Art. 16 GG

Art. 16 GG - Staatsangehörigkeit und Auslieferung (Kommentar)

(1) ¹Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. ²Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) ¹Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. ²Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

BVerfG, 13.10.1970 - 1 BvR 226/70

1. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG steht der Rücklieferung eines Deutschen ins Ausland nach vorangegangener vorläufiger Auslieferung nicht entgegen.
2. Die analoge Heranziehung einer Vorschrift als materiell-gesetzliche Grundlage für eine Freiheitsentziehung entspricht nicht den Erfordernissen der Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und 104 Abs. 1 GG.

Fairness und die Flüchtlingsfrage – Überlegungen zur Fairness als Gerechtigkeitselement

*Die Hilflosigkeit, die wir bei der Diskussion des Flüchtlingsproblems empfinden, beruht überwiegend auf dem Gefühl, dass wir uns einseitig mit Leistungen verausgaben, aber keine Gegenleistung und keinen Dank zu erwarten haben. Andere Staaten, die die europäischen Vereinbarungen offen brechen, werfen uns sogar vor, ihnen Schuldgefühle zu vermitteln, weil wir uns an diese Verträge halten. Zudem vermischt sich in der öffentlichen Diskussion das Verhalten asylberechtigter Menschen mit dem von Horden Kleinkrimineller, die uns saisonweise überziehen und ihre Landsleute in Misskredit bringen. So entstehen Gerüchte – »das älteste Massenmedium der Welt1« – die sich im Internet und anderen neuen Medien irrational verstärken und Angst auslösen. Viele sehen ihre Sorgen in den klassischen Medien nicht mehr richtig erkannt, andere halten es für politisch unkorrekt, über die Unterschiede zwischen uns und den Flüchtlingen zu diskutieren und betonen die Notwendigkeit einer »Willkommenskultur«: »Jeder hat das Recht BWLer zu sein – auch Geflüchtete!« – so eine Kampagne der betterplace.org. Recht besteht aus Regeln, die Menschen einer Gruppe für und gegen sich gelten lassen wollen und in sie ist nicht »jeder« eingebunden. In diese Verwirrung moralischer Appelle mit politischen Visionen kann man Klarheit bringen, wenn man die praktischen Auswirkungen des Problems analysiert2, und sie an dem rechtlichen Handlungsspielraum prüft, in dem sie sich verwirklichen können.

  • *. Überarbeitete und ergänzte Fassung. Eine Kurzfassung wurde veröffentlicht im Merkur – Deutsche Zeitschrift für Europäisches Denken – Heft 803/2016 S. 85-93
  • 1. Jean-Noel Kapferer: Gerüchte, Gustav Kiepenheuer Leipzig 1996.
  • 2. Aktuelle Zahlen Bericht 08/2023 (bamf.de).

BVerfG, 12.02.1964 - 1 BvR 253/63

Zum Begriff des Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit (Art. 16 Abs. 2 Satz 1, Art. 116 Abs. 1 GG).

BVerfG, 20.10.1959 - 1 BvR 125/59

Ein Verfolgter, der auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung der Bundesregierung von einem ausländischen Staat an eine zuständige deutsche Behörde zum Zwecke der Durchlieferung übergeben worden ist, darf an den übergebenden Staat nicht zurückgeführt werden, wenn sich vor Beendigung der Durchlieferung herausstellt, daß er deutscher Staatsangehöriger ist.

BGH, 07.02.1968 - 4 ARs 48/67

1. Ein Deutscher, der auf ein uneingeschränktes Auslieferungsersuchen der deutschen Behörde von dem ersuchten fremden Staat nur vorübergehend mit dem Ersuchen um Rücklieferung nach Abschluß des inländischen Strafverfahrens ausgeliefert worden ist, darf auch dann an den fremden Staat zurückgeliefert werden, wenn die Rücklieferung zwar nicht ausdrücklich zugesichert worden ist, jedoch die Mitteilung der fremden Regierung, daß die Auslieferung nur unter der Bedingung der alsbaldigen Rücklieferung bewilligt werde, so rechtzeitig bei der deutschen Behörde eingegangen ist, daß diese die nur vorübergehende Auslieferung noch hätte ablehnen können.
2. Zur Sicherung der Rückführung kann gegen den Verfolgten in entsprechender Anwendung des § 30 DAG ein Haftbefehl erlassen werden. Zuständig für den Erlaß des Haftbefehls ist jedoch nicht der Staatsanwalt, sondern das Oberlandesgericht.

BGH, 03.03.1954 - 4 ARs 64/53

Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GrundG und § 1 Deutsches Auslieferungsgesetz hindern die Bundesregierung nicht, bei dem die Förderung eines inländischen Verfahrens bezweckenden Ersuchen um vorläufige Einlieferung eines Deutschen (Art. 116 GrundG), der sich im Machtbereich einer fremden Regierung befindet, der ausländischen Regierung gegenüber die Verpflichtung zur Rücklieferung zu übernehmen und diese Verpflichtung zu erfüllen.