VG Sigmaringen, 24.07.2001 - 2 K 396/01

Daten
Fall: 
Baugenehmigungsgebühr: Schuldner bei Grundstücksverkauf
Gericht: 
Verwaltungsgericht Sigmaringen
Datum: 
24.07.2001
Aktenzeichen: 
2 K 396/01
Entscheidungstyp: 
Urteil

Die Baugenehmigungsgebühr kann neben dem Veräußerer auch vom Grundstückserwerber erhoben werden, wenn bei Erteilung der Baugenehmigung der Kaufvertrag bereits geschlossen war und er das Grundstück zum Zweck der Bebauung erworben hat. Der Erwerber hat in diesem Fall schon vor der Eintragung ins Grundbuch ein Interesse an der Baugenehmigung im Sinne von § 4 Abs 1 Nr 1 Alt 1 LGebG (GebG BW).

Inhaltsverzeichnis 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Gebührenfestsetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 11. Dezember 1997 verkaufte die Gemeinde D. das Grundstück Flst.Nr. an den Kläger. In § 2 Nr. 2 dieses Kaufvertrages ist bestimmt, dass die Kosten für den Bauantrag, die Baugenehmigung, die Statik und deren Prüfung der Käufer trägt. Am 19. Januar 1998 beantragte die Gemeinde D. als Eigentümerin des Grundstücks die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage; der Kläger wurde zum Bauleiter bestellt. Am 26. März 1998 erteilte das Landratsamt B. der Gemeinde D. die beantragte Baugenehmigung. Wegen der Gebührenentscheidung wurde auf einen gesonderten Bescheid verwiesen. Sowohl die Prüfberichte als auch die Teilbaufreigabe und die Baueinstellung vom 7. Juli 1998 durch das Landratsamts B. wurden an den Kläger als Bauherrn gerichtet, der auch die für die Baueinstellung festgesetzte Gebühr bezahlt hat. Am 31. August 1998 erteilte ihm das Landratsamt B. die Baufreigabe. Am 21. September 1998 wurde der Kläger als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 29. September 1998 setzte das Landratsamt B. gegenüber dem Kläger für die Erteilung der Baugenehmigung eine Gebühr in Höhe von 11.210,00 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 1998 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 12. April 1999 setzte das Landratsamt B. gegenüber der Gemeinde D. für die Erteilung der Baugenehmigung eine Gebühr in Höhe von 11.210,00 DM mit der Maßgabe fest, dass die Gemeinde D. und der Kläger als Gesamtschuldner haften. Mit Schreiben vom 20. April 1999 legte die Gemeinde D. gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Am 21. Oktober 1999 bezahlte die Gemeinde D. die geforderten 11.210,00 DM.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2001 wies das Regierungspräsidium T. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Erteilung der Baugenehmigung im Interesse des Klägers erfolgt sei, weil dieser als Erwerber des Grundstücks das geplante Bauvorhaben verwirklicht habe. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Kläger die Teilbaufreigabe vom 7. Juli 1998 erhalten und die für die Baueinstellung festgesetzte Gebühr bezahlt habe. Durch die Zahlung der Gebühr im Oktober 1999 habe das Landratsamt B. keinen Anspruch mehr auf die Hauptsumme, wohl aber auf die Säumniszinsen nach § 18 Abs. 1 Landesgebührengesetz (LGebG) für ein Jahr. Der Widerspruchsbescheid wurde am 16. Februar 2001 zugestellt.

Am 16. März 2001 erhob der Kläger Klage. Er macht geltend, dass er nicht Gebührenschuldner gem. § 4 Abs. 1 Landesgebührengesetz und damit nicht zur Zahlung einer Baugenehmigungsgebühr verpflichtet sei. Die Gemeinde D. habe mit ihrem Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung eine Amtshandlung des Beklagten i.S. von § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 LGebG veranlasst. Auch die Baugenehmigung sei schließlich der Gemeinde D. und nicht dem Kläger erteilt worden. Sie sei auch ausschließlich im Interesse der Gemeinde D. erfolgt, weil diese sonst den mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück gar nicht hätte erfüllen können. Denn die Vertragsparteien seien sich darüber einig gewesen, dass Kaufgegenstand das Baugrundstück mit der hierfür erteilten Baugenehmigung gewesen sei. Im Übrigen stehe dem Landratsamt B. aufgrund der Zahlung des Betrages durch die Gemeinde D. kein Zahlungsanspruch mehr zu. Eine Zahlung von Säumniszinsen komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht für die Baugenehmigungsgebühr hafte.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landratsamts B. vom 29. September 1998 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums T. vom 14. Februar 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass die Klage unzulässig sei, weil infolge der Zahlung durch die Gemeinde D. die Klage in der Hauptsache bereits vor Klageerhebung erledigt gewesen sei. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide. Durch die Zahlung seitens der Gemeinde D. sei die Gebührenforderung gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch gegenüber dem Kläger erloschen; der gegen ihn gerichtete Gebührenbescheid habe sich damit ebenfalls erledigt. Eine Zahlungspflicht des Klägers gegenüber dem Beklagten habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden. Wer letztendlich im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der Gemeinde die Kosten zu tragen habe und ob der Kläger Regressforderungen seitens der Gemeinde ausgesetzt sei, sei für das vom Kläger hier gewählte Verfahren der Anfechtungsklage ohne Bedeutung. Die Möglichkeit der Geltendmachung von Säumniszinsen sei bisher nicht wahrgenommen worden, so dass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe. Streitgegenstand sei lediglich die Hauptforderung wie in den Bescheiden dargestellt. Die Klage sei weiter auch unbegründet, weil der Kläger Gebührenschuldner sei. Die Erteilung der Baugenehmigung sei im Interesse des Klägers erfolgt, der als Erwerber des Objektes ein wirtschaftliches Interesse an der Erteilung der Baugenehmigung gehabt habe. Das geplante Vorhaben habe den Neubau von Wohnungen und Geschäftsflächen umfasst, die der Kläger zum Verkauf bzw. zur Miete angeboten habe. Es ergebe sich bereits aus § 2 Nr. 3 des Kaufvertrags vom 11. Dezember 1997, dass der Käufer neben den Kosten für den Bauantrag, die Statik und die Prüfung auch die Kosten für die Baugenehmigung trage. Ein weiterer Anhaltspunkt für das Interesse des Klägers an der Verwirklichung des Bauvorhabens ergebe sich zudem aus dem Umstand, dass er anstandslos die Gebühren für die Teilbaufreigabe und die Baueinstellung vom 7. Juli 1998 gezahlt habe. Sofern der Bürgermeister der Gemeinde D. - wie vom Kläger behauptet - tatsächlich zugesagt haben sollte, dass die Gemeinde D. die Kosten für die Erteilung der Baugenehmigung trage, stehe dies mangels Bindungswirkung der Gebührenfestsetzung durch das Landratsamt B. nicht entgegen. Es sei eine Frage des Innenverhältnisses, ob der Kläger oder die Gemeinde D. letztendlich die Gebühren für die Erteilung der Baugenehmigung zu tragen hätten.

Der Kammer liegen die einschlägigen Verwaltungsakten vor; auf diese sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch die Zahlung der 11.210,00 DM durch die Gemeinde D. entfallen. Zwar wirkt die Erfüllung der Gebührenforderung des Landratsamts B. im Falle einer gesamtschuldnerischen Haftung des Klägers und der Gemeinde D. (§ 4 Abs. 2 LGebG) nach § 422 BGB auch für den Kläger; das Landratsamt B. kann daher vom Kläger nicht mehr die Zahlung der Gebühr verlangen. Damit ist jedoch noch keine Erledigung eingetreten. Denn der Gebührenfestsetzungsbescheid vom 29. September 1998 hat zwei Funktionen: Er wandelt zum einen die generell-abstrakte Gebührenpflicht in eine konkrete Pflicht des Klägers um; zum anderen ist er Vollstreckungsgrundlage für das Landratsamt B. (vgl. zu dieser Doppelfunktion Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, S. 43). Hinsichtlich der Konkretisierung der Gebührenpflicht des Klägers hat sich der Gebührenbescheid noch nicht erledigt. Die Festsetzung der Gebührenpflicht ist zum einen für die Frage von Bedeutung, ob die Gemeinde D. einen Ausgleichsanspruch gegen den Kläger hat: Dafür kommt neben einem Anspruch aus dem notariellen Kaufvertrag vom 11. Dezember 1997 auch ein Ausgleichsanspruch gegen den Kläger als Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 LGebG in Betracht. Voraussetzung für einen solchen Ausgleichsanspruch aufgrund einer gesamtschuldnerischen Haftung für eine Gebühr - also nach öffentlichem Recht - ist aber, dass der Kläger überhaupt Gebührenschuldner ist; insofern hat er nach wie vor ein rechtliches Interesse an der Aufhebung des Gebührenfestsetzungsbescheids vom 28. September 1998. Zum anderen weist der Kläger zurecht darauf hin, dass er - sofern seine Gebührenpflicht feststeht - auch zur Zahlung von Säumniszuschlägen gemäß § 18 LGebG herangezogen werden kann, wenngleich diese nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts B. vom 28. September 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Erlass des Gebührenbescheides ist § 47 Abs. 4 Satz 2 LBO in Verbindung mit den für Amtshandlungen staatlicher Behörden geltenden Gebührenvorschriften des Landesgebührengesetzes (§§ 1 Abs. 1; 2 Abs. 1; 4 LGebG), der Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Gebührensätze für Amtshandlungen staatlicher Behörden (GebVO) und Nr. 11.4.1 und 11.12.1 des der Verordnung als Anlage beigefügten Gebührenverzeichnisses (GebVerz) vom 28.6.1993 (GBl. S. 381, berichtigt S. 643).

Die Zuständigkeit des Landratsamts B. ergibt sich aus § 12 LGebG, wonach für die Festsetzung der Gebühr die Behörde zuständig ist, die die Amtshandlung - hier: die Erteilung der Baugenehmigung - vorgenommen hat.

Der Kläger ist auch Gebührenschuldner i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LGebG. Nach dieser Vorschrift ist zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst oder in wessen Interesse sie vorgenommen wird. Die Erteilung der Baugenehmigung wurde zwar von der Gemeinde D. veranlasst; sie erfolgte aber - zumindest auch - im Interesse des Klägers. Die Baugenehmigungsgebühr stellt eine Gegenleistung für eine besondere Verwaltungsleistung - die Bearbeitung des Bauantrags bis zur Erteilung der Baugenehmigung - dar. Für die Erhebung der (Verwaltungs-) Gebühr ist dabei erforderlich, dass der Zusammenhang mit dem gewährten besonderen Vorteil sowohl in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht durch die individuelle Zurechenbarkeit der Amtshandlung gerade zum Gebührenschuldner gewahrt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss v. 29. Juli 1998, VBlBW 1998, 468 ff.). Voraussetzung für die Annahme eines "Interesses" des Klägers an der Erteilung der Baugenehmigung i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 LGebG ist daher, dass diese für ihn wirtschaftlichen Wert oder sonstigen Nutzen oder Bedeutung hat. Die Bedeutung der Baugenehmigung für den Kläger ergibt sich zum einen bereits aus seiner formalen Stellung als Rechtsnachfolger des Antragstellers: Wirkt eine Amtshandlung auch für und gegen den Rechtsnachfolger des Antragstellers, so ist der Rechtsnachfolger gleichfalls Gebührenschuldner, weil die Amtshandlung auch zu seinen Gunsten vorgenommen wurde; denn die Gebührenentscheidung ist letztlich nur ein Appendix zur eigentlichen Amtshandlung (Gerhardt/Schlabach, Verwaltungskostenrecht, 24. EL § 4 LGebG Rn. 22; zu einer nicht mehr gültigen Fassung der Landesbauordnung noch a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 29. August 1979 - II 2812/78 -). Gemäß § 58 Abs. 2 LBO gilt die Baugenehmigung auch für und gegen den Rechtsnachfolger. Mit seiner Eintragung in das Grundbuch am 21. September 1998 ging das Eigentum an dem Grundstück auf den Kläger über. Zum Zeitpunkt der D. Gebührenfestsetzung war der Kläger somit Rechtsnachfolger der Gemeinde D. und damit durch die Baugenehmigung begünstigt. Darüber hinaus hatte der Kläger bereits vor seiner Eintragung in das Grundbuch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens. Mit der Beantragung der Baugenehmigung durch die Gemeinde D. sollte - wie § 2 des Kaufvertrags vom 11. Dezember 1997 zu entnehmen ist - der Einfluss der Gemeinde auf die konkrete Verwirklichung des Vorhabens sichergestellt werden. Das wirtschaftliche Interesse lag dabei jedoch beim Kläger: Der Kläger erwarb das Grundstück in der Absicht, ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten und dieses gewinnbringend zu verkaufen. Bereits vor seiner Eintragung ins Grundbuch hatte der Kläger die Bauherrenfunktion übernommen. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Baugenehmigung durch die Gemeinde D. war der notarielle Kaufvertrag bereits abgeschlossen und der Kläger zum Bauleiter bestellt. Die Erteilung der Baugenehmigung war daher Voraussetzung für die Verwirklichung seines Projektes und damit für die Realisierung seines wirtschaftlichen Interesses. Dass daneben auch die Gemeinde D. an der Errichtung des Gebäudes in Übereinstimmung mit ihren städtebaulichen Vorstellungen interessiert war, steht dem nicht entgegen. Neben der Gemeinde ist somit auch der Kläger Gebührenschuldner i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LGebG.

Für die Entstehung der Gebührenschuld sind die privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Gemeinde D. über die Kostentragung unerheblich. Ob die Gemeinde D. ihrerseits Ansprüche aufgrund des notariellen Kaufvertrags vom 11. Dezember 1998 gegen den Kläger hat, muss gegebenenfalls vor den ordentlichen Gerichten geklärt werden. Daher ist auch unerheblich, wie die Bestimmung des § 3 Nr. 2 Satz 2 des notariellen Vertrages auszulegen ist, nach der der Kläger die "Kosten für (...) die Baugenehmigung" trägt; ob damit auch - wofür einiges spricht - die Baugenehmigungsgebühren gemeint waren, kann somit offen bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.