Human Rights Watch: Waffen

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Letztes Update: vor 3 Jahre 49 Wochen

Digitale Diplomatie bleibt dran an Killer-Robotern

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Künstler und Aktivisten bei einer Demonstration der Kampagne gegen Killer-Roboter vor dem Reichstag, Februar 2020.

© 2020 Human Rights Watch

Diese Woche hat die Bundesregierung das erste Mal andere Regierungen und die Zivilgesellschaft zu einem Online-Treffen über Abrüstung zusammengebracht. Vertreter aus mehr als 70 Ländern haben sich an den zweitägigen Gesprächen über tödliche autonome Waffen, auch bekannt als vollautonome Waffen oder Killer-Roboter, beteiligt.

Dabei wurde über ein internationales Rahmenwerk und Verpflichtungen diskutiert, um die Gefahren anzugehen, die von einer immer geringer werdenden menschlichen Kontrolle über den Einsatz von Gewalt ausgehen.

Wissenschaftler, Roboterexperten und AI-Kenner warnen seit langem vor Maschinen, die ihre Ziele ohne menschlichen Eingriff auswählen und beschieβen. Diese Meinung erhält nun groβe Unterstützung. In seiner Eröffnungsrede sagte Auβenminister Maas, dass es gegen ethische Standards verstoβe und die menschliche Würde auf dem Spiel stehe, wenn Maschinen über Leben und Tod von Menschen entscheiden.

Human Rights Watch unterstützt diese Aussage ohne Einschränkung: Sollten vollautonome Waffen zugelassen werden, so wird eine rote Linie überschritten. Ein neuer internationaler Vertrag, der diese Waffen verbietet, ist die einzig logische Folgerung, um eine solch katastrophale Entwicklung zu verhindern.

Die Human Rights Watch-Expertin, Bonnie Docherty, sprach sich auf dem Berlin Forum für solch einen Vertrag aus, der Waffensysteme verbietet, die Ziele autonom auswählen sowie beschieβen, und die deshalb moralisch und rechtlich nicht zu rechtfertigen sind. Ein rechtsverbindlicher Vertrag muss die allgemeine Verpflichtung enthalten, dass Staaten weiter menschliche Kontrolle über den Einsatz von Gewalt haben.

Das Berlin Forum und ähnliche Initiativen helfen der internationalen Gemeinschaft, gemeinsam die Grundlage für einen derartigen Vertrag zu legen. Das Online-Treffen zeigte zudem, wie Regierungen innovative zu Zeiten der Corona-Pandemie weiter verhandeln können. Digitale Diplomatie ist wichtig, um den multilateralen Dialog aufrecht zu erhalten und um die Menschheit vor Gefahren wie Killer-Robotern zu schützen.

Kategorien: Menschenrechte

„Killerroboter“: Verbotsvertrag ist einzig glaubwürdige Lösung

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern vor dem UN-Gebäude in New York während der Generalversammlung 2018.

© 2018 Clare Conboy

(New York, 26. September 2019) - Deutschland, Frankreich und andere Staaten, die sich zu einer regelbasierten internationalen Ordnung bekennen, sollten Verhandlungen über einen neuen internationalen Vertrag aufnehmen, um präventiv tödliche autonome Waffensysteme, auch bekannt als vollautonome Waffen oder Killerroboter, zu verbieten.

Am 26. September 2019 sprachen sich die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Dutzender anderer Länder bei den Vereinten Nationen für eine Erklärung zu tödlichen autonomen Waffensystemen aus.

„Diese Erklärung ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dem Vertrag, der zwingend notwendig ist, um eine düstere Zukunft zu verhindern, in der Maschinen ohne menschliches Zutun töten“, sagte Mary Wareham, Advocacy-Direktorin der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch und Koordinatorin der Kampagne gegen Killerroboter. „Wenn es diesen Politikern wirklich ernst ist mit dem Kampf gegen die Bedrohung durch Killerroboter, dann sollten sie Verhandlungen über einen Vertrag aufnehmen, der solche Roboter verbietet und eine sinnvolle menschliche Kontrolle über Waffensysteme und den Einsatz von Gewalt vorschreibt.“

Die Außenminister, die an der von Frankreich und Deutschland geführten Initiative „Allianz für Multilateralismus“ teilnehmen, haben das gemeinsame Ziel, eine „regelbasierte internationale Ordnung“ zu fördern. Sie haben sich zudem verpflichtet, sich neben Killerrobotern auch mit dem Klimawandel sowie mit vier weiteren „politisch relevanten“ Themen zu befassen. Die entsprechende Erklärung wurde im Rahmen der jährlichen Eröffnung der UN-Generalversammlung in New York veröffentlicht. Es ist das erste Mal, dass eine derart hochrangige Gruppe die Bedrohung durch Killerroboter anerkennt.

Die Erklärung zu Killerrobotern zeigt, dass die Bemühungen zur Bewältigung dieser dringenden Herausforderung schnell ihren Weg auf die multilaterale Agenda gefunden haben, so Human Rights Watch.

Seit 2014 haben sich mehr als 90 Länder achtmal zur Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) getroffen, um die Bedenken bezüglich Killerrobotern zu diskutieren. Die meisten Teilnehmer wollen einen neuen Vertrag mit Verboten und Einschränkungen aushandeln, um eine sinnvolle menschliche Kontrolle über die Anwendung von Gewalt zu bewahren. Dennoch haben einige wenige Militärmächte - allen voran Russland und die Vereinigten Staaten - dieses Ziel blockiert. Infolgedessen haben die Gespräche, obwohl sie 2016 formalisiert wurden, immer noch zu keinem glaubwürdigen Ergebnis geführt.

Auf der jüngsten CCW-Sitzung im August 2019 lehnten Russland und die Vereinigten Staaten es erneut ab, einen neuen Vertrags über Killerroboter auszuhandeln, und nannten einen solchen Schritt „verfrüht“.

Human Rights Watch und die Kampagne gegen Killerroboter fordern die Vertragsstaaten der Konvention auf, sich im November darauf zu einigen, Verhandlungen über einen neuen Vertrag aufzunehmen, der eine sinnvolle menschliche Kontrolle über den Einsatz von Gewalt erfordert, welche somit vollautonome Waffen effektiv verbieten würde. Nur ein neues internationales Gesetz kann die vielfältigen ethischen, moralischen, rechtlichen und technologischen Bedenken, sowie jene zur Rechenschaftspflicht und Sicherheit in Bezug auf Killerroboter, wirksam angehen, so Human Rights Watch.

Insgesamt 29 Länder haben ausdrücklich ein Verbot von Killerrobotern gefordert: Ägypten, Algerien, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, China (nur den Gebrauch, nicht die Entwicklung), Costa Rica, Dschibuti, Ecuador, El Salvador, Ghana, Guatemala, Irak, Jordanien, Kolumbien, Kuba, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Österreich, Pakistan, Palästina, Panama, Peru, Simbabwe, Uganda, der Vatikan und Venezuela.

Die neue politische Erklärung zu Killerrobotern ist nicht ausreichend, da sie weit hinter dem neuen internationalen Verbotsvertrag zurückbleibt, den so viele anstreben. Sie ist zudem nicht eindeutig, da sie ein Ziel unterstützt, das im Rahmen der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen diskutiert wurde: die „Entwicklung eines normativen Rahmens“. Die einzelnen Staaten sind sich jedoch nicht einig darüber, was dies genau in der Praxis bedeutet. Einige Länder betrachten einen solchen Rahmen als Leitlinien, die das bestehende Völkerrecht nicht ändern würden, während andere ihn als einen neuen internationalen Vertrag zum Verbot oder zur Einschränkung tödlicher autonomer Waffensysteme verstehen.

Die 2013 gestartete Kampagne gegen Killerroboter ist eine Koalition von 118 Nichtregierungsorganisationen in 59 Ländern, die daran arbeitet, vollautonome Waffen präventiv zu verbieten. Sie fordert eine sinnvolle menschliche Kontrolle über den Einsatz von Gewalt.

„Es ist offensichtlich, dass ein neuer Vertrag zum Verbot von Killerrobotern dringend benötigt wird, um eine erfolgreiche regelbasierte internationale Ordnung zu gewährleisten“, sagte Wareham. „Der Druck für eine entsprechende Regulierung wird umso größer, je länger es dauert, bis die Nationen sich dazu verpflichten, über den Vertrag zu Killerrobotern zu verhandeln.“

Kategorien: Menschenrechte

Deutschland: Verbot von „Killer-Robotern“ unterstützen

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Der Deutsche Bundestag in Berlin.

© 2007 Jorge Royan

(Berlin) – Deutschland soll mit gleichgesinnten Ländern zusammenarbeiten und Verhandlungen über einen neuen Vertrag einleiten, der Waffensysteme verbietet, die ihre Ziele ohne menschliche Kontrolle auswählen und angreifen, so Human Rights Watch heute.

Außenminister Heiko Maas hat zum 15. März 2019 in Berlin eine Konferenz über die Zukunft der Waffenkontrolle einberufen. Auf der Tagesordnung stehen neue technologische Bedrohungen wie vollautonome Waffen, die auch als tödliche autonome Waffensysteme oder „Killer-Roboter“ bezeichnet werden. Dass solche Waffen entwickelt werden könnten, stellt die Staatengemeinschaft vor ernste moralische, rechtliche und technische Herausforderungen. Auch die mögliche Verbreitung solcher Waffen und ihre Auswirkungen auf die internationale Sicherheit sind besorgniserregend.

„Deutschland hat gesagt, dass Killer-Roboter verboten werden müssen. Jetzt sollen diesen Worten auch Taten folgen und Verhandlungen über einen neuen Verbotsvertrag eingeleitet werden“, so Mary Wareham, Advocacy-Direktorin der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch und Koordinatorin der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Die Öffentlichkeit erwartet zunehmend, dass führende Politiker sich entschieden dafür einsetzen, die Entwicklung vollautonomer Waffen zu verhindern.“

Wareham wird die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern bei der Konferenz am 15. März vorstellen.

In einer neuen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos in 26 Ländern sprachen sich 61 Prozent der Befragten gegen den Einsatz tödlicher autonomer Waffensysteme aus. In Deutschland waren es 72 Prozent. Nur 14 Prozent befürworteten den Einsatz und 14 Prozent zeigten sich unentschieden.

Bei der Umfrage wurde auch erhoben, was den Gegnern vollautonomer Waffen am meisten Sorge bereitet. In Deutschland antworteten mehr als Zweitdrittel, 77 Prozent, dass tödliche autonome Waffen eine „moralische Linie überschreiten würden, weil Maschinen nicht in der Lage sein dürfen, zu töten“. Mehr als die Hälfte, 60 Prozent, gaben an, dass es bei solchen Waffen zu „technischen Fehlern“ kommen könnte.

Bei der Eröffnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) im September 2018 rief Außenminister Maas die Staatengemeinschaft auf, „vollautonome Waffen zu verbieten – bevor es zu spät ist!“. Deutschland unterstreicht häufig, wie wichtig es ist, dass bedeutende menschliche Kontrolle bei der Entscheidung erhalten bleibt, Menschen zu töten.

Aber statt sich für einen Verbotsvertrag einzusetzen, spricht sich Deutschland gemeinsam mit Frankreich für eine nicht bindende politische Erklärung aus, die die Bedeutung menschlicher Kontrolle über Waffensysteme bestätigen soll.

„Deutschland erkennt an, dass Landminen und Streumunition inakzeptable Schäden anrichten, und hat die Verträge unterzeichnet, die diese Waffen verbieten“, sagt Wareham. „Die Verträge sind außerordentlich wirksam, obwohl einige Großmächte sie nicht unterzeichnet haben. Jetzt bedarf es dringend eines neuen Vertrages, der die Auswahl und das Angreifen von Zielen ohne bedeutende menschliche Kontrolle ächtet.“

Beim jährlichen Treffen der Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen im November 2018 kamen Deutschland und mehr als 80 andere Staaten darüber überein, die diplomatischen Gespräche über Killer-Roboter im Jahr 2019 fortzusetzen. Diese Gespräche haben jedoch kein klares Ziel und legen auch keinen Zeitplan für Vertragsverhandlungen fest.

Russland, Israel, Südkorea und die USA deuteten bei dem Treffen im November an, dass sie Verhandlungen über einen Verbotsvertrag nicht unterstützen würden. Diese Staaten und China investieren stark in Waffen, die immer weniger menschlicher Kontrolle über ihre wichtigsten Funktionen benötigen. Dies weckt Ängste, dass sich derartige Waffen weit verbreiten und es zu einem Wettrüsten kommen könnte. Vor diesem Hintergrund bedarf es dringend neuer Wege, um vollautonome Waffen zu verbieten, bevor diese einsatzfähig werden.

In der Vergangenheit wurden externe diplomatische Prozesse eingeleitet, als sich das Übereinkommen über konventionelle Waffen als ungeeignet erwies, durch Landminen und Streumunition verursachtes menschliches Leid zu verhindern. Aus diesen Prozessen entstanden Verträge, die diese Waffen verbieten und damit Leben retten. Ebenso schufen andere Staaten im Jahr 2017 durch die UN-Generalversammlung den Atomwaffenverbotsvertrag, als es offensichtlich wurde, dass sich die Staaten, die über Atomwaffen verfügen, nicht auf Abrüstungsschritte einigen würden.

Im November bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres tödliche autonome Waffensysteme als „politisch inakzeptabel und moralisch abscheulich“ und rief die Staatengemeinschaft dazu auf, sie zu verbieten. Seit dem Jahr 2013 haben sich 28 Staaten für ein Verbot vollautonomer Waffen ausgesprochen. Brasilien, Chile und Österreich haben offiziell vorgeschlagen, sofort Verhandlungen über ein rechtlich bindendes Instrument einzuleiten, das bedeutende menschliche Kontrolle über die zentralen Funktionen von Waffensystemen gewährleistet.

Staaten und andere verantwortliche Akteure sollen ein Verbot vollautonomer Waffen unterstützen und darauf hinarbeiten. Beispielsweise veröffentlichte Google im Juni 2018 eine Reihe von ethischen Grundsätzen, die unter anderem die Zusage enthalten, keine künstliche Intelligenz für Waffen zu entwickeln oder einzusetzen.

Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern, die Human Rights Watch mitgegründet hat, ist ein schnell wachsender Zusammenschluss von 100 Nichtregierungsorganisationen in 54 Ländern, die sich für ein präventives Verbot vollautonomer Waffen einsetzen. Die Kampagne richtet am 21. März in Berlin eine öffentliche Veranstaltung aus, um über das Thema zu informieren. Im Anschluss findet vom 22. bis zum 23. März ein Treffen der Mitgliedsorganisationen statt.

Am siebten Treffen des Übereinkommens über konventionelle Waffen zu tödlichen autonomen Waffensystemen bei den Vereinten Nationen in Genf vom 25. bis 29. März nimmt die Kampagne zum Verbot von Killer Robotern zusammen mit mehr als 80 Staaten, UN-Agenturen und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes teil.

„Politische Erklärungen, Transparenzversprechen und andere Maßnahmen können kein Verbot ersetzen und reichen nicht aus, um den zahlreichen Herausforderungen zu begegnen, die mit Killer-Robotern einhergehen“, so Wareham. „Staaten, wie Deutschland, sollen sich jetzt für Verhandlungen über einen Verbotsvertrag stark machen.“

Kategorien: Menschenrechte

„Killer-Roboter“: Russland und USA gegen Vertragsverhandlungen

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern fordert bei den Vereinten Nationen in Genf ein Verbot für Waffensysteme, die ihre Ziele ohne menschliche Kontolle auswählen und angreifen.

© 2018 Clare Conboy

(Genf) – Russland, die USA und andere Staaten, die in autonome Waffensysteme investieren, verhindern Verhandlungen über einen neuen Vertrag gegen Killer-Roboter. Durch das Abkommen soll sichergestellt werden, dass Menschen die Anwendung dieser Waffen maßgeblich kontrollieren, so Human Rights Watch heute.

Am 20. und 21. August 2019 treffen sich mehr als 70 Mitgliedstaaten der UN-Waffenkonvention in Genf zu Gesprächen über tödliche autonome Waffensysteme. Diese werden auch als vollautonome Waffen oder „Killer-Roboter“ bezeichnet und stehen seit dem Jahr 2014 bereits zum achten Mal auf der Tagesordnung. Dass diese Treffen allerdings nur dem Austausch dienen und keine konkreten Handlungen folgen sollen, deutet darauf hin, dass sie nicht das richtige Gremium sind, um mit der Bedrohung durch diese neuartigen Waffensystemen umzugehen.

„Die meisten Regierungen wollen einen neuen Vertrag verhandeln, der festschreibt, dass die Anwendung von Gewalt in bedeutendem Maß von Menschen kontrolliert werden muss“, so Steve Goose, Leiter der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch, dem Koordinator der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Aber einzelne Staaten verhindern jeden Fortschritt. Deshalb erscheinen die diplomatischen Gespräche zunehmend wie Versuche, Zeit zu schinden und die Öffentlichkeit abzulenken. Stattdessen müssen sich die Regierungen endlich um die großen Probleme kümmern, die mit Killer-Robotern einhergehen.“

Human Rights Watch und die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern fordern die Mitgliedstaaten der UN-Waffenkonvention auf, im November mit den Verhandlungen über einen Vertrag zu beginnen, der die menschliche Kontrolle über die Anwendung von Gewalt völkerrechtlich festschreibt. Ein solcher Vertrag würde vollautonome Waffen verbieten. Nur mit einer neuen völkerrechtlichen Norm kann die internationale Gemeinschaft die durch Killer-Roboter entstehenden Probleme lösen. Denn neben zahlreichen moralischen, rechtlichen und technischen Herausforderungen bestehen Sicherheitsrisiken und Schwierigkeiten, beim Einsatz autonomer Waffen Verantwortlichkeit herzustellen.

Die Gespräche der Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen begannen im Jahr 2014 und wurden drei Jahre später formalisiert. Bislang sind aus ihnen jedoch nicht mehr als einige nicht-bindende Prinzipien hervorgegangen. Russland, die USA, Australien, Israel und Großbritannien sprachen sich beim letzten Treffen zu Killer-Robotern im März dagegen aus, einen neuen Vertrag zu verhandeln. Entsprechende Forderungen bezeichneten sie als verfrüht.

Bei den vergangenen Gesprächen forderten fast alle Staaten, die menschliche Kontrolle über die Anwendung von Gewalt zu erhalten, was de facto einem Verbot von Waffen entspricht, die nicht von Menschen kontrolliert werden. Bis heute unterstützen 28 Staaten explizit ein Verbot vollständig autonomer Waffensysteme.

Zudem zeichnet es sich zunehmend ab, dass die Entwicklung vollautonomer Waffen den Forderungen des gesellschaftlichen Bewusstseins widerspricht. Tausende Wissenschaftler und Experten für künstliche Intelligenz, mehr als 20 Träger des Friedensnobelpreises, mehr als 160 führende Geistliche und unterschiedlichste Organisationen befürworten ein Verbot von Killer-Robotern. Im Jahr 2018 veröffentlichte Google eine Reihe von ethischen Grundsätzen, die unter anderem die Zusage enthalten, keine künstliche Intelligenz für Waffen zu entwickeln oder einzusetzen.

Killer-Roboter haben kein Mitgefühl und können keine differenzierten rechtlichen und moralischen Überlegungen in Entscheidungen über tödliche Gewlt einbeziehen. Ohne diese menschlichen Eigenschaften können die Waffensystem kaum gewährleisten, dass andere menschlich behandelt oder das menschliche Leben und die Menschenwürde respektiert werden.

Im humanitären Völkerrecht ist festgelegt, dass die „Erfordernisse des Gewissens“ und die „Grundprinzipien der Menschlichkeit“ herangezogen werden müssen, wenn ein Sachverhalt noch nicht durch geschriebenes Recht reguliert ist. Dies ist bei Killer-Robotern der Fall.

Die 28 Staaten, die ein Verbot fordern, sind: Ägypten, Algerien, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, China (nur bzgl. der Anwendung), Costa Rica, Djibouti, Ecuador, El Salvador, Ghana, Guatemala, der Heilige Stuhl, Irak, Kolumbien, Kuba, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Österreich, Pakistan, Panama, Peru, Palästina, Simbabwe, Uganda und Venezuela.

Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern wurde im Jahr 2013 initiiert und ist ein Zusammenschluss von 112 Nichtregierungsorganisationen aus 56 Staaten. Sie setzt sich für ein präventives Verbot der Entwicklung, Produktion und des Einsatzes vollständig autonomer Waffen ein.

„Nur ein Verbot und positive Verpflichtungen können gewährleisten, dass Systeme, die Ziele auswählen und angreifen, keine ethischen Werte unterminieren und immer einer bedeutenden menschlichen Kontrolle unterworfen sind“, so Goose. „Die Öffentlichkeit erwartet von ihren Regierungen, dass sie die Entwicklung vollautonomer Waffen verhindern - bevor Killer-Roboter sich weit verbreiten. Sie erwartet nicht weniger als ein rechtlich bindendes Verbot.“

Kategorien: Menschenrechte

Ägypten: Schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Nord-Sinai

Mi, 27.05.2020 - 10:50
Mai 28, 2019 Video Egypt: War Crimes in North Sinai

 Human Rights Watch’s two-year investigation documented crimes including mass arbitrary arrests, enforced disappearances, torture, extrajudicial killings, and possibly unlawful air and ground attacks against civilians.

(Beirut) - Ägyptische Militär- und Polizeikräfte begehen auf der Halbinsel Sinai schwere und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Vergehen erfolgen im Zuge der laufenden Kampagne gegen Mitglieder der Provinzgruppe Sinai, des lokalen ISIS-Ablegers, und stellen in einigen Fällen Kriegsverbrechen dar.

Der134-seitige Bericht ‘If You Are Afraid for Your Lives, Leave Sinai!’: Egyptian Security Forces and ISIS-Affiliate Abuses in North Sinai liefert einen detaillierten Einblick in einen kaum beachteten Konflikt, in dem seit der Eskalation der Kämpfe im Jahr 2013 Tausende Menschen verletzt oder getötet wurden – darunter Zivilisten, Kämpfer und Angehörige der Sicherheitskräfte. Die über zwei Jahre durchgeführten Recherchen von Human Rights Watch dokumentieren Verbrechen wie willkürliche Masseninhaftierungen, Verschleppungen, Folter, außergerichtliche Tötungen und möglicherweise rechtswidrige Angriffe auf Zivilisten durch Luft- und Bodenstreitkräfte. Obwohl ein Großteil der Menschenrechtsverletzungen auf das Konto der ägyptischen Militär- und Polizeikräfte geht, haben auch die extremistischen Milizen grausame Verbrechen verübt, etwa die Entführung, Folter und Ermordung von Anwohnern oder die standrechtliche Hinrichtung gefangengenommener Sicherheitskräfte.  Mai 28, 2019 Report If You Are Afraid for Your Lives, Leave Sinai!

Egyptian Security Forces and ISIS-Affiliate Abuses in North Sinai

„Statt die Bewohner des Sinai in ihrem Kampf gegen die Militanten zu unterstützen, haben die ägyptischen Sicherheitskräfte eine totale Geringschätzung für das Leben der Anwohner an den Tag gelegt und ihren Alltag in einen endlosen Albtraum verwandelt“, so Michael Page, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten und Nordafrika bei Human Rights Watch. „Die grausame Behandlung der Bewohner des Sinai sollte ein weiterer Weckruf an Staaten wie die USA und Frankreich sein, die Ägyptens Anti-Terror-Maßnahmen blindlings unterstützen.“

Human Rights Watch interviewte für den Bericht 54 Bewohner des nördlichen Sinai im Zeitraum 2016 bis 2018. Befragt wurden zudem Aktivisten, Journalisten und andere Zeugen, darunter zwei ehemalige Offiziere der Armee, ein Soldat, ein ehemaliger Funktionär aus dem Nord-Sinai und ein ehemaliger Beamter der US-Sicherheitsbehörden, der mit Ägypten betraut war. Human Rights Watch wertete auch unzählige offizielle Erklärungen, Social-Media-Posts, Medienberichte und Dutzende Satellitenfotos aus, um die Zerstörung von Wohngebäuden zu belegen und geheime Hafteinrichtungen des Militärs zu identifizieren. Das ägyptische Militär hat faktisch jede unabhängige Berichterstattung aus Nord-Sinai verboten und mehrere Journalisten, die von dort berichtet hatten, verfolgt und inhaftiert.

Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass die Feindseligkeiten auf dem nördlichen Sinai das Niveau eines nicht-internationalen bewaffneten Konflikts erreicht haben, da es zu fortdauernden Kämpfen zwischen organisierten bewaffneten Gruppen kommt. Die Konfliktparteien haben das Kriegsvölkerrecht sowie lokale und internationale Menschenrechtsstandards verletzt.

Indem beide Seiten gezielt Zivilisten angreifen, Menschenrechtsverletzungen verüben und nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, haben sie grundlegende Rechte der Zivilbevölkerung bedeutungslos gemacht und jeden Freiraum für eine friedliche politische Mobilisierung oder Opposition zerstört.

„Wozu das alles? Sollen wir Waffen tragen? Sollen wir mit den Milizen oder der Armee zusammenarbeiten? Oder sollen wir wie Opfer leben? Alle machen Jagd auf uns“, so ein Anwohner, der gegenüber Human Rights Watch beschrieb, wie die Armee ihn bestrafte und sein Haus zerstörte, nachdem ISIS-Kämpfer ihn entführt und gefoltert hatten.

Offiziellen Erklärungen und Medienberichten zufolge wurden von Januar 2014 bis Juni 2018 3.076 mutmaßliche ISIS-Kämpfer und 1.226 Angehörige von Militär und Polizei durch die Kämpfe getötet. Die ägyptischen Behörden haben keine Zahlen zu zivilen Opfern veröffentlicht oder Fehlverhalten eingeräumt. Human Rights Watch deckte auf, dass die ägyptischen Behörden regelmäßig zivile Opfer zu den getöteten mutmaßlichen Kämpfern gezählt hat und dass Hunderte Zivilisten verletzt oder getötet wurden.

Ausgehend von den Erklärungen des Militärs und der Berichterstattung in den ägyptischen Medien geht Human Rights Watch davon aus, dass Militär- und Polizeikräfte von Juli 2013 bis Dezember 2018 mehr als 12.000 Bewohner vom Nord-Sinai festgenommen haben. Das Militär räumt offiziell 7.300 Verhaftungen ein, veröffentlicht jedoch nur selten Namen oder Tatvorwürfe. Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass viele dieser Menschen, willkürlich inhaftiert und gewaltsam verschleppt wurden. Einige wurden außergerichtlich hingerichtet. In den vergangenen Jahren haben vermutlich Tausende Menschen den Regierungsbezirk verlassen, entweder um vor dem Konflikt zu fliehen oder weil sie vom Militär aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Nord-Sinai ist ein dünn besiedelter Verwaltungsbezirk mit weniger als 500.000 Einwohnern. Er grenzt an Israel und den Gaza-Streifen. Bewaffnete Gruppen existieren dort seit langem. Seit dem Volksaufstand von 2011, der zum Rücktritt des langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak geführt hatte, kam es jedoch immer häufiger zu Angriffen auf staatliche Einrichtungen, Militärkräfte und israelische Truppen.

Als das ägyptische Militär den damaligen Präsident Mohammed Mursi im Juli 2013 zum Rücktritt zwang und verhaftete, eskalierte die Gewalt. Die lokale Miliz Ansar Bait al-Maqdis schloss sich Ende 2014 ISIS an und änderte ihren Namen in Wilayat Sinai (Provinzgruppe Sinai). Daraufhin entsandte die Armee mehr als 40.000 Soldaten der See-, Luft- und Bodenstreitkräfte. Ägypten koordinierte diesen Einsatz mit Israel und soll Israel laut Medienberichten erlaubt haben, Luftangriffe auf Ziele auf dem Sinai zu fliegen, welche der Miliz zugerechnet wurden.

In diesem Bericht dokumentiert Human Rights Watch mindestens 50 willkürliche Festnahmen, darunter 39 Fälle, in denen Militär und Polizei die Betroffenen verschleppte. Vierzehn dieser Personen bleiben auch drei Jahre später unauffindbar.

Die Armee hat Häftlinge in Isolation und unter miserablen Bedingungen festgehalten, weit entfernt von jeder richterlichen Kontrolle. Militär und Polizei haben sogar 12-jährige Kinder zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Frauen wurden üblicherweise getrennt festgehalten. Die Recherchen von Human Rights Watch zeigten, dass die Armee zu jedem beliebigen Zeitpunkt in den vergangenen Jahren vermutlich bis zu 1.000 Personen unter Geheimhaltung auf dem Militärstützpunkt Al-Galaa festgehalten hat. Die Basis ist eine der drei bedeutendsten Hafteinrichtungen, die der Bericht beschreibt.

Ehemalige Häftlinge erklärten, dass sie während der Inhaftierung durch Armee und Polizei schlecht mit Nahrungsmitteln versorgt wurden, es kaum medizinische Versorgung gab und sie in kleinen, überfüllten Zellen untergebracht waren. Soldaten und Polizeibeamte hätten viele Insassen gefoltert, etwa mit Schlägen und Elektroschocks. Human Rights Watch dokumentierte drei Todesfälle im Gewahrsam der Sicherheitskräfte.

Einige der heimlich Inhaftierten wurden ohne Gerichtsverfahren von Militär- und Polizeikräften in die Wüste gebracht und hingerichtet. Später wurde erklärt, die Opfer seien bei Schusswechseln ums Leben gekommen. Human Rights Watch dokumentierte 14 derartige Fälle. Sechs weitere waren bereits vor dem Bericht dokumentiert worden.

Die ägyptische Armee hat Bewohner vom Nord-Sinai zu Milizionären rekrutiert. Diese haben bei den Menschenrechtsverletzungen eine erhebliche Rolle gespielt. Die inoffiziellen und irregulären Milizen unterstützten das Militär, das vor dem Konflikt über keine nennenswerte Erfahrung im Nord-Sinai verfügt hatte, indem sie Informationen lieferten und im Auftrag des Militärs Missionen ausführten. Angehörige der Milizen nutzen ihre faktischen Befugnisse, um willkürlich andere Bewohner zu verhaften, alte Rechnungen zu begleichen und persönliche Streitigkeiten zu regeln. Sie waren zudem an Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen beteiligt.

Die Provinzgruppe Sinai, der örtliche ISIS-Ableger, hat sich im nordöstlichsten Winkel des Gouvernements Nord-Sinai festgesetzt und unterhält dort auch nach sechs Jahren andauernder Kämpfe eine Präsenz. Die Kämpfer der Gruppe haben laut Aussage der Befragten schreckliche Verbrechen verübt, darunter die Entführung zahlreicher Anwohner und Angehöriger von Militär und Polizei sowie die außergerichtliche Hinrichtung einiger dieser Personen.

Die wahllosen Angriffe der Provinzgruppe Sinai, etwa durch den Einsatz selbstgebauter Sprengkörper in bewohnten Gebieten, haben Hunderte Zivilisten getötet und viele Anwohner zur Flucht gezwungen. Die Gruppe hat auch gezielt Zivilisten angegriffen. So waren Mitglieder von  Wilayat Sinai wahrscheinlich für einen Angriff auf die Al-Rawda-Moschee im Nord-Sinai verantwortlich, bei dem im November 2017 mindestens 311 Menschen getötet wurden, darunter auch Kinder. Dabei handelte es sich um den tödlichsten Anschlag einer nichtstaatlichen bewaffneten Gruppe in Ägyptens neuerer Geschichte. In Teilen von Rafah und Sheikh Zuweid, zweier Städte in Nord-Sinai, führte die Gruppe eigene Scharia-Gerichte ein, die unfaire „Gerichtsverfahren“ leiteten, Kontrollpunkte errichteten und islamische Regeln durchsetzten.

Der UN-Menschenrechtsrat und die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker sollen, angesichts der Tatenlosigkeit der ägyptischen Behörden, unabhängige Untersuchungsausschüsse zu den Menschenrechtsverletzungen auf dem Sinai einrichten. Ägyptens internationale Partner sollen unverzüglich jegliche sicherheitspolitische und militärische Unterstützung stoppen und so lange aussetzen, bis Ägypten seine Menschenrechtsverletzungen beendet. Kriegsverbrechen können nach internationalem Recht ohne zeitliche Begrenzung verfolgt werden. In vielen Staaten besteht nach dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit die Möglichkeit, Personen für Kriegsverbrechen, welche diese in anderen Teilen der Welt begangen haben, festzunehmen und anzuklagen.

„Der ISIS-Ableger im Nord-Sinai verdient weltweite Ächtung und seine abscheulichen Verbrechen müssen verfolgt werden. Doch auch das Vorgehen der Armee, das von ebenso schweren Vergehen geprägt ist, sollte nicht gelobt, sondern aufs Schärfste verurteilt werden“, so Page. „Ägyptens engste Verbündete sollen ihre Unterstützung für diese von Missbrauch geprägte Militärkampagne stoppen, die Tausende Zivilisten ins Verderben gestürzt hat.“

Kategorien: Menschenrechte

Deutschland: Verbot von „Killer-Robotern“ unterstützen

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Der Deutsche Bundestag in Berlin.

© 2007 Jorge Royan

(Berlin) – Deutschland soll mit gleichgesinnten Ländern zusammenarbeiten und Verhandlungen über einen neuen Vertrag einleiten, der Waffensysteme verbietet, die ihre Ziele ohne menschliche Kontrolle auswählen und angreifen, so Human Rights Watch heute.

Außenminister Heiko Maas hat zum 15. März 2019 in Berlin eine Konferenz über die Zukunft der Waffenkontrolle einberufen. Auf der Tagesordnung stehen neue technologische Bedrohungen wie vollautonome Waffen, die auch als tödliche autonome Waffensysteme oder „Killer-Roboter“ bezeichnet werden. Dass solche Waffen entwickelt werden könnten, stellt die Staatengemeinschaft vor ernste moralische, rechtliche und technische Herausforderungen. Auch die mögliche Verbreitung solcher Waffen und ihre Auswirkungen auf die internationale Sicherheit sind besorgniserregend.

„Deutschland hat gesagt, dass Killer-Roboter verboten werden müssen. Jetzt sollen diesen Worten auch Taten folgen und Verhandlungen über einen neuen Verbotsvertrag eingeleitet werden“, so Mary Wareham, Advocacy-Direktorin der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch und Koordinatorin der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Die Öffentlichkeit erwartet zunehmend, dass führende Politiker sich entschieden dafür einsetzen, die Entwicklung vollautonomer Waffen zu verhindern.“

Wareham wird die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern bei der Konferenz am 15. März vorstellen.

In einer neuen Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos in 26 Ländern sprachen sich 61 Prozent der Befragten gegen den Einsatz tödlicher autonomer Waffensysteme aus. In Deutschland waren es 72 Prozent. Nur 14 Prozent befürworteten den Einsatz und 14 Prozent zeigten sich unentschieden.

Bei der Umfrage wurde auch erhoben, was den Gegnern vollautonomer Waffen am meisten Sorge bereitet. In Deutschland antworteten mehr als Zweitdrittel, 77 Prozent, dass tödliche autonome Waffen eine „moralische Linie überschreiten würden, weil Maschinen nicht in der Lage sein dürfen, zu töten“. Mehr als die Hälfte, 60 Prozent, gaben an, dass es bei solchen Waffen zu „technischen Fehlern“ kommen könnte.

Bei der Eröffnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) im September 2018 rief Außenminister Maas die Staatengemeinschaft auf, „vollautonome Waffen zu verbieten – bevor es zu spät ist!“. Deutschland unterstreicht häufig, wie wichtig es ist, dass bedeutende menschliche Kontrolle bei der Entscheidung erhalten bleibt, Menschen zu töten.

Aber statt sich für einen Verbotsvertrag einzusetzen, spricht sich Deutschland gemeinsam mit Frankreich für eine nicht bindende politische Erklärung aus, die die Bedeutung menschlicher Kontrolle über Waffensysteme bestätigen soll.

„Deutschland erkennt an, dass Landminen und Streumunition inakzeptable Schäden anrichten, und hat die Verträge unterzeichnet, die diese Waffen verbieten“, sagt Wareham. „Die Verträge sind außerordentlich wirksam, obwohl einige Großmächte sie nicht unterzeichnet haben. Jetzt bedarf es dringend eines neuen Vertrages, der die Auswahl und das Angreifen von Zielen ohne bedeutende menschliche Kontrolle ächtet.“

Beim jährlichen Treffen der Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen im November 2018 kamen Deutschland und mehr als 80 andere Staaten darüber überein, die diplomatischen Gespräche über Killer-Roboter im Jahr 2019 fortzusetzen. Diese Gespräche haben jedoch kein klares Ziel und legen auch keinen Zeitplan für Vertragsverhandlungen fest.

Russland, Israel, Südkorea und die USA deuteten bei dem Treffen im November an, dass sie Verhandlungen über einen Verbotsvertrag nicht unterstützen würden. Diese Staaten und China investieren stark in Waffen, die immer weniger menschlicher Kontrolle über ihre wichtigsten Funktionen benötigen. Dies weckt Ängste, dass sich derartige Waffen weit verbreiten und es zu einem Wettrüsten kommen könnte. Vor diesem Hintergrund bedarf es dringend neuer Wege, um vollautonome Waffen zu verbieten, bevor diese einsatzfähig werden.

In der Vergangenheit wurden externe diplomatische Prozesse eingeleitet, als sich das Übereinkommen über konventionelle Waffen als ungeeignet erwies, durch Landminen und Streumunition verursachtes menschliches Leid zu verhindern. Aus diesen Prozessen entstanden Verträge, die diese Waffen verbieten und damit Leben retten. Ebenso schufen andere Staaten im Jahr 2017 durch die UN-Generalversammlung den Atomwaffenverbotsvertrag, als es offensichtlich wurde, dass sich die Staaten, die über Atomwaffen verfügen, nicht auf Abrüstungsschritte einigen würden.

Im November bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres tödliche autonome Waffensysteme als „politisch inakzeptabel und moralisch abscheulich“ und rief die Staatengemeinschaft dazu auf, sie zu verbieten. Seit dem Jahr 2013 haben sich 28 Staaten für ein Verbot vollautonomer Waffen ausgesprochen. Brasilien, Chile und Österreich haben offiziell vorgeschlagen, sofort Verhandlungen über ein rechtlich bindendes Instrument einzuleiten, das bedeutende menschliche Kontrolle über die zentralen Funktionen von Waffensystemen gewährleistet.

Staaten und andere verantwortliche Akteure sollen ein Verbot vollautonomer Waffen unterstützen und darauf hinarbeiten. Beispielsweise veröffentlichte Google im Juni 2018 eine Reihe von ethischen Grundsätzen, die unter anderem die Zusage enthalten, keine künstliche Intelligenz für Waffen zu entwickeln oder einzusetzen.

Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern, die Human Rights Watch mitgegründet hat, ist ein schnell wachsender Zusammenschluss von 100 Nichtregierungsorganisationen in 54 Ländern, die sich für ein präventives Verbot vollautonomer Waffen einsetzen. Die Kampagne richtet am 21. März in Berlin eine öffentliche Veranstaltung aus, um über das Thema zu informieren. Im Anschluss findet vom 22. bis zum 23. März ein Treffen der Mitgliedsorganisationen statt.

Am siebten Treffen des Übereinkommens über konventionelle Waffen zu tödlichen autonomen Waffensystemen bei den Vereinten Nationen in Genf vom 25. bis 29. März nimmt die Kampagne zum Verbot von Killer Robotern zusammen mit mehr als 80 Staaten, UN-Agenturen und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes teil.

„Politische Erklärungen, Transparenzversprechen und andere Maßnahmen können kein Verbot ersetzen und reichen nicht aus, um den zahlreichen Herausforderungen zu begegnen, die mit Killer-Robotern einhergehen“, so Wareham. „Staaten, wie Deutschland, sollen sich jetzt für Verhandlungen über einen Verbotsvertrag stark machen.“

Kategorien: Menschenrechte

Umfrage zeigt: Mehrheit gegen „Killer-Roboter“

Mi, 27.05.2020 - 10:50

Mehr als drei von fünf Teilnehmer einer aktuellen Umfrage in 26 Ländern lehnen die Entwicklung von Waffensystemen ab, die ihre Ziele ohne menschliche Kontrolle auswählen und angreifen können, so Human Rights Watch heute.

Die Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos wurde von der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern in Auftrag gegeben, die Human Rights Watch koordiniert, und im Dezember 2018 durchgeführt. 61 % der Teilnehmer lehnten den Einsatz tödlicher autonomer Waffensysteme ab, die auch als vollautonome Waffen bezeichnet werden. 22 % unterstützten den Einsatz und 17 % gaben an, sie seien sich unsicher. Bei einer nahezu identischen Umfrage des gleichen Unternehmens in 23 Ländern im Januar 2017 gaben 56 % der Befragten an, sie lehnten den Einsatz solcher Waffen ab, 24 % befürworteten ihn und 17 % waren sich unsicher.

