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BGH, 16.09.1975 - 1 StR 264/75

Daten
Fall: 
Tankstelle / Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch
Fundstellen: 
BGHSt 26, 201; MDR 1976, 57; NJW 1976, 578; NJW 1976, 58
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
16.09.1975
Aktenzeichen: 
1 StR 264/75
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Pfeiffer, Mösl, Pikart, Woesner, Herdegen
Instanzen: 
  • LG Kempten, 22.11.1974

Zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch.

Inhaltsverzeichnis 

Tenor

I. Die Revisionen der Angeklagten M. und Ka. gegen das Urteil des Landgerichts Kempten vom 22. November 1974 werden verworfen.
Jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, daß im Falle der Verurteilung des Angeklagten M. wegen Hehlerei in Tateinheit mit einem Vergehen des unerlaubten Erwerbs von Schußwaffen der rechtliche Gesichtspunkt der Hehlerei (§ 259 StGB) entfällt.
II. Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

Die Strafkammer hat den Angeklagten Ka. wegen räuberischer Erpressung, schweren Raubes, versuchten schweren Raubes in zwei Fällen und Verabredung zum erpresserischen Menschenraub zur Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Gegen den Angeklagten M. hat das Tatgericht wegen schweren Raubes, Beihilfe zur räuberischen Erpressung, Beihilfe zum versuchten schweren Raub, Verabredung zum erpresserischen Menschenraub und Sachhehlerei in zwei Fällen (jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Schußwaffen und in einem der Fälle auch in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb einer Kriegswaffe) eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verhängt. Diesem Angeklagten ist außerdem die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von vier Jahren entzogen worden. Er rügt Verletzung des formellen und des materiellen Rechts. Der Angeklagte Ka. erhebt die Sachbeschwerde. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

A

Die Revision des Angeklagten M.

I.

Verfahrensbeschwerde:

Der Angeklagte wirft dem Tatgericht Verletzung der sich aus § 265 Abs. 1 StPO ergebenden Hinweispflicht vor. Im Falle II 6 b der Urteilsgründe sei ihm in der Anklageschrift ein Verbrechen des versuchten schweren Raubes zur Last gelegt worden. In der Hauptverhandlung habe der Vorsitzende auf die Möglichkeit der Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Raub hingewiesen. Die Unterrichtung hätte jedoch dahin gehen müssen, daß die Verurteilung wegen Beihilfe zu einem Verbrechen des gemeinschaftlich begangenen, versuchten schweren Raubes in Betracht komme.

Die Rüge greift nicht durch.

Der Vorwurf der zugelassenen Anklage (versuchter schwerer Raub) richtete sich gegen den Revisionsführer und die Mitangeklagten. Daraus ergab sich eindeutig, daß ihnen gemeinschaftliche Tatbegehung (Mittäterschaft) zur Last gelegt wurde. Gegen diesen Vorwurf verteidigte sich der Revisionsführer. Der Hinweis des Vorsitzenden (der am Schlüsse der Hauptverhandlung nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme gemacht wurde) war lediglich dazu bestimmt, über die Möglichkeit der Verurteilung des Revisionsführers nur wegen Teilnahme (Beihilfe) zu unterrichten. Er sollte weder die gemeinschaftliche Tatbegehung durch die Mitangeklagten noch den Abbruch der Verwirklichung des Tatplans im Stadium des Versuchs in Frage stellen. In Übereinstimmung mit der gewollten Unterrichtung ist der Angeklagte wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub verurteilt worden. Es ist ausgeschlossen, daß er in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt worden ist. Denn was dem Hinweis dem Wortlaut nach fehlte, war (auf Grund der Anklage) Gegenstand des Schuldvorwurfs und der Verteidigung. Das Urteil kann infolgedessen nicht auf dem von der Revision gerügten Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO beruhen (vgl. BGHSt 2, 250; BGH bei Dallinger MDR 1974, 548).

II.

Sachbeschwerde:

1. Die Verurteilung wegen Hehlerei in zwei Fällen (II 1 der Urteilsgründe) kann in einem Falle nicht aufrecht erhalten werden.

a) In beiden Fällen ist allerdings der äußere Tatbestand erfüllt, obgleich nach der Neufassung des § 259 StGB durch Art. 19 Nr. 132 EGStGB, die das Revisionsgericht zu berücksichtigen hat (vgl. § 354 a StPO), die in § 259 StGB a.F. aufgeführte Begehungsform der Inpfandnahme weggefallen ist. Denn die dem Angeklagten mit der Übergabe der gestohlenen Waffen erbrachte Sicherheitsleistung war auf seiner Seite nichts anderes als ein Sichverschaffen im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB n.F. Er hat dadurch im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken erlangt.

b) Aber nur im ersten der Hehlereifälle hat der Angeklagte sich die gestohlenen Waffen verschafft, um sich zu bereichern. Er gewann eine Sicherheit für eine längst fällige, nicht oder nur schwer einbringbare, ungesicherte Forderung. Das war ein als Bereicherung anzusehender, vom Angeklagten erstrebter Vermögensvorteil (vgl. BGH MDR 1954, 16; RGSt 51, 179, 184; 54, 338, 341, 342; 66, 63, 64).

Im zweiten Hehlereifalle diente die Inpfandnahme nach den Feststellungen lediglich der Sicherung eines ohne sie (möglicherweise) nicht gewährten Darlehens. Der in ihr liegende Vorteil war Gegenwert für den mit der Darlehenshingabe verbundenen Verlust. Wenn tatsächlich die Absicht des Angeklagten auf nichts anderes als auf Verlustausgleich (Verlustabsicherung) gerichtet war, hat er nicht in Bereicherungsabsicht gehandelt, auch wenn der Wert der Pfandsachen den Darlehensbetrag weit überstieg (vgl. BGH MDR 1954, 16; BGH, Urteil vom 1. Juli 1960 - 4 StR 172/60 -; RGSt 54, 338, 341, 342; 66, 63, 64).

