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BVerwG, 20.07.1984 - 7 C 28.83

Daten
Fall: 
Prüfungsausschüsse der Industrie- und Handelskammern
Fundstellen: 
BVerwGE 70, 4; NVwZ 1985, 577; DVBl 1985, 57
Gericht: 
Bundesverwaltungsgericht
Datum: 
20.07.1984
Aktenzeichen: 
7 C 28.83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Sendler, Klamroth, Willberg, Kreiling, Seebass

1. Die Prüfungsausschüsse der Industrie- und Handelskammern nach dem Berufsbildungsgesetz sind keine Behörden im Sinne der §§ 68 ff. VwGO.
2. Das Berufsbildungsgesetz schreibt nicht vor, daß über den Widerspruch gegen einen Prüfungsbescheid der Industrie- und Handelskammer vom Prüfungsausschuß zu entscheiden ist.
3. Wenn der Gesetzgeber die Beurteilung von Prüfungsleistungen einem durch besondere Merkmale gekennzeichneten Prüfungsausschuß anvertraut, der seine Entscheidung in einem rechtlich geregelten Verfahren trifft, so gibt er dadurch regelmäßig zu erkennen, daß er diesen Anforderungsstandard im Widerspruchsverfahren nicht unterschritten wissen will; weist die für die Entscheidungüber den Widerspruch berufene Stelle oder deren Verfahren nicht eine vergleichbare Qualifikation auf, so ist deshalb eine Vollüberprüfung der Leistungsbeurteilung in der Regel ausgeschlossen und eine Kontrolle nur in dem such den Gerichten eingeräumten Umfang eröffnet.
4. Die Entscheidung über das Nichtbestehen einer Fortbildungsprüfung nach dem Berufsbildungsgesetz kann im Widerspruchsverfahren von der Geschäftsführung der Industrie- und Handelskammer nur in den Grenzen überprüft werden, die auch der gerichtlichen Überprüfung gezogen sind. Einer fachlich-pädagogischen Beurteilung der Prüfungsleistungen hat sie sich wegen der nur den Prüfern eingeräumten Beurteilungsermächtigung zu enthalten.
5. Sind Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde identisch, so ist eine dem Widerspruchsbescheid vorausgehende Nichtabhilfeentscheidung nicht erforderlich.

Inhaltsverzeichnis 

In der Verwaltungsstreitsache hat
der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 1984
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Sendler und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Klamroth, Willberg, Kreiling und Seebass
für Recht erkannt:

Tenor

Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 1981 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Oktober 1980, soweit es der Klage stattgegeben hat, werden aufgehoben.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsentscheidung, durch die die Beklagte die Portbildungsprüfung der Klägerin zum Bilanzbuchhalter nach dem Berufsbildungsgesetz - BBiG - für nicht bestanden erklärt hat.

Die Klägerin unterzog sich im Herbst 1979 bei der Beklagten der Bilanzbuchhalterprüfung. Durch Bescheid vom 30. November 1979 teilte ihr die Beklagte mit, der Prüfungsausschuß habe ihre Leistungen in den drei schriftlichen Prüfungsfächern jeweils als ungenügend bewertet; nach den Prüfungsbestimmungen entfalle damit die Zulassung zur mündlichen Prüfung, und die Gesamtprüfung gelte als nicht bestanden.

Die Klägerin erhob Widerspruch und bat um eineÜberprüfung der Bewertung ihrer Arbeiten. Darauf äußerten sich fünf von den sechs Mitgliedern des Prüfungsausschusses auf Anfrage der Beklagten dahingehend, sie hielten den Widerspruch für unbegründet. Die Beklagte, die sich an das Votum des Prüfungsausschusses gebunden und an einer eigenen Bewertung der Prüfungsleistungen rechtlich gehindert sah, wies den Widerspruch durch Bescheid vom 10. März 1980 als unbegründet zurück.

Mit ihrer auf Aufhebung der ergangenen Bescheide gerichteten Klage hatte die Klägerin teilweise Erfolg: Zwar wies das Verwaltungsgericht die Klage ab, soweit sie sich gegen den Prüfungsbescheid vom 30. November 1979 richtete; dieser Bescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden. Den Widerspruchsbescheid vom 10. März 1980 hob es indessen auf mit der Begründung, die Beklagte habe ihren Entscheidungsspielraum als Widerspruchsbehörde verkennt, weil sie - entgegen § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO - die angefochtene Prüfungsentscheidung - nämlich die Notenfestsetzung und die Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung - nicht überprüft habe.

Das Oberverwaltungsgericht wies die von der Beklagten eingelegte Berufung zurück. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Widerspruchsbescheid sei - wie geschehen - gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO von der Beklagten selbst zu erlassen gewesen. Er sei aber rechtswidrig, denn die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Bewertung der Prüfungsleistungen allein dem Prüfungsausschuß obliege und damit für die Widerspruchsbehörde keine volleÜberprüfungsmöglichkeit bestehe. Eine der Beschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen entsprechende Einschränkung der Überprüfungsbefugnis der Widerspruchsbehörde sei mit § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. Die Widerspruchsbehörde habe im Vorverfahren auch bei der Kontrolle von Prüfungsentscheidungen grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie dürfe sich nicht auf die Überprüfung der Frage beschränken, ob die Grenzen des Beurteilungsspielraums durch die erstentscheidende Behörde eingehalten worden seien. Vielmehr seien Prüfungsentscheidungen auch in fachlich-wissenschaftlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen.

Auf eine sich aus der Natur der Sache ergebende Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten wie etwa - wegen der Situationsgebundenheit und Unvertretbarkeit der Leistungsbeurteilung - bei einer mündlichen Prüfung könne die Beklagte sich nicht berufen, denn hier gehe es allein um die Bewertung der schriftlichen Prüfungsleistungen, die der Widerspruchsbehörde ebenso vorgelegen hätten wie dem Prüfungsausschuß. Die Befugnisse der Widerspruchsbehörde seien auch nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative VwGO eingeengt. Weder gebe es eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, noch ergebe sich ein entsprechender Wille des Gesetzgebers aus dem Regelungszusammenhang des Berufsbildungsgesetzes. Insbesondere gehe aus den Vorschriften über die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse (§ 37 BBiG) ein gesetzgeberischer Wille zur Einschränkung der Überprüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde nicht hinreichend deutlich hervor.

Ein weiterer Mangel des Widerspruchsverfahrens dürfte außerdem darin liegen, daß die Beklagte entgegen § 72 VwGO keine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung des Prüfungsausschusses herbeigeführt habe.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von Bundesrecht durch unrichtige Auslegung der §§ 46, 37, 38 BBiG im Zusammenhang mit §§ 68 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative, 72, 73 VwGO und macht geltend, für das hier in Rede stehende Prüfungsverfahren ergebe sich aus den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes, daß im Widerspruchsverfahren - abweichend von dem Grundsatz des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO - eine Überprüfung nur in den Grenzen zulässig sei, wie sie der Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Gerichte gezogen seien. Denn der Gesetzgeber habe die Beurteilung der Prüfungsleistungen allein den paritätisch zusammengesetzten Prüfungsausschüssen überantwortet. Zuständig für das Widerspruchsverfahren sei aber die Geschäftsführung der Beklagten, die keine aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern paritätisch zusammengesetzte Einrichtung sei. Auch einer Abhilfeentscheidung, wie sie bei einem zweistufigen Behördenaufbau vorgesehen sei, habe es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht bedurft; denn die Prüfungsausschüsse seien unselbständige Organe der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

das Berufungsurteil und den klagestattgebenden Teil des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich aus den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes keine die Überprüfungskompetenz im Widerspruchsverfahren einschränkende Bestimmung ergebe.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er vertritt die Auffassung, zur Entscheidung über den Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung des Prüfungsausschusses sei die Beklagte, nicht der Prüfungsausschuß, zuständig; sie sei jedoch auf eineÜberprüfung in den Grenzen beschränkt, die auch der gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen gezogen seien. Der Bundesminister für Eildung und Wissenschaft ziehe allerdings daraus, daß der Bundesgesetzgeber aus berufsbildungspolitischen Gründen einen Beurteilungsspielraum lediglich den paritätisch zusammengesetzten Prüfungsausschüssen zugestanden habe, die Folgerung, diese seien auch für die Widerspruchsentscheidung zuständig.

II.

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hätte der Berufung der Beklagten stattgeben und die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Daß es die Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Beklagten durch das Verwaltungsgericht bestätigt hat, verletzt Bundesrecht.

Die Beklagte, handelnd durch ihren Hauptgeschäftsführer als ausführende Behörde, war, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, für den Erlaß des Widerspruchsbescheides zuständig (nachfolgend 1.). Der Widerspruchsbescheid ist nicht wegen eines Überprüfungsdefizits rechtswidrig. Die entgegenstehende Auffassung des Berufungsgerichts ist mit der Regelung der §§ 46 Abs. 1, 37, 38 des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1112) - BBiG -, die der uneingeschränkten Überprüfung des angefochtenen Prüfungsbescheides im Widerspruchsverfahren entgegensteht, nicht vereinbar (nachfolgend 2.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht wegen anderweitiger Fehlerhaftigkeit des Widerspruchsbescheides im Ergebnis richtig. Insbesondere liegt der vom Berufungsgericht in Erwägung gezogene Mangel des Widerspruchsverfahrens - Fehlen einer Abhilfeentscheidung des Prüfungsausschusses - nicht vor (nachfolgend 3.).

1.

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß für den Erlaß des Widerspruchsbescheides die Beklagte - und nicht etwa die Aufsichtsbehörde - zuständig war. Hierbei hat es sich auf § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO gestützt. Es trifft zu, daß die Beklagte als Selbstverwaltungskörperschaft mit ihrer Entscheidung über das Prüfungsergebnis der Klägerin eine Selbstverwaltungsangelegenheit wahrgenommen hat. Das Berufsbildungswesen gehört seit langem zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Industrie- und Handelskammern (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956, BGBl. I S. 920, - IHKG -, jetzt gültig in der durch § 103 BBiG geänderten Fassung). Bestandteil der Berufsbildung ist die berufliche Fortbildung (§ 1 Abs. 1 BBiG), um die es hier geht und in deren Rahmen sich die Klägerin der Prüfung unterzogen hat. "Zuständige Stelle" für die Fortbildungsprüfungen im kaufmännischen Bereich sind die Industrie- und Handelskammern (§ 75 i.V.m.§ 46 BBiG). Sie führen die Prüfungen als eigene Angelegenheit durch und unterstehen insoweit nur der Rechts-, nicht der Fachaufsicht des Staates (§ 11 Abs. 1 IHKG, § 15 Abs. 1 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg vom 27. Februar 1956, GVBl. S. 21, - HKG -; vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 17. Januar 1961 - BVerwG 1 B 135.60 - DVBl. 1961, 449 = GewArch. 1961, 42). Ob die Zuständigkeit der Beklagten zum Erlaß des Widerspruchsbescheides nicht aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO, sondern aus § 7 Abs. 1 des hamburgischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 29. März 1960 (GVBl. S. 291) - AGVwGO - i.V.m. § 185 Abs. 2 VwGO herzuleiten gewesen wäre, kann offenbleiben. Denn auch die landesrechtliche Regelung weist die Zuständigkeit nicht der Aufsichtsbehörde, sondern der Beklagten als der Stelle zu, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.

Daß den Widerspruchsbescheid nicht der Prüfungsausschuß erlassen hat, ist nicht verfahrensfehlerhaft. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Der angefochtene Prüfungsbescheid vom 30. November 1979 ist ein Bescheid der gemäß § 9 Abs. 2 HKG durch ihren Hauptgeschäftsführer handelnden Beklagten, nicht ein Bescheid des Prüfungsausschusses. Die beklagte Handelskammer ist im Kopf des Bescheides eindeutig als dessen Urheber benannt, und eben dieser Bescheid, nicht die Beurteilung und Bewertung der Prüfungsarbeiten durch den Prüfungsausschuß, ist als die anfechtbare Entscheidung bezeichnet. Daß der Prüfungsbescheid von der durch ihre Geschäftsführung handelnden Beklagten und nicht vom Prüfungsausschuß erlassen worden ist, entspricht auch der Rechtslage. Die Durchführung der Prüfung war Sache der "zuständigen Stelle" (§§ 46 Abs. 1, 75 BBiG), und zuständige Stelle ist nicht der Prüfungsausschuß, sondern die beklagte Handelskammer. Sie errichtet die Prüfungsausschüsse und stellt die Zeugnisse aus (§ 46 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 2 BBiG). Soweit es nicht um den eigentlichen Prüfungs- und Beurteilungsvorgang geht, liegt das Prüfungsverfahren in ihrer Hand (vgl. Herkert, Berufsbildungsgesetz, Loseblatt-Kommentar, Stand Februar 1983, § 34 Rdnr. 9 und § 36 Rdnr. 6). Das gilt auch für das Widerspruchsverfahren.

Eine Vorschrift, die den Erlaß des Widerspruchsbescheides dem Prüfungsausschuß zuweist, enthält das Berufsbildungsgesetz nicht. Entgegen der Auffassung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft läßt sich eine solche Regelung auch nicht der "ratio legis" oder der "Natur der Sache" entnehmen. Das Berufsbildungsgesetz hat das Prüfungswesen der "zuständigen Stelle" in die Hand gegeben und die Aufgaben der Prüfungsausschüsse eng begrenzt. Diese beschränken sich im wesentlichen auf die Abnahme der Prüfungen. Die Funktion von Widerspruchsausschüssen zur Entscheidung über Widersprüche gegen Prüfungsbescheide ist den Prüfungsausschüssen nicht übertragen worden. Aus den Besonderheiten ihrer Zusammensetzung (§§ 37, 38 i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 2 BBiG) und den gesellschafts- und bildungspolitischen Erwägungen des Gesetzgebers, auf denen diese beruhen, läßt sich eine solche Funktionszuweisung nicht herleiten. Daß die Zusammensetzung von Prüfungsausschüssen - sei es aus bildungspolitischen, sei es aus fachspezifischen oder anderen Gründen - genau vorgeschrieben ist, ist im Prüfungsrecht keine Seltenheit. Daraus wird indessen auch sonst nicht gefolgert, daß mangels einer entsprechenden Zusammensetzung der Widerspruchsstelle der Prüfungsausschuß den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Der Gefahr, daß die eigentliche Prüfungsentscheidung letztlich (im Widerspruchsverfahren) durch eine Stelle getroffen wird, die die an den Prüfungsausschuß gestellten personellen, sachlichen oder verfahrensmäßigen Anforderungen nicht erfüllt, ist anderweitig vorgebeugt (dazu unten 2.). Eine Funktionsverlagerung, für die das Berufsbildungsgesetz keinen Anhaltspunkt bietet, vermag sie deshalb nicht zu rechtfertigen.

Auch auf andere gesetzliche Vorschriften läßt sich die Auffassung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft nicht stützen. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO und § 7 Abs. 1 AGVwGO geben hierfür schon deshalb nichts her, weil sie "die Selbstverwaltungsbehörde" bzw. "die Stelle" für zuständig erklären, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, der angefochtene Prüfungsbescheid aber, wie bereits ausgeführt, nicht vom Prüfungsausschuß, sondern von der Geschäftsführung der Beklagten erlassen worden ist. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob durch diese Gesetzesbestimmungen nicht nur die Zuständigkeit der Selbstverwaltungskörperschaft für die Widerspruchsentscheidung begründet worden ist, sondern darüber hinaus die Geschäftsverteilung innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft geregelt werden sollte und konnte (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. August 1963, DÖV 1963, 767 [VGH Baden-Württemberg 08.08.1963 - I 8/62]).

Ob es zweckmäßig wäre, die Widerspruchsentscheidung dem Prüfungsausschuß zu übertragen, kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn die dafür sprechenden Gesichtspunkte größeres Gewicht haben sollten als die Gegenargumente, könnten Zweckmäßigkeitsüberlegungen eine fehlende gesetzliche Regelung nicht ersetzen. Die Auffassung, daß die Widerspruchsentscheidung gesetzlich nicht dem Prüfungsausschuß zugewiesen und deshalb von der "zuständigen Stelle" nach Maßgabe der internen Zuständigkeitsbestimmungen zu erlassen ist, wird überwiegend vertreten (vgl. Herkert, a.a.O., § 38 Rdnr. 21; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl. 1982, S. 496; Frentzel/Jäkel/ Junge, Industrie- und Handelskammergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1982, S. 84; für die insoweit vergleichbare Gesellenprüfung nach der Handwerksordnung ebenso Kolbenschlag/Lessmann/Stücklen, Die Deutsche Handwerksordnung, Loseblatt-Kommentar, Stand Mai 1983, § 31 Rdnr. 17 und § 33 Rdnr. 13; anderer Ansicht Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Loseblatt-Kommentar, Stand Juli 1983, § 33 Rdnr. 7; Eyermann/Fröhler/Honig, Handwerksordnung, Kommentar, 3. Aufl. 1973, § 33 Rdnr. 11 unter Hinweis auf die Stellungnahme des Niedersächsischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 12. Februar 1965, GewArch. 1966, 91; Schotthöfer, GewArch. 1981, 259 [261]; Schoch, GewArch. 1962, 49; Kratzer, GewArch. 1961, 169 [170]).

Dem Berufungsurteil liegt die - auch von den Beteiligten nicht angegriffene - Auffassung zugrunde, daß die Führung der Geschäfte der Beklagten auch im Widerspruchsverfahren einschließlich der Entscheidung über den Widerspruch dem Hauptgeschäftsführer oblag (§ 9 Abs. 2 HKG). Dem ist zuzustimmen. Das Berufungsgericht hat hiernach zu Recht nicht beanstandet, daß der Widerspruchsbescheid - ebenso wie der Prüfungsbescheid - von der Geschäftsführung der Beklagten und nicht vom Prüfungsausschuß erlassen worden ist.

2.

Nicht zu folgen ist der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der angefochtene Prüfungsbescheid im Widerspruchsverfahren vollständig - einschließlich der fachlich-pädagogischen Leistungsbeurteilung - hätteüberprüft werden müssen. Diese Auffassung läßt sich mit der Regelung des Berufsbildungsgesetzes, die die Leistungsbeurteilung allein den Prüfungsausschüssen anvertraut hat, nicht vereinbaren.

Richtig ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich für dieÜberprüfung aller Verwaltungsakte im Widerspruchsverfahren gilt und seine Anwendung bei Widersprüchen gegen Prüfungsentscheidungen deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß durch Gesetz nicht nur die Überprüfung der Entscheidung im Widerspruchsverfahren ausgeschlossen, sondern auch in der Weise eingeschränkt werden kann, daß die Leistungsbeurteilung nur darauf überprüft wird, ob die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten worden sind. Ferner geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß eine ausdrückliche gesetzliche Regelung insoweit nicht erforderlich ist, ein entsprechender Gesetzesbefehl sich vielmehr auch schlüssig aus der gesetzlichen Gesamtregelung ergeben kann. Das aber - und dies hat das Berufungsgericht verkannt - ist hier der Fall.

Der Gesetzgeber hat die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse nicht der Entscheidung der für die Berufsbildung zuständigen Stellen überlassen, sondern sie durch eingehende Regelungen selbst bestimmt, und zwar für die hier in Frage stehende Fortbildungsprüfung durch § 46 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 37, 38 BBiG. Nach § 37 Abs. 2 BBiG müssen jedem Prüfungsausschuß in gleicher Anzahl Beauftragte der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie mindestens ein Lehrer einer berufsbildenden Schule angehören, und mindestens zwei Drittel der Gesamtzahl der Mitglieder müssen Beauftragte der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sein. Der Gesetzgeber hat damit den gesellschaftspolitisch begründeten Paritätsgedanken, dem er im Recht der beruflichen Bildung eine besondere Bedeutung beimißt (vgl. z.B. §§ 56 ff. BBiG,§§ 43 ff. HwO), auch im beruflichen Prüfungswesen fest verankert (vgl. auch § 34 HwO) und dadurch zu erkennen gegeben, daß er die paritätische Besetzung der Prüfungsausschüsse mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern als ein wesentliches Element für eine ausgewogene Leistungsbeurteilung ansieht. Wenn aber die Beurteilungsermächtigung nur einem in bestimmter Weise zusammengesetzten Gremium überantwortet werden sollte, das seine Entscheidung in einem gesetzlich geregelten Verfahren trifft (§ 38 Abs. 2 BBiG), so wäre es nicht verständlich, für den Fall des Widerspruchs dieselbe uneingeschränkte Beurteilungsermächtigung einer Stelle einzuräumen, die eine entsprechende Zusammensetzung nicht aufweist und entsprechenden Verfahrensregeln nicht unterliegt. Denn der Sinn einer Regelung, die eine Leistungsbeurteilung einem besonderen Verfahren zuweist, in dem die Richtigkeit der Beurteilung durch bestimmte Eigenschaften der Beurteilenden gewährleistet werden soll, ginge verloren, wenn die Leistungsbeurteilung einer Überprüfung in einem Verfahren unterzogen werden könnte, das diese Merkmale nicht aufweist. Bas aber zwingt zu folgendem Schluß: Da die Überprüfung der Prüfungsentscheidung im Widerspruchsverfahren und die Entscheidung über den Widerspruch der Geschäftsführung der Beklagten überlassen und nicht einem Gremium überantwortet sind, das hinsichtlich Zusammensetzung und Verfahren dem Prüfungsausschuß in seinen prüfungsrechtlich relevanten Merkmalen entspricht, ist eine volle inhaltliche Überprüfung der Leistungsbeurteilung rechtlich ausgeschlossen.

Der erkennende Senat hat bereits wiederholt entschieden, daß eine Beschränkung der Kontrollbefugnisse der Widerspruchsbehörde hinsichtlich der Beurteilung von Prüfungsleistungen - entsprechend der der Gerichte - auf die Einhaltung des Beurteilungsspielraumes bundesrechtlich zulässig ist (vgl. BVerwGE 57, 130 [147]; Beschluß vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 7 B 198.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 98; Beschluß vom 16. Februar 1981 - BVerwG 7 B 18.81 - Buchholz a.a.O. Nr. 140; Beschluß vom 14. September 1981 - BVerwG 7 B 189.81 -; zuletzt Beschluß vom 14. Februar 1984 - BVerwG 7 B 65.83 -). In dem Urteil vom 1. Dezember 1978 (BVerwGE 57, 130 [145]) ist ausgeführt, eine Einschränkung der Kontrolle von Leistungsbeurteilungen im Widerspruchsverfahren könne sich "der Sache nach" daraus ergeben, daß die Bewertung einer Leistung die volle Kenntnis der Leistung voraussetzt und daß deshalb die erneute Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen im allgemeinen nicht mehr möglich sei. Darüber hinaus hat der Senat auch bei schriftlichen Prüfungen Einschränkungen derÜberprüfung im Widerspruchsverfahren anerkannt. In dem Beschluß vom 16. Februar 1981 (a.a.O.) hat er die dort in Frage stehende Rechtsprechung, die eine uneingeschränkte Kontrollbefugnis der Widerspruchsbehörde wegen der Position des Prüfungsausschusses abgelehnt hatte, mit der Bemerkung gebilligt, sie stehe nicht nur nicht im Widerspruch, sondern zumindest der Tendenz nach im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Daran ist festzuhalten. Der Widerspruchsstelle verbleibt demnach die Aufgabe, die Prüfungsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zuüberprüfen, also festzustellen, ob der Prüfungsausschuß die Verfahrensvorschriften und das anzuwendende materielle Recht beachtet hat. Rechtswidrig wäre die Prüfungsentscheidung, wenn die Prüfer den Rahmen ihrer Beurteilungsermächtigungüberschritten, ihrer Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe mißachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hätten. Einer eigenen fachlich-pädagogischen Beurteilung der Prüfungsleistungen hat sich die Widerspruchsstelle jedoch wegen der nur den Prüfern, aber nicht ihr eingeräumten Beurteilungsermächtigung zu enthalten (ebenso - im Anschluß an das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. März 1982 [NJW 1982, 2685 = BayVBl. 1982, 404] - Herkert, a.a.O § 38 Rdnr. 21). Hiernach war es rechtmäßig, daß die Beklagte eine Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren nicht vorgenommen hat.

3.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wäre im Ergebnis richtig und die Revision deshalb gemäß § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, wenn der Widerspruchsbescheid aus anderen Gründen rechtswidrig wäre. Das ist aber nicht der Fall.

Der Erwägung des Berufungsgerichts, das Widerspruchsverfahren sei insofern fehlerhaft durchgeführt worden, als eine korrekte Abhilfeentscheidung des Prüfungsausschusses nicht herbeigeführt worden sei, kann nicht gefolgt werden. Sind Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde - wie etwa in den Fällen des § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO - identisch, so ist eine dem Widerspruchsbescheid vorausgehende Nichtabhilfeentscheidung nicht erforderlich. Führen die Erwägungen der Behörde, ob dem Widerspruch abgeholfen werden soll oder nicht, zu einem dem Widerspruchsführer negativen Ergebnis, so hat sie sofort einen Widerspruchsbescheid zu erlassen (Redeker/von Oertzen, VwGO, 7. Auflage 1981, § 72 Rdnr. 2; Kopp, VwGO, 6. Auflage 1984, § 72 Rdnr. 1). Eine vorgeschaltete Nichtabhilfeentscheidung wäre überflüssig.

Die dem Berufungsurteil offenbar zugrunde liegende Vorstellung, Prüfungsausschuß (als "Erstbehörde", Urteilsabdruck S. 14) und Widerspruchsbehörde seien zwei Behörden, geht nach dem zu 1 Gesagten fehl. Abgesehen davon, daß der Prüfungsausschuß den angefochtenen Prüfungsbescheid nicht selbst erlassen hat, handelt es sich bei ihm nicht um eine Behörde im Sinne der §§ 68 ff. VwGO. Die Prüfungsausschüsse der Industrie- und Handelskammern nach dem Berufsbildungsgesetz sind, den Gesellenprüfungsausschüssen nach § 33 HwO vergleichbar, Einrichtungen der "zuständigen Stelle" (§§ 36, 46 Abs. 1 BBiG). Man mag sie als deren unselbständige Organe bezeichnen; die Merkmale von Behörden im Sinne der bezeichneten Vorschriften weisen sie nicht auf. Ihnen fehlt das erforderliche Maß an Selbständigkeit, auch hinsichtlich der sächlichen und personellen Ausstattung an Verwaltungsmitteln; insbesondere sind sie nicht ermächtigt, ihre Entscheidungen nach außen in eigenem Namen zu treffen. (Ebenso Herkert, a.a.O., § 36 Rdnr. 6; Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., S. 51; hinsichtlich der Gesellenprüfungsausschüsse nach § 33 HwO ebenso Gedon/Spiertz, Berufungsbildungsrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand November 1983, § 36 Anm. 1; Kolbenschlag/Lessmann/Stücklen, a.a.O., § 33 Rdnr. 13; OVG Münster, Urteil vom 11. November 1977, GewArch. 1979, 21; anderer Ansicht insoweit Eyermann/Fröhler/Honig, a.a.O., § 33 Rdnr. 11; Schotthöfer, GewArch. 1981, 259; Schoch, GewArch. 1962, 49; die Behördeneigenschaft von Prüfungsausschüssen verneinen ferner Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 2. Auflage 1984, Rdnr. 505, 506; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, S. 88; OVG Münster, Urteil vom 8. September 1966, OVGE 22, 267 = NJW 1967, 949 [OVG Nordrhein-Westfalen 08.09.1966 - V A 1639/64]).

Auch ohne Abhilfeverfahren muß sich die Widerspruchsstelle freilich darüber schlüssig werden, ob dem Widerspruch stattzugeben ist oder nicht. Sie hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (vgl. § 24 HmbVwVfG). Insbesondere muß sie den mit dem Widerspruch vorgebrachten Beanstandungen nachgehen. Dabei wird es sich regelmäßig als zweckmäßig erweisen, benötigte Informationen durch Einholung von Stellungnahmen der Prüfer zum Widerspruchsvorbringen zu beschaffen. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen jeweils von den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere auch von den mit dem Widerspruch erhobenen Vorwürfen ab.

Hiernach ist die Beklagte rechtmäßig verfahren. Von den sechs Mitgliedern des Prüfungsausschusses haben sich fünf - zum Teil in ausführlichen Stellungnahmen - dahingehend geäußert, daß sie den Widerspruch für unbegründet hielten. Ob der sechste Prüfer die Aufforderung zur Stellungnahme nicht erhalten oder die Abgabe der Stellungnahme versäumt hat, läßt sich den Akten nicht entnehmen. Auf jeden Fall ist es nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die Widerspruchsentscheidung ohne die sechste Stellungnahme getroffen hat. Der Widerspruch beschränkte sich auf den Vorwurf, einige Arbeiten seien "nicht bepunktet und offenbar völlig übersehen worden", und enthielt die Bitte um "Prüfung und Würdigung von Rechen- und Folgefehlern". Die Unbegründetheit dieses Vorwurfs und das Nichtvorliegen der behaupteten Fehler ließ sich ohne weiteres anhand der eingegangenen Stellungnahmen feststellen. Der Stellungnahme des sechsten Prüfers bedurfte es hierfür nicht.

Schließlich sind die Zweifel an der Objektivität der Prüfer, die das Verwaltungsgericht wegen einiger Formulierungen in deren Stellungnahmen geäußert hat, nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides in Frage zu stellen. Die Bezeichnung des Widerspruchsvorbringens als unsubstantiiert oder unqualifiziert drückt offensichtlich das Erstaunen der Prüfer darüber aus, daß hier Vorwürfe erhoben werden, die - wie sie, übrigens zu Recht, meinen - aus der Luft gegriffen sind. Aus dieser zwar drastischen, aus der Sicht der Prüfer aber verständlichen Kritik am Inhalt der Widerspruchsbegründung läßt sich ein Verdacht der Voreingenommenheit der Prüfer nicht herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 DM festgesetzt.