„Die öffentliche Meinung wendet sich zunehmend gegen vollautonome Waffen“, sagt Mary Wareham, Advocacy-Direktorin der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch und Koordinatorin der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Wir brauchen mutige, politische Wegbereiter, die sich für einen Vertrag stark machen, der solche Waffensysteme präventiv verbietet.“

Beim jährlichen Treffen der Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen in Genf wurde im November 2018 beschlossen, die diplomatischen Gespräche über Killer-Roboter fortzusetzen. Diese Gespräche finden allerdings ohne klaren Zeitplan und ohne das Ziel statt, Verhandlungen über einen Vertrag einzuleiten. Daher müssen neue Wege eingeschlagen werden, um vollautonome Waffensysteme zu verbieten, bevor diese einsatzfähig werden. Im November bezeichnete der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, tödliche autonome Waffensysteme als „politisch inakzeptabel und moralisch abscheulich“ und forderte die Staatengemeinschaft auf, sie zu verbieten.

Ipsos befragte im Jahr 2018 zwischen 500 und 1.000 Personen in jedem Land. Die stärkste Ablehnung von autonomen Waffensystemen besteht den Ergebnissen zufolge in der Türkei (78%), Südkorea (74%) und Ungarn (74%).

Sowohl Frauen (62%) als auch Männer (60%) lehnen diese Waffen ab, wobei Männer (26%) sie tendenziell eher befürworten als Frauen (18%). Die Ablehnung nimmt mit dem Alter zu: Der stärkste Widerstand findet sich in der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen (68%).

Bei der 2018er Umfrage wurden die Teilnehmer, die den Einsatz von Killer-Robotern ablehnten, auch danach gefragt, was ihnen am meisten Sorge bereitete. Zwei Drittel (66%) gaben an, dass tödliche autonome Waffensysteme „eine moralische Grenze überschreiten, weil Maschinen nicht in der Lage sein dürfen, zu töten“. Mehr als die Hälfte (54%) antwortete, dass diese Waffen für ihre Taten nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Beim Treffen der Vertragsstaaten im November vereinbarten die Regierungen, die diplomatischen Gespräche über tödliche autonome Waffensysteme im Jahr 2019 fortzusetzen. Allerdings reflektiert diese Entscheidung nicht die Sicht der Mehrheit der am Treffen teilnehmenden Staaten, die Verhandlungen über einen rechtskräftigen Vertrag einleiten wollen. Nach den Regeln des Treffens reicht das Veto eines einzigen Landes aus, damit eine Mehrheit von Staaten nicht aktiv werden kann. Daher konnte Russland den Beginn von Vertragsverhandlungen blockieren und die in diesem Jahr für die Gespräche vorgesehene Zeit reduzieren.

Russland, Israel, Südkorea und die Vereinigten Staaten deuteten bei dem Treffen an, dass sie Verhandlungen über einen neuen Vertrag nicht unterstützen würden. Diese Staaten und China investieren stark in Waffen, die immer weniger menschlicher Kontrolle über ihre wichtigsten Funktionen benötigen. Dies weckt Ängste davor, dass sich derartige Waffen weit verbreiten und es zu einem Wettrüsten kommen könnte.

Seit dem Jahr 2013 fordern 28 Staaten ein Verbot vollautonomer Waffen. El Salvador und Marokko schlossen sich diesem Bündnis im November an. Österreich, Brasilien und Chile schlugen Verhandlungen über „ein rechtsverbindliches Instrument zur Gewährleistung bedeutender menschlicher Kontrolle über wesentliche Funktionen“ von Waffensysteme offiziell vor.

Da es dem Übereinkommen über konventionelle Waffen in der Vergangenheit nicht gelungen war, das menschliche Leid zu beenden, das durch Landminen und Streubomben verursacht wurde, sorgten diplomatische Verhandlungen außerhalb dieses Übereinkommens für lebenswichtige Verträge zum Verbot dieser Waffen. Diese Verträge sind entstanden, weil ähnlich gesinnte Staaten mit UN-Einrichtungen, dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes und engagierten Bündnissen aus Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiteten. Weil sich die über Atomwaffen verfügenden Staaten nicht über Abrüstung einigen konnten, beschlossen andere Staaten in der UN-Generalversammlung im Jahr 2017 den Atomwaffenverbotsvertrag.

Staaten und andere Akteure sollen nicht zögern, sich für ein Verbot vollautonomer Waffen einzusetzen und die Arbeit an ihm zu beginnen. Beispielsweise veröffentlichte Google im Juni 2018 eine Reihe von ethischen Grundsätzen, die unter anderem die Zusage enthalten, keine künstliche Intelligenz für Waffen zu entwickeln oder einzusetzen.

Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern, die Human Rights Watch mitgegründet hat und koordiniert, ist ein schnell wachsender Zusammenschluss von 88 Nichtregierungsorganisationen in 50 Ländern, der sich für ein präventives Verbot vollautonomer Waffen einsetzt. Die Kampagne hat seit kurzem eine neue Website.

„Die Ipsos-Umfrage zeigt: Die Öffentlichkeit erwartet immer mehr, dass Regierungen die Bedrohung ernst nimmt, die von vollautonomen Waffen ausgeht. Sie ist bereit, sich stark dafür einzusetzen, dass die menschliche Kontrolle über den Einsatz von Gewalt erhalten bleibt“, so Wareham. „Die Sicherheit der Welt und die Zukunft der Menschheit hängen davon ab, ein Verbot von Killer-Robotern zu erreichen.“

Weitere Ergebnisse der Ipsos-Umfrage zu Killer-Robotern

Ablehnung von Killer-Robotern im Jahr 2018

Die Ipsos-Umfrage wurde im Jahr 2018 in 26 Ländern durchgeführt: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Italien, Kanada, Kolumbien, Japan, Mexiko, die Niederlande, Peru, Polen, Russland, Südafrika, Südkorea, Spanien, Schweden, Ungarn, die Türkei und die Vereinigten Staaten. Die Ipsos-Umfrage aus dem Jahr 2017 wurde in 23 dieser Länder durchgeführt, nicht in Israel, Kolumbien und den Niederlanden.

Für die 2018er Umfrage wurde die Frage der vorhergegangenen Umfrage leicht überarbeitet und lautete:

Die Vereinten Nationen prüfen die strategische, rechtliche und moralische Bedeutung von tödlichen autonomen Waffensystemen. Diese Waffensysteme wären in der Lage, Ziele unabhängig auszuwählen und ohne menschlichen Eingriff anzugreifen. Sie unterscheiden sich von existierenden „Drohnen“, bei denen Menschen die Ziele auswählen und angreifen.

Wie stehen Sie zum Einsatz tödlicher autonomer Waffensysteme in Kriegen?

In den 26 im Jahr 2018 untersuchten Ländern lehnten 61 % der Befragten Killer-Roboter ab, 22 % lehnten sie nicht ab und 17 % waren sich unsicher oder unentschieden.

Von den Teilnehmern, die eine Meinung äußerten, äußerten fast dreimal so viele Ablehnung als keine Ablehnung.

In 20 Ländern lehnte die Mehrheit der Befragten Killer-Roboter ab. In 15 dieser Länder äußerten 60 % oder mehr Ablehnung: Türkei (78%), Südkorea (74%), Ungarn (74%), Kolumbien (73%), Deutschland (72%), Schweden (71%), die Niederlande (68%), Spanien (65%), Peru (65%), Argentinien (64%), Mexiko (64%), Belgien (63%), Polen (62%), Kanada (60%) und China (60%).

Auch in Russland (59%), Großbritannien (54%) und den Vereinigten Staaten (52%) lehnte eine Mehrheit Killer-Roboter ab. Diese drei Staaten gelten als diejenigen, die vollautonome Waffen am deutlichsten befürworten und gegen ein Verbot arbeiten.

Die einzigen Länder, in denen eine Mehrheit Killer-Roboter nicht ablehnte, waren Indien (37%), Israel (41%), Brasilien (46%) und Japan (48%).

Wie hat sich die Ablehnung von Killer-Robotern von Januar 2017 bis Dezember 2018 entwickelt?

In den 26 im Jahr 2018 untersuchten Ländern lehnten 61 % der Befragten Killer-Roboter ab, wohingegen sich im Jahr 2017 56 % in 23 der gleichen Länder gegen diese Waffen aussprachen.

In den 23 Ländern, die sowohl 2017 als auch 2018 untersucht wurden, nahm die Ablehnung von Killer-Robotern um 14 % zu, wobei sich ein Teil dieser Zunahme im Rahmen üblicher Schwankungen bewegt.

Am stärksten nahm die Ablehnung zu in China (um 24 %), in der Türkei (um 21 %), Frankreich, Polen, Ungarn (jeweils 13 %) und Südkorea (um 12 %).

Die Ablehnung nahm auch in Schweden zu (um 9%), in Großbritannien (um 7%) und in Deutschland (um 7%). In Indien, Kanada, Italien, Australien und Belgien wurden ebenfalls Zunahmen verzeichnet, diese befinden sich allerdings im Rahmen üblicher Schwankungen.

In neun Ländern nahm die Ablehnung ab, in fünf dieser Länder allerdings nur um ein oder zwei Prozent. Die einzigen substanziellen Rückgänge in der Ablehnung waren in Russland (um 10%) und Brasilien (6%) zu verzeichnen. In Südafrika und Japan ging die Ablehnung im Rahmen üblicher Schwankungen zurück.

Kategorien: Menschenrechte

Staatengemeinschaft muss gegen Brandwaffen aktiv werden

Mi, 27.05.2020 - 10:50

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Bei einem Brandwaffenangriff im März 2018 im syrischen Ostghuta starben mehr als 250 Zivilisten. 

© 2018 Syria Civil Defense (Genf) – Bei der anstehenden Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (UN) soll die Staatengemeinschaft angesichts der Beweise für 30 neue Brandwaffenangriffe in Syrien beschließen, dass die völkerrechtlichen Bestimmungen gegen deren Einsatz gestärkt werden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Die Teilnehmerstaaten der UN-Konferenz sollen: • Die bestehenden völkerrechtlichen Bestimmungen über Brandwaffen im Jahr 2019 überprüfen. • Die Schlupflöcher im bestehenden Recht schließen. • Den Einsatz von Brandwaffen in bewohnten Gebieten verurteilen. Der 13-seitige Bericht „Myths and Realities about Incendiary Weapons“ befasst sich mit verbreiteten Fehleinschätzungen, die dazu führen, dass es bei Brandwaffen international kaum Fortschritte gibt. Brandwaffen produzieren Hitze und Feuer durch die chemische Reaktion einer brennbaren Substanz. Zwar wurden sie zur Kennzeichnung und Signalgebung oder Vernebelung entwickelt, aber sie können menschliches Gewebe bis auf die Knochen verbrennen, großflächige Narben hinterlassen sowie Verletzungen der Atemwege und psychische Traumata verursachen. Zudem können sie Brände auslösen, die zivile Objekte und Infrastruktur zerstören.

„Angesichts der entsetzlichen Verbrennungen und lebenslangen Behinderungen, die Brandwaffen verursachen, bedarf es einer globalen Antwort“, so Bonnie Docherty, Waffen-Expertin bei Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Einfache Änderungen des Völkerrechts können dazu beitragen, Zivilisten im Krieg das Leben zu retten.“

Der Bericht geht auf die beispiellos grausamen Verletzungen ein, die Brandwaffen verursachen, erläutert die Schwachstellen im bestehenden Recht und gibt Empfehlungen, mit denen die Staaten diese beheben können. Der Bericht ist als leicht verständlicher Überblick über das Thema konzipiert und wird gemeinsam mit der International Human Rights Clinic der Harvard Law School veröffentlicht.

Die Mitgliedstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen (CCW) werden sich dem Thema Brandwaffen vom 19. bis 23. November bei den UN in Genf widmen. Protokoll III des Übereinkommens schränkt den Einsatz von Brandwaffen bis zu einem gewissen Grad ein, enthält aber keine ausreichenden Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung.

Untersuchungen von Human Rights Watch zeigen, dass die syrisch-russische Militärallianz Brandwaffen im Jahr 2018 bei mindestens 30 Angriffen in sechs Gouvernements von Syrien eingesetzt hat. Bei den meisten dieser Angriffe kamen bodengestützte Raketen zum Einsatz, aber auch luftgestützte Waffen verursachten Schäden. Etwa starben mindestens 61 Menschen bei einem Luftangriff mit Brandwaffen am 16. März in Ostghuta, mehr als 200 wurden verletzt.

Darüber hinaus sind weitere 90 Angriffe mit Brandwaffen in Syrien im Zeitraum November 2012 bis 2017 dokumentiert. Die tatsächliche Zahl ist mit großer Wahrscheinlichkeit höher. Syrien ist kein Mitgliedstaat von Protokoll III, aber Russland ist ihm beigetreten.

Die Staaten, die an der UN-Konferenz teilnehmen, sollen sich mit den Schwächen von Protokoll III befassen und ihre eigenen politischen Grundsätze und Praktiken transparent machen. Außerdem sollen sie ein Forum schaffen, um das Protokoll im Jahr 2019 formal zu überprüfen, mit dem Ziel, seine Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu stärken.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Regierungen, die sich gegen Brandwaffen aussprechen, deutlich gestiegen. Allerdings haben einige wenige Länder, die die existierenden Regelungen als ausreichend betrachten, sich gegen Vorschläge ausgesprochen, das Protokoll zu ändern.

Protokoll III hat zwei wesentliche Schlupflöcher, die seine Wirksamkeit begrenzen. Erstens schließt seine Definition Vielzweckwaffen aus, etwa die mit weißem Phosphor, die zwar primär für Vernebelung oder Beleuchtung gedacht sind, aber die gleichen, schrecklichen Verletzungen verursachen können wie andere Brandwaffen. Weißer Phosphor kann etwa in bereits verbundenen Wunden weiter schwelen und sich noch Tage nach der Behandlung erneut entzünden, wenn er mit Sauerstoff in Kontakt kommt. Im Jahr 2017 setzte die von den USA geführte Koalition Phosphorbomben bei den Kämpfen gegen den Islamischen Staat in Raqqa in Syrien und in Mosul im Irak ein. Auch die USA sind Protokoll III beigetreten.

