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Checkliste zum Aufbau von Gutachten

Gutachten oder Konzepte gewinnen an Qualität, wenn sie einheitlich nach folgendem Schema aufgebaut werden. Der begleitende Brief an den Mandanten kann kürzer ausfallen als üblich.
Deckblatt
Gliederung
Überblick
I. Gutachtensauftrag
II. Zusammenfassung der Ergebnisse
III. Empfehlungen für das weitere Vorgehen
Darstellung im Detail
IV. Sachverhalt
V. Rechtslage, Chancen, Risiken
VI. Maßnahmen und Alternativen
VII. Aufwendungen und Kosten
VIII. Anlagen

Äußere Form

Viele Rechtsanwälte erstellen Gutachten auch in Briefform. Dies ist aus verschiedenen Gründen nicht empfehlenswert, weil die Qualität eines Gutachtens wesentlich davon lebt, dass die einzelnen Aussagen wie oben vorgeschlagen voneinander getrennt werden und nicht ineinander fließen. Im Abschnitt IV „Sachverhalt" sollten sich nur Tatsachen finden, im Abschnitt VII nur Aussagen zu Aufwendungen und Kosten. Von ausschlaggebender Bedeutung ist es, das Ergebnis unmittelbar nach dem Auftrag am Anfang des Gutachtens zusammenzufassen und möglichst auf eine Seite zu beschränken. (one-page-memory-Prinzip)

Den Begriff „Kurzgutachten" sollte man grundsätzlich vermeiden: Er soll wohl in irgendeiner unbestimmten Weise andeuten, dass man die gutachtlichen Feststellungen nicht so ganz ernst nehmen darf, weil entweder zu wenig Zeit zur Verfügung stand oder der Sachverhalt nicht genau ermittelt werden konnte. Solche Vorbehalte gehören in den Gutachtensauftrag, aber nicht in die Überschrift!

Über den Inhalt hinaus sollte das Gutachten enthalten:

  • Deckblatt mit Titel, Verfasser und Versionsnummer
  • Gliederung (nur bei längeren Gutachten (etwa ab 6 Seiten) erforderlich. Die Gliederung darf niemals länger sein als eine Seite. Gegebenenfalls verkleinern oder Unterpunkte weglassen!

Überblick

I. Gutachtensauftrag

II. Zusammenfassung der Ergebnisse

III. Empfehlungen für das weitere Vorgehen

  • Gutachtensauftrag:
    Der Auftrag wird in aller Kürze skizziert, wobei der Schwerpunkt aus der Darstellung der Interessenperspektive besteht, aus der das Gutachten entsteht.
  • Zusammenfassung der Ergebnisse:
    Dieser Abschnitt umfasst nur das Ergebnis, nicht aber die Begründung (auch nicht teilweise!). Im Zentrum stehen die Aussagen zur Rechtslage. Sie müssen so dargestellt werden, wie der Verfasser sie sieht und nicht, wie der Auftraggeber sie sehen will! Alles andere führt zu Haftungsproblemen und falschen Entscheidungen. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, die Zusammenfassung an das Ende eines Gutachtens zu setzen, denn die meisten Auftraggeber interessieren sich nur für das Ergebnis, nicht aber die Begründung.
  • Empfehlungen für das weitere Vorgehen:
    Viele Gutachten enthalten diesen Abschnitt nicht, weil die Verfasser sich der Verantwortung für eine Empfehlung entziehen wollen. Damit entwerten sie aber ihre Ergebnisse. Die Empfehlungen werden hier gegeben, aber nicht begründet, allenfalls können Kurzbegründungen (zum Beispiel: Der „sichere Weg" oder „die Kosten-/ Nutzenrelation") gegeben werden. Empfehlungen müssen klar ausfallen. Auch wenn die Rechtslage ungünstig ist, kann die Empfehlung lauten, eine Klage zu erheben oder hart zu verhandeln. Taktische und strategische Gesichtspunkte können das rechtfertigen. Auch wenn Chancen und Risiken 50 zu 50 stehen, ist es unsere Aufgabe, zu empfehlen, warum wir uns auf die eine oder die andere Seite schlagen. Anwälte dürfen die Risiken klarer Aussagen nicht scheuen. In der Zusammenfassung müssen sie aber kurz ausfallen – die Gelegenheit zu intellektueller Differenzierung besteht im zweiten Teil.

Diese drei Teile sollten möglichst ein bis drei Seiten nicht überschreiten (one-page-memory-Prinzip), damit der juristisch nicht gebildete Leser sich auf diesen Abschnitt beschränken kann. Aus diesem Grund ist der Abschnitt auch (wie in USA üblich) an den Anfang und nicht an den Schluss des Gutachtens gestellt worden. Man kann ihn konsequent kurz halten, wenn man nicht versucht, Teile der Begründung für Empfehlungen etc. hineinzupacken. Die Qualität eines Gutachtens erkennt man daran, dass kein Hinweis oder Gedanke wiederholt wird – außer es ist rhetorisch veranlasst.

Darstellung im Detail

In diesem Abschnitt gibt es keine Umfangbegrenzungen. Gutachten sollten zwar nicht geschwätzig sein, sie können aber erhebliche Textmengen enthalten, wenn diese übersichtlich gegliedert und richtig aufgebaut sind.

IV. Sachverhalt

  • Historisch aufgebauter Teil:
    Hier wird der relevante Sachverhalt im Zeitablauf dargestellt, was im Regelfall ausreicht. Sehr anschaulich ist oft eine Zeitschiene, bei der links die Tabelle der jeweiligen Daten und rechts das jeweilige Ereignis festgehalten wird. Für das Verständnis eines Gutachtens ist es sehr wichtig, dass relevante Textpassagen aus Verträgen oder anderen Dokumenten wörtlich zitiert werden. Die Markierung in Anlagen reicht in der Regel nicht aus.
  • Thematisch gegliederter Teil:
    Bei größeren Gutachten muss man manchmal einzelne Sachverhaltspunkte nochmals unter bestimmten Aspekten zusammenfassen. In diesem Fall beschränkt man den historisch aufgebauten Teil auf eine relativ kurze Übersicht und behandelt Details themenbezogen, damit man Wiederholungen vermeidet.

V. Rechtslage, Chancen und Risiken

Die Prüfung der Rechtslage geschieht grundsätzlich aus der Perspektive des Auftraggebers. Er will bestimmte Ergebnisse erreichen und wir sollen ihm sagen, ob das machbar ist, welche Risiken auftreten und wie wir sie bewerten. Daraus folgt die Gliederung:

  • Angestrebte Ergebnisse
  • Mögliche Ansprüche und Bewertung von Risiken
  • Mögliche Einwendungen und Bewertung von Risiken.

Die Darstellung muss realistisch sein, also auch Negatives hervorheben. Das schwierigste stilistische Problem in diesem Teil besteht darin, ungerechtfertigten Optimismus zu vermeiden, aber andererseits nicht den Eindruck zu erwecken, die Rechtslage werde aus taktischen Gründen negativ dargestellt, um den Berater von möglichen Risiken freizuhalten. Man löst das Problem am besten mit aufgedeckten Risikoeinschätzungen derart: „Es gibt zwar Risiken, man muss es aber trotzdem versuchen", wobei dieses „trotzdem" auch bei unsicherer Rechtslage durch eventuell entstehende taktische Vorteile gerechtfertigt wird (zum Beispiel entstehende Zeitverzögerungen, Zinsgewinne, Prestigegewinn etc.).

VI. Maßnahmen und Alternativen

In diesem Abschnitt sind sowohl die eigenen Maßnahmen zu schildern als auch diejenigen, die die Gegenseite möglicherweise als Antwort ergreift (mit jeweiligen Alternativen und zugehöriger Risikobewertung):

  • Rechtliche Maßnahmen (z. B. Anfechtung/Ablehnen, Annehmen von Verträgen/Einleiten oder Aufgreifen von Prozessen)
  • Organisatorische Maßnahmen (z. B. verstärkte Überwachung der Wareneingangskontrolle)
  • Technische Maßnahmen (z. B. Erhöhung der Produktqualität)
  • Psychologische Maßnahmen (z. B. Art und Weise, wie man an Verhandlungen herangeht)
  • Taktische Überlegungen (bezogen auf die einzelnen Maßnahmen: Dieser Abschnitt kann auch in die früheren Abschnitte eingearbeitet werden).

Wenn das Ergebnis negativ ist, und die Absichten des Mandanten nicht erreicht werden können, muss das Gutachten sagen, was mindestens möglich ist und sollte ein besonderes Augenmerk auf die Alternativen richten.

VII. Aufwendungen und Kosten

In diesem Abschnitt sind die Aufwendungen und Kosten zu erörtern, die für die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen (und die möglichen Alternativen) erforderlich sind. Dazu gehören vor allem:

  • organisatorische
  • technische
  • finanzielle (insbesondere Kostenrisiken/Rückerstattungsansprüche/Kosten-/Nutzenrelation etc.)
Literaturverzeichnis
Weitere Literatur: