Genehmigung erfasst nicht nur die Nebenbestimmung der Befristung nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG, sondern auch jenes der Bedingung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG, denn die Nutzungsdauer kann beispielsweise auch an den Eintritt eines künftig noch ungewissen Zeitpunkts geknüpft werden.5

Das Merkmal widerruflich bezieht sich auf die Nebenbestimmung des Widerrufsvorbehalts in § 36 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG. Ein Widerrufsvorbehalt schränkt zwar das Vertrauen in den Fortbestand einer Baugenehmigung als Verwaltungsakts ein, da er die Möglichkeit gem. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LVwVfG begründet, später den Verwaltungsakt zu widerrufen. Insofern kann sich die Baurechtsbehörde unter Umständen später leichter wieder von diesem lösen. Interessant im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen ist jedoch auch, dass der Widerrufsvorbehalt es grundsätzlich auch ermöglicht, „dem ursprünglichen Verwaltungsakt zusätzliche Regelungen, auch weitere Nebenbestimmungen, hinzuzufügen.“.6

Unter diesen Gesichtspunkten könnte der vorstehenden Argumentation entgegengehalten werden:

  • Dem Eingriff in die Natur kann durch einen Widerrufsvorbehalt in der Baugenehmigung begegnet werden, der es ermöglicht, der Baugenehmigung auch nachträglich weitere umweltschützende Regelungen beizufügen.
  • Ab welcher flächenmäßigen Größenordnung das von der Rechtsprechung entwickelte Bebauungsplanerfordernis als öffentlicher Belang gem. § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB greift, kann nicht schematisch beantwortet werden. Das gilt erst Recht nicht vor dem Hintergrund des neu erlassenen § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB und des § 2 S. 1, S. 2 EEG.

Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass die Realisierung von Freiflächenphotovoltaikanlagen ohne (befristeten) Bebauungsplan derzeit noch unklar ist.
Die Erteilung einer befristeten und widerruflichen Baugenehmigung für eine Freiflächenphotovoltaikanlage außerhalb der Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB auf der grünen Wiese nach § 35 Abs. 2 BauGB wäre zwar abstrakt denkbar, jedoch unter intensiver Prüfung des Einzelfalls und wohl nur mit mehreren Nebenbestimmungen.
Ob sich dies auch vor dem Hintergrund des § 2 S. 1 EEG in Zukunft noch so rechtfertigen lassen wird, wird sich zeigen. Weitere gesetzliche Konkretisierungen hierzu dürften wohl erforderlich sein, wenn Deutschland die Energiewende meistern möchte. Es bleibt spannend, ob der Bundesgesetzgeber an einer weiteren Änderung des Baugesetzbuchs arbeitet, sodass analog zu der Sonderregelung für Windenergieanlagen (§ 249 BauGB) auch Sonderregelungen für Freiflächenphtovoltaikanlagen geschaffen werden, um diese jedenfalls in vom Flächennutzungsplan dargestellten Sammelbereichen zulässig zu machen. Hiermit ist meiner Meinung nach zu rechnen.

  • 1. So auch Kellermann in: Rixner/Biedermann/Charlier, BauGB / BauNVO, 4. Aufl. (2022), § 35 BauGB Rn. 64 mit Verweis auf: BVerwG, Beschluss vom 28.10.2015 – 4 B 44.15 – Rn. 3 m. w. N..
  • 2. https://de.wikipedia.org/wiki/Gebietsreform_in_Baden-W%C3%BCrttemberg
  • 3. Bothe in: Rixner/Biedermann/Charlier, a. a. O., § 9 BauGB Rn. 160.
  • 4. S. Bönker in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 5. Aufl. (2024), § 8 Rn. 294-296 m. w. N., z. B.: BVerwG, Urteil vom 11.03.1977 – IV C 45.75 –, Rn. 25; VGH BW, Urteil vom 30.06.1982 – 5 S 314/81.
  • 5. S. z. B. Schlotterbeck in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 8. Aufl. (2020), § 58 Rn. 569-573.
  • 6. S. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. (2017), § 36 Rn. 62.