Zweitens verbietet das Protokoll zwar den Einsatz luftgestützer Waffen in bewohnten Gebieten, erlaubt aber den Einsatz von bodengestützen Modellen unter bestimmten Umständen. Da alle Brandwaffen die gleichen Auswirkungen haben, sollte diese willkürliche Unterscheidung gestrichen werden. Ein vollständiges Verbot von Brandwaffen wäre aus humanitärer Sicht die beste Lösung.

„Für die Staatengemeinschaft sollte es in der Abrüstungspolitik höchste Priorität haben, die völkerrechtlichen Bestimmungen über Brandwaffen zu stärken“, sagt Docherty, die auch stellvertretende Leiterin des Bereichs Bewaffneter Konflikt und Schutz der Zivilbevölkerung der Harvard Clinic ist. „Stärkere Verpflichtungen würden den Einsatz dieser Waffen durch die Mitgliedstaaten des Protokolls begrenzen und das Verhalten anderer Staaten und nichtstaat licher bewaffneter Gruppen beeinflussen, weil sie Brandwaffen stärker stigmatisieren.“

Docherty stellt die Ergebnisse des Berichts bei einem Side Event bei den UN in Genf am 20. November um 13:15 Uhr in Konferenzraum XXII vor.

Kategorien: Menschenrechte

Streumunition: Vertragsstaaten halten sich an Verbot

Mi, 27.05.2020 - 10:50
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Ein BLU-61 Bomblet im Regierungsbezirk Basra, Irak, das zerstört werden soll. März 2018.

© 2018 UNMAS

(Genf) – Kein Mitgliedstaat des Übereinkommens über Streumunition aus dem Jahr 2008 hat das Verbot des Einsatzes, der Herstellung, Weitergabe und Lagerung dieser Waffen verletzt. Somit ist der Bericht über die Einhaltung des Übereinkommens makellos, so Human Rights Watch bei der Veröffentlichung des Cluster Munition Monitor 2018.

Cluster Munition Monitor 2018 ist der neunte Jahresbericht der Cluster Munition Coalition (CMC), ein weltweiter Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, den Human Rights Watch mitbegründet hat und ihm vorsitzt. Die Gruppe will sicherstellen, dass alle Länder dem Vertrag über das Verbot von Streumunition, der Beseitigung von Rückständen sowie der Unterstützung von Opfern beitreten und sich an seine Bestimmungen halten. Der Bericht zeigt, dass einige Nichtvertragsstaaten, den Einsatz von Streumunition im vergangenen Jahr stärker als zuvor verteidigt haben, insbesondere Israel, Russland und die USA.

„Es ist essentiell, dass die Vertragsstaaten das Übereinkommen über Streumunition vollständig einhalten, damit weiteres Leid durch diese weltweit verrufenen Waffen vermieden wird“, so Mary Wareham, Waffenexpertin bei Human Rights Watch und Mitherausgeberin des Berichts. „Die Mitgliedstaaten führen den Verweigerern vor, dass sie nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben, wenn sie jetzt auf Streumunition verzichten und dem Übereinkommen beitreten.“

Am 30. November 2017 verabschiedeten sich die USA mit einer Direktive des Verteidigungsministeriums von einer seit langem bestehenden Richtlinie, nach der sie ab dem Jahr 2019 keine Streumunition mehr hätte einsetzen sollen, bei der mehr als ein Prozent Blindgänger zurückbleiben. Human Rights Watch verurteilte die Direktive, da sie einen Schritt zurück vom seit langem geplanten Verzicht auf unzuverlässige Streumunition darstellt. Die USA behaupten, Streumunition hätte militärischen Nutzen, setzten diese allerdings zuletzt während ihres Einmarsches in den Irak im Jahr 2003 ein – mit Ausnahme eines einzigen Angriffs im Jahr 2009 im Jemen. Es liegen keinerlei Beweise dafür vor, dass die USA oder ihre Verbündeten Streumunition gegen den so genannten Islamischen Staat (auch bekannt als ISIS) in Syrien oder im Irak eingesetzt hätten.

Streumunition kann vom Boden aus in Artilleriesystemen, Raketen und Geschossen eingesetzt oder aus der Luft abgeworfen werden. Typischerweise öffnet sie sich in der Luft und verteilt zahlreiche kleine Sprengkörper oder Submunition in einem großen Gebiet. Ein großer Teil der Submunition explodiert nicht beim ersten Aufprall, sondern hinterlässt gefährliche Blindgänger, die wie Landminen über Jahre hinweg Menschen verstümmeln und töten können.

Derzeit hat das Übereinkommen über Streumunition 103 Mitgliedstaaten, von denen 17 Länder es unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben. Keiner der Mitgliedstaaten hat Streumonition eingesetzt, hergestellt oder weitergegeben, seit das Übereinkommen am 30. Mai 2008 verabschiedet wurde. Sämtliche Mitgliedstaaten, die von der ersten, am 1. August 2018 abgelaufenen Achtjahresfrist zur Vernichtung gelagerter Streumunition betroffen waren, haben ihre Vorräte rechtzeitig zerstört, darunter Kroatien, Slowenien und Spanien im vergangenen Jahr. Kuba, ein neuer Mitgliedstaat, hat ebenfalls bereits jetzt seine Vorräte vernichtet. Die Schweiz wird voraussichtlich in Kürze bekannt geben, dass sie über keine einsatzfähige Streumunition mehr verfügt.

Mit den bis heute insgesamt 1,4 Millionen vernichteten Streubomben und mehr als 177 Millionen vernichteten Kleinstsprengkörpern sind 99 Prozent der bekannten Vorräte von Mitgliedstaaten des Übereinkommens zerstört. Allein im Jahr 2017 vernichteten sieben Länder insgesamt 33.551 Streubomben und 1,7 Millionen Kleinstsprengkörper.

Allerdings setzten Streitkräfte der syrischen Regierung seit dem Jahr 2012 bis in die erste Jahreshälfte 2018 hinein durchgehend Streumunition gegen von Regierungsgegnern kontrollierte Gebiete ein. Die Zahl der dokumentierten Einsätze ging im vergangenen Jahr zurück, teilweise, da sich immer weniger Gebiete außerhalb der Kontrolle der Regierung befinden. Im Jemen wurden im vergangenen Jahr deutlich weniger Streubombenangriffe der von Saudi-Arabien geführten Allianz dokumentiert, die seit März 2015 eine Militäroffensive gegen Huthi-Kräfte durchführt. Dieser Rückgang folgte auf einen lauten öffentlichen Aufschrei, weltweite Medienberichte und zahlreiche öffentliche Verurteilungen der Angriffe. Darüber hinaus liegen Hinweise darauf vor, dass in Ägypten und Libyen möglicherweise Streumunition eingesetzt wurde, allerdings konnten diese Vorwürfe noch nicht unabhängig bestätigt werden. Keiner der genannten Staaten hat das Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet.

Der Cluster Munition Monitor dokumentiert 289 neue Todesfälle im Jahr 2017. In 99 Prozent der Fälle, in denen der Status der Opfer bekannt ist, handelte es sich um Zivilisten. Dazu zählen 187 Personen in Syrien und 54 im Jemen, die entweder bei Angriffen im Berichtsjahr oder durch Blindgänger getötet wurden. In Laos starben 32 Menschen wegen Blindgängern, die bei Streumunitionseinsätzen der USA in den 1960er und 1970er Jahren zurückgeblieben waren. Die Todesfälle sind im Jahr 2017 deutlich zurückgegangen, noch im Jahr 2016 wurden 971 Fälle dokumentiert. Allerdings gibt es eine bedeutende Dunkelziffer, da viele Todesfälle nicht oder nicht ausreichend dokumentiert werden.

Seit der Veröffentlichung des letztjährigen Berichts ist nur ein einziges Land dem Übereinkommen neu beigetreten oder hat es ratifiziert, nämlich Sri Lanka am 1. März.

Im dritten Jahr in Folge stimmte Russland zusammen mit Simbabwe im Dezember 2017 gegen eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der sie sich für das Übereinkommen ausspricht, während 32 andere Nichtvertragsstaaten dafür stimmten. Russland beteiligt sich seit dem 30. September 2015 an einer Militäroperation syrischer Streitkräfte, bei der Streumunition massives Leid in der Zivilbevölkerung verursachen.

Der Cluster Munition Monitor zeigt, dass 26 Ländern, darunter zwölf Mitgliedstaaten des Übereinkommens und zwei Staaten, die dieses bereits unterzeichnet haben, mit Blindgängern kontaminiert sind, die auf Streumunitionseinsätze zurückgehen. Weltweit wurden mindestens 153.00 Kleinstsprengkörper bei Entschärfungseinsätzen zerstört. Entsprechend der Vorgaben des Übereinkommens haben acht Mitgliedsstaaten die mit Blindgängern kontaminierten Gebiete auf ihrem Territorium vollständig gesäubert.

Die meisten Mitgliedstaaten haben offiziell erklärt, dass sie keine Streumunition zu Ausbildungs- oder Forschungszwecken mehr lagern, obwohl das Übereinkommen dies erlaubt und zwölf Mitgliedstaaten an entsprechenden Beständen festhalten. Dreißig Länder haben nationale Gesetze erlassen, um das Übereinkommen umzusetzen, und zwanzig weitere bereiten dies derzeit vor.

„Für einige Staaten wird es noch viel Arbeit sein, mit Blindgängern kontaminierte Gebiete zu säubern, Opfer zu unterstützen, über ihre Umsetzung des Übereinkommens zu berichten und zu gewährleisten, dass sie über Gesetze und andere Maßnahmen verfügen, um Zuwiderhandlungen zu bestrafen“, so Wareham. „Länder, die dabei Unterstützung brauchen, sollten ohne Zögern um Hilfe bitten. Denn dieses Übereinkommen beruht darauf, dass es gemeinsam und in Zusammenarbeit realisiert wird.“

Cluster Munition Monitor 2018 wird beim achten Treffen der Mitgliedstaaten des Übereinkommens über Streumunition vorgestellt, das am 3. September bei den Vereinten Nationen in Genf eröffnet wird.

Kategorien: Menschenrechte

„Killer-Roboter“ bestehen keine moralischen und rechtlichen Tests

Mi, 27.05.2020 - 10:50
 

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Der wachsende Widerstand aus unterschiedlichen Lagern gegen vollständig autonome Waffen zeigt, dass das öffentliche Gewissen ein Verbot von Waffensystemen unterstützt, die nicht hinreichend von Menschen kontrolliert werden.

© 2018 Russell Christian/Human Rights Watch

(Genf) – Grundsätze der Menschlichkeit und das öffentliche Gewissen erfordern ein Verbot vollständig autonomer Waffen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Staaten, die sich am kommenden Treffen zu den so genannten „Killer-Robotern“ beteiligen, sollen sich darauf verständigen, Verhandlungen über ein Verbot der Entwicklung, Produktion und Nutzung solcher Waffensysteme aufzunehmen.

August 21, 2018 Report Heed the Call

A Moral and Legal Imperative to Ban Killer Robots

Der 46-seitige Bericht „Heed the Call: A Moral and Legal Imperative to Ban Killer Robots“ kommt zu dem Ergebnis, dass vollständig autonome Waffen gegen die Martens’sche Klausel verstoßen. Nach diesem wichtigen völkerrechtlichen Grundsatz müssen neue Technologien anhand der „Grundprinzipien der Menschlichkeit“ und der „Erfordernisse des Gewissens“ bewertet werden, wenn sie noch nicht durch geschriebenes Recht reguliert sind.

„Die Entwicklung und Nutzung von Killer-Robotern zuzulassen, würde etablierte moralische und rechtliche Standards unterminieren“, so Bonnie Docherty, Waffenexpertin bei Human Rights Watch, Koordinator der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Die Staaten sollen zusammenarbeiten und diese Waffensysteme präventiv verbieten, bevor sie weltweit verbreitet werden.“

Das Verbot von Laser-Blendwaffen aus dem Jahr 1995, das wesentlich auf einer Bewertung dieser Waffen unter der Martens’schen Klausel beruht, kann als Vorbild für ein Verbot von vollständig autonomen Waffen dienen, die schon bald eine Realität sein könnten.

Der Bericht wird gemeinsam mit der International Human Rights Clinic der Harvard Law School veröffentlicht, an der Docherty als stellvertretende Direktorin des Arbeitsbereichs „Bewaffneter Konflikt und Schutz der Zivilbevölkerung“ tätig ist.

Vom 27. bis zum 31. August 2018 treffen sich mehr als 70 Regierungen bei den Vereinten Nationen (UN) in Genf zum sechsten Mal seit 2014, um über die Herausforderungen zu beraten, die mit vollständig autonomen Waffensystemen bzw. tödlichen autonomen Waffensystemen einhergehen. Die Gespräche unter der UN-Waffenkonvention, einem zentralen Abrüstungsvertrag, wurden im Jahr 2017 formalisiert, allerdings ohne spezifisches Ziel.

Human Rights Watch und die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern rufen die Mitgliedstaaten der Konvention dazu auf, im Jahr 2019 Verhandlungen über einen neuen Vertrag aufzunehmen, der festschreibt, dass Waffensysteme und die Anwendung von Gewalt maßgeblich von Menschen kontrolliert werden müssen. Hingegen wählen und bekämpfen vollständig autonome Waffen ihre Ziele ohne bedeutende menschliche Kontrolle.

Bis heute unterstützen 26 Staaten ausdrücklich ein Verbot vollständig autonomer Waffen. Tausende Wissenschaftler und Experten für künstliche Intelligenz, mehr als 20 Träger des Friedensnobelpreises, über 160 führende Geistliche und unterschiedlichste Organisationen fordern ebenfalls ein Verbot. Im Juni veröffentlichte Google eine Reihe ethischer Grundsätze, darunter die Zusage, keine künstliche Intelligenz für Waffen zu entwickeln.

Bei den Treffen zur Überprüfung der UN-Waffenkonvention haben sich fast alle Staaten dafür ausgesprochen, ein gewisses Maß an menschlicher Kontrolle über die Anwendung von Gewalt beizubehalten. Aus diesem sich abzeichnenden Konsens folgt, dass Waffen ohne diese Kontrolle verboten werden müssen. Er reflektiert die breite Opposition gegen vollständig autonome Waffen.

Human Rights Watch und die Harvard Clinic haben untersucht, ob vollständig autonome Waffen mit den Kernelementen der Martens’schen Klausel vereinbar sind. Die Klausel, die in den Genfer Abkommen enthalten ist und in mehreren Abrüstungsverträgen zitiert wird, kommt zur Anwendung, wenn ein Thema nicht im geschriebenen internationalen Recht geregelt ist. Sie legt moralische Grundsätze fest, um neue Waffen zu bewerten.

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass vollständig autonome Waffen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen würden, weil sie nicht in der Lage wären, auf der Grundlage von Mitgefühl oder einer differenzierten rechtlichen und ethischen Abwägung über die Anwendung tödlicher Gewalt zu entschieden. Weil ihnen diese menschlichen Fähigkeiten fehlen, wäre es mit diesen Waffen außerordentlich schwierig, die humane Behandlung anderer und den Respekt vor Menschenleben und -würde zu gewährleisten.

Vollständig autonome Waffen widersprechen auch den Forderungen des öffentlichen Gewissens. Regierungen, Experten und die breite Öffentlichkeit haben es breit verurteilt, die menschliche Kontrolle über die Anwendung von Gewalt aufzugeben.

Teilmaßnahmen wie Regulierungen oder politische Erklärungen ohne rechtskräftiges Verbot wären nicht ausreichend, um die zahlreichen Gefahren auszuschalten, die von vollständig autonomen Waffen ausgehen. Diese verstoßen nicht nur gegen die Martens’sche Klausel, sondern werfen andere rechtliche, verantwortungs- und sicherheitstechnische sowie technologische Probleme auf.

In früheren Veröffentlichungen haben Human Rights Watch und die Harvard Clinic untersucht, inwiefern vollständig autonome Waffen die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und internationaler Menschenrechtsstandards erschweren, die Verantwortlichkeitslücke analysiert, die entsteht, wenn solche Waffen widerrechtliche Schäden verursachen, und auf Kritiker eines präventiven Verbots geantwortet.

Die 26 Länder, die ein Verbot fordern, sind Algerien, Argentinien, Ägypten, Bolivien, Brasilien, Chile, China (nur Nutzung), Costa Rica, Dschibuti, Ecuador, Ghana, Guatemala, der Heilige Stuhl, Irak, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Österreich, Pakistan, Panama, Peru, der Staat Palästina, Simbabwe, Uganda und Venezuela.

Die Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern, die seit dem Jahr 2013 aktiv ist, ist ein Zusammenschluss von 75 Nichtregierungsorganisationen aus 32 Ländern. Sie setzt sich dafür ein, die Entwicklung, Produktion und Nutzung vollständig autonomer Waffen präventiv zu verbieten. Docherty wird den Bericht bei einem Briefing der Kampagne für die Teilnehmer am Treffen zur UN-Waffenkonvention vorstellen, das am 28. August bei den Vereinten Nationen in Genf stattfindet.

„Der zunehmende Widerstand unter Wissenschaftlern, Geistlichen, Technologieunternehmen, Nichtregierungsorganisationen und in der Bevölkerung zeigt, dass die Öffentlichkeit versteht, dass Killer-Roboter eine moralische Grenze überschreiten”, sagt Docherty. „Ihre Sorgen, die viele Regierungen teilen, verdienen eine unverzügliche Antwort.“

Kategorien: Menschenrechte

Burma: Militär verübt Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Mi, 27.05.2020 - 10:50

 

(New York) – Die Sicherheitskräfte in Burma verüben Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die Volksgruppe der Rohingya, so Human Rights Watch heute. Das Militär geht mit Zwangsabschiebungen, Mord, Vergewaltigung und Verfolgung gegen Rohingya-Muslime im nördlichen Teil der Provinz Rakhaine vor. Dies hat zu unzähligen Todesopfern und massenhafter Vertreibung gefhrt.

Der UN-Sicherheitsrat und alle betroffenen Staaten sollen umgehend gezielte Sanktionen und ein Waffenembargo gegen das burmesische Militär verhängen, um weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. Der Sicherheitsrat soll Burma auffordern, Hilfsorganisationen Zugang zu den hilfsbedürftigen Menschen zu gewähren, eine UN-Ermittlermission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzung ins Land zu lassen und die sichere und freiwillige Rückkehr der Vertriebenen zu ermöglichen. Der Rat soll auch Maßnahmen erörtern, um die Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen, etwa vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

„Das burmesische Militär vertreibt die Rohingya brutal aus dem nördlichen Rakhaine“, so James Ross, Leiter der Rechtsabteilung von Human Rights Watch. „Die Massaker an Dorfbewohnern und die massenhafte Brandstiftung, mit denen die Menschen vertrieben werden, stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.“

Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind nach internationalem Recht Verbrechen definiert, die „im Rahmen einen ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs“ erfolgen. Die Angriffe des burmesischen Militärs auf die Rohingya  erfolgen ausgedehnt und systematisch. Aus den Erklärungen des Militärs und einiger Regierungsvertreter geht zudem hervor, dass diese Bevölkerungsgruppe gezielt angegriffen wird.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit fallen unter die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag und unterliegen dem Prinzip der Universellen Justiz. Solche Akte können folglich auch von nationalen Gerichten außerhalb Burmas verfolgt werden, selbst wenn weder Opfer noch Täter Staatsbürger des betreffenden Landes sind.

Die Recherchen von Human Rights Watch in der Region und die Auswertung von Satellitenfotos belegen Deportationen und Zwangsumsiedlungen, Morde und versuchte Morde, Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe sowie das Verbrechen der „Verfolgung“ im Sinne der Definition als „absichtliche und schwere Beraubung grundlegender Rechte im Bruch des internationalen Rechts aufgrund der Identität der Gruppe oder Kollektivgemeinschaft“. Die verübten Verbrechen können zudem als ethnische Säuberungen gewertet werden, wenngleich dieser Begriff im internationalen Recht nicht definiert ist.

Seit dem 25. August 2017, als die Arakan-Rohingya-Befreiungsarmee (ARSA) rund 30 Polizeiposten im nördlichen Rakhaine-Staat angriff, haben die burmesischen Sicherheitskräfte massenhafte Brandstiftung, Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen verübt, Hunderte Dörfer zerstört und mehr als 400.000 Rohingya zur Flucht ins Nachbarland Bangladesch gezwungen. Human Rights Watch stellte bereits 2012 fest, dass die burmesische Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die Rohingya in der Provinz Rakhaine verübte.

„Es mag unbedeutend erscheinen, den entsetzlichen Verbrechen, die das burmesische Militär gegen Rohingya-Familien verübt, ein juristisches Etikett anzuheften“, so Ross. „Doch wenn die Welt anerkennt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gange sind, sollte dies die UN und Regierungen veranlassen, gegen Burmas Militär vorzugehen, um diesen Verbrechen ein Ende zu setzen.“

 

Kategorien: Menschenrechte

Gespräche über “Killer-Roboter” formalisieren mit Verbot als Ziel

Mi, 27.05.2020 - 10:50

(Genf) – Regierungen sollen ihre Gespräche über vollständig autonome Waffen auf dem bevorstehenden Abrüstungstreffen in Genf formalisieren. Das Ziel der Verhandlungen soll ein präventives Verbot sein, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Dezember 9, 2016 Report Making the Case

The Dangers of Killer Robots and the Need for a Preemptive Ban

Der 49-seitige Bericht „Making the Case: The Dangers of Killer Robots and the Need for a Preemptive Ban“ widerlegt 16 Schlüsselargumente gegen ein Verbot vollautonomer Waffen. 

Vollständig autonome Waffen, auch bekannt als tödliche autonome Waffensysteme oder „Killer-Roboter“ wären in der Lage, Ziele ohne nennenswerte menschliche Kontrolle auszuwählen und anzugreifen. Diese Waffen und andere sind Thema der fünften, jährlichen Konferenz zur Überprüfung der UN-Waffenkonvention (Convention on Conventional Weapons, CCW), die vom 12. bis zum 16. Dezember 2016 stattfindet.

„Es ist an der Zeit, dass die Staaten aufhören, nur zu reden, und ein präventives Verbot vorbereiten“, so Bonnie Docherty, Waffenexpertin bei Human Rights Watch und Mitbegründerin der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern. „Regierungen müssen sicherstellen, dass die Kontrolle darüber, wen und wann ihre Waffen angreifen, bei Menschen bleibt.“

Der Bericht wird gemeinsam mit der International Human Rights Clinic der Harvard Law School herausgegeben, an der Docherty lehrt.

Human Rights Watch und die Harvard Clinic haben die rechtlichen, ethischen, Sicherheits- und andere Risiken von Killer-Robotern untersucht. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein Verbot die einzige Möglichkeit ist, allen Problemen zu begegnen. Alle anderen Maßnahmen, etwa begrenzte Regulierungen zur Nutzung oder die Kodifizierung beispielhafter Praktiken zur Entwicklung und Anschaffung neuer Waffensysteme, haben zahllose Schwachstellen.

Die Teilnehmer am fünften CCW-Treffen müssen bis zum 16. Dezember im Konsens darüber entscheiden, ob und in welcher Form die Gespräche über tödliche autonome Waffensysteme im Jahr 2017 fortgesetzt werden. Die Staaten sollen eine formelle Gruppe von Regierungsexperten schaffen, die sich detailliert mit den Problemen dieser Waffen auseinandersetzen und auf ein völkerrechtliches Verbot hinarbeiten kann, fordert Human Rights Watch, Koordinator der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern.

In Folge der Kampagne haben Mitgliedstaaten der UN-Waffenkonvention seit dem Jahr 2014 drei einwöchige, informelle Treffen zu tödlichen autonomen Waffen abgehalten. Die Gründung einer Expertengruppe beim Genfer Treffen würde die Staaten dazu verpflichten, mehr zu tun als zu reden, da sie die Beratungen formalisieren und ein Ergebnis vorsehen würden.

Frühere Human Rights Watch-Berichte legen detailliert dar, wie schwer vollständig autonome Waffen mit dem humanitären Völkerrecht und internationalen Menschenrechtsstandards zu vereinbaren sind. Sie analysieren, wie schwierig es ist, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, wenn solche Waffen illegale Schäden verursachen. Die Waffen würden auch eine ethische Grenze überschreiten. Ihre humanitären und Sicherheitsrisiken stellen mögliche militärische Vorteile weit in den Schatten.

Mehrere der 121 Länder, die der UN-Waffenkonvention angehören - darunter die Vereinigten Staaten, Großbritannien, China, Israel, Russland und Südkorea - entwickeln Waffensysteme, die in zunehmenden Maße autonom sind. Kritiker, die Bedenken hinsichtlich vollständig autonomer Waffen zurückweisen, verlassen sich auf Spekulationen über die Zukunft der Technologie. Ihre Annahme, dass technologische Entwicklungen alle mit diesen Waffen verbundenen Gefahren ausschalten können, ist falsch.

Docherty wird den Bericht im Rahmen des Briefings der Kampagne zum Verbot von Killer-Robotern vorstellen, am 14. Dezember um 13:15 Uhr im Konferenzraum XXIV bei den Vereinten Nationen in Genf.

„Der Erfolg vergangener Abrüstungsverträge zeigt, dass ein absolutes Verbot vollständig autonomer Waffen machbar ist und wirksam wäre“, so Docherty.

Kategorien: Menschenrechte

Das gefährliche Spiel der irakischen Kurden

Mi, 27.05.2020 - 10:50

 

Werden die Kämpfe zwischen irakischen Streitkräften und dem IS um Mosul letzten Nagel in den Sarg der Dschihadisten schlagen? Und wie soll es gelingen, die Unzufriedenheit der sunnitisch-arabischen Iraker zu beseitigen, wenn kurdische Truppen weiterhin Tausende Araber vertreiben und ihre Häuser zerstören?

Ein neuer »Human Rights Watch«-Bericht dokumentiert, wie von September 2014 bis Mai 2016 in den Gouvernements Kirkuk und Ninive systematisch von Arabern bewohnte Häuser, teilweise auch ganze arabische Dörfer, zerstört wurden, nachdem diese unter die Kontrolle der kurdischen Peschmerga gefallen waren. Dieses Vorgehen ist völkerrechtswidrig, da die Zerstörung der Häuser durch keine militärische Notwendigkeit gerechtfertigt war.

Truppen der kurdischen Regionalregierung verfolgten diese Strategie auch nach Beginn der deutschen Finanz- und Militärhilfen für den Kampf gegen den IS weiter.

Als ich im letzten Jahr mit dem 15-jährigen Ahmad durch die Trümmer des sunnitisch-arabischen Dorfs Idris Khaz‘al 20 Kilometer westlich von Kirkuk lief, versuchte ich mir vorzustellen, wie sich jemand fühlt, dessen Zuhause dem Erdboden gleichgemacht wurde. Zwischen den Trümmern zeigte mir Ahmad die Überreste seines Elternhauses, den zerstörten Garten seiner Nachbarn, in dem er als Kind gespielt hatte, und die Reste des Geschäfts, in dem er immer Milch gekauft hatte. Als wir an einem nahezu vollständig zerstörten Haus vorbeigingen, konnte ich gut erkennen, an welcher Stelle die Schaufel des Bulldozers die Ziegelsteine herausgeschnitten hatte. Nach unserem Besuch kehrte Ahmad zurück in das Flüchtlingslager, in dem er mit Hunderten anderen sunnitisch-arabischen Familien lebt, die ebenfalls ihr Zuhause verloren haben.

Ahmads Dorf war das zwölfte zerstörte Dorf, das ich zusammen mit einem Kollegen im November 2015 im Nordirak besuchte. Anfang dieses Jahres kamen weitere hinzu und im November besuchten wir erneut zwei Dörfer, die durch Truppen der kurdischen Regionalregierung evakuiert und anschließend dem Erdboden gleichgemacht worden waren. Mit jedem Besuch wurde uns klarer, dass dies nicht ein Resultat der Kämpfe zwischen kurdischen Peschmerga und dem Islamischen Staat war, sondern dass hier gezielt zerstört wurde, nachdem die Kämpfe beendet waren.

Wir begaben uns vor Ort, werteten Satellitenbilder aus und befragten Augenzeugen und kurdische Kämpfer

In der Nacht vom 29. zum 30. Januar 2015 brachte der IS die Dörfer Idris Khaz‘al und das benachbarte Idris Khubbaz unter seine Kontrolle. Die meisten Zivilisten flohen. Als Peschmerga-Truppen das Gebiet am Abend des 31. Januar 2015 zurückeroberten, befahlen sie den wenigen verbliebenen Einwohnern, das Dorf zu verlassen, wie uns die Dorfbewohner später selbst erzählten. Diese berichteten weiter, sie hätten im Fortgehen gesehen, wie Peschmerga, Asayesh-Polizei und kurdische Zivilisten Bulldozer herangeholt und begonnen hätten, Gebäude in beiden Dörfern zu zerstören.

Als wir die Behörden der kurdischen Regionalregierung später fragten, warum die beiden Dörfer zerstört wurden, erklärten diese zunächst, bei den »Räumarbeiten« seien »unvermeidlich« Landminen detoniert. Laut Aussagen der Dorfbewohner hatte der IS jedoch nicht ausreichend Zeit, um in den Häusern Sprengsätze zu legen. Als wir Satellitenbilder der beiden Dörfer aus der Woche nach dem 31. Januar untersuchten, wurde klar, dass der Großteil der Schäden am 5. Februar entstanden war, fünf Tage nachdem die Peschmerga das Gebiet unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

Auch in 19 anderen Dörfern untersuchten wir akribisch die Spuren der Zerstörung: Wir begaben uns vor Ort, werteten Satellitenbilder aus und befragten Augenzeugen und kurdische Kämpfer. Dabei stießen wir auf ein deutliches Muster: Zwischen September 2014 und Mai 2016 wurden in Teilen der Gouvernements Kirkuk und Ninive – Gebieten, die nach Ansicht der Kurdenführer ursprünglich kurdisch waren – zahlreiche von Arabern bewohnte Häuser, teilweise sogar ganze arabische Dörfer, völkerrechtswidrig zerstört, nachdem sie unter die Kontrolle der Peschmerga gefallen waren.

In einigen kurdisch-arabischen Dörfern wie Bardija und Hamad Agha zerstörten die Peschmerga nur die Häuser arabischer Bewohner, während sie die Häuser von Kurden intakt ließen. Wir fanden keinen einzigen Fall, in dem für den Abriss eines Hauses eine zwingende militärische Notwendigkeit bestanden hatte. Das Völkerrecht ist hier eindeutig: Die gezielte Zerstörung zivilen Eigentums ohne militärische Notwendigkeit ist ein Kriegsverbrechen.

Die Vertreibung zahlloser sunnitisch-arabischer Dorfbewohner läuft den Zielen der Koalition zuwider

Auch in weiteren 62 Dörfern, die wir nicht persönlich aufsuchen konnten, zeigen die Satellitenbilder großflächige Schäden, die erst nach der Wiedereinnahme durch kurdische Truppen entstanden sind. Wegen des Fehlens von Zeugenaussagen konnten wir hier jedoch keine endgültigen Schlüsse ziehen.

Menschenrechtswidrige Strategien, ohne dass dafür die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, wie das hier dokumentierte Vorgehen gegen sunnitische Araber, sind in der jüngeren Geschichte des Irak ein vertrautes Bild. Sie sind mitverantwortlich für den Aufstieg des IS. Die Vertreibung zahlloser sunnitisch-arabischer Dorfbewohner läuft den Zielen der Koalition zuwider, die die Region vom IS befreien will.

Deutschland hat Zehntausende Sturmgewehre, Millionen von Patronen und anderes Material an die Peschmerga-Kämpfer geliefert und Tausende von ihnen ausgebildet. Doch es konnte die kurdischen Streitkräfte bislang offenbar nicht davon abbringen, von Arabern bewohnte Häuser und Dörfer zu zerstören.

Die Bundesregierung sollte gegenüber der kurdischen Führung deutlich machen, dass rechtswidrige militärische Praktiken nicht nur die Fortsetzung der Sicherheitskooperation gefährden, sondern auch militärisch kontraproduktiv sind. Denn auch wenn die militärischen Anstrengungen gegen den IS erfolgreich erscheinen mögen, hilft es niemandem, wenn hier erneut eine Generation von Vertriebenen heranwächst, die wie Ahmad und seine Familie in Lagern leben, wo sie ausgegrenzt, hilflos und unzufrieden sind. Es ist ein hervorragender Nährboden für die extremistischen Bewegungen der Zukunft.

Kategorien: Menschenrechte

Jemen: Koalition fliegt Luftangriffe auf zivile Fabriken

Mi, 27.05.2020 - 10:50

(Beirut, 11. Juli 2016) – Die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition im Jemen hat völkerrechtswidrig zahlreiche Fabriken, Warenlager und andere zivile Wirtschaftsbetriebe aus der Luft angegriffen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Da im Jemen bislang keine glaubwürdigen und unabhängigen Ermittlungen durchgeführt wurden, sollen Saudi-Arabien und die anderen Mitglieder der Koalition eine unabhängige internationale Untersuchung dieser und anderer mutmaßlich rechtswidriger Angriffe zulassen.

Der 59-seitige Bericht „Bombing Businesses: Saudi Coalition Airstrikes on Yemen’s Civilian Economic Structures“ untersucht 17 offenbar rechtswidrige Luftangriffe auf 13 gewerblich genutzte Anlagen, darunter Fabriken, Warenlager, ein Agrarbetrieb und zwei Elektrizitätswerke. Durch die Angriffe kamen 130 Zivilisten ums Leben, 171 wurden verletzt. Bei den betroffenen Unternehmen waren insgesamt 2.500 Menschen beschäftigt. Nach den Angriffen stellten viele von ihnen den Betrieb ein. Hunderte Angestellte verloren ihre Lebensgrundlage. Da mehr als 20 Millionen Menschen ohnehin dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, verschärfen die Angriffe auf Fabriken den allgemeinen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und wichtigen Bedarfsgütern bei der jemenitischen Zivilbevölkerung.

In ihrer Gesamtheit geben die Angriffe auf Fabriken und andere zivile Betriebsgebäude Anlass zu der schwerwiegenden Befürchtung, dass das von Saudi-Arabien geführte Bündnis bewusst versucht, Jemens Produktionskapazitäten weitreichende Schäden zuzufügen.

„Die wiederholten Luftschläge der Koalition gegen zivile Fabriken sollen Jemens zerrütteter Wirtschaft offenbar auf Jahre hinaus schaden“, so Priyanka Motaparthy, Senior Researcher in der Abteilung Krisengebiete bei Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Saudi-Arabien und andere Bündnismitglieder haben kein Interesse daran bekundet, die unrechtmäßigen Luftschläge zu untersuchen oder die Opfer für das Blutvergießen und die Zerstörung von Eigentum zu entschädigen.“

Human Rights Watch besuchte im März 2016 die Schauplätze der Angriffe in den Gouvernements Sanaa und Hodaida, befragte Opfer und Augenzeugen, suchte nach möglichen militärischen Zielen in der Umgebung und untersuchte Munitionsfragmente, die vor Ort gefunden wurden.

Solange Saudi-Arabien seine rechtswidrigen Angriffe nicht einstellt und einer unabhängigen internationalen Untersuchung zustimmt oder selbst Ermittlungen durchführt, die internationalen Standards entsprechen, sollte die Mitgliedschaft des Landes im UN-Menschenrechtsrat ausgesetzt werden. Nach Kenntnis von Human Rights Watch haben Saudi-Arabien oder andere Koalitionsmitglieder wegen der hier untersuchten Luftschläge und anderer mutmaßlich rechtswidriger Angriffe bisher keine glaubwürdigen Untersuchungen durchgeführt oder deren Opfer entschädigt.

Raouf Mohammed al-Sayideh, ein 25-jähriger Mitarbeiter einer Näherei und Bestickungswerkstatt, die von einem Luftangriff getroffen wurde, beschrieb, wie er versuchte, Arbeitskollegen in Sicherheit zu bringen: „Ich hörte den Knall und kam […], um nach den anderen [verletzten] Arbeitern zu suchen. […] Ein Arbeiter saß unter den Trümmern fest. Der Betriebsleiter musste ihn anrufen, um herauszufinden, wo wir ihn suchen mussten. Der letzte, den wir lebend herausholten, war ein [16-jähriger] Junge. Seine Beine waren zwischen zwei großen Blöcken eingeklemmt. Sein Körper war verkohlt.“

Offenbar verstieß jeder der untersuchten Angriffe gegen das humanitäre Völkerrecht oder das Kriegsvölkerrecht. In einigen Fällen könnten die Luftschläge sogar Kriegsverbrechen darstellen. Das Kriegsvölkerrecht verbietet gezielte Angriffe auf zivile Objekte, Angriffe, bei denen nicht zwischen militärischen und zivilen Objekten unterschieden wird, und Angriffe, bei denen die zivilen Schäden unverhältnismäßig groß gegenüber dem zu erwartenden militärischen Vorteil sind. Als zivile Objekte gelten auch Fabriken, Warenlager und andere Geschäftsgebäude, solange diese nicht zu militärischen Zwecken genutzt werden. Wer zivile Objekte vorsätzlich, bewusst oder fahrlässig angreift, begeht ein Kriegsverbrechen.

Am 26. März 2015 begann die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition, der auch Bahrain, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Ägypten, Jordanien, Marrokko und der Sudan angehören, mit Beteiligung der USA eine Luftoperation gegen die Houthi und deren Verbündete. Der Human Rights Watch-Bericht dokumentiert Luftschläge gegen zivile Betriebsgebäudem zwischen dem Beginn der Operation und Februar 2016.

Die Konfliktparteien im Jemen erklärten am 10. April alle Kampfhandlungen für beendet und nahmen noch im selben Monat in Kuwait Friedensgespräche auf. Obwohl die Intensität der Gewalt nach dem offiziellen Beginn des Waffenstillstands nachließ, dauern sowohl die Luftschläge als auch die Gefechte am Boden an. Am 25. Mai wurde eine Abfüllanlage für Mineralwasser in Lahj durch einen Luftangriff der Koalition getroffen. Zwei Arbeiter wurden verletzt.

Die Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts dauern derzeit noch an. Als UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am 26. Juni nach Kuwait reiste, um die Friedensverhandlungen zu unterstützen, warnte er: „Die Wirtschaft ist in einem prekären Zustand.“ Er wies zudem auf den „alarmierenden Mangel an Grundnahrungsmitteln“ im Jemen hin. Die Luftangriffe haben die ohnehin düstere Lage im Jemen, wo mehr als 80 Prozent der Bevölkerung auf Hilfsleistungen angewiesen sind, weiter verschlimmert.

Am 27. Mai erklärte die saudische Regierung: „[Die Koalitionstruppen] haben sich bei ihren Militäroperationen in vollem Umfang an das humanitäre Völkerrecht und an internationale Menschenrechtsnormen gehalten.“ Die Erklärung bemerkte weiter: „Wo Klagen über Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen erhoben werden, finden Untersuchungen durch ein gesondertes und spezialisiertes Ermittlerteam statt, welches im Hauptquartier der Luftstreitkräfte der Koalition gebildet wird.“ Die Regierung lieferte jedoch keine öffentlich verfügbaren Informationen, welche diese Aussagen stützen, und Human Rights Watch konnte keine Belege dafür finden, dass die Behauptungen zutreffen. Auch auf wiederholte Anfragen äußersten sich die saudischen Behörden nicht zu den beabsichtigten Zielen der in diesem und in vorausgegangenen Berichten dokumentierten Luftangriffe oder zum Fortschritt etwaiger Ermittlungen.

Die wiederholten Luftschläge der Koalition gegen zivile Fabriken sollen Jemens zerrütteter Wirtschaft offenbar auf Jahre hinaus schaden. Saudi-Arabien und andere Bündnismitglieder haben kein Interesse daran bekundet, die unrechtmäßigen Luftschläge zu untersuchen oder die Opfer für das Blutvergießen und die Zerstörung von Eigentum zu entschädigen. Priyanka Motaparthy

Senior Researcher in der Abteilung Krisengebiete

Auch die USA tragen eine Verantwortung, Luftangriffe, an denen sie beteiligt waren, zu untersuchen. Die USA sind seit den ersten Monaten der Kämpfe eine Konfliktpartei im Jemen. Im Juni 2015 erklärte ein Sprecher des US-Militärs, die USA unterstützten die Koalition durch „geheimdienstliche Kooperation und Informationsaustausch, Assistenz bei der Zielauswahl, Beratungsleistungen und logistische Unterstützung, einschließlich der Luftbetankung mit bis zu zwei Flügen von Tankflugzeugflügen täglich“.

Im März 2016 sagte ein Vertreter der US-Behörden: „Die Dinge, die wir tun, also Geheimdienstinformationen und präzise gelenkte Munition bereitstellen, sind Dinge, die zivile Opfer verhindern.“ Human Rights Watch fand Überreste US-amerikanischer laser- oder satellitengesteuerter Waffen an drei Orten, die von Luftangriffen getroffen wurden, zwei davon mit zivilen Todesopfern.

Großbritannien hat die von Saudi-Arabien geführte Koalition ebenfalls durch die „Bereitstellung von technischem Support und präzisionsgesteuerten Waffen sowie durch den Austausch von Informationen mit den saudischen Streitkräften“ unterstützt, wie das Verteidigungsministerium erklärte. Human Rights Watch fand an zwei Angriffsschauplätzen Überreste von Lenkwaffen aus britischer Fertigung, darunter eine Munition, die im Mai 2015, also nach Beginn der Luftangriffe, produziert wurde, sowie Fragmente eines in Großbritannien hergestellten Marschflugkörpers, der an einem dritten Schauplatz Zivilisten verletzt oder getötet hatte.

Human Rights Watch und andere internationale und jemenitische Organisationen appellieren an ausländische Regierungen, Verkäufe und Lieferungen von Waffen und militärischer Ausrüstung an die Konfliktparteien im Jemen zu stoppen, falls „ein substanzielles Risiko besteht, dass diese Waffen zur Begehung oder Ermöglichung von schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht oder internationale Menschenrechtsnormen eingesetzt werden“.

„Die USA und Großbritannien haben die Untersuchung rechtswidriger Luftangriffe weitgehend auf die Saudis abgewälzt. Man wohl kaum darauf vertrauen, dass diese Ermittlungen sorgfältig durchgeführt und ihre Ergebnisse veröffentlicht werden“, so Motaparthy. „Die beiden Regierungen profitieren von milliardenschweren Waffenverkäufen und behaupten, ihre Unterstützung komme der jemenitischen Zivilbevölkerung zugute. Doch sie haben nichts getan, um diesen Behauptungen Substanz zu geben.“

Fallbeispiel: Mineralwasser-Abfüllanlage in Radfan, Gouvernement Lahj

Dieser Angriff fand am 25. Mai 2016 statt und wird in einer Beilage zu dem Bericht dokumentiert.

Am 25. Mai ab etwa 4 Uhr morgens warfen Kampfflugzeuge der Koalition zwischen acht und 10 Bomben auf die Mineralwasser-Abfüllanlage in Radfan ab. Die Anlage war zwar über Nacht geschlossen, einige Angestellte schliefen jedoch dort. Die Bomben schlugen über einen Zeitraum von etwa 20 Minuten ein und verletzten zwei Angestellte. Der Angriff beschädigte Generatoren, eine Produktionsstraße und mehrere Gebäude auf dem Gelände der Anlage, darunter die Schlafquartiere der Mitarbeiter.

Ein Angestellter des Werks sagte gegenüber Human Rights Watch:

Ich schlief tief und fest. [...] Plötzlich hörte ich einen Knall, der mich und zwei andere [Mitarbeiter] aus dem Schlaf riss. Ich bat [einen von ihnen] nachzusehen, was geschehen war. […] Weniger als fünf Minuten später kam uns einer der Sicherheitsleute aus dem Generatorenbereich entgegengerannt und schrie: „Rennt weg, rennt! Die bombardieren uns.“Wir rannten los, im Schlafanzug, ohne Schuhe und wir trafen uns am Tor der Anlage. […] Da kam der nächste Angriff und wir flogen in die Luft.

Drei von Human Rights Watch befragte Mitarbeiter erklärten, in dem Werk hätten sich weder Waffen noch militärische Ausrüstung befunden. Der Luftangriff verursachte umfangreiche Schäden an der Anlage, die daraufhin den Betrieb einstellen musste. Die rund 300 Angestellten verloren ihr Einkommen.

Auch drei Häuser in einem benachbarten Dorf wurden von Luftangriffen getroffen. Dabei wurden laut der Aussage eines Verwandten der Opfer mindestens sechs Zivilisten getötet – darunter vier Kinder und eine Frau. Vier weitere – drei Kinder und eine Frau – seien verletzt worden. Der Verwandte vermutete, die Luftschläge hätten den Häusern lokaler Al-Kaida-Mitglieder gegolten. Sein Cousin, der bei den Angriffen getötet wurde, habe im Nachbarhaus eines Al-Kaida-Mitglieds gewohnt.

Human Rights Watch wertete Fotos der Angriffsschauplätze sowie Bombenfragmente aus, welche die Mitarbeiter der Abfüllanlage gesammelt hatten. Die Munitionsreste konnten als Teile einer lasergelenkten 500-Pfund-Bombe des Typs Mk-82 Paveway identifiziert werden. Falls die Abfüllanlage nicht zu militärischen Zwecken genutzt wurde, etwa zur Produktion oder Lagerung von Gütern, die für den militärischen Einsatz bestimmt waren, war der Angriff rechtswidrig.

Das Gebiet, in dem sich die Abfüllanlage befindet, wird von Verbündeten der Koalition kontrolliert. Zwei der befragten Mitarbeiter gaben an, die Angestellten wie auch die Betriebsleitung hätten das Gebiet deshalb für sicher gehalten. Einer der Befragten erklärte zudem, das Gebiet sei zuvor nie aus der Luft angegriffen worden. Offiziere der koalitionsnahen Truppen hatten das Werk zwei Wochen vor dem Luftangriff besucht und vier Männer, die aus dem Nordjemen stammen, inhaftiert. Die Offiziere sagten gegenüber den Mitarbeitern des Werks jedoch nicht, dass sie militärische Güter gefunden hätten oder Bedenken hinsichtlich des Werks hätten.

Fallstudie: Coca-Cola-Werk, Sanaa Stadt

Diese Fallstudie ist ein Auszug aus dem Bericht.

Am 12. Dezember 2015 ab 20:25 Uhr warfen Kampfflugzeuge der Koalition drei Bomben auf das Coca-Cola-Werk an der Flughafenstraße im Norden Sanaas ab. Die Bomben schlugen über einen Zeitraum von mehreren Minuten ein und verletzten fünf Angestellte. Sie zerstörten Rohstoffe zur Herstellung von Erfrischungsgetränken, einen Generator und zwei Abfülllinien für Glas- bzw. Plastikflaschen. Der Angriff erfolgte offenbar im Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht.

Der 43-jährige Vertriebsmitarbeier Ahmed Tahir Mabkhout stand neben dem Generator des Werks, als der Luftangriff begann:

Ich hörte die erste Bombe nicht, weil der Generator sehr laut war. Aber ich sah Feuer. Als die zweite einschlug, war ich am Ausgang [des Werks], und als die dritte einschlug, schon auf der Straße. Die zweite und dritte Bombe trafen die Werkshalle.

Mabkhout wurde durch die erste Bombe verletzt:

Ich hatte Metallsplitter im unteren Teil beider Beine. Ich war zwei Monate im Krankenhaus und musste bis jetzt drei Mal operiert werden und ich brauche noch eine Operation. Die Wunde an meinem rechten Bein, an der Stelle, an die mir Haut vom Oberschenkel verpflanzt werden musste, ist immer noch offen.

Das Werk beschäftigte vor dem Krieg 600 Mitarbeiter, musste nach der Bombardierung jedoch 370 entlassen.

Kategorien: Menschenrechte

Ukraine: Angriffe gegen Schulen und ihre militärische Nutzung

Mi, 27.05.2020 - 10:50

(Berlin) – Die Kämpfe in der Ostukraine haben Hunderte Schulen beschädigt und zerstört. Viele von ihnen wurden von den Konfliktparteien für militärische Zwecke genutzt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 65-seitige Bericht „Studying Under Fire: Attacks on Schools, Military Use of Schools During the Armed Conflict in Eastern Ukraine“ dokumentiert, dass sowohl ukrainische Regierungstruppen als auch von Russland unterstützte Milizen Schulen willkürlich oder vorsätzlich angegriffen haben. Beide Seiten nutzten Schulen für militärische Zwecke. Truppen wurden in oder in der Nähe von Schulen stationiert, was diese zu legitimen Angriffszielen machte. Auf Grund der Zerstörung können viele Kinder nicht mehr zur Schule gehen, viele Schulen sind nicht mehr in Betrieb oder überfüllt und arbeiten unter schwierigen Bedingungen.

„Auf beiden Seiten der Konfliktlinie trägt die Zivilbevölkerung die Hauptlast des Krieges, auch die Kinder“, so Julia Gorbunowa, Ukraine-Expertin von Human Rights Watch. „Alle Konfliktparteien müssen Minderjährige schützen und dafür Sorge tragen, dass gewaltsame Auseinandersetzungen nicht deren Sicherheit und ihre Bildungschancen beeinträchtigen.“

Die ukrainische Regierung soll die Sicherheit von Kindern und deren Zugang zu Bildung gewährleisten sowie verhindern, dass Schulen militärisch genutzt werden. Zu diesem Zweck soll sie der internationalen Erklärung über sichere Schulen beitreten und deren Empfehlungen umsetzen. Auch die pro-russischen Milizen sollen Schulen nicht mehr militärisch nutzen, wie dies in den „Richtlinien zum Schutz von Schulen und Universitäten vor militärischer Nutzung in bewaffneten Konflikten“ festgeschrieben ist.

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Einschulungsfeier in der Schule Nummer 2 in der von Rebellen gehaltenen Stadt Donezk.

© 2015 Yulia Gorbunova/Human Rights Watch

Für den Bericht befragte Human Rights Watch 62 Schüler, Lehrer, Schuldirektoren und Zeugen und besuchte 41 Schulen und Kindergärten in Gebieten, die von der Regierung als auch von den Milizen kontrolliert wurden.

Human Rights Watch konnte dokumentieren, dass auf beiden Seiten der Konfliktlinie Schulen angegriffen wurden, die nicht militärisch besetzt oder genutzt wurden und daher keine militärische Ziele darstellen. Gezielte Angriffe auf nicht-militärische Bildungseinrichtungen und willkürliche Angriffe, die nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden, sind unter dem Kriegsrecht verboten und können als Kriegsverbrechen verfolgt werden.

Im Juni 2015 beschädigte ein Artillerieangriff aus einem von Rebellen kontrollierten Gebiet die Schule Nummer 3 in Krasnohoriwka schwer, eine von der Regierung kontrollierte Stadt im Bezirk Donezk. Die Schule wurde zwölfmal direkt getroffen, ein 700 Meter entfernter Militärstützpunkt kein einziges Mal. Der Schuldirektor, der davon ausgeht, dass die Schule das Angriffsziel war, sagte: „Wir haben immer Witze darüber gemacht, dass der Stützpunkt das sicherste Versteck ist, weil er nie angegriffen wird.“

Während des gesamten bisherigen Kriegsverlaufs stationierten sowohl Streitkräfte der ukrainischen Regierung als auch von Russland unterstützte Milizen Truppen in oder in der Nähe von Schulen. Bei der Besetzung von Schulen beschädigten oder verbrannten die Streitkräfte häufig Möbel, etwa die Türen von Klassenzimmern, Stühle und Schreibtische. In vielen Fällen blieben die Schulen auch nach dem Abzug der Truppen unsicher, weil diese schwere Artilleriegeschütze oder unbenutzte Munitionen zurückließen.

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Schule in Novosvitlivka, die im August 2014 durch Grad-Raketen zerstört wurde.

© 2015 Yulia Gorbunova/Human Rights Watch

Der Direktor der Schule Nummer 14 in Ilowajsk berichtete, dass Regierungstruppen seine Schule im August 2014 zwei Wochen lang besetzten und dabei Schulmöbel beschädigten, alle Türen und elf Computer zerstörten. Im Oktober 2014 entdeckten Human Rights Watch-Experten mehrere nicht explodierte Landminen auf dem Schulgelände, die vermutlich von einem Versorgungslastwagen stammen, als er im Schulhof geparkt war.

Schulen sind normalerweise Zivilgebäude und dürfen unter dem Kriegsrecht nicht angegriffen werden. Werden sie allerdings für militärische Zwecke genutzt oder von Truppen besetzt, ändert sich ihr Status, sie sind dann legitime Angriffsziele. Wenn ein legitimes Angriffsziel in unmittelbarer Nähe der Zivilbevölkerung etabliert wird, etwa in der Nähe von Schülern, bringt das Zivilisten in Gefahr und verletzt das humanitäre Völkerrecht.

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Die Schule Nummer 2 in Stanytsia Luhanska wurde im August 2014 vollständig durch ein Feuer zerstört, das offensichtlich durch einen Luftangriff verursacht worden war. 

© 2015 Yulia Gorbunova/Human Rights Watch

Bei Treffen mit Vertretern des ukrainischen Bildungs- und Wissenschaftsministeriums räumten diese ein, dass Streitkräfte der Regierung Schulen für militärische Zwecke genutzt haben. Indem die Ukraine die internationale Erklärung über sichere Schulen unterstützt, die bereits 51 andere Staaten unterzeichnet haben, kann sie unter Beweis stellen, dass sie Bildungseinrichtungen vor Angriffen schützen will. Außerdem soll die Regierung ihre Militärpolitik sowie die Praktiken und die Ausbildung ihrer Streitkräfte überprüfen, um zu gewährleisten, dass diese mindestens den „Richtlinien zum Schutz von Schulen und Universitäten vor militärischer Nutzung in bewaffneten Konflikten“ entsprechen. Die Richtlinien enthalten Empfehlungen für Konfliktparteien, wie diese die Sicherheit und die Bildungsmöglichkeiten von Schülern schützen sollen. Auch die Rebellen sollen sich daran orientieren.

Auch an Orten, an denen die Kinder nicht gänzlich aus den Schulen vertrieben wurden, beeinträchtigt der bewaffnete Konflikt die Qualität des Schulunterrichts erheblich. Einige Schulen mussten in Phasen starker Kämpfe schließen, manchmal monatelang. Unterrichtszeit geht auch verloren, weil viele Schulen überfüllt sind. Die Schüler beschädigter Schulen, die bislang noch nicht repariert wurden, werden an andere Schulen geschickt, und das zum Teil über lange Zeiträume, wenn die Ressourcen fehlen, um beschädigte Heizungsanlagen zu reparieren oder umzubauen.

„Lehrer und Eltern auf beiden Seiten der Konfliktlinie setzten sich engagiert dafür ein, dass die Kinder trotz des Krieges weiter zur Schule gehen können“, so Gorbunowa. „Die Konfliktparteien müssen deutlich mehr dafür tun, die Sicherheit und die Bildungschancen von Kindern nicht irreversibel zu beschädigen.“

Kategorien: Menschenrechte