BGH, 09.11.1989 - VII ZR 200/88

Daten
Fall: 
Gemeinschaftskonto der Arge
Fundstellen: 
BauR 1990, 214; DB 1990, 726; IBR 1990, 220; MDR 1990, 534; NJW-RR 1990, 404; WM 1990, 481
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
09.11.1989
Aktenzeichen: 
VII ZR 200/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Girisch, Bliesener, Thode, Haß, Hausmann
Instanzen: 
  • LG Braunschweig, 16.04.1986
  • OLG Braunschweig, 18.12.1987

Haben zwei zu einer Arge zusammengeschlossene Bauunternehmer, von denen der eine mit der kaufmännischen Abwicklung des Bauvertrags betraut ist, vereinbart, daß Zahlungen des Auftraggebers nur auf ein Gemeinschaftskonto der Arge geleistet werden sollen, und geschieht das auch bei sämtlichen Abschlagszahlungen, so darf der Auftraggeber nicht ohne weiteres annehmen, der andere Unternehmer dulde es, wenn das "federführende" Mitglied der Arge einen Teil der Schlußzahlung auf ein eigenes Geschäftskonto einzieht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 18. Dezember 1987 aufgehoben.

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 16. April 1986 wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat auch die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.

Tatbestand

Im Jahre 1982 erteilte die Niedersächsische Hochschulbau GmbH der ARGE, bestehend aus der Klägerin und der Firma H. GmbH & Co. KG in Ha. (Firma H.), den Auftrag zur Erweiterung und zum Umbau der Kühlwasseranlage an der Technischen Universität B. mit einem Auftragsvolumen von rd. 487.000 DM brutto. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens wurde die Auftraggeberin mit der Niedersächsischen Gesellschaft für Öffentliche Finanzierungs mbH unter Ausschluß der Abwicklung verschmolzen. Für die Auftraggeberin ist das beklagte Land, das gegenüber der Gesellschaft zur Prozeßführung befugt ist, mit Zustimmung der Klägerin als Partei in den Prozeß eingetreten.

Im Zuge der Vertragsdurchführung überwies die Auftraggeberin auf zwei Zwischenrechnungen im Jahre 1982 zwei Abschlagszahlungen von insgesamt 511.272,10 DM auf das in den Zwischenrechnungen angegebene Gemeinschaftskonto der ARGE bei dem Bankhaus L. in B.. Die Schlußrechnung der ARGE vom April 1983 enthielt zunächst die Aufforderung, den Rechnungsbetrag auf ein Konto der Firma H. bei der Bank für G. AG in Ha. zu überweisen. Mit Schreiben vom 26. April 1983 wies die Firma H. für die ARGE jedoch auf die irrtümliche Kontoangabe in der Schlußrechnung hin und benannte erneut das bisherige Gemeinschaftskonto der ARGE. Mit Mahnschreiben vom 13. Juni 1983 forderte die Firma H. die Auftraggeberin im Namen der ARGE wiederum auf, den noch offenen Restwerklohn auf das Gemeinschaftskonto der ARGE zu überweisen.

Am 20. Juli 1983 überwies die Auftraggeberin einen noch offenen Betrag von 80.000 DM mit der Empfängerbezeichnung "H.-Heizung ..." auf ein Konto bei der BHF-Bank in Ha.. Am Tag zuvor hatte ein Angestellter der Firma H. einem Mitarbeiter der Auftraggeberin dieses Konto für die Überweisung telefonisch angegeben. Bei diesem Konto handelte es sich um das Konto des Vergleichsverwalters für das Vermögen der Firma H.. Am 1. August 1983 wurde über das Vermögen der Firma H. das Anschlußkonkursverfahren eröffnet; der Konkursverwalter trat am 31. Oktober 1985 die der ARGE gegen die Auftraggeberin zustehende Restwerklohnforderung an die Klägerin ab.

Das Landgericht hat der Klage, mit der die Klägerin den Restwerklohn in Höhe von 80.000 DM nebst Zinsen verlangt, bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer - angenommenen - Revision, die das beklagte Land zurückzuweisen bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

1.

Das Berufungsgericht meint, die Klageforderung sei deshalb unbegründet, weil die Auftraggeberin die Restwerklohnforderung mit Erfüllungswirkung gemäß § 362 BGB auf das von der Firma H. angegebene Konto überwiesen habe. Die Firma H., die nicht bevollmächtigt gewesen sei, die Forderung der ARGE allein einzuziehen, sei für die Klägerin mit deren Duldung als Vertreterin aufgetreten. Da von der Firma H. sämtliche Rechnungen und Mahnungen an die Auftraggeberin versandt worden seien, habe die Auftraggeberin davon ausgehen dürfen, daß die Firma H. auch bevollmächtigt gewesen sei, das Konto zu bestimmen.

2.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

a)

Rechtlich zutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Firma H. sei nicht bevollmächtigt gewesen, die Werklohnforderung mit Erfüllungswirkung über ein eigenes Konto einzuziehen. Nach dem von dem Zeugen S., dem Geschäftsführer der Firma H., bestätigten Sachvortrag der Klägerin war zwischen den Gesellschaftern der ARGE vereinbart worden, daß die Forderungen der ARGE gegen die Auftraggeberin auf das eingerichtete Gemeinschaftskonto überwiesen werden sollten und daß die Firma H. die kaufmännische Abwicklung des Vertrages übernehmen sollte. Nach dieser Vereinbarung erstreckte sich die Geschäftsführungsbefugnis der Firma H. und ihre Einzelvertretungsbefugnis nicht darauf, die Forderung der ARGE über ein anderes als das Gemeinschaftskonto einzuziehen.

b)

Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Duldungsvollmacht der Firma H. begegnen demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Duldungsvollmacht anzunehmen, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen läßt, daß ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, daß der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (vgl. Senatsurteil vom 5. November 1962 - VII ZR 75/61 = LM BGB § 167 Nr. 13; Thiele in MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 167 Rdn. 36; Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 173 Anm. 4 b aa, jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Eine Duldungsvollmacht der Firma H. zum Inkasso auf ein eigenes Konto hätte hier nur begründet werden können, wenn die Firma H. als Vertreterin für die Gesellschafter der ARGE derartige Forderungseinziehungen schon früher vorgenommen hätte und der andere Gesellschafter, die Klägerin, dieses Verhalten gekannt und geduldet hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Damit fehlt es bereits an dem erforderlichen objektiven Rechtsscheintatbestand. Vor der Überweisung des hier streitigen Restwerklohnes auf das Konto des Vergleichsverwalters hat die Firma H. keine Zahlung auf ein eigenes Konto verlangt und erhalten. Die vorhergehenden Abschlagszahlungen hat die Auftraggeberin vielmehr durchweg auf das ihr von der Firma H. angegebene Gemeinschaftskonto der ARGE überwiesen.

Die Abschlagsrechnungen und die Schlußrechnung der ARGE, die von der Firma H. in Vertretung der ARGE ausgestellt worden sind, enthalten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte für eine etwaige Vollmacht der Firma H. zur Einziehung der Forderung der ARGE auf jedwedes beliebige, also auch auf ein eigenes Konto der Firma H.. Daß die Firma H. "federführend" für die ARGE bei der kaufmännischen Abwicklung des Bauvertrages auftrat, genügt für sich allein nicht, um eine dahingehende Duldung der Klägerin anzunehmen. Die irrtümliche Aufforderung der Firma H. in der Schlußrechnung ist umgehend richtig gestellt worden. Es kann offen bleiben, ob die Auftraggeberin unter den gegebenen Umständen der Firma H. auch einen Scheck über die ausstehende Forderung hätte zuleiten können. Denn das besagt noch keineswegs, daß die Firma H. dann auch als befugt hätte angesehen werden dürfen, Zahlungen unmittelbar auf ein eigenes Geschäftskonto zu verlangen.

c)

Erst recht scheidet bei der gegebenen Sachlage die Anwendung der Grundsätze über die Anscheinsvollmacht aus (vgl. dazu BGH NJW 1981, 1727, 1728 u. Thiele a.a.O. Rdn. 43 ff). Dazu fehlt es schon an einem wiederholten und sich über einen gewissen Zeitraum erstreckenden Verhalten der Firma H., das die Klägerin hätte erkennen und verhindern müssen. Davon kann hier keine Rede sein; das behauptet die Beklagte auch gar nicht.

II.

Das angefochtene Urteil kann nach alledem nicht bestehen bleiben. Da weitere Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, ist der Senat zur abschließenden Entscheidung in der Lage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Berufung des beklagten Landes mit der Kostenfolge aus den §§ 91, 97 ZPO zurückzuweisen.