Der Vortäter ist verstorben. Es erscheint ausgeschlossen, daß in einer neuen Verhandlung Umstände erwiesen werden, die ergeben, daß die Verpfändung der beiden Pistolen nicht nur Voraussetzung der Gewährung des Darlehens war und nicht nur der Sicherung der Rückzahlung diente, sondern auch die Sicherstellung besonderer Vorteile (vgl. dazu BGH und RG a.a.O.) bezweckte.

2. Im Falle II 6 b hat die Strafkammer über den Beginn der Verwirklichung des Tatplans folgende Feststellungen getroffen:

Die Mitangeklagten kamen in den Abendstunden zu der für den Überfall ausersehenen Tankstelle. Sie war nicht besetzt. Deshalb gingen die Mitangeklagten zu dem im Tankstellenbereich liegenden Wohnhaus. Vor der Haustür zogen sie die Strumpfmasken auf. Dann läutete der Mitangeklagte Ka. Er hatte die mitgeführte Pistole in der Hand. Die Mitangeklagten nahmen an, daß auf ihr Läuten der Tankwart, der Inhaber der Tankstelle oder eine andere Person erscheinen werde. Sogleich bei ihrem Erscheinen sollte die öffnende Person mit der Pistole bedroht, gefesselt und zur Ermöglichung und Duldung der Wegnahme genötigt werden. Auf das Läuten kam niemand. Auch das Klopfen an mehreren Fenstern blieb ohne Erfolg. Die Mitangeklagten gaben die Verwirklichung ihres Vorhabens auf, weil aus dem gegenüberliegenden Haus eine Frau heraussah und "sie glaubten, diese Frau könne sie entdecken" (UA S. 25, 26, 39, 40).

Nach diesen Feststellungen begingen die Mitangeklagten einen Raubversuch.

a) Nach § 43 Abs. 1 StGB a.F. begann der Versuch mit "Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung" der Straftat enthielten, auf deren Begehung der Vorsatz des Täters gerichtet war. Nach § 22 StGB fallen in das Versuchsstadium Handlungen, mit welchen der Täter "nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt". Beide Formulierungen lassen sich übereinstimmend interpretieren (vgl. LK 9. Aufl. § 43 Rdn. 14 und 68; Welzel, Lehrbuch 11. Aufl. § 24 III). Die Rechtsprechung hat schon unter der Geltung des § 43 Abs. 1 StGB a.F. vielfach, wenn auch nicht ausschließlich, die "subjektive Lehre mit objektivem Einschlag" (LK a.a.O. Rdn. 14), die "individuell-objektive Theorie" (Rudolphi in Syst. Komm. StGB § 22 Rdn. 9; Welzel a.a.O. § 24 III 3), die andere als (subjektiv-objektiv) gemischte Methode bezeichnen (vgl. Dreher, StGB 35. Aufl. § 22 Anm. 5), vertreten (vgl. BGHSt 1, 115, 116; 16, 34, 37; 19, 350, 351; 22, 80, 82; 24, 72, 79). Der objektive Bewertungsmaßstab auf subjektiver, im konkreten Tatvorsatz zu findenden Beurteilungsgrundlage (vgl. Dreher a.a.O. Anm. 5 A; Lackner, StGB 9. Aufl. § 22 Anm. 1 b) dieser Theorie und des geltenden Rechts bezieht in den Bereich des Versuchs ein noch nicht tatbestandsmäßiges Verhalten ein, wenn es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals "unmittelbar vorgelagert" ist (Dreher a.a.O. Anm. 5 C; LK a.a.O. Rdn. 68), in die tatbestandliche Ausführungshandlung unmittelbar "einmündet" (Rudolphi a.a.O.). In der Sache nicht anders verstand die Rechtsprechung schon bisher den Bewertungsmaßstab, wenn sie das Versuchsstadium auf Handlungen erstreckte, die "im ungestörten Fortgang unmittelbar" zur Tatbestandserfüllung führen sollten (vgl. BGH NJW 1952, 514 Nr. 24 und 1954, 567 Nr. 24; BGH GA 1953, 50; BGH, Urteil vom 3. November 1959 - 1 StR 393/59) oder wenn sie den Versuch mit Handlungen beginnen ließ, die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung standen (vgl. BGHSt 22, 81, 82; BGH bei Dallinger MDR 1973, 728).

Die Bedeutung der Begriffsbestimmung des § 22 StGB n.F. liegt trotzdem nicht nur in der Anerkennung des Tatvorsatzes als alleiniger Beurteilungsgrundlage, also im Absehen von der "natürlichen Auffassung" des außenstehenden Beobachters (vgl. dazu BGHSt 2, 380, 381; 9, 62, 64; BGH GA 1953, 50; BGH NJW 1954, 567 Nr. 24) und in der Nichterwähnung des Gedankens der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Rechtsguts (vgl. dazu BGHSt 9, 62, 64; 20, 150, 151; 22, 80, 82; BGH bei Dallinger MDR 1973, 728), sondern auch und in erster Linie in der Billigung des von Welzel (vgl. a.a.O. § 24 III) entwickelten Bewertungsmaßstabs. In der strikten Anknüpfung des Unmittelbarkeitserfordernisses an die tatbestandsmäßige Handlung kann "ein Gewinn an Rechtssicherheit" liegen (vgl. Roxin JuS 1973, 329; Gössel GA 1971, 225, