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BGH, 05.12.1984 - 2 StR 526/84

Daten
Fall: 
Personalangaben in einer polizeilichen Vernehmungsniederschrift
Fundstellen: 
BGHSt 33, 83; NJW 1985, 984; MDR 1985, 337; NStZ 1985, 278; StV 1985, 269
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
05.12.1984
Aktenzeichen: 
2 StR 526/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Müller, Meyer, Maier, Niemöller, Gollwitzer

Amtlicher Leitsatz

1. Das Fehlen der in § 68 StPO genannten Personalangaben in einer polizeilichen Vernehmungsniederschrift steht für sich allein einer Verlesung und Verwertung der Niederschrift gemäß § 251 Abs. 2 StPO nicht entgegen. An die Beweiswürdigung sind jedoch strenge MaßStäbe anzulegen (entsprechend BGHSt 17, 382, 385 f).
2. Eine zur Verlesung einer polizeilichen Vernehmungsniederschrift berechtigende Unerreichbarkeit des Vernommenen im Sinne des § 251 Abs. 2 StPO liegt vor, wenn zu besorgen ist, daß er durch die Offenbarung seiner Identität in Leibes- oder Lebensgefahr gerät.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 5. Dezember 1984,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Müller als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Meyer, B. Maier, Niemöller, Gollwitzer als beisitzende Richter,
Staatsanwältin ... als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus ... F. als Verteidiger des Angeklagten,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 29. März 1984, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.

1.

Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte Y., türkischer Staatsangehöriger, sowie die Mitangeklagte (und rechtskräftig verurteilte) Ö. standen seit einigen Jahren im Verdacht, an Rauschgiftgeschäften beteiligt gewesen zu sein. Der zuständige Sachbearbeiter der Kriminalpolizei beauftragte deshalb den türkischen V-Mann "Cavid", mit Frau Ö. mit der er seit früheren Zeiten bekannt war, ein Scheingeschäft zum Ankauf von Heroin anzubahnen. Auf entsprechende Frage "Cavids" in der letzten Woche des Juli 1983 sagte sie in mehreren Gesprächen Heroinlieferungen - in Mengen bis zu 6 kg - zu und unterrichtete den Angeklagten über die Kaufabsichten "Cavids". Dieser sagte zu, ihr zunächst 300 g Heroinzubereitung zur Weitergabe an "Cavid" zu überlassen. Dementsprechend vereinbarte sie mit "Cavid" für den 29. Juli 1983 abends 20.00 Uhr die Übergabe von 300 g Heroinzubereitung zum Kilogramm-Preis von 60.000 bis 70.000 DM auf Kommissionsbasis.

Zum vereinbarten Zeitpunkt traf sich Frau Ö. in Büdingen zunächst mit "Cavid" in einer Gaststätte und etwa eine Stunde später, um das Rauschgift zu beschaffen, vor einer anderen Gaststätte mit dem Angeklagten. Dieser nahm sie in seinen VW-Bus auf und fuhr mit ihr aus der Stadt und anschließend wieder zurück. Während der Fahrt steckte der Angeklagte eine Plastiktüte mit dem Rauschgift in die Umhängetasche der Frau Ö.. Danach stieg diese aus, holte "Cavid", begab sich mit ihm in seinen Pkw und übergab ihm die Plastiktüte. Nach dem Ergebnis der späteren Untersuchung befanden sich darin 224,4 g Heroinzubereitung mit einem Heroinbasenanteil von 81,4 g. Bei einem weiteren Treffen beider rügte "Cavid" die schlechte Qualität und die Fehlmenge. Frau Ö. gab die Beschwerde telefonisch an den Angeklagten weiter.

Frau Ö. wurde am 3. August 1983 anläßlich der Entgegennahme von 5.500 DM von "Cavid", der Angeklagte am 11. August 1983 festgenommen.

2.

Der Angeklagte hat die gemeinsame Fahrt mit Frau Ö. eingeräumt, aber jede eigene Verstrickung in Rauschgiftgeschäfte bestritten. Frau Özden habe schon einige Tage vor der Tat bei einer Fahrt mit ihm in seinem Wagen ihre Umhängetasche liegen lassen. Bei der Abholung am nächsten Tag habe sie ihm gesagt, daß sich in der Tasche ein Rest des von ihr selbst aus der Türkei mitgebrachten Heroins befinde. Das Heroingeschäft vom 29. Juli 1983 habe Frau Ö. aus Haß und Rache, weil er ihre Liebe nicht erwidert habe, als Falle für ihn organisiert.

3.

Das Gericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten unter anderem auf das Geständnis der Mitangeklagten Ö. gestützt; sie hat den Sachverhalt so wie festgestellt geschildert. Allerdings hätte die Strafkammer "Bedenken bei dieser BeweisWürdigung gehabt, wenn sie allein auf die Aussage der Mitangeklagten Özden angewiesen gewesen wäre" (UA Bl. 10). Jedoch hat sie "die Richtigkeit der Aussagen der Angeklagten Ö. ... in wesentlichen Punkten auch durch die gemäß § 251 Abs. 2 StPO verlesene Aussage des V-Mannes Cavid bestätigt (gesehen). Danach hat die Angeklagte Ö. dem V-Mann vor der Abwicklung des Geschäftes den Angeklagten Y. als Lieferanten der Heroinzubereitung bezeichnet und bei der Abwicklung erklärt, daß der Angeklagte Y. die Heroinzubereitung am Abend, wenn es dunkel sei, nach Büdingen bringen würde" (UA Bl. 11).

II.

Mit der Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer unter anderem, daß das Gericht die Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung des V-Mannes "Cavid" gemäß § 251 Abs. 2 StPO verlesen und verwertet hat.

1.

Der Beschwerdeführer sieht in der Tatsache, daß in der Niederschrift der richtige Name, das Alter und der Beruf des Vernommenen nicht angegeben sind, einen Mangel, der ihrer Verlesung und Verwertung entgegenstehe. Nach seiner Auffassung hat der vom Großen Senat für Strafsachen in der Entscheidung BGHSt 32, 115, 128 für richterliche Vernehmungen dargelegte Grundsatz, daß ein Zeuge von der Angabe der in § 68 StPO genannten Personalien nicht freigestellt werden kann, für polizeiliche Vernehmungen erst recht Gültigkeit.

Dem ist jedoch nicht zu folgen. Das Fehlen der in § 68 StPO genannten Personalangaben in einer polizeilichen Vernehmungsniederschrift begründet nicht schon für sich allein die Unverwertbarkeit der Niederschrift für das gerichtliche Verfahren.

a)

Nach § 251 Abs. 2 StPO dürfen Niederschriften über eine andere, (d.h. nichtrichterliche) Vernehmung eines Zeugen (Sachverständigen oder Mitbeschuldigten), der in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann, (ebenso wie Urkunden, die eine von ihm stammende schriftliche Äußerung enthalten), verlesen werden. Diesem Wortlaut ist eine Einschränkung dahin, daß die Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung eines anonymen Zeugen nicht verlesen und verwertet werden dürfte, nicht zu entnehmen. Auch setzt der Begriff der "anderen Vernehmung" nicht voraus, daß die Niederschrift die Personalangaben des Vernommenen enthält. Das folgt unter anderem daraus, daß in § 163 a Abs. 5 StPOüber die polizeiliche Zeugenvernehmung bei der Aufzählung der entsprechend anzuwendenden Vorschriften der Strafprozeßordnung§ 68 StPO nicht aufgeführt ist. Andere als die ausdrücklich genannten Vorschriften der Strafprozeßordnung sind nach einhelliger Auffassung in diesem Zusammenhang nicht bindend. Soweit ihnen, "namentlich (den) §§ 68-69", Richtliniencharakter zugebilligt wird (Kleinknecht/Meyer, StPO 36. Aufl. § 163 a Rdn. 23), kann dies nicht ausnahmslos gelten. Je nach Sachlage ist eine Feststellung der Personalien gar nicht möglich. Das gilt etwa dann, wenn sich eine Person nur am Telefon mit einer Sachaussage zu einer begangenen oder bevorstehenden Straftat meldet und Personalangaben verweigert. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß ein Polizeibeamter auch in einem solchen Fall berechtigt und verpflichtet sein kann, den Anrufer zu einer möglichst umfassenden Aussage zu veranlassen und diese schriftlich festzuhalten, wobei sich das Ergebnis als Vernehmungsniederschrift oder als Urkunde, die eine vom Anrufer stammende schriftliche Äußerung enthält, darstellen kann. Diese Befugnis kann der Behörde auch nicht für solche Fälle abgesprochen werden, in denen sie den zu Vernehmenden kennt, aber zu seinem Schutz vor Leibes- oder Lebensgefahr, für den sie verantwortlich ist, die Aufnahme seiner Personalien in die Vernehmungsniederschrift für unvertretbar erachtet.

b)

Im Beschluß BGHSt 32, 115, 128 hat sich der Große Senat für Strafsachen die Auffassung, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht von der Pflicht zur Angabe der in § 68 StPO verlangten Personalien entbunden werden könne (BGHSt 23, 244), zu eigen gemacht. Er hat sie auch für den Fall der kommissarischen Vernehmung vertreten. Zu den Vernehmungssurrogaten des § 251 Abs. 2 StPO und zum Zeugnis vom Hörensagen hat er sich insoweit nicht geäußert.

Danach ist entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Engels, NJW 1983, 1530, 1532; Frenzel, NStZ 1984, 39, 40 f; Grünwald, Strafverteidiger 1984, 56, 58; Tiedemann/Sieber, NJW 1984, 753, 761 f) [BGH 17.10.1983 - GSSt - 1/83] dem Beschluß des Großen Senats nicht die Intention zu entnehmen, daß die für die gerichtliche ZeugenVernehmung angestellten Erwägungen auch für die oben genannten anderen Fälle zu gelten hätten (Herdegen, NStZ 1984, 97, 200, 202; Fezer, JZ 1984, 433,434 f). Ebensowenig hält der Senat einen Umkehrschluß für angebracht. Erforderlich ist, die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen daraufhin zu prüfen, ob die Interessenlage hinsichtlich der Vernehmungssurrogate des § 251 Abs. 2 StPO die Übertragung und die Anwendung des erwähnten Grundsatzes auch insoweit rechtfertigt (Herdegen a.a.O.; Schmid, DRiZ 1983, 474; Bruns, MDR 1984, 177, 182 f [BGH 10.10.1983 - 4 StR 405/83]; Seelmann, Strafverteidiger 1984, 477, 478).

c)

Sinn und Zweck des § 68 StPO einerseits und des § 251 Abs. 2 StPO andererseits erfordern nicht, die Verwertbarkeit der in der letztgenannten Vorschrift bezeichneten Beweismittel davon abhängig zu machen, daß sie die Personalien des Vernommenen oder, bei Urkunden, des Urhebers ihres Gedankeninhalts enthalten.

Die Vorschrift des § 68 StPO soll zum einen der Gefahr von Personenverwechslungen vorbeugen. Der hier maßgebliche Zweck ist jedoch der, "eine verläßliche Grundlage für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu schaffen" (BGHSt 32, 115, 128; 23, 244, 245), das heißt den Verfahrensbeteiligten die Einholung von Erkundigungen über den Zeugen zu ermöglichen. Das ergibt sich aus der ebenfalls für gerichtliche Vernehmungen geltenden Vorschrift des § 246 Abs. 2 StPO. Zwar wird in den Fällen der Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung gemäß § 251 Abs. 1 StPO diese Möglichkeit auch bei Kenntnis der Personalien häufig nicht bestehen. Das gilt z.B. dann, wenn ein Zeuge (oder Mitbeschuldigter) nach seiner richterlichen Vernehmung unauffindbar geworden ist oder sich in ein Land begeben hat, das die für eine Überprüfung erforderliche Rechtshilfe nicht leistet. In solchen Fällen kommt der Personalangabe kaum Bedeutung zu; entscheidend ist dann, ob zusätzliche die Sachaussage bestätigende Indizien vorliegen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 3. Mai 1978 - 3 StR 91/78 (S)). Wenn die Rechtsprechung dessen ungeachtet bei der richterlichen Vernehmung die Ertragung der Angaben für unabdingbar hält, so erklärt sich dies daraus, daß einer solchen Vernehmung schon auf Grund der gesetzlich bestimmten Stufenfolge der höhere Beweiswert gegenüber der polizeilichen Vernehmung zukommt, somit auch bei der tatsächlichen Verfahrensgestaltung keine Möglichkeit, diesem Anspruch gerecht zu werden, ausgelassen werden soll. Die §§ 250, 251 Abs. 1 StPOüber die richterliche Vernehmung betreffen denn auch nur solche Zeugen, denen gegenüber der Anspruch grundsätzlich durchgesetzt werden kann, weil sie in unmittelbarer Anwesenheit vor dem Richter von diesem befragt und zur Aussage angehalten werden können.

Die in § 251 Abs. 2 StPO genannten Beweismittel unterscheiden sich davon wesentlich, insbesondere was die Möglichkeiten ihrer Entstehung und ihrer Erreichbarkeit anbelangt. Für die (Berichts-)Urkunden, die von Behörden oder Privatpersonen veranlaßt (vgl. den Sachverhalt der Entscheidung BGH GA 1954, 374 mit Anmerkung Grützner) sowie vom Urheber des Gedankeninhalts oder von einer anderen Person abgefaßt sein können, bedarf dies keiner Erörterung. Die Niederschriften über polizeiliche Vernehmungen bedürfen nicht der Unterschrift; die ihnen zugrunde liegenden Vernehmungen sind an keine Form gebunden (BGHSt 5, 214), können also auch auf Entfernung schriftlich oder telefonisch durchgeführt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Vielzahl der von der Regelung erfaßten Beweismittel auch mit solchen gerechnet und sie als verwertbar betrachtet, die keine, unidentifizierbare oder bewußt irreführende Personalangaben bezüglich des Vernommenen oder des Urhebers der Äußerung enthalten. Diese Auffassung liegt auch dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Juni 1978 - 5 StR 804/77 - zugrunde, in dem die gemäß § 251 Abs. 2 StPO erfolgte Verlesung dreier von unbekannten Polizeiangehörigen der DDR gefertigter Urkunden für zulässig erklärt wurde.

Die Tatsache, daß der Beweiswert eines nur anonyme Bekundungen enthaltenden Beweismittels in der Regel gering sein wird, führt nicht zur Annahme seiner grundsätzlichen Unverwertbarkeit. Ihr kann vielmehr dadurch Rechnung getragen werden, daß bei der Beweiswürdigung ein besonders strenger Maßstab angelegt wird. Auch auf ein solches Beweismittel darf eine dem Angeklagten nachteilige Feststellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn die darin wiedergegebene Bekundung oder sein sonstiger Gedankeninhalt durch andere wichtige Anhaltspunkte bestätigt worden ist (vgl. BVerfGE 57, 250, 277 f [BVerfG 26.05.1981 - 2 BvR 215/81]; für das Zeugnis vom Hörensagen: BGHSt 17, 382; BGH NStZ 1982, 433; BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 - 4 StR 678/76 - und ständige Rechtsprechung). Bestätigende Anhaltspunkte können sich aber nicht nur aus der Kenntnis der Person des Vernommenen, sondern ebenso - je nach Sachlage sogar zuverlässiger - aus anderen Umständen ergeben. So kann der anonyme Hinweis auf den Täter eines Einbruchs und das Beuteversteck, auf Grund dessen die Beute mit den Fingerabdrücken des Bezeichneten gefunden wird, ein wertvolleres Beweismittel sein als die sonst nicht überprüfbare Aussage eines namentlich bekannten Zeugen. Lassen sich in einem konkreten Fall entsprechende zusätzliche Feststellungen treffen, so ist es nicht gerechtfertigt, das Beweismittel, ohne daß das Gesetz ein Verwertungsverbot aufstellt, "für das gerichtliche Verfahren (als) ein Nullum" (Frenzel a.a.O. S. 41) zu behandeln; vielmehr ist seine - vorsichtige - Verwertung geboten (BGHSt 29, 109, 111 f [BGH 10.10.1979 - 3 StR 281/79 S]; BGH NStZ 1981, 270 mit Nachweisen; BGH, Urteil vom 20. Juni 1978 - 5 StR 804/77). Es verhält sich damit nicht anders als bei sonstigen Beweisanzeichen, die nicht für sich allein, sondern nur im Zusammenhang mit weiteren Beweisergebnissen ausreichend aussagekräftig sind und unter dem Gebot der erschöpfenden Aufklärung (§ 244 Abs. 2, § 261 StPO) verwertet werden müssen (vgl. BGHSt 20, 333, 341 f; BGH NStZ 1983, 133 mit Nachweisen). Diese Grundsätze werden durch die für die Entscheidung BGHSt 32, 115 maßgeblichen Erwägungen nicht berührt.

2.

Auf der Grundlage des Ergebnisses, daß das Fehlen der Personalangaben in der Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung "Cavids" nicht schon für sich allein deren Unverwertbarkeit begründet, ist die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang weiter erhobene Rüge, mit der er eine Verletzung der Aufklärungspflicht beanstandet, zu prüfen.

Der Beschwerdeführer hat hierzu die Begründung mitgeteilt, mit der die zuständige Polizeibehörde in zwei Fernschreiben die Benennung des V-Mannes "Cavid" für eine Vernehmung "als Zeuge in der Gerichtsverhandlung" abgelehnt und die Geheimhaltung seiner Personalien auch gegenüber dem Angeklagten für erforderlich bezeichnet hat. Er ist der Auffassung, daß bei der aus den Akten ersichtlichen und zusätzlich in einem Hilfsbeweisantrag dargelegten Bedeutung der Aussage für die Wahrheitsfindung die Strafkammer auf Grund dieser Entscheidung nicht berechtigt war, den Zeugen auch für eine kommissarische Vernehmung als unerreichbar zu betrachten. Sie hätte sich, wenn sie auf seine Bekundung Wert legte, jedenfalls um eine solche Vernehmung bemühen müssen. Mit der Verlesung des Polizeiprotokolls unter Verzicht auf dahingehende Bemühungen habe das Gericht seine (Aufklärungs-)Pflicht, zu einer möglichst zuverlässigen Beweisgrundlage zu gelangen, verletzt.

Dem Sinne nach bedeutet die Rüge die Beanstandung, die Strafkammer habe mit der Verlesung und Verwertung der Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung hier deshalb gegen § 251 Abs. 2 StPO verstoßen, weil sie die in der Vorschrift vorausgesetzte Unerreichbarkeit des Zeugen für eine sachnähere Beweiserhebung nicht dargetan habe. Diese Rüge hat Erfolg. Daß der Beschwerdeführer darin nur die kommissarische Zeugenvernehmung als die vorrangig anzustrebende Beweiserhebung anspricht, schadet dabei ebensowenig wie die unzutreffende rechtliche Bezeichnung der Rüge (BGHSt 19, 273, 275).

a)

Die Voraussetzungen für die Verlesung der polizeilichen Vernehmungsniederschrift gemäß § 251 Abs. 2 StPO wären dann erfüllt gewesen, wenn die Polizeibehörde einleuchtend begründet hätte, daß sie nach sorgfältiger Prüfung den Zeugen für den Fall der Preisgabe seiner Personalien an Leib oder Leben gefährdet hielt. Denn die Auffassung, daß einerseits der Einsatz anonymer Gewährspersonen zur Bekämpfung schwerer Kriminalität unverzichtbar, andererseits aber ihr Schutz vor Leibes- und Lebensgefahren geboten ist, führt zu dem Ergebnis, eine ermessensfehlerfreie Sperrerklärung der zuständigen Behördedann anzuerkennen, wenn dieser Schutz nur durch Vahrung der Anonymität der Vertrauensperson gewährleistet werden kann.

Daß im vorliegenden Fall eine solche Gefahr bestanden hätte, ist der vom Hessischen Minister des Innern gegebenen Begründung nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen. Aus der im Fernschreiben vom 3. Februar 1983 enthaltenen Mitteilung allein, daß "Cavid ... seit einigen Jahren in unterschiedlicher Form und unregelmäßigen Abständen für die Polizei (gearbeitet und. dabei) zu mehreren Sicherstellungen von Betäubungsmitteln in erheblicher Menge beigetragen und eine Vielzahl von Sachhinweisen gegeben" hat, ergibt sich dies - auch bei Berücksichtigung des im Urteil festgestellten Tathergangs - nicht. Die weiteren Ausführungen über die "allgemein gesicherte Erkenntnis dieser Gefahren" und die "oft auch im konkreten Einzelfall (vorliegenden) Anhaltspunkte" lassen den Bezug zu dem zu entscheidenden Fall nicht ausreichend erkennen und wecken zusätzliche Zweifel, ob hier eine konkrete Gefahr gesehen wird. Diese Frage drängt sich verstärkt auf bei der weiteren Erwägung, daß die negativen Auswirkungen, die eine Enttarnung für den künftigen Einsatz dieser Vertrauensperson sowie ein Vertrauensbruch für die Gewinnung anderer Gewährsleute haben würde, "von noch größerem Gewicht als die Gefahren für die VP" ("Cavid") seien.

b)

Die Verweigerung der Benennung des Zeugen wird im Fernschreiben auch damit begründet, "die Mitwirkung von VP bei der Strafverfolgung (sei) ... mit der Bedingung verknüpft, daß der Person zuvor die Vertraulichkeit zugesichert wird". Dem Zusammenhang mit den folgenden Ausführungen läßt sich noch ausreichend deutlich entnehmen, daß auch "Cavid" eine solche Zusicherung gegeben wurde.

Es liegt, wie oben bereits ausgeführt, in der Konsequenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zur Unverzichtbarkeit der Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität unter Einsatz anonymer Gewährsleute) anzuerkennen, daß einer Gewährsperson ein Einsatz nur zuzumuten ist, wenn sie mit dem notwendigen Schutz gegen Leibes- und Lebensgefahren rechnen kann. Damit ist auch anzuerkennen, daß die Polizeibehörde einer Vertrauensperson vor deren Einsatz zusichern darf, ihre Identität in dem zum Schutz vor Leibes- und Lebensgefahren erforderlichen Maße geheimzuhalten. Eine mit dieser Einschränkung gegebene Zusicherung ermöglicht der Polizeibehörde, später auf Grund der Entwicklung des Falles zu prüfen, ob die Geheimhaltung geboten ist oder nicht, und dann ohne Vertrauensbruch die sachgerechte Entscheidung zu treffen. Eine solche Zusicherung und Handhabung wird auch dem Interesse der Gewährsperson gerecht. Eine uneingeschränkte Vertraulichkeitszusage, die ohne Rücksicht auf die künftige Entwicklung aus Gründen des Vertrauensschutzes zur Sperrung der Gewährsperson gegenüber einer richterlichen Vernehmung führen würde, käme einer Bevorzugung dieses Zeugen vor anderen gleich. Sie darf jedenfalls vom Gericht nicht als eine zum Rückgriff auf die sachfernere Beweiserhebung berechtigende Sperrung hingenommen werden. Diese Auffassung hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung BGHSt 31, 290, 294 [BGH 16.03.1983 - 2 StR 543/82] vertreten; davon abzugehen besteht kein Anlaß.

c)

Daß das Gericht auf Grund der Absicht der Polizeibehörde, einen Zeugen künftig als Gewährsperson einzusetzen, dessen Bekundung durch ein Beweissurrogat in die Hauptverhandlung einführen dürfte, kann nicht anerkannt werden. Eine so begründete Sperrerklärung rechtfertigt nicht die Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen im Sinne des § 251 Abs. 2 StPO und den Rückgriff auf diese sachfernere Beweiserhebung. Wenn die Behörde ihre Entscheidung nicht mit Leibes- oder Lebensgefahr für den Zeugen - gegebenenfalls auch einen seiner Angehörigen - ermessensfehlerfrei begründen und das Gericht dennoch trotz zumutbarer Bemühungen seine richterliche Vernehmung nicht erreichen kann, darf dieses Beweismittel nicht verwertet werden.

III.

Aus den dargelegten Gründen ist das Urteil aufzuheben. Auf die anderen Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde - insoweit insbesondere die Frage, ob die auf UA Bl. 10, 11 vorgenommene Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist - braucht danach nicht eingegangen zu werden.