RG, 20.03.1884 - IV 515/83

Daten
Fall: 
Nachweis der Erbeseigenschaft
Fundstellen: 
RGZ 11, 260
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.03.1884
Aktenzeichen: 
IV 515/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Rechtswirksamkeit einer von den Erben des Berechtigten ohne gleichzeitigen Nachweis der Erbeseigenschaft gegen den Verpflichteten erklärten Aufforderung zur Erfüllung.

Tatbestand

Der Kommissionsrat M., der Erblasser der Kläger, hatte dem Beklagten am 13. November 1876 eine Hypothekenforderung von 240000 M abgetreten und sich in der Abtretungsurkunde das Recht vorbehalten, die Forderung bis spätestens zum 1. April 1882 gegen eine Cessionsvaluta von 172500 M zurückzuerwerben. Mittels Schreibens vom 24. März 1882 forderten die Kläger unter der Anzeige, daß sie als die einzigen Erben des Cedenten von der ihrem Erblasser eingeräumten Befugnis des Rückerwerbes der Forderung Gebrauch zu machen willens seien, den Beklagten auf, sich zur Ausstellung der Abtretungserklärung gegen Empfangnahme des Geldes am 30. März nachmittags um 5 Uhr im Bureau des Rechtsanwaltes und Notars L. einzufinden. Zur bestimmten Stunde erschien der mit General- und Spezialvollmacht seiner Miterbin versehene Mitkläger M. mit dem Gelde an dem gedachten Orte, während sich der Beklagte nicht einfand. Am 31. März nachmittags um 2 Uhr begab sich der genannte Mitkläger wiederum mit dem Gelde in die Wohnung des Beklagten, traf den letzteren jedoch nicht an und ließ für denselben die Nachricht zurück, das Geld werde am 1. April nachmittags um 6 Uhr im Bureau des L. zur Empfangnahme gegen Ausstellung der Cession bereit liegen. Am selben Tage richtete der Rechtsanwalt L. im Auftrage des Mitklägers M. an den Beklagten einen Brief mit der Aufforderung, sich zur gedachten Zeit am gedachten Orte einzufinden. Diesen Brief erhielt der Beklagte spätestens am Vormittage des 1. April. Er erschien aber nicht, während der Mitkläger M. sich wiederum mit dem Gelde einfand. Nunmehr erhoben die Kläger mit dem Antrage auf Verurteilung des Beklagten zur Abtretung der Forderung gegen Empfang der 172500 M Klage.

Während des Prozesses, welcher noch andere Ansprüche der Kläger an den Beklagten zum Gegenstände hatte, gab der Beklagte die verlangte Cessionserklärung gegen Empfang des Geldes ab, nachdem die Kläger eine Erbbescheinigung, laut deren sie die einzigen Erben des ursprünglich Berechtigten geworden waren, vorgelegt hatten. Er bestritt aber die Verpflichtung zur Tragung der durch das fragliche Klagebegehren entstandenen Mehrkosten des Prozesses, weil die Kläger bei der von ihnen und in ihrem Auftrage vom Rechtsanwälte L. an ihn - den Beklagten - gerichteten Aufforderung, sich zur bestimmten Stunde an dem angegebenen Orte einzufinden, ihre Legitimation als alleinige Erben des ursprünglich Berechtigten nicht beigebracht hätten. Beide Vorderrichter legten auch diese Mehrkosten den Klägern zur Last. Auf die Revision der Kläger wurde jedoch das Berufungsurteil aufgehoben und der Beklagte zur Tragung der Mehrkosten verurteilt.

Aus den Gründen

"Nach dem vorliegenden Thatsachenmateriale muß angenommen werden, daß der Beklagte durch sein Verhalten die Kläger zu dem auf seine Verurteilung zur Rückcession der Hypothek gegen Zahlung der 172 300 M gerichteten, demnächst durch Klaglosstellung der Kläger erledigten Klagbegehren ohne gegründete Veranlassung genötigt hat. Der Beklagte war allerdings, wie sich aus der Natur der Sache ergiebt, in seinem Rechte, wenn er die Rückcession der Hypothek nicht leistete, bevor die Kläger ihm gegenüber als Erben des Kommissionsrates M. sich glaubhaft ausgewiesen hatten. Der in dem Schreiben vom 24. März 1882 ihm gemachten Anzeige davon, daß die Kläger als die alleinigen Erben des M. von der Befugnis des Rückerwerbes der Hypothek Gebrauch zu machen willens seien, brauchte er also nicht in der Art Glauben zu schenken, daß er auf das Verlangen der Kläger ohne den Nachweis ihrer Erbeseigenschaft einging. Aber daraus folgt nicht, daß er das Schreiben vom 24. März 1882 und die späteren Aufforderungen völlig unbeachtet lassen durfte. Nach dem Ableben des M. waren dessen Erben berechtigt, die Rückcession vom Beklagten gegen Zahlung des verabredeten Wertes zu verlangen. Traten dem Beklagten gegenüber Personen als Erben des ursprünglich Berechtigten mit dem Ansprüche auf Rückcession auf, so hatte er, wenn er an der Legitimation derselben zweifelte, sei es, daß ihm der Tod des ursprünglich Berechtigten nicht bekannt war, sei es, daß er zwar von dessen Ableben, aber nicht davon, wer die Erben desselben "geworden waren, glaubhafte Kenntnis hatte, die Aufforderung abzuweisen, dabei aber die als Erben aufgetretenen Personen nicht im Ungewissen über das Motiv der Abweisung zu lassen. Das Unbeachtetlassen der Aufforderung der Kläger entspricht, wenn überhaupt unterstellt werden darf, daß es dem Beklagten nicht darum zu thun gewesen ist, die Ausübung der in Rede stehenden Befugnis seitens der Kläger bei der Kürze der dem letzteren noch bleibenden Frist illusorisch zu machen, so wenig den Gepflogenheiten und Bedürfnissen des geordneten, auf Treue und Glauben beruhenden geschäftlichen Verkehres, daß es die Kläger zu der Annahme nötigen mußte, der Beklagte wolle die Rückcession nicht leisten. Wenn daher die Kläger auf Grund dieser Annahme den Prozeßweg beschritten, so hat der Beklagte sie dazu durch sein Verhalten veranlaßt und er muß die dadurch entstandenen Mehrkosten des Prozesses tragen.1

  • 1. Vgl. das einen ähnlichen Fall entscheidende Urteil des vorm. Preußischen Obertribunales in dessen Entsch. Bd. 78 S. 22.