Die Teilabhilfe – das exotische Wesen

Dieser Beitrag soll das Rechtsinstitut der Teilabhilfe im allgemeinen Verwaltungs- und öffentlichen Baurecht, jedoch außerhalb des Kommunalabgabenrechts, näher beleuchten, die unterschiedlichen Meinungen hierzu zusammenfassen, wiedergeben sowie einen weiteren denkbaren Lösungsansatz aufzeigen. Daneben soll auch thematisiert werden, wie es zu Teilabhilfesituationen im öffentlichen Baurecht kommen kann und wie diese ggf. aus behördlicher Sicht vermieden werden können. Außerdem soll sich der Frage angenähert werden, wie die Teilabhilfe hinsichtlich deren Rechtsnatur eingeordnet werden kann, sofern hierzu überhaupt eine Aussage möglich ist.

Der Verfasser erhebt bei den Ausführungen weder Anspruch auf Vollständigkeit noch Richtigkeit. Da das Thema vor allem in der Literatur umstritten ist, aber auch in der Rechtsprechung unterschiedlich behandelt wird, wie noch aufgezeigt wird, müssen die vom Verfasser vertretenen Ansichten nicht unbedingt vom Leser geteilt werden. Mit dem Beitrag wird jedenfalls auch das Ziel verfolgt, einen Meinungsüberblick über das Thema wiederzugeben und gegebenenfalls eine sachliche Diskussion anzuregen. Die folgenden Ausführungen sind außerdem nicht nur wissenschaftlicher Natur, da sie teilweise auch auf einem vom Verfasser miterlebten Sachverhalt beruhen und stellenweise dessen eigene Meinung wiedergeben. Vielleicht kann sich auch hierauf aufbauend ein weiterer sachlicher Diskurs der Leserschaft anschließen, denen Ähnliches – gerne auch aus anderem Fachrecht – bereits begegnet ist.

1. Einführung und Abgrenzungsfragen

Das Rechtsinstitut der Teilabhilfe hat seine Wurzeln wohl im Abgabenrecht. Hier gibt es das Einspruchsverfahren (§§ 347 ff. AO), das jedenfalls strukturelle Ähnlichkeiten zu dem Widerspruchsverfahren als Vorverfahren in den §§ 68 ff. VwGO und den §§ 79 f. LVwVfG hat. Rückgriffe auf die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes und der Länder aus dem Steuerrecht verbieten sich jedoch.2 Dabei ist das Rechtsinstitut der Teilabhilfe schon seit geraumer Zeit nicht nur in der steuerrechtlichen Literatur3 und Rechtsprechung4 bekannt (§ 367 Abs. 2 AO). Das hängt damit zusammen, dass Geldleistungen fast immer irgendwie aufteilbar sind. Dass Teilabhilfeentscheidungen im Widerspruchsverfahren generell denkbar sind, ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 113 Abs. 1 S. 1, 72 VwGO wegen der Formulierung „soweit“.

Nicht von dem Beitrag erfasst sein soll, dass die Widerspruchsbehörde lediglich über Teile eines Widerspruchs vorab durch Teilwiderspruchsbescheid entscheidet (dies ist jedenfalls im Steuerrecht ausdrücklich in § 367 Abs. 2a AO geregelt). Die Ausgangsbehörde, z. B. eine Gemeinde und gleichzeitig untere Baurechtsbehörde, könnte dies auch in der Regel nicht, jedenfalls nicht in Baden-Württemberg, selbst wenn sich der Widerspruch nur gegen die Gebührenentscheidung zu einer Baugenehmigung richtete (vgl. § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 17 AGVwGO).

Trotzdem existiert die Möglichkeit der Teilbarkeit sehr wohl auch im öffentlichen Baurecht, selbst außerhalb der ausdrücklich gesetzlich geregelten Rechtsinstitute wie beispielsweise einer Teilbaugenehmigung (§ 61 LBO) oder der Zwischenabnahme (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 LBO). So ist es jedenfalls denkbar und der Praxis Gang und Gäbe, für verschiedene Bauabschnitte auch Teilbaufreigaben (§ 59 LBO) zu erteilen.5 Eine Teilbarkeit des Vorhabens kann also einerseits dadurch entstehen, dass das Vorhaben bautechnisch aufteilbar ist.6 Eine Aufteilbarkeit kann jedoch denkbarerweise auch dadurch entstehen, indem beispielsweise von einer baurechtlichen Vorschrift eine bestimmte (abstrakte) Nutzungsdauer vorgeschrieben wird (z. B. § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c) BauGB). In dem Fall führt beispielsweise der Faktor Zeit unter Umständen zu einer Aufteilbarkeit und einer weiter zu berücksichtigenden dynamischen Fallkomponente.

2. Meinungsspektrum und Umgang mit Teilabhilfen

Das Meinungsspektrum zur Teilabhilfe ist in der Literatur und Rechtsprechung vielfältig und der Umgang damit ebenso umstritten. Vereinfacht ausgedrückt, lassen sich hinsichtlich der unterschiedlichen Literaturmeinungen zwei Lager herauslesen:

Ein Teil stellt sich auf den Standpunkt, dass die Teilabhilfe das Widerspruchsverfahren in dem jeweiligen Umfang beende, soweit die Teilabhilfe ausgesprochen worden sei. Mit anderen Worten: Der Verwaltungsakt erledige sich noch im Vorverfahren nach § 43 Abs. 2 LVwVfG teilweise durch „anderweitige Aufhebung“. Dies ist jedenfalls als rechtliches Konstrukt denkbar.7

Der andere Teil argumentiert eher aus Sicht der Widerspruchsbehörde und stellt sich auf den Standpunkt, eine von der Ausgangsbehörde erklärte Teilabhilfe habe auf den Ausgang des Vorverfahrens keinen Einfluss, es trete auch keine teilweise Erledigung ein.8

2.1. Die verschiedenen Literaturmeinungen

Im Detail seien die verschiedenen Literaturmeinungen zu dem Thema nachfolgend wiedergegeben, wobei zunächst jene Meinungen vorangestellt seien, die bei der Teilabhilfe eher von einer teilweisen Erledigung des Widerspruchs oder dessen Teilverbrauch ausgehen (s. Ziff. 1, 2, 3, 4, 5) und anschließende jene Meinungen genauer behandelt werden, welche die gegenläufige Meinung vertreten (s. Ziff. 7, 8, 9, 11,) oder ggf. zu einem anderen oder weitergehenden Ergebnis kommen (s. Ziff. 10). Die übrigen, nicht explizit genannten Auffassungen, halten sich eher offen. Es wird versucht, möglichst viele Meinungen zu sammeln und diese wiederzugeben:

2.1.1. Funke-Kaiser

Funke-Kaiser formuliert:

„Der Devolutiveffekt, der das Vorverfahren bei der Widerspruchsbehörde anhängig macht, wird erst durch die Nichtabhilfeentscheidung herbeigeführt. Eine nur teilweise Abhilfe beendet in diesem Umfang das Vorverfahren und führt insoweit keinen Devolutiveffekt herbei [mit Verweis auf: Mannheim VBlBW 1982, 13; Renck DÖV 1973, 264; S/Dolde/Porsch Rn 12; aA Allesch S 149; E/Rennert Rn 6; NK-Geis Rn 22]. Folge hiervon ist, dass insoweit die Widerspruchsbehörde an einer Verschlechterung gehindert ist (§ 68 Rn 16, § 79 Rn 3) [...], denn erst der Devolutiveffekt eröffnet diese Möglichkeit.“9

2.1.2. Schenke

Schenke formuliert:

„Ein dem Widerspruch (ganz oder teilweise) stattgebender Abhilfebescheid muss nach ausdrücklicher Bestimmung des § 72 [VwGO] auch über die Kosten entscheiden, da er den Widerspruch insoweit verbraucht, als er ihm abhilft [mit Verweis auf: BVerwG, Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29/80; BVerwG, Urteil vom 23.02.1982 - 7 C 72/79; VGH BW, Beschluss vom 06.10.1980 – 3 S 1510/80; Bay VGH, Urteil vom 25.03.1988 – 23 B 87.2360; Bay VGH, Urteil vom 02.08.1988 – 5 B 88.1024; OVG NRW, Urteil vom 15.05.1991 – 22 A 1809/90; Schmidt, BayVBl 1982, 90; aA zur Teilabhilfe BVerwG, Urteil vom 15.02.1991 – 8 C 83/88 –, BVerwGE 88, 41-46 <...>].“10

2.1.3. Hufen

In ganz ähnlicher Weise äußert sich Hufen:

„Hilft die Behörde einem Widerspruch nur teilweise ab, so ergeht zwar insofern ein Abhilfebescheid; gleichwohl ist die Behörde verpflichtet, die Angelegenheit der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über den abgelehnten Teil vorzulegen. Über diesen abgelehnten Teil muss dann ein Widerspruchsbescheid ergehen (BverwGE 70, 4 [= BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1984 - 7 C 28/83 –, BVerwGE 70, 4-13])."11

2.1.4. Wienbracke

Wienbracke formuliert:

„Im Falle einer nur teilweisen Abhilfeentscheidung wird hinsichtlich des nicht abgeholfenen Teils das Widerspruchsverfahren weitergeführt; an einen Teilabhilfebescheid ist die Widerspruchsbehörde nicht gebunden. Die Abhilfebefugnis besteht auch nach erfolgter Vorlage an die Widerspruchsbehörde bis zu deren Entscheidung fort. Auch der Devolutiveffekt steht dem nicht entgegen, weil er keine ausschließliche Zuständigkeit begründet. ‚Mangels Entscheidungsmonopols der Widerspruchsbehörde besteht für die Dauer des Devolutiveffekts eine Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde.‘, siehe Schoch, Jura 2003, S. 752 (756). Nach Abschluss des Vorverfahrens vermag die Ausgangsbehörde den Verwaltungsakt dagegen nur noch auf der Grundlage der §§ 48, 49 VwVfG aufzuheben, wobei eine Aufhebung des Ausgangsbescheides i. d. F. des Widerspruchsbescheids ohne eine Änderung der Sach- und Rechtslage aber i. d. R. ermessensfehlerhaft ist.“12

2.1.5. Giemulla

Giemulla meint:

„Ein förmlicher Abhilfebescheid muss nur dann ergehen, wenn dem Widerspruch ganz oder teilweise abgeholfen wird, da das Verfahren insoweit beendet ist. Dementsprechend bedarf es bei einer Nichtabhilfe weder einer ausdrücklichen Entscheidung noch einer Mitteilung an den Betroffenen, dass der Widerspruch der nächsthöherne Behörde vorgelegt wurde oder werden soll. Falls ein solcher ‚ablehnender Abhilfebescheid‘ (bei diesem würde es sich im Übrigen um eine bloße Mitteilung handeln, nicht um einen VA) aber ergehen sollte, braucht dagegen nicht erneut Widerspruch eingelegt zu werden, da der Ablehnung in diesem Fall keine selbständige rechtserhebliche Bedeutung zukommt und der Widerspruch auch insoweit den Fall mit umfasst. Zu beachten ist, dass für das Abhilfeverfahren die Vorschriften für den Erlass des umstrittenen VA ebenfalls gelten, d. h. mangels spezieller Regelungen die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder […].“13

2.1.6. Allesch

Allesch formuliert:

„Zum Erlass eines Teilabhilfebescheids ist die Behörde zwar berechtigt, aber nach dem Wortlaut des § 72 VwGO (etwa im Vergleich mit § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht verpflichtet (vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 26 Rn. 7, 8). Hebt die Ausgangsbehörde auf den Widerspruch des Betroffenen den angegriffenen VA in vollem Umfang auf, handelt es sich (schon aus Gründen der Abgrenzbarkeit) selbst dann um eine Vollabhilfe, wenn gleichzeitig oder später ein Bescheid mit ähnlichem Inhalt oder einer geringeren Belastung erlassen wird (vgl. BVerwG [, Urteil vom 15.02.1991 – 8 C 83/88 –, BVerwGE 88, 41-46]). Hilft die Ausgangsbehörde einem Widerspruch nur teilweise ab, obliegt die Kostenentscheidung für das gesamte Vorverfahren der Widerspruchsbehörde (vgl. BVerwG, a. a. O.).“14

2.1.7. Linhart

Differenzierter äußert sich Linhart wie folgt:

„Es wird auch die Auffassung vertreten, dass die Ausgangsbehörde auf einen nach Art. 15 Abs. 1 AGVwGO statthaften Widerspruch einen Teilabhilfebescheid erlassen könne, aber dann verpflichtet sei, die Sache der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über den verbleibenden Teil des Widerspruchs vorzulegen. Bei einem solchen Verfahren ist zu beachten, dass

  • im Teilabhilfebescheid der Ausgangsbehörde der ursprüngliche Verwaltungsakt nicht aufgehoben, sondern nur geändert wird [Verweis auf: Vgl. Redeker/von Oertzen, § 72 RdNr. 2.] eine Aufhebung wäre ja [...] nichts anderes als eine Vollabhilfe;
  • der Teilabhilfebescheid den Widerspruch nicht teilweise verbraucht und deshalb der gesamte Verfahrensgegenstand bei der Widerspruchsbehörde anhängig wird [Verweis auf: Vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 26 RdNr. 8; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, § 72 RdNr. 5; Renck, DÖV 1973, 265.];
  • der Teilabhilfebescheid keine Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens enthalten darf; die Kostenentscheidung kann erst im Widerspruchsbescheid getroffen werden, weil erst dieser das Widerspruchsverfahren endgültig abschließt und sich erst in diesem Zeitpunkt übersehen lässt, wer im Endergebnis unterliegt;
  • der Teilabhilfebescheid nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung für den Widerspruchsführer zu versehen ist, weil der Widerspruch ohnehin der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über den verbleibenden Teil vorgelegt wird; es empfiehlt sich, in den Teilabhilfebescheid einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen, damit der Widerspruchsführer nicht auf den – nahe liegenden – Gedanken kommt, gegen den Teilabhilfebescheid erneut Widerspruch einzulegen oder dagegen zu klagen;

Beispiel: „Soweit Ihrem Widerspruch durch diesen Bescheid nicht abgeholfen werden konnte, wird darüber das Landratsamt Schönberg durch Widerspruchsbescheid entscheiden.“

  • in Fällen, in denen der Teilabhilfebescheid einen Dritten erstmalig beschwert, dem Dritten eine auf die Klagemöglichkeit hinweisende Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen ist (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO, Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO);

Beispiel: Auf einen Nachbarwiderspruch hin hebt zwar das Landratsamt die dem Huber erteilte Erlaubnis zum Betrieb eines gebäudebezogenen Kindergartens entgegen dem Widerspruchsbegehren des Nachbarn nicht auf, verbindet sie aber mit Auflagen (vgl. Art. 9 Abs. 3 BayKiBiG). Die für den Huber bestimmte Ausfertigung des Teilabhilfebescheides ist mit einer auf die Klagemöglichkeit hinweisenden Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.

  • im Widerspruchsbescheid das Widerspruchsverfahren nicht insoweit einzustellen ist, als die Ausgangsbehörde dem Widerspruch abgeholfen hat; das ergibt sich daraus, dass sich der Widerspruch durch die Teilabhilfe nicht teilweise erledigt;
  • der Widerspruchsführer darüber belehrt werden sollte, dass die Teilabhilfe vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung der Widerspruchsbehörde erfolgt und über die Kosten des gesamten Widerspruchsverfahrens erst im Widerspruchsbescheid entschieden wird.“15

2.1.8. Kastner

Eine weitere differenzierte Auffassung äußert Kastner:

„Möglich ist auch, dass die Abhilfebehörde den Widerspruch nur teilweise für begründet erachtet. Eine Teil-Abhilfe wird überwiegend als zulässig aber nicht zwingend erachtet. Umstritten ist allerdings die Wirkung der Teil-Abhilfe auf die Sachbescheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde. Nach überwiegender Meinung beendet die Teil-Abhilfe das Widerspruchsverfahren auch nicht teilweise. Vielmehr wird der Teil-Abhilfebescheid neben dem Ausgangsbescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, über den die Widerspruchsbehörde entscheidet. Eine Kostenentscheidung darf ein Teil-Abhilfebescheid schon wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht enthalten. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für die Abhilfebehörde regelmäßig der Verzicht auf die Teil-Abhilfe. Ihre Auffassung zur teilweisen Begründet des Widerspruchs sollte sie dann im Vorlageschreiben an die Widerspruchsbehörde darlegen.“16

2.1.9. Pietzner

Pietzner äußert sich ebenfalls kritisch und differenziert, indem er formuliert:

„Hält die Abhilfebehörde den Widerspruch für teilweise begründet, ist sie zum Erlass eines Teilabhilfebescheids nicht verpflichtet. Eine Abhilfepflicht spricht § 72 VwGO nur für die (Voll-)Abhilfe aus. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, der ausdrücklich auch die Teilaufhebung mit einschließt (‚soweit‘). Die unterschiedliche Behandlung der Voll- und Teilabhilfe rechtfertigt sich daraus, dass die VwGO für den Fall der Teilabhilfe noch einen Bescheid der Widerspruchsbehörde vorsieht und deshalb eine Abhilfepflicht nicht erforderlich ist. Da die Teilabhilfe den Widerspruch nicht Verbraucht [Fußnote 23: Und zwar auch nicht teilweise […], denn weder hat der Widerspruchsführer mit der Teilabhilfe sein Verfahrensziel erreicht, noch ist die Widerspruchsbehörde an den Teilabhilfebescheid gebunden, wie sie auch nicht an den AusgangsVA gebunden ist. […] Die gegenteilige Ansicht Rencks beruht m. E. Zu sehr auf prozessualen Vorstellungen, die aus der Verfahrensherrschaft der Prozessbeteiligten und dem anders gearteten Verhältnis zweier einander übergeordneter Gerichtsinstanzen herrühren dürfen. […] Die Gegenansicht müsste zudem annehmen, dass im Falle einer erstmaligen Beschwer durch den Teilabhilfebescheid dieser durch Klage angefochten werden und es zu einer Überschneidung von Widerspruchs- und Klageverfahren kommen müsste […], wird auch in diesem Fall der gesamte Verfahrensgegenstand bei der Widerspruchsbehörde anhängig. Die Widerspruchsbehörde könnte deshalb den Teilabhilfebescheid aufheben und durch Zurückweisung des Widerspruchs den Ausgangs-VA wiederherstellen. Es wird deshalb i. d. R. zweckmäßig sein, die Teilabhilfe zu unterlassen und den Vorgang mit einer entsprechenden Stellungnahme an die Widerspruchsbehörde weiterzuleiten [Fußnote 24: Ebenso […], der eine Pflicht der Ausgangsbehörde zur Abhilfe annimmt und empfiehlt, den alten VA aufzuheben und durch einen neuen zu ersetzen, der seinerseits dem Widerspruch unterliege. Dies führt zu einer Zurückversetzung des Verfahrens in das Stadium des erstinstanzlichen (Ausgangs-)Verwaltungsverfahrens und widerspricht dem Sinn des Abhilfebescheids als Entscheidung in einem Rechtsbehelfsverfahren. […] halten dies lediglich für eine Zweckmäßigkeitsfrage.], zumal auch die Kostenentscheidung erst im Widerspruchsverfahren getroffen werden kann, da erst dieser das Widerspruchsverfahren endgültig abschließt und erst zu diesem Zeitpunkt sich übersehen lässt, wer im Endergebnis unterliegt. Über die Kosten des Widerspruchsverfahrens darf die Abhilfebehörde nur entscheiden, wenn sie dem Widerspruch voll abhilft. Bei Teilabhilfe könnte sie von vornherein nur über die Kostenquote entscheiden, die dem Umfang des Obsiegens des Widerspruchsführers entspricht, denn eine Verwerfungsbefugnis steht der Abhilfebehörde nicht zu. Hält man einen Kostenentscheid bei Teilabhilfe für geboten, würde dies deshalb zwangsläufig zur Kostentrennung und Teilkostenentscheidungen von Abhilfe- und Widerspruchsbehörde führen – ein Ergebnis, das nicht nur unpraktikabel wäre, sondern auch gegen das den §§ 72, 73 Abs. 3 S. 3 VwGO, 80 VwVfG zugrundeliegende Prinzip der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung verstieße. Insonderheit die mit der Kostenentscheidung zu treffende Entscheidung über die Notwendigkeit der Beiziehung eines Bevollmächtigten (§ 80 Abs. 3 S. 2 VwVfG) kann für das gesamte Widerspruchsverfahren nur einheitlich getroffen werden.“17

2.1.10. Detterbeck

Weitergehend im Hinblick auf eine bestehende Pflicht zur Teilabhilfe äußert sich Detterbeck:

„Hält sie [die Ausgangsbehörde] den Widerspruch nur teilweise für begründet, muss sie den Verwaltungsakt teilweise aufheben [Fußnote 12: […], die a. A., wonach die Ausgangsbheörde zu einer Teilabhilfe nur berechtigt, aber nicht verpflichtet sei, so z. B. […], ist mit dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unvereinbar.].“18

2.1.11. Pfeffer

In seinem (kostenlosen) Online-Skript aus dem Jahr 2003 thematisiert Pfeffer die Teilabhilfe ebenfalls:

„Hält die untere Baurechtsbehörde als Ausgangsbehörde den Widerspruch für zulässig und begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten (§ 72 VwGO). Ein Ermessen steht ihr insofern nicht zu (vgl. VGHBW VBlBW 1989, 53 f). Die Abhilfebefugnis ist dabei auf die positive Entscheidung zugunsten des Widersprechenden beschränkt. Die Abhilfebehörde kann also den angefochtenen Verwaltungsakt nur ganz oder teilweise aufheben - nicht aber den Widerspruch als unzulässig oder unbegründet zurückweisen oder gar den usprünglichen Bescheid zum Nachteil des Widerspruchsführers verbösern. Eine Reformatio in peius ist daher der Abhilfebehörde verwehrt (vgl. OVGBremen BauR 1989, 191 ff). Eine Verwerfungsbefugnis i.d.S. besitzt nur die Widerspruchsbehörde. Hilft die Ausgangsbehörde nicht ab, muß sie den Widerspruch unverzüglich der Widerspruchsbehörde vorlegen, die einen schriftlichen, mit Rechtsbehelfsbelehrung und Kostenentscheidung versehenen Widerspruchsbescheid erläßt (§ 73 VwGO). Strittig ist die Frage, ob die Ausgangsbehörde, wenn sie den Widerspruch nur teilweise für begründet hält, zum Erlaß eines Teilabhilfebescheids verpflichtet ist (vgl. Pietzner, VerwArch 1982, 236). Im Grunde erscheint der Streit in Literatur und Rechtsprechung praxisfern. Auch wenn man die Frage bejahen wollte, würde eine Teilabhilfe den Widerspruch nicht verbrauchen, denn der Widersprechende hätte damit schließlich sein Ziel noch nicht erreicht. Zudem wäre die Widerspruchsbehörde an die Teilabhilfe sowenig gebunden, wie an den usprünglichen Bescheid. Vielmehr würde auch im Fall der Teilabhilfe der gesamte Verfahrensgegenstand bei der Widerspruchsbehörde anhängig, so daß diese den Teilabhilfebescheid auch wieder aufheben und durch Zurückweisung des Widerspruchs die ursprüngliche baurechtliche Entscheidung wieder herstellen könnte.

In der Praxis erscheint es daher i. d. R. untunlich, derartige Teilabhilfen vorzunehmen. Stattdessen bietet es sich an, den gesamten Vorgang der Widerspruchsbehörde vorzulegen. Das gilt um so mehr, als auch die Kostenentscheidung erst im Widerspruchsbescheid getroffen werden kann, da erst dieser das Vorverfahren endgültig beendet und somit erst zu diesem Zeitpunkt feststeht, wer im Endergebnis (ggf. mit welcher Quote) unterliegt (BVerwGE 88, 41 [46]; a.A. VGHBW ESVGH 31, 224 f; VGH BW NVwZ-RR 1992, 54). Über die Kosten des Widerspruchsverfahrens darf deshalb die Abhilfebehörde nur entscheiden, wenn sie dem Widerspruch voll abhilft. Bei einer Teilabhilfe könnte sie von vornherein nur über die Kostenquote entscheiden, die dem Umfang des Obsiegens des Widerspruchsführers entspricht, denn eine Verwerfungsbefugnis im übrigen Teil steht der Abhilfebehörde nicht zu. Hielt man demzufolge eine Kostenentscheidung im Fall der Teilabhilfe für geboten (vgl. VGHBW ESVGH 31, 225), müßte dies zwangsläufig zu Kostentrennung und Teilkostenentscheidungen im Rahmen von Abhilfe- und Widerspruchsbescheid führen - ein Ergebnis, das nicht nur unpraktikabel erscheint, sondern auch gegen das den §§ 72, 73 Abs. 3 S. 2 VwGO, 80 LVwVfG zugrundeliegende Prinzip der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung verstieße (vgl. Pietzner, VerwArch 1982, 233 f). Auch die mit der Entscheidung über die Kosten zu treffende Entscheidung über die Notwendigkeit der Beiziehung eines Bevollmächtigten (§ 80 Abs. 3 S. 2 LVwVfG) kann nur für das gesamte Widerspruchsverfahren einheitlich getroffen werden.“19

2.1.12. Müller-Grune

Müller-Grune formuliert in differenzierter Weise:

„Eine teilweise Abhilfe kommt dann in Betracht, wenn sich der Ausgangsbescheid nach Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren als zumindest teilweise rechtswidrig erweist und der Widerspruchsführer insoweit auch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1; Abs. 5 S. 1 VwGO). Die teilweise Abhilfe stellt die Behörde vor das Problem des richtigen Umgangs mit dem Ausgangsbescheid. Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch teilweise für begründet, so sind mehrere Vorgehensweisen denkbar.

a) Änderung des Ausgangsbescheides

Zunächst ergibt sich aus § 72 VwGO auch die Befugnis, den Ausgangsbescheid soweit abzuändern, als dem Widerspruch stattgegeben wird. Dann muss das Verfahren aber hinsichtlich des nicht stattgebenden Teils als Widerspruchsverfahren weiterbetrieben und der nächsthöheren Behörde insoweit vorgelegt werden.

Beispiel [Fußnote 96: Nach BayVGH, BayVBl. 2006, 434 bis 436.]:

Mit Bescheid vom 18.11.2002 wird ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 3.273,15 Euro festgesetzt. Die Behörde hält den dagegen gerichteten Widerspruch (der sich gegen Grund und Höhe richtet) teilweise der Höhe nach für begründet und reduziert in einem Teilabhilfebescheid die Forderung auf 804,58 Euro.

Der Tenor des Abhilfebescheides sollte dann lauten: ‚In Abänderung des Bescheides der Gemeinde … vom 18.11.2002 wird für das Grundstück … ein Herstellungsbeitrag in Höhe von mehr als 804,54 Euro festgesetzt.

Hinweis: Durch diese Formulierung wird eine sowohl für Kostenfolge als auch die Verringerung prozessualer Risiken wichtige Verknüpfung zwischen der bisherigen Regelung und der neuen Regelung hergestellt [Fußnote 97: Die Problematik wird vertieft behandelt bei Kraft, Änderungsbescheide im Widersurchsverfahren, BayVBl. 1995 (520 f.).]

Der Abhilfebescheid ist auszufertigen und bekanntzugeben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht beizufügen, da der Teilabhilfebescheid auf den Fortgang des Widerspruchsverfahrens formal keinen Einfluss hat. Entsprechend der Regelung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO wird der Bescheid in der nunmehr geänderten Fassung Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Hält der Widerspruchsführer am Widerspruch fest (wovon grundsätzlich bei einer nur teilweisen Stattgabe auszugehen ist), ist der Vorgang insgesamt gemäß § 73 Abs. 1 VwGO der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über die nunmehr noch erhobenen 804,58 Euro vorzulegen. Der Abänderungsbescheid wird insoweit Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Hinweis: Im Abänderungsbescheid sollte darauf hingewiesen werden, dass noch ein Widerspruchsbescheid (mit Kostenentscheidung) ergehen wird und ein gesondertes Vorgehen gegen den Abhilfebescheid weder notwendig noch statthaft ist.

Enthält der Widerspruchsbescheid eine eigene Beschwer, so ist auch das dagegen gerichtete Klageverfahren ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).

b) Aufhebung des Ausgangsbescheides und Neuerlass

Denkbar ist grundsätzlich aber auch, die erste Entscheidung aufzuheben und die neue Regelung zu erlassen.

Beispiel:

Wie im vorigen Beispiel wird mit Bescheid vom 18.11.2002 ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 3.273,15 Euro festgesetzt. Die Behörde hält den dagegen gerichteten Widerspruch (der sich gegen Grund und Höhe richtet) teilweise der Höhe nach für begründet und möchte die neuberechnete Forderung auf 804,58 Euro festsetzen. Der Tenor des Abhilfebescheides lautet dann:

1. Der Bescheid vom 18.11.2002 wird aufgehoben.
2. Für das Grundstück … ist ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 804,58 Euro zu bezahlen.

Keinen Unterschied macht es dabei, wenn der Tenor diese Folgen zusammenfasst:

Der Bescheid wird aufgehoben, soweit er einen Betrag in Höhe von 804,58 übersteigt.‘

Dieses Vorgehen trennt – anders als in der oben beschriebenen Konstellation – den neuen Bescheid vom Erstbescheid. Das beinhaltet unter Umständen allerdings einen Nachteil. Die in Ziffer 1 vorgenommene, ausdrückliche Aufhebung des Erstbescheides stellt eine Vollabhilfe dar, die ursprüngliche Regelung hat sich hierdurch erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Der Vorgang ist dann nicht mehr der Widerspruchsbehörde vorzulegen, vielmehr beendet diese Aufhebung das Widerspruchsverfahren! Die unten beschriebene Kostenfolge des § 80 VwVfG tritt in Kraft, die Behörde hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.

3. Die Rücknahme des Widerspruchs

Wird der Widerspruch noch während der Prüfung durch die Ausgangsbehörde vom Widerspruchsführer zurückgenommen, so endet das Widerspruchsverfahren. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist das Verfahren einzustellen. Das wird im Tenor eines entsprechenden Abschlussschreibens entsprechend zum Ausdruck gebracht.

Beispiel:

Das Widerspruchsverfahren wird eingestellt.20

2.2. Die unterschiedliche Handhabung in der Rechtsprechung

In der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung wird das Rechtsinstitut der Teilabhilfe folgendermaßen thematisiert:

2.2.1. Höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht entschied mit Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29/80 – hinsichtlich der Teilabhilfe jedenfalls nichts Ausdrückliches. Jedoch macht die Entscheidung immerhin ein kurzes obiter dictum, welches im Hinblick auf die rechtliche Qualifikation einer Teilabhilfe weiterhelfen könnte, indem sie den § 47 Abs. 1 VwVfG erwähnt. Das Gericht führt aus:

„Ein Vorverfahren war nicht notwendig. Denn den Erstbescheid vom 12. März 1979 über die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erließ das BA als Widerspruchsbehörde (vgl. § 72 ZDG). Wie unten näher darzulegen ist, ergeht die Entscheidung darüber, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, mit der Kostenentscheidung. Eine Kostenentscheidung ist hier nicht ergangen. Sie hätte, wie gleichfalls unten darzulegen ist, von der Widerspruchsbehörde getroffen werden müssen. Eine Entscheidung der Abhilfebehörde kommt hier nicht in Betracht. Hätte die Widerspruchsbehörde über die Kostentragung entscheiden müssen, so mußte sie auch über die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten entscheiden. Ausgehend von der Überlegung, daß im Zweifelsfalle von der richtigen Handhabung des Verfahrens auszugehen ist, sieht der Senat den Bescheid vom 12. März 1979 als solchen der Widerspruchsbehörde an. Der danach erlassene, vom BA als Widerspruchsbescheid bezeichnete Bescheid vom 12. April 1979 ist als Neuerlaß des Bescheids vom 12. März 1979 zu bewerten (vgl. § 47 Abs. 1 VwVfG). Ein Widerspruchsbescheid kann auch von dem Betroffenen ohne Vorverfahren angefochten werden, gegen den er sich richtet (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).“21

Jedenfalls aber unterscheidet sich die Handhabung des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung von jener, welche der Bundesfinanzhof in dessen Entscheidung vom Januar 201322 erkannt hatte.

Undeutlich zur Teilabhilfe verhält es sich jedoch auch in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 23.02.1982 - 7 C 72/79. Entsprechend ist es mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20.07.1984 - 7 C 28/83.

2.2.2. Obergerichtliche Rechtsprechungen

Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg23, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs24 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen25 kommen jedenfalls wirklich eindeutige Aussagen zur Teilabhilfe nicht zum Ausdruck.

3. Entstehung von Teilabhilfesituationen

3.1. Ein Fall aus der Praxis des Verfassers26

Gegen Ende des Jahres 2020 stellte der Bauherr – selbst kein Landwirt – einen Antrag auf Bauvorbescheid mit mehreren Einzelfragen für mehrere Vorhaben im Außenbereich auf dem Gelände eines Aussiedlerhofs. Der Bauherr beabsichtigte z. B. das in die Jahre gekommene Bauernhaus abzureißen und neu aufzubauen, da dieses – was zutraf – stellenweise sehr stark sanierungsbedürftig war. Da der Bauherr den Wunsch hatte, Alpakas auf dem Hof zu halten, insbesondere, um deren Wolle und die daraus gefertigte Kleidung zu vermarkten, beabsichtigte er insbesondere auch, ein landwirtschaftliches Nebengebäude zu erweitern und umzunutzen. Die geplante Erweiterung sollte neben der Einrichtung eines Shops auch dazu dienen, künftig Seminare über die Alpakahaltung anzubieten. Jedenfalls seit Beginn des Jahres 2021 war der Bauherr mit Hauptwohnsitz in dem in die Jahre gekommenen Bauernhaus gemeldet.

Das Bauvorbescheidsverfahren dauerte bei der unteren Baurechtsbehörde etwa gut anderthalb Jahre. Diese übermittelte dem Bauherrn mehrere Anhörungsschreiben, teilweise auch wegen einer beabsichtigten Negativbescheidung des Antrags auf Bauvorbescheid. Der Bauherr reagierte hierauf zunächst selbst, teilweise aber auch mit Hilfe des von ihm beauftragten Architekten, indem er jeweils neuen Vortrag leistete, insbesondere einen mehrseitigen Businessplan oder Qualifikationsnachweise erfolgreich absolvierter Lehrgänge über die Alpakahaltung übersandte. Die untere Baurechtsbehörde bat auf den jeweils weiteren Vortrag des Bauherrn wiederum die jeweiligen Fachbehörden, insbesondere die untere Landwirtschaftsbehörde, um Übermittlung ihrer jeweiligen fachlichen Stellungnahmen (§§ 53 Abs. 4 S. 1, 54 Abs. 3 LBO). Diese reagierten, teilweise aber zunächst auch mit Bitten um Fristverlängerung vor der Stellungnahmenabgabe.

Der Bauherr nahm sich sodann gegen Ende des Bauvorbescheidsverfahrens, also gegen Ende des Jahres 2021, anwaltliche Hilfe von einem renommierten und fachlich sehr versierten Rechtsanwalt aus Freiburg. Dieser trat auch als Verfahrensbevollmächtigter vor der unteren Baurechtsbehörde auf und trug durch mehrere Schriftsätze zu dem Verfahren bei. Die untere Baurechtsbehörde beschied die in dem Antrag auf Bauvorbescheid gestellten Einzelfragen des Bauherrn jedoch insgesamt negativ. Zur Begründung führte die Baurechtsbehörde im Wesentlichen unter anderem aus: Zwar handle es sich bei den Vorhaben des Bauherrn um Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB. Jedoch mangele es diesem an einem Betrieb. Für die Zulässigkeit des Abbruchs und anschließenden Wiederaufbaus des Bauernhauses im Rahmen des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB sei dieses zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht lange genug von dem Bauherrn als Eigentümer selbst genutzt worden.

Der anwaltlich vertretene Bauherr erhob gegen den negativ beschiedenen Bauvorbescheid insgesamt Verpflichtungswiderspruch. Die untere Baurechtsbehörde erkannte hierauf, dass früher oder später der Zeitpunkt eintreten werde, zu welchem der Bauherr das sanierungsbedürftige Bauernhaus als Eigentümer ausreichend lange genutzt haben werde, auch wenn über die Frage, wann genau der Zeitpunkt eintrete, Uneinigkeit wegen verschiedener Rechtsmeinungen in Literatur und Rechtsprechung bestand. Daher gab es jedenfalls ein Telefonat im Frühjahr 2022 mit dem Verfahrensbevollmächtigten, in dem die Baurechtsbehörde auf eine aus ihrer Sicht mögliche Teilabhilfe hinwies. Eine vollständige Negativbescheidung des Antrags auf Bauvorbescheid war somit an sich sachlich nicht korrekt, da sie auch eine teilweise Positivbescheidung mit einer Befristung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG) hätte vornehmen können. Jedenfalls aber war der unteren Baurechtsbehörde auch bewusst, dass dieser Zeitpunkt wahrscheinlich irgendwann während des Widerspruchsverfahrens eintreten werde.

Die untere Baurechtsbehörde reagierte mit einem Schreiben, in dem diese von einer Teilabhilfe ausging und legte die Akten in Gänze dem Regierungspräsidium als Widerspruchs- und Fachaufsichtsbehörde vor.

Der Bauherr stieß noch während des bei dem Regierungspräsidium anhängigen Widerspruchsverfahrens im Herbst 2022 ein Baugenehmigungsverfahren bei der unteren Baurechtsbehörde über den Abbruch und Wiederaufbau des Bauernhauses an.

Kurze Zeit nach Eintritt des in der Teilabhilfe erwähnten Zeitpunkts im Frühjahr 2023 erhielt der Bauherr die Baugenehmigung für den Abbruch und Wiederaufbau des Bauernhauses.

Die Widerspruchsbehörde hörte den Bauherrn und dessen Verfahrensbevollmächtigten wegen der übrigen negativ beschiedenen Fragestellungen an. Der Verfahrensbevollmächtigte nahm hierauf den Antrag auf Bauvorbescheid in Gänze vor der Widerspruchsbehörde zurück und führte somit dessen Erledigung (§§ 80 Abs. 1 S. 5, 43 Abs. 2 LVwVfG) herbei.

3.2. Konsequenzen

Die sich aus dem vorgenannten Sachverhalt ergebenden Konsequenzen für eine untere Baurechtsbehörde sind jedenfalls zwei Fehlerfolgen aus der Behördensphäre, die unter Umständen vermieden werden können. Ein Umstand, gegen den aber aus behördlicher Sicht kein Schutz besteht, ist eine mangelnde Mitwirkung des Entscheidungsadressaten. Ganz außen vor und hier nicht erwähnt sei der Umstand der Gesetzesänderung während des Verwaltungsverfahrens.

3.2.1. Achtung bei dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung

Spätestens mit dem Auftreten des Anwalts des Bauherrn hätte die untere Baurechtsbehörde auch in Erwägung ziehen können, dass nach dem Erlass der Entscheidung ein Widerspruch folgen würde. In diesem Fall hätte die untere Baurechtsbehörde bereits beim Erlass der Ausgangsentscheidung jedenfalls aber auch einen denkbaren Ausgang eines hierauf folgenden Widerspruchsverfahrens ansatzweise antizipieren können. Zwar ist es Menschen nicht möglich, in die Zukunft zu schauen, jedoch sehr wohl, vorausschauende Entscheidungen zu treffen, insbesondere im Hinblick auf mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Ereignisse wie beispielsweise der Ablauf einer bestimmten Frist.

„Beim Widerspruchsverfahren ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Moment der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids selbst. Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen eines VA, die zwischen dessen Erlaß und dem Widerspruchsbescheid (bzw. der Abhilfeentscheidung) eintreten, sind deshalb von der Widerspruchsbehörde grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. BVerwGE 2, 55, 62;27 BVerwGE 49, 197, 19828). Dies folgt daraus, daß der VA seine für den Verwaltungsprozeß maßgebliche Gestalt erst mit dem Widerspruchsbescheid erhält (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und die Widerspruchsbehörde im Moment des Bescheids die zu diesem Zeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage zugrundezulegen hat […].“29

Mit anderen Worten und bezogen auf den vorgenannten Sachverhalt bedeutet dies:

3.2.2. Achtung bei vollständigen Antragsablehnungen

Das bedeutet in Anbetracht des vorgenannten Falles weiter, die untere Baurechtsbehörde hätte statt einer vollständigen Ablehnung einen teilweise positiven Bauvorbescheid mit Nebenbestimmungen erlassen können und besser auch sollen, insbesondere, wenn sie mit gewisser Wahrscheinlichkeit gewusst oder jedenfalls erahnt hätte, dass entweder ein Widerspruch folgt, oder aber mit dem Eintritt der Nebenbestimmung hätte jedenfalls gerechnet werden können. Eine entsprechende Entscheidung mit mehreren (rechtmäßigen) Nebenbestimmungen wäre trotzdem keine Positiventscheidung in Gänze gewesen. Entsprechendes gilt auch für das gemeindliche Einvernehmen (als unselbständiger Teilakt gem. § 44a VwGO) einer künftigen Sachentscheidung.30

Trotzdem war die Entscheidung der unteren Baurechtsbehörde zum Entscheidungzeitpunkt jedenfalls aber auch nicht ganz falsch. Ob und auch in welcher Weise tatsächlich ein Widerspruch folgen würde, war zum Zeitpunkt des Entscheidungserlasses streng genommen noch ungewiss. Denkbar wäre jedenfalls auch beispielsweise eine Gegenvorstellung als formloser Rechtsbehelf gewesen, mit dem darauf gerichteten Ziel, einen Neuerlass der Entscheidung mit einer entsprechenden Nebenstimmung anzuregen. Aus anwaltstaktischer Sicht wäre dies jedoch ungünstig, da derartige formlose (fristlose und oft auch fruchtlose) Rechtsbehelfe aus dem Geltungsbereich des § 79 LVwVfG fallen.31

3.2.3. Mangelnde Mitwirkung des Bauherrn und Untersuchungsgrundsatz

Zwar haben am Verwaltungsverfahren Beteiligte grundsätzlich einen Anspruch auf ausreichende Sachverhaltsermittlung. Es gibt aber keinen wirklichen Schutz aus behördlicher Sicht gegen eine mangelnde Mitwirkung des Bauherrn im bauordnungsrechtlichen Ausgangsverfahren. Das liegt daran, dass es an sich keine Rechtsgrundlage in der Landesbauordnung gibt, die es der Baurechtsbehörde ermöglichen, eine Mitwirkung des Bauherrn durchzusetzen.32 Auch eine Baulastübernahmeerklärung muss immer freiwillig vom Grundstückseigentümer erfolgen.33 Auch der § 26 Abs. 2 LVwVfG regelt nur eine Mitwirkungsobliegenheit. Der Bauherr wird hierdurch aber nicht zu einem durch die Behörde erzwingbaren Verhalten verpflichtet, sondern muss nur die Nachteile hinnehmen, die sich ergeben, wenn er der Soll-Vorschrift nicht nachkommt.34 Das bedeutet, gegebenenfalls mit einer nachteiligen oder nicht optimalen Entscheidung rechnen.

Der Gesetzgeber hat damit bewusst eine Art Risikoverlagerung vorgenommen, die Ähnlichkeiten zum Strafrecht aufweist. Auch hier trifft den Beschuldigten eine Pflicht zur Mitwirkumg am Strafverfahren vor allem in denjenigen Fällen, in denen dies gesetzlich bestimmt ist. Jedoch gibt es keine Verpflichtung des Beschuldigten, bei einer Untersuchungshandlung eines Strafverfolgungsorgans oder eines Sachverständigen aktiv mitzuwirken.35

Im Unterschied zum Strafrecht wird jedoch im öffentlichen Baurecht der Bauherr aber schon oft genug aus Gründen des Eigeninteresses in irgendeiner Weise mitwirken. In Antragsverfahren gilt außerdem: „Hat der Antragsteller nach dem maßgeblichen Recht grundsätzlich einen Anspruch auf den beantragten Verwaltungsakt, so muss die Behörde dem Antrag stattgeben, wenn nicht die Voraussetzungen einer rechtshindernden Ausnahme erwiesen sind […]."36

Der Untersuchungsgrundsatz hat also jedenfalls Beschränkungen. Maßgeblich sind sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen und Umstände. Diese beschränken sich aber wiederum auf den jeweiligen Kreis der zur Anwendung kommenden Rechtsnormen. Im Falle unterlassener Mitwirkung muss die Behörde nicht von sich aus allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen.37

Erweist sich jedoch eine Sachverhaltsermittlung insgesamt als unzureichend, liegt ein Verfahrensfehler vor. Sind Ermittlungsfehler geschehen, die sich erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens herausstellen, kommt nur eine Anwendung der §§ 48, 49 und 51 LVwVfG in Betracht.38

4. Einordnung und Rechtsnatur der Teilabhilfe?

4.1. Die Teilabhilfe als ein Fall der Umdeutung nach § 47 Abs. 1 LVwVfG

Die Teilabhilfe wird vom Verfasser – wie eher beiläufig und undeutlich vom Bundesverwaltungsgericht erwähnt39 – als eine während eines Widerspruchsverfahrens von der Ausgangsbehörde im Abhilfeverfahren vorgenommene Umdeutung nach § 47 Abs. 1 LVwVfG angesehen. Durch eine Umdeutung wird der Verwaltungsakt in seinem Entscheidungssatz geändert.40

Eine Umdeutung hat die folgenden Voraussetzungen:41
(1) der neue, umgedeutete Verwaltungsakt muss auf dasselbe Ziel gerichtet sein,
(2) der umgedeutete Verwaltungsakt hätte von der (den ursprünglichen Verwaltungsakt) erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden können,
(3) die Voraussetzungen für den umgedeuteten Verwaltungsakt sind auch erfüllt,
(4) wenn der umgedeutete Verwaltungsakt nicht der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspricht,
(5) die Rechtsfolgen des umgedeuteten Verwaltungsakts dürfen nicht ungünstiger sein,
(6) wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt zurückgenommen werden durfte und
(7) wenn der Betroffene angehört wurde.

In dem vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen jedenfalls erfüllt (worden):

Zu (1): Spätestens nach Widerspruchserhebung erkannte die untere Baurechtsbehörde, dass ein Widerspruchsverfahren als weiteres „zweitinstanzliches“ Verwaltungsverfahren anstand, während dessen Dauer die tatbestandlichen Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbestandes des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 c) BauGB eintreten werden würden. Also war die Teilabhilfe letztendlich auf dasselbe Ziel gerichtet wie der zunächst negative Bauvorbescheid in dem Punkt. Der negative Bauvorbescheid stellte zum Entscheidungszeitpunkt nur fest, dass die Voraussetzungen des vorgenannten Zulässigkeitstatbestandes eben noch nicht vorlagen. Die Teilabhilfe berücksichtigte hingegen die weitere Entwicklung des Verwaltungsverfahrens nach Widerspruchserhebung bis zum hypothetischen Ende des Widerspruchsverfahrens.

Zu (2): Ein entsprechende positiver Bauvorbescheid hätte mit entsprechenden Nebenbestimmungen, insbesondere einer Befristung, auch bereits im Ausgangsverfahren erlassen werden können.

Zu (3): Dessen Voraussetzungen waren jedenfalls bereits im Ausgangsverfahren nach Abschluss der Ermittlungen von der Baurechtsbehörde erfüllt.

Zu (4): Ob eine Negativfeststellung zu einem bestimmten momentanen Zeitpunkt oder eine Positivfeststellung, jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt hier getroffen wurde, stellte jedenfalls keinen Widerspruch zu den Absichten der Erlassbehörde dar. Das ergibt sich insbesondere daraus, weil diese auf das anschließend angestoßene Baugenehmigungsverfahren einen entsprechenden Baubescheid erteilte.

Zu (5): Es gab keine ungünstigeren Rechtsfolgen für den Bauherrn durch die Teilabhilfe.

Zu (6): Theoretisch hätte auch eine (Teil-)Rücknahmemöglichkeit gem. § 48 LVwVfG des in Gänze negativ formulierten Bauvorbescheides im Widerspruchsverfahren bestanden. Durch die (Teil-)Rücknahme wäre aber ein neues, weiteres Verwaltungsverfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens angestoßen worden. Gerade dies wollte die untere Baurechtsbehörde vermeiden.

Zu (7): Jedenfalls hatte die untere Baurechtsbehörde durch ein vorheriges Telefonat auf die Teilabhilfe hingewiesen und insofern gem. §§ 47 Abs. 4, 28 LVwVfG angehört.

Im Hinblick auf die Zuständigkeit ergeben sich ebenfalls keine Probleme. „Grundsätzlich ist für die Umdeutung die Ausgangsbehörde zuständig. Nach allgemeinen Grundsätzen ist im Widerspruchsverfahren grundsätzlich die Widerspruchsbehörde zur Umdeutung befugt.“.42 Da im Rahmen des unselbständigen Abhilfeverfahrens ohnehin noch die Ausgangsbehörde sich mit der Zweck- und Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsakts zu beschäftigen hat, obliegt ihr insofern auch die Umdeutungs- bzw. Teilabhilfebefugnis. Im Hinblick auf Verfahrensfragen ergeben sich keine Besonderheiten. Ein entsprechendes Verwaltungsverfahren wurde hier gerade durch den Widerspruch in Gang gesetzt und insofern hier auch durch die Übersendung sämtlicher Akten an die Widerspruchsbehörde weiter aufrecht erhalten.

Eine Umdeutung kann daher auch noch während des Widerspruchsverfahrens, ähnlich wie eine (Voll-)Abhilfe im Widerspruchsverfahren, jederzeit vorgenommen werden.43 Es dürften sich durch diese Sichtweise auch keine Rechtsschutzdefizite ergeben,44 da der ursprüngliche, nicht umgedeutete Verwaltungsakt durch Widerspruch angegriffen wurde. Da den höheren Baurechtsbehörden in Baden-Württemberg ein unbeschränktes Weisungsrecht zukommt (§ 47 Abs. 5 LBO), sind diese befugt, den kompletten Vorgang auf dessen Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

4.2. Rechtsnatur der Teilabhilfe

Damit bleibt jedoch die Frage weiter offen, ob es sich bei der Teilabhilfe um einen Verwaltungsakt, Erkenntnisakt, eine behördliche Absichtserklärung oder irgendeine andere (evtl. künftig noch) denkbare Handlungsform handelt.

Der Verfasser tendiert dazu, in dem vorliegenden Fall auch einen Erkenntnisakt anzunehmen.45 Der Vorgang der Erkenntnisgewinnung ist ebenso ein Prozess wie es der Gang des Verwaltungsverfahrens ist. Eine Erkenntnis setzt in der Regel etwas Neues voraus. Dies geschah hier im Verwaltungsverfahren unter anderem durch den dynamischen Faktor der Zeit als Tatbestandsmerkmal einerseits. Andererseits wurde hier die Erkenntnis durch die Mitwirkung des Bauherrn, dessen Verfahrensbevollmächtigten und letztendlich der von diesem vorgenommenen Handlungen als Reaktionen auf die behördlichen Handlungen geprägt.

5. Fazit

Das Rechtsinstitut der Teilabhilfe ist vor allem in der Literatur sehr umstritten. In der Rechtsprechung findet es eher beiläufig Erwähnung. Die Teilabhilfe in den Zusammenhang mit einer Umdeutung (§ 47 LVwVfG) zu bringen, wurde bislang in der vom Verfasser recherchierten Literatur weniger thematisiert.

Da eine Teilabhilfe vom Verfasser als eine vorgenommene Umdeutung der Ausgangsbehörde während des unselbständigen Abhilfeverfahrens angesehen wird, kann die Teilabhilfe keinen teilweise abschließenden Einfluss, also auch keinen teilweise Erledigenden, auf das Widerspruchsverfahren ausüben. Die Bewertungshoheit über die Richtigkeit der Umdeutung kommt in dem Fall der Widerspruchsbehörde zu. Da die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren gleichzeitig auch (fach)aufsichtsrechtlich einschreiten kann und darf,46 ist auch aus dieser Perspektive die Ansicht eher abzulehnen, dass eine Teilerledigung bei einer durch die Ausgangsbehörde vorgenommenen Teilabhilfe eintrete.

Für die Praxis bietet es sich deshalb an, die gesamten Akten der Widerspruchsbehörde vorzulegen und eine Teilabhilfe im Vorlagebericht zu erwähnen. Die Angelegenheit sollte aber auch gegenüber dem Widerspruchsführer schriftlich nach vorheriger Anhörung kommuniziert werden. Das hat insbesondere Hinweisfunktion für den Widerspruchsführer: Dieser hat jedenfalls auch die Möglichkeit einer Teilrücknahme des Widerspruchs, selbst wenn die Widerspruchsbehörde ihn nochmals anhören sollte.

Die Umdeutung zielt darauf ab, den Entscheidungssatz abzuändern. Daher kann eine Umdeutung bzw. Teilabhilfe nur bei „schlechter“ Tenorierung in Betracht kommen, wenn im Rahmen der rechtlichen Begründung des Verwaltungsakts bestimmte Umstände verkannt oder übersehen wurden. Bei wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlung vermeintlich zustande kommenden Teilabhilfesituationen ist eine Umdeutung hingegen nicht möglich.

  • 1. Der Sachverhalt ist vereinfacht wiedergegeben und stellt nur die wesentlichen für die Ausarbeitung relevanten Gesichtspunkte dar.
  • 2. Chama, Steuerrecht, 1. Aufl. (2017), Rn. 403 <S. 131>.
  • 3. Z. B. Rätke in: Klein, AO, 16. Aufl. (2022), § 367 Rn. 27 m. w. N..
  • 4. Z. B. BFH, Urteil vom 10.01.2013 - V R 47/11 – Rn. 17 m. w. N..
  • 5. Z. B. VG Sigmaringen, Urteil vom 24. Juli 2001 - 2 K 396/01 – Rn. 2, 4.
  • 6. Hager in: Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO, 8. Aufl. (2020), § 49 Rn. 8 ff. m. w. N..
  • 7. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. (2017), § 43 Rn. 40b m. w. N..
  • 8. Pietzner in: Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 11. Aufl. (2005), § 26 Rn. 7 f. <S. 320 f.>.
  • 9. S. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Auflage 2021, § 72 I. Grundsätze, Rn. 4.
  • 10. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. (2017), § 72 Rn. 5 m. w. N..
  • 11. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl. (2008), § 8 Rn. 9 a. E. <S. 108>.
  • 12. Wienbracke, Verwaltungsprozessrecht, 1. Aufl. (2009), Rn. 200, Fn. 411.
  • 13. Giemulla in: Giemulla/Jaworsky/Müller-Uri, VerwaltungsR, 7. Aufl. (2004), Rn. 924 a. E. f. <S. 510>.
  • 14. Allesch in: Happ/Allesch/Geiger/Metschke/Hüttenbrink, Die Station in der öffentlichen Verwaltung, 7. Aufl. (2012), S. 78 a. A..
  • 15. Linhart, Handbuch für die Verwaltungspraxis, Loseblatt, § 8 Rn. 198 – 200; Onlinequelle (zuletzt aufgerufen am 24.01.2024): https://www.rehm-verlag.de/eLine/portal/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40att...
  • 16. Kastner in: Fehling/Kastner/Störmer, VerwaltungsR (VwVfG, VwGO, Nebengesetze), 5. Aufl. (2021), § 72 VwGO Rn. 10 m. w. N..
  • 17. Pietzner in: Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im ÖR, 11. Aufl. (2005), § 26 Rn. 7-9 <S. 320 f.>.
  • 18. Detterbeck, Allgemeines VerwaltungsR, 12. Aufl. (2014), Rn. 1356 <S. 562>.
  • 19. Pfeffer, Widerspruchsverfahren – Rechtsschutz durch die (Bau-)Verwaltung, Skript (2003), S. 26 f.
  • 20. Müller-Grune, Bescheidtechnik, 4. Aufl. (2019), S. 97 – 99.
  • 21. BVerwG, Urteil vom 10.06.1981 - 8 C 29/80 – Rn. 13.
  • 22. S. Fn. 3.
  • 23. VGH BW, Beschluss vom 06.10.1980 – 3 S 1510/80.
  • 24. BayVGH, Urteil vom 25.03.1988 – 23 B 87.2360; BayVGH, Beschluss vom 02.08.1988 – 5 B 88.1024.
  • 25. OVG NRW, Urteil vom 15.05.1991 – 22 A 1809/90.
  • 26. Der Sachverhalt ist vereinfacht wiedergegeben und stellt nur die wesentlichen für die Ausarbeitung relevanten Gesichtspunkte dar.
  • 27. BVerwG, Urteil vom 6.04.1955 - V C 76.54.
  • 28. BVerwG, Urteil vom 24.09.1975 - VIII C 78.74.
  • 29. Hufen, a. a. O., § 7 Rn. 3 <S. 97 f.>.
  • 30. S. z. B. Reidt in: Batts/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. (2019), § 36 Rn. 7 m. w. N..
  • 31. Vgl. z. B. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 79 Rn. 17; Kastner in: Fehling/Kastner/Störmer, a. a. O., § 79 VwVfG Rn. 9.
  • 32. So ermöglicht § 54 Abs. 1 S. 2 – S. 3 LBO nur, dem Bauherrn Nachbesserungsbedarf der Bauvorlagen mitzuteilen. Nachbessern (lassen) muss dieser sie grundsätzlich selbst, es sei denn, die Mängel sind durch Grüneintrag behebbar. Auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 LBOVVO gibt dem Bauherrn im Genehmigungsverfahren keine Verpflichtung auf, weitere Bauvorlagen einzureichen.
  • 33. S. bereits den Wortlaut des § 71 Abs. 1 S. 1 LBO.
  • 34. Maurer, a. a. O., § 19 Rn. 25 <S. 512>; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 24 Rn. 23.
  • 35. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. (2023), Einl. Rn. 80a m. w. N..
  • 36. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 24 Rn. 46 m. w. N..
  • 37. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 24 Rn. 12, 12c.
  • 38. Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, a. a. O., § 24 VwVfG Rn. 55 a. E..
  • 39. S. Fn. 20.
  • 40. Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, a. a. O., § 47 VwVfG Rn. 7 a. E. m. w. N..
  • 41. Maurer, Allgemeines VerwaltungsR, 18. Aufl. (2011), § 10 Rn. 44 <S. 286>.
  • 42. Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, a. a. O., § 47 VwVfG Rn. 26 m w. N..
  • 43. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 47 Rn. 36.
  • 44. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 47 Rn. 38 f..
  • 45. Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, a. a. O., § 47 VwVfG Rn. 8 a. E..
  • 46. Pietzner in: Pietzner/Ronellenfitsch, a. a. O., § 42 Rn. 29-31 m. w. N. <S. 476 – 478>; bezogen auf das Fachrecht: Sauter, Komm. z. LBO, 3. Aufl., Loseblatt (43. Lfg. Nov. 2013), § 47 Rn. 126-130 m. w. N..
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
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  • Battis, Ulrich / Krautzberger, Michael / Löhr, Rolf-Peter, Baugesetzbuch Kommentar, 14. Aufl. (2019), Verlag C. H. Beck, München,
  • Chama, Oliver, Steuerrecht (Juriq Erfolgstraining), 1. Aufl. (2017), Verlag C. F. Müller, Heidelberg,
  • Detterbeck, Steffen, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. (2014), Verlag C. H. Beck, München,
  • Fehling, Michael / Kastner, Berthold / Störmer, Rainer [Hrsg.], Nomos-Handkommentar Verwaltungsrecht (VwVfG, VwGO, Nebengesetze), 5. Aufl. (2021), Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden,
  • Giemulla, Elmar / Jaworsky, Nikolaus / Müller-Uri, Rolf, Verwaltungsrecht – Ein Basisbuch, 7. Aufl. (2004), Carl Heymanns Verlag Köln,
  • Happ, Michael / Allesch, Erwin / Geiger, Harald / Metschke, Andreas / Hüttenbrink, Jost, Die Station in der öffentlichen Verwaltung, 7. Aufl. (2012), Verlag C. H. Beck, München,
  • Hufen, Friedhelm, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl. (2008), Verlag C. H. Beck, München,
  • Klein, Franz, Abgabenordnung, 16. Aufl. (2022), Verlag C. H. Beck, München,
  • Kopp, Ferdinand / Ramsauer, Ulrich, Verwaltungsverfahrensgesetz - Kommentar, 18. Aufl. (2017), Verlag C. H. Beck, München,
  • Kopp, Ferdinand / Schenke, Wolf-Rüdiger, Verwaltungsgerichtsordnung - Kommentar, 23. Aufl. (2017), Verlag C. H. Beck, München,
  • Linhart, Helmut, Handbuch für die Verwaltungspraxis, Loseblatt, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg,
    Maurer, Hartmut, Verwaltungsrecht Allgemeiner Teil, 18. Aufl. (2011), Verlag C. H. Beck, München,
  • Meyer-Goßner, Lutz / Schmitt, Bertram, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, 66. Aufl. (2023), Verlag C. H. Beck, München,
  • Müller-Grune, Sven, Bescheidtechnik: Erlass, Änderung und Aufhebung von Bescheiden durch die Ausgangsbehörde (Anwendungshilfe für die Praxis), 4. Aufl. (2019), vhw Verlang Bonn,
  • Pietzner, Rainer / Ronellenfitsch, Michael, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht – Widerspruchsverfahren und Verwaltungsprozess, 11. Aufl. (2005), Werner Verlag, München,
  • Pfeffer, Gerd, Widerspruchsverfahren – Rechtsschutz durch die (Bau-)Verwaltung, Skript (2003),
  • Sauter, Helmut, Landesbauordnung für Baden-Württemberg (Bd. 1), 3. Auflage (Loseblatt), Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart,
  • Schlotterbeck, Karlheinz / Hager, Gerd / Busch, Manfred / Gammerl, Bernd, Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO), 8. Aufl. (2020), Richard Boorberg Verlag, Stuttgart,
  • Wienbracke, Mike, Verwaltungsprozessrecht (Juriq Erfolgstraining), 1. Aufl. (2009), Verlag C. F. Müller, Heidelberg.
Rechtsprechung: