Art. 104 GG

Art. 104 GG - Freiheitsentziehung (Kommentar)

(1) ¹Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. ²Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) ¹Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. ²Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. ³Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. ⁴Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) ¹Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. ²Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

BVerfG, 13.10.1970 - 1 BvR 226/70

1. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG steht der Rücklieferung eines Deutschen ins Ausland nach vorangegangener vorläufiger Auslieferung nicht entgegen.
2. Die analoge Heranziehung einer Vorschrift als materiell-gesetzliche Grundlage für eine Freiheitsentziehung entspricht nicht den Erfordernissen der Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und 104 Abs. 1 GG.

BVerfG, 03.07.1962 - 2 BvR 628/60, 247/61

1. Nach Art. 97 Abs. 2 und Art. 92 GG müssen Berufsrichter grundsätzlich hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sein. Richter, bei denen diese Garantien der persönlichen Unabhängigkeit fehlen, dürfen nur aus zwingenden Gründen herangezogen werden; sie müssen möglichst gleichmäßig auf Gerichte, Kammern und Senate verteilt werden.
2. Entscheidungen, bei denen ohne zwingende Gründe Richter mitgewirkt haben, die nicht hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind, verletzen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und die Rechtsgarantie bei Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG).

BGH, 30.04.1987 - 4 StR 30/87

Die Dauer einer anderweitigen Freiheitsentziehung ohne richterliche Entscheidung ist nach Art. 104 Abs. 2 GG in die Vorführungsfrist (hier des § 128 Abs. 1 StPO) einzurechnen.

BVerfG, 10.02.1960 - 1 BvR 526/53; 1 BvR 29/57

Eine richterliche Entscheidung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ist auch dann erforderlich, wenn der Vormund in Ausübung seines Aufenthaltsbestimmungsrechts den volljährigen Entmündigten in einer geschlossenen Anstalt unterbringt.

BVerfG, 18.09.1952 - 1 BvR 612/52

1. Das Recht auf Freiheit der Person ist kraft Gesetzes - Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG - durch die auf einem Gesetz beruhende, in gesetzmäßigem Verfahren ergehende richterliche Entscheidung begrenzt.
2. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den einzelnen Fall sind grundsätzlich allein Sache der Strafgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, es sei denn, daß Verfassungsrecht verletzt ist.
3. Das hessische Gesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten vom 29. Mai 1946 (GVBl. S. 146) verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da es nur eine infolge der nationalsozialistischen Willkürherrschaft eingetretene Ungleichheit wieder beseitigt.
4. Die Vorschriften der Strafprozeßordnung (§§ 250, 251) über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme geben dem Angeklagten kein Grundrecht, so daß aus einer Verletzung dieser Vorschriften eine Verfassungsbeschwerde nicht hergeleitet werden kann.