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Art. 45b GG - Wehrbeauftragter (Kommentar)

¹Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. ²Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

1. Allgemeines

Art. 45b GG etabliert mit dem Wehrbeauftragten eine einzigartige Institution im deutschen Verfassungsgefüge. Als "Anwalt der Soldaten" und Hilfsorgan des Bundestages trägt er wesentlich zur Wahrung der Grundrechte in den Streitkräften und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle bei. Die knappe verfassungsrechtliche Regelung wird durch das WBeauftrG konkretisiert, was sich in der Praxis bewährt hat. Gleichwohl werden in der Fachdiskussion verschiedene Weiterentwicklungsmöglichkeiten erörtert.

2. Historischer Kontext

Artikel 45b GG wurde durch das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 111) eingeführt. Die Norm steht im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Sie reflektiert die Erfahrungen des Nationalsozialismus und das Bestreben, die neu aufgestellten Streitkräfte fest in die demokratische Ordnung einzubinden.

Der Wehrbeauftragte als Institution ist inspiriert vom schwedischen Militieombudsman, wurde aber den spezifischen deutschen Verhältnissen angepasst. Die Einführung dieser Institution war Teil des Konzepts der "Inneren Führung" und des "Staatsbürgers in Uniform", das maßgeblich von Wolf Graf von Baudissin entwickelt wurde.

3. Normzweck

Der Zweck des Art. 45b GG ist zweierlei:

  1. Schutz der Grundrechte der Soldaten: In Anerkennung der besonderen Situation des militärischen Dienstes, der mit erheblichen Grundrechtseinschränkungen einhergeht, soll der Wehrbeauftragte als unabhängige Instanz die Wahrung der Grundrechte der Soldaten überwachen.
  2. Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle: Als "Hilfsorgan des Bundestages" soll der Wehrbeauftragte die Volksvertretung bei der Ausübung ihrer Kontrollfunktion gegenüber den Streitkräften unterstützen. Dies ist Ausdruck des Prinzips vom "Primat der Politik" und der zivilen Kontrolle über das Militär.

Durch diese doppelte Funktion nimmt der Wehrbeauftragte eine einzigartige Stellung im Gefüge der Verfassungsorgane ein.

4. Verfassungsrechtliche Einordnung

4.1. Stellung im Verfassungsgefüge

Art. 45b GG ist systematisch im Abschnitt über den Bundestag verortet. Dies unterstreicht die enge Anbindung des Wehrbeauftragten an das Parlament. Gleichzeitig ist der Wehrbeauftragte kein Verfassungsorgan im engeren Sinne, sondern ein sogenanntes "oberstes Bundesorgan".

Die Norm steht in engem Zusammenhang mit Art. 45a GG (Verteidigungsausschuss) und ergänzt die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte (Art. 87a GG) sowie zum Schutz der Grundrechte (Art. 1-19 GG).

4.2. Verhältnis zu anderen Verfassungsnormen

4.2.1. Verhältnis zu Art. 45a GG

Obwohl Art. 45b GG keine explizite Regelung zum Verhältnis zu Art. 45a GG enthält, besteht eine enge funktionale Verbindung zwischen dem Wehrbeauftragten und dem Verteidigungsausschuss. In der Praxis ist der Verteidigungsausschuss für die Angelegenheiten des Wehrbeauftragten zuständig.

4.2.2. Verhältnis zu Art. 17 GG (Petitionsrecht)

Das Recht, sich an den Wehrbeauftragten zu wenden, tritt neben das allgemeine Petitionsrecht nach Art. 17 GG. Es stellt eine spezielle, niederschwellige Möglichkeit für Soldaten dar, ihre Anliegen vorzubringen.

4.2.3. Verhältnis zu Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie)

Die Möglichkeit, sich an den Wehrbeauftragten zu wenden, ergänzt den gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG, ersetzt diesen aber nicht. Der Wehrbeauftragte kann keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen aussprechen.

5. Analyse des Art. 45b GG

5.1. Satz 1: Berufung und Aufgaben des Wehrbeauftragten

"Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen."

5.1.1. Berufungsakt

Die "Berufung" des Wehrbeauftragten erfolgt durch Wahl im Bundestag. Die Details des Wahlverfahrens sind im Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBeauftrG) geregelt. Der Wehrbeauftragte wird mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt (§ 13 WBeauftrG).

5.1.2. Doppelfunktion

Der Satz definiert die zweifache Funktion des Wehrbeauftragten:
1. Schutz der Grundrechte: Dies bezieht sich primär auf die Grundrechte der Soldaten.
2. Hilfsorgan des Bundestages: Der Wehrbeauftragte unterstützt den Bundestag bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte.

5.1.3. Verfassungsrechtliche Verankerung

Durch die Verankerung im Grundgesetz erhält das Amt des Wehrbeauftragten einen besonderen verfassungsrechtlichen Status. Dies unterstreicht die Bedeutung, die der Verfassungsgeber dieser Institution beimisst.

5.2. Satz 2: Verweis auf das Bundesgesetz

"Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."

5.2.1. Gesetzgebungsauftrag

Dieser Satz enthält einen Gesetzgebungsauftrag an den Bundesgesetzgeber. Er ermächtigt und verpflichtet den Gesetzgeber, die Details zur Institution des Wehrbeauftragten einfachgesetzlich zu regeln.

5.2.2. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung einen weiten Spielraum. Er muss sich dabei aber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben halten, insbesondere was die in Satz 1 definierten Grundfunktionen des Wehrbeauftragten betrifft.

5.2.3. Umsetzung

Die einfachgesetzliche Ausgestaltung ist durch das Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBeauftrG) erfolgt. Dieses Gesetz regelt unter anderem:

  • Die Wahl und Rechtsstellung des Wehrbeauftragten
  • Seine konkreten Aufgaben und Befugnisse
  • Das Verfahren bei der Bearbeitung von Eingaben
  • Die Berichterstattung an den Bundestag

6. Praktische Bedeutung und Bewertung

6.1. Umsetzung in der Praxis

Der Wehrbeauftragte hat sich als wichtige Institution zur Wahrung der Rechte der Soldaten und zur Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle etabliert. Insbesondere die jährlichen Berichte des Wehrbeauftragten finden große Beachtung in Politik und Öffentlichkeit.

6.2. Kritische Würdigung

Die Institution des Wehrbeauftragten wird überwiegend positiv bewertet. Sie trägt zur Transparenz innerhalb der Streitkräfte bei und stärkt das Vertrauen in die zivile Kontrolle des Militärs. Kritisch wird gelegentlich angemerkt, dass die Befugnisse des Wehrbeauftragten begrenzt sind und er keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen kann.

6.3. Reformüberlegungen

Als Reformvorschläge werden etwa diskutiert:

  • Eine Ausweitung der Befugnisse des Wehrbeauftragten
  • Eine Stärkung seiner Unabhängigkeit durch Verankerung weiterer Details direkt im Grundgesetz
  • Eine Erweiterung seines Aufgabenbereichs auf andere Sicherheitsbehörden