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BVerfG, 14.10.1958 - 1 BvR 510/52

Daten
Fall: 
Bußgeldverfahren
Fundstellen: 
BVerfGE 8, 197; BB 1958, 1280; DVBl 1958, 860; DÖV 1959, 67; JZ 1959, 22; NJW 1958, 1963; VerwRspr 11, 652
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
14.10.1958
Aktenzeichen: 
1 BvR 510/52
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • LG Hamburg, 08.11.1951 - 211/51
  • OLG Hamburg, 31.03.1952 - Ws 375/51

Das Bußgeldverfahren nach dem Wirtschaftsstrafgesetz vom 26. Juli 1949 ist mit Artikel 92 des Grundgesetzes vereinbar.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 14. Oktober 1958
– 1 BvR 510/52 –
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Kaufmanns Herbert B. in Hamburg gegen 1. den Bußgeldbescheid der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 6. Juni 1951 – B 514/51 – 2. den Beschluß des Landgerichts Hamburg vom 8. November 1951 – (31) 211/51 – 3. den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 31. Mai 1952 – Ws 375/51 –.
Entscheidungsformel:

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde durch Bescheid der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 6. Juni 1951 mit einer Geldbuße von 25 000 DM belegt, weil er in der Zeit von September 1949 bis September 1950 fortgesetzt ohne Genehmigung Geschäfte über "Devisenwerte", nämlich Bonus A-Gutscheine und Devisengutschriften, im Betrage von 663 734,69 Dollar abgeschlossen und in Tateinheit hiermit ohne Genehmigung gemeinschaftlich mit anderen Personen diese Devisenwerte auf Nichtberechtigte übertragen habe. Der Bußgeldbescheid war gestützt auf die devisenrechtlichen Vorschriften der Artikel 1 Ziff. 1 Buchst. a und 8 des Gesetzes Nr. 53 (Neufassung) "Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs" der Militärregierung (ABl. der Militärregierung Deutschland – Britische Zone – vom 8. Oktober 1949, Teil 5 B, S. 14) und der Anweisungen der Joint ExportImport Agency ("JEIA") Nr. 6 vom 23. September 1947 und Nr. 20 vom 15. Juni 1948 (Öffentlicher Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Nr. 7 S. 1) in Verbindung mit Art. 5 Ziff. 9 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission vom 5. November 1949 (ABl. AHK S. 59) und Art. 5 Abs. 2 und 3 des Gesetzes Nr. 33 der Alliierten Hohen Kommission vom 2. August 1950 (ABl. AHK S. 514).

Im Verfahren der gerichtlichen Nachprüfung setzte das Landgericht Hamburg mit Beschluß vom 8. November 1951 die Geldbuße auf den Betrag von 3000 DM herab. Das Landgericht nahm an, daß für die Zeit bis etwa Ende des Jahres 1949 schon objektiv ein Verstoß gegen devisenrechtliche Vorschriften nicht gegeben sei, für die folgende Zeit bis Mai 1950 die Auferlegung einer Geldbuße aber aus subjektiven Gründen – unverschuldete Unkenntnis der Strafbarkeit (§ 31 Abs. 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes) – nicht in Betracht komme. Für den anschließenden Zeitraum bis August 1950 erachtete das Landgericht dagegen den Beschwerdeführer der fortgesetzten Beihilfe zur verbotswidrigen Übertragung von Devisengutscheinen und Devisengutschriften für schuldig. Der Beschluß beruht auf Art. 1 Abs. 2, Art. 8 des Gesetzes Nr. 53 (Neufassung) der Militärregierung, Ziff. 5 der JEIA-Anweisung Nr. 6 und Ziff. 9 der JEIA-Anweisung Nr. 20, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes Nr. 33 der Alliierten Hohen Kommission und § 28 des Wirtschaftsstrafgesetzes; Grundlage der Entscheidung sind vor allem die JEIA-Anweisungen Nr. 6 und Nr. 20, die an den bezeichneten Stellen den Satz enthalten: "Die Gutscheine (Gutschriften) sind nicht übertragbar".

Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers wurde durch Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. Mai 1952 als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß er durch

a) den Bußgeldbescheid der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 6. Juni 1951,
b) den Beschluß des Landgerichts Hamburg vom 8. November 1951,
c) den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. Mai 1952

in seinen Rechten aus Art. 103 Abs. 1 und 2 und damit auch aus Art. 2 und 14 GG verletzt sei. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:

Sein Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG sei dadurch verletzt, daß er wegen einer Tat bestraft worden sei, für deren Strafbarkeit es im Zeitpunkt der Begehung an einer gesetzlichen Grundlage gefehlt habe. Das Gesetz Nr. 33 der Alliierten Hohen Kommission sei am 10. August 1950 verkündet worden, während die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten schon in den Monaten Mai und Juli 1950 begangen worden seien. Die JEIA-Anweisungen Nr. 6 und 20 seien keine Strafvorschriften; sie seien nicht als Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 53 der Militärregierung anzusehen, weil sie nicht ordnungsmäßig in den Amtsblättern der Besatzungsmächte verkündet worden seien und weil in ihrem Text jeder Hinweis darauf fehle, daß hier in Durchführung des Gesetzes Nr. 53 strafrechtliche Tatbestände geschaffen werden sollten. Auch inhaltlich seien die Anweisungen unwirksam gewesen, weil die JEIA zur Regelung der darin behandelten Fragen nicht befugt gewesen sei.

Im Verfahren vor dem Landgericht sei Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt worden, daß das Gericht die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sich auch bei den ihm vom Landgericht zur Last gelegten Handlungen noch im guten Glauben an die Zulässigkeit solcher Vermittlungsgeschäfte befunden, nicht durch eine Beweisaufnahme geprüft habe.
Das Oberlandesgericht habe Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, daß es die Auferlegung der Geldbuße im Gegensatz zu den Entscheidungen der unteren Instanzen auf Art. 3 Ziff. 5 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission gestützt habe. Die Erschleichung einer Einfuhrgenehmigung sei ein anderer Tatbestand als eine unzulässige Übertragung von Devisenwerten. Das Gericht sei verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen. Da dies unterblieben sei, habe er sich gegen die neue Beschuldigung nicht verteidigen können; das Oberlandesgericht habe deshalb das Tatbestandsmerkmal der Täuschung, das zum Begriff der Erschleichung gehöre, als erfüllt angesehen, ohne daß hierüber eine Beweisaufnahme stattgefunden habe.

3. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG sei nicht ersichtlich. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Beihilfe zur Erschleichung einer Einfuhrgenehmigung sei bereits zur Zeit der Tat nach Art. 3 Ziff. 5 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission strafbar gewesen. Im übrigen seien die JEIA-Anweisungen Nr. 6 und Nr. 20 als Durchführungsverordnungen zu Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 53 der Militärregierung, zumindest aber als Anordnungen im Sinne des Art. 8 dieses Gesetzes anzusehen, die spätestens durch die am 19. September 1949 in Kraft getretene Allgemeine Genehmigung Nr. 17/49 der Bank Deutscher Länder (Öffentlicher Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Nr. 87, S. 2) unter den Strafschutz des Art. 8 gestellt worden seien.

Auch Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Der Beschwerdeführer wende sich dagegen, daß die Gerichte aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme andere Schlußfolgerungen gezogen hätten als er selbst.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hält die Verfassungsbeschwerde für teils unzulässig, teils unbegründet. Er weist darauf hin, daß bereits nach Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 53 ein generelles Außenhandelsverbot bestanden habe. Erlaubte Außenhandelsgeschäfte seien rechtlich Ausnahmen gewesen. Eine Ausnahme sei für Einfuhren, die mittels übertragener Einfuhranrechte bezahlt werden sollten, nicht vorgesehen gewesen. Auf die Rechtsnatur oder die ordnungsmäßige Verkündung der Ausnahmebestimmungen könne es deshalb nicht ankommen; ihre etwaige Ungültigkeit würde nur zur Strafbarkeit der Geschäfte kraft der allgemeinen Regel führen.
Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Bußgeldbescheid der Oberfinanzdirektion vom 6. Juni 1951 in der Fassung, die er im Verfahren der gerichtlichen Nachprüfung durch die Beschlüsse des Landgerichts vom 8. November 1951 und des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 1952 erhalten hat, ferner gegen die gerichtlichen Beschlüsse selbst.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den Bußgeldbescheid in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG verletzt zu sein.

Er rügt hier zunächst die Anwendung des Gesetzes Nr. 33 der Alliierten Hohen Kommission vom 2. August 1950 (ABl. AHK S. 514); die ihm zur Last gelegten Taten seien vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen.

Das Gesetz Nr. 33 ist am 10. August 1950 verkündet worden und damit nach Art. 6 des Gesetzes Nr. 1 der Alliierten Hohen Kommission vom 21. September 1949 (ABl. AHK S. 2) am 16. August 1950 in Kraft getreten. Das Landgericht hat lediglich den Art. 5 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes herangezogen, soweit er die sinngemäße Anwendung des § 28 des Wirtschaftsstrafgesetzes vom 26. Juli 1949 zuläßt. Das bedeutet: Vor Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 33 waren alle Zuwiderhandlungen gegen die devisenrechtlichen Vorschriften, also auch die hier vom Gericht angenommene Beihilfe zur Übertragung von Devisengutscheinen und Devisengutschriften, nach Art. 8 des Gesetzes Nr. 53 der Militärregierung mit Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu 25 000 DM oder dem dreifachen Wert der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Vermögenswerte oder mit Gefängnis und Geldstrafe bedroht. Mit dem Gesetz Nr. 33 wurde die bereits im Gesetz Nr. 53 (Art. 8 Abs. 2) vorgesehene Möglichkeit geschaffen, leichtere Verstöße als Ordnungswidrigkeiten im Verfahren nach dem Wirtschaftsstrafgesetz zu verfolgen und dabei auch gegen Gehilfen eine Geldbuße zu verhängen. Das ist im Falle des Beschwerdeführers geschehen.

Die Auferlegung einer Geldbuße nach dem Wirtschaftsstrafgesetz trat somit an die Stelle einer kriminellen Bestrafung, hat also dem Beschwerdeführer lediglich einen rechtlichen Vorteil gebracht.

Eine rückwirkende Anwendung neuen materiellen Rechts zuungunsten des Beschwerdeführers hat nicht stattgefunden. Sein Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt.

2. Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG auch darin, daß die Geldbuße auf Grund der Anweisungen Nr. 6 und Nr. 20 der JEIA verhängt worden ist. Diese Anweisungen seien unwirksam gewesen, weil sie weder ordnungsmäßig verkündet worden noch nach ihrem Inhalt als rechtliche Grundlage einer Strafe oder strafähnlichen Maßnahme geeignet gewesen seien. Überdies habe es der JEIA an der Zuständigkeit zur Regelung der betreffenden Materie gefehlt.

Die Anweisungen sind (unmittelbares) Besatzungsrecht. Die Frage, ob die Gerichte im Hinblick auf das damals noch geltende Gesetz Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission die Gültigkeit der Anweisungen hätten prüfen und ihnen gegebenenfalls die Anwendung versagen können, braucht nicht erörtert zu werden, da gegen die Rechtsgültigkeit der Anweisungen keine Bedenken bestehen.

Die Joint Export-Import Agency (JEIA) war eine Behörde der Besatzungsmächte. Sie war von dem Vereinigten Königreich und den USA durch ein Abkommen von 1946 gegründet worden, um den gesamten Außenhandel der britischen und amerikanischen Zone zu regeln und zu überwachen. Die Durchführung der Ein- und Ausfuhr wurde im Laufe der Zeit immer mehr deutschen Stellen und deutschen Firmen übertragen. In der revidierten Satzung der JEIA vom 19. Januar 1948 (veröffentlicht in: "Germany 1947- 1949, The Story in Documents", hrsg. vom US-Department of State 1950) wird ihr Zweck wie folgt umschrieben (Ziff. 2):

Überwachung des bizonalen Außenhandels, Förderung der Ausfuhr aus diesem Gebiet sowie die Verwertung der Devisenvorräte, die zu ihrer Verfügung stehen ...

Unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung der bisherigen Aufgaben der JEIA (Ziff. 16) wird dann in Ziff. 17 der Satzung nochmals gesagt, die JEIA habe "die gesamte Ein- und Ausfuhr zu regeln und alles hierwegen Erforderliche zu veranlassen...". Ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet des Außenhandels war also umfassend. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sie befugt war, Anordnungen, wie sie in den Anweisungen Nr. 6 und Nr. 20 enthalten sind, zu erlassen; denn diese bezogen sich unmittelbar auf die Ein- und Ausfuhr, da sie zur Förderung der Ausfuhr deutschen Exporteuren die Möglichkeit eröffneten, einen bestimmten Teil ihres Exporterlöses zur Einfuhr betriebsnotwendiger Maschinen und Rohstoffe sowie lebenswichtiger Güter für die Betriebsangehörigen zu verwenden.

Der Beschwerdeführer meint nun, daß die Vorschrift der JEIA- Anweisungen Nr. 6 und Nr. 20, wonach Gutscheine und Gutschriften nicht übertragbar seien, mangels zulänglicher Veröffentlichung nicht als Grundlage für eine Bestrafung dienen könne. Das ist nicht richtig gesehen.

Die Gerichte sind mit Recht davon ausgegangen, daß auf Grund des (unstreitig ordnungsgemäß publizierten) Gesetzes Nr. 53 der Militärregierung (Art. 1 Abs. 2) ein "allgemeines Verbringungsverbot" bestand, d. h. ein – mit Strafe bedrohtes – Verbot jeder Ein- und Ausfuhr ohne Genehmigung der Militärregierung, d. h. der JEIA. Die JEIA legte in ihren Anweisungen fest, inwieweit Einfuhren und Ausfuhren ausnahmsweise genehmigt werden konnten, und umschrieb dabei im einzelnen die Grenzen der hiernach zulässigen Geschäfte. Die Anweisungen Nr. 6 und 20 führen also keine neuen Straftatbestände ein; sie regeln, unter welchen Voraussetzungen generell verbotene und strafbare Importgeschäfte ausnahmsweise erlaubt sein sollten. Werden diese Voraussetzungen nicht beachtet, so bleibt die Strafbarkeit nach Art. 1, 8 des Gesetzes Nr. 53 bestehen.

Die Anweisungen Nr. 6 und 20 können unbedenklich als "Durchführungsverordnungen" oder mindestens "Anordnungen" im Sinne des Art. 8 des Gesetzes Nr. 53 angesehen werden, die, insoweit sie den Kreis der zulässigen – und damit auch der unzulässigen – Geschäfte näher präzisieren, am Strafschutz des Art. 8 teilnehmen. Über die Form der Verkündung solcher Durchführungsverordnungen und -anordnungen war nichts vorgeschrieben. An ihre Verkündung dürfen nicht die strengen Anforderungen gestellt werden, die bei heutigem deutschem Recht selbstverständlich wären (vgl. auch BVerfGE 2, 181 [207] und v. Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, § 25 Abschn. E II 7). Daher ist es, wie die Gerichte mit Recht angenommen haben, unschädlich, daß die Anordnungen nicht formell auf das Gesetz Nr. 53 als ihre Ursprungsnorm Bezug nahmen. Ebenso unschädlich ist es aber auch, daß sie nicht in amtlichen Verkündungsblättern der Besatzungsbehörden veröffentlicht wurden. Für die damalige Zeit und für das hier in Betracht kommende Rechtsgebiet, das durch die Notwendigkeit engen Zusammenwirkens alliierter und deutscher Dienststellen mit einer Vielzahl häufig wechselnder, den jeweiligen Verhältnissen schnell anzupassender Vorschriften gekennzeichnet war, muß eine Veröffentlichung der Vorschriften als ausreichend anerkannt werden, die es den beteiligten Wirtschaftskreisen, zu denen auch der Beschwerdeführer gehörte, ohne Mühe möglich machte, von den jeweils geltenden Regelungen Kenntnis zu nehmen. Diesen Erfordernissen genügt die Anordnung Nr. 20 sicherlich, da sie im "Öffentlichen Anzeiger" für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet (Nr. 7 S. 1) im Abschnitt "Gesetzgebung und Anordnungen der Militärregierungen" veröffentlicht ist. Aber auch die Anordnung Nr. 6, die erlassen wurde, als es den Öffentlichen Anzeiger noch nicht gab, muß unter den damaligen Zeitumständen als ausreichend publiziert angesehen werden. Der Bundesminister für Wirtschaft hat dazu mitgeteilt:

"Die JEIA-Anweisung Nr. 6 wurde von den Besatzungsmächten nicht amtlich verkündet oder bekannt gemacht. In welcher Weise die Öffentlichkeit unterrichtet wurde, läßt sich im einzelnen nicht mehr feststellen. Es wurde damals aber stets dafür gesorgt, daß die JEIA-Anweisungen so weit wie möglich bekannt wurden. In der Regel wurden sie von der JEIA der Verwaltung für Wirtschaft im englischen Text zugeleitet. Die Verwaltung für Wirtschaft stellte eine deutsche Übersetzung her, vervielfältigte sie und schickte sie an die Minister (Senatoren) für Wirtschaft der Länder und die staatlichen Außenhandelskontore der Länder. Soweit hier feststellbar, gingen Abschriften ferner an die Gemeinsame Außenhandelskasse, die Arbeitsgemeinschaft der Exporteurvereine in Hamburg und die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Obernkirchen. Auch die Außenhandelsbanken erhielten Nachricht, und zwar, soweit hier bekannt, durch die Gemeinsame Außenhandelskasse. Durch den Verlag Wilhelm Köhler in Minden wurden die JEIA-Anweisungen auch gedruckt. Die Wirtschaft konnte sie hier ohne weiteres beziehen, wie allgemein bekannt war (vgl. die Fotokopie der JEIA-Anweisung Nr. 6). Die Außenhandelsbanken, die ihre Kunden laufend berieten, und die Außenhandelskontore sorgten für eine Verbreitung der JEIA- Anweisungen. Die Presse wurde ebenfalls unterrichtet. So erschien z. B. im Exportdienst des "Handelsblatt", Düsseldorf, vom 2. 10. 1947 ein Hinweis auf die JEIA-Anweisung Nr. 6, wie einer Mitteilung im "Betriebsberater" (1947 S. 312) zu entnehmen ist. Der "Betriebsberater" brachte selbst in Heft 20 vom 31. 10. 1947 auf Seite 330 eine ausführliche Wiedergabe des Inhalts. Die JEIA-Anweisung Nr. 6 wurde auch in Heft 1 des 1. Jahrganges (1948) der Zeitschrift "Außenhandel" auf Seite 24 abgedruckt. Dort wurde auch die Ergänzung Nr. 1 auf S. 31 ff. wiedergegeben. Auch die späteren Ergänzungen sind in dieser Zeitschrift veröffentlicht worden. Sie wurden teilweise auch durch Mitteilungen der Bank deutscher Länder den Außenhandelsbanken bekanntgegeben."

Hieraus ergibt sich, daß die JEIA-Anweisung Nr. 6 – neben anderen Formen der Bekanntmachung – auch amtlich veröffentlicht worden ist; die dem Gericht vorliegende Publikation der Anweisung im Verlag W. Köhler in Minden trägt den Vermerk "herausgegeben vom Verwaltungsamt für Wirtschaft des amerikanischen und britischen Besatzungsgebiets – Hauptabteilung Außen- und Interzonenhandel -". Damit war den damals bestehenden technischen Möglichkeiten so weit wie tunlich Rechnung getragen und eine ausreichende Unterrichtung der beteiligten Kreise sichergestellt. Der Beschwerdeführer hat denn auch im gerichtlichen Überprüfungsverfahren den angeblichen Mangel der Publikation nicht gerügt. Daß er zur Zeit der ihm zur Last gelegten Handlungen die Anweisung Nr. 6 gekannt hat, ergibt sein eigenes Vorbringen.

3. Der Beschwerdeführer rügt ferner, daß in den Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden sei.

a) Soweit er sich gegen die Art der Beweiserhebung und gegen die Beweiswürdigung durch das Landgericht und das Oberlandesgericht wendet, sind seine Rügen offenbar unbegründet. Es ist nichts ersichtlich, was darauf schließen lassen könnte, daß die Gerichte bei der Feststellung des Sachverhalts, bei der Beweiserhebung und Beweiswürdigung von ihrem richterlichen Ermessen in verfassungswidriger Weise Gebrauch gemacht hätten.

b) Der Beschwerdeführer macht geltend, daß das Oberlandesgericht es entgegen § 265 StPO unterlassen habe, ihn auf eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen; das Gericht habe nämlich an Stelle einer unzulässigen Übertragung von Devisenwerten den Tatbestand der Erschleichung einer Einfuhrgenehmigung angenommen und so die Geldbuße im Gegensatz zu den Entscheidungen der unteren Instanzen mit Hilfe des Art. 3 Ziff. 5 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierter Hohen Kommission aufrechterhalten.

Die Rüge ist unbegründet, selbst wenn man davon ausgeht, daß ein Verstoß gegen § 265 StPO stets eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt. Denn das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer nicht auf Grund Art. 3 Ziff. 5 des Gesetzes Nr. 14 verurteilt; die Gründe des Beschlusses ergeben in ihrem Zusammenhang deutlich, daß sich das Oberlandesgericht der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts angeschlossen und nur verdeutlichend darauf hingewiesen hat, der bereits in der allgemeinen Strafermächtigung des Art. 8 des Gesetzes Nr. 53 enthaltene Tatbestand des "Erschleichens" sei später durch spezielle Strafvorschriften besonders hervorgehoben worden.

4. Eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 2 und 14 GG hat der Beschwerdeführer nur im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu Art. 103 Abs. 2 GG und ohne nähere Begründung behauptet; insoweit braucht auf diese Rüge nicht weiter eingegangen zu werden. Für eine selbständige Verletzung der bezeichneten Grundrechte ist nichts ersichtlich.

5. Im Schrifttum wird neuerdings erörtert, ob die Bußgeldkompetenz der Verwaltungsbehörden, wie sie für die hier in Betracht kommende Zeit im Wirtschaftsstrafgesetz vom 26. Juli 1949 geregelt war, mit Art. 92 GG vereinbar sei. Es wird geltend gemacht, daß eine hohe Geldbuße sich in der Wirkung von einer (kriminellen) Geldstrafe kaum unterscheide und daß die Verfolgung begangenen Unrechts mittels solcher "Strafen" eine Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und daher nach Art. 92 GG den Gerichten vorbehalten sei (vgl. im einzelnen Goßrau in NJW 1958 S. 929).

Das Bundesverfassungsgericht hält diese Bedenken für unbegründet. Auf die allgemeinere Streitfrage, ob es eindeutige materielle Kriterien für den Begriff der "rechtsprechenden Gewalt" im Sinne des Art. 92 GG gibt, braucht dabei nicht eingegangen zu werden. Denn sicher gehört die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu den Funktionen dieser Gewalt. Das Bußgeldverfahren ist aber kein Strafverfahren. Die Entwicklung ist in den letzten Jahrzehnten dahin gegangen, aus dem Kreis der strafrechtlichen Tatbestände Fälle mit geringerem Unrechtsgehalt auszusondern und sie als bloßes "Verwaltungsunrecht" der Ahndung durch Verwaltungsbehörden (mit rechtlicher Kontrolle durch die Gerichte) zu überlassen. Der Bürger wird so davor geschützt, wegen einer Handlung, die nach allgemeinen gesellschaftlichen Auffassungen nicht als (kriminell) strafwürdig gilt, deren Verbotensein häufig weiteren Kreisen gar nicht bekannt ist, mit dem Makel einer strafgerichtlichen Verurteilung behaftet zu werden. Das Bußgeldverfahren entfernt sich auch in seiner praktischen Ausgestaltung weit vom Strafverfahren; die Staatsanwaltschaft wirkt nicht mit; es besteht kein Verfolgungszwang; die Geldbuße kann nicht in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden; sie wird nicht in das Strafregister eingetragen. Den rechtsstaatlichen Erfordernissen ist dadurch Rechnung getragen, daß gegen jeden Bußgeldbescheid der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die ordentlichen Strafgerichte (grundsätzlich in zwei Instanzen) möglich ist, wobei die Gerichte in der Feststellung und rechtlichen Würdigung des Sachverhalts weithin frei sind und auch die Höhe der Geldbuße – unter Ausschluß der reformatio in peius nach eigenem Ermessen bestimmen können.

Bei dieser Sachlage besteht kein Anlaß, das Bußgeldverfahren in der Form, die es durch das Wirtschaftsstrafgesetz vom 26. Juli 1949 erhalten hat, als unvereinbar mit Art. 92 GG anzusehen.

Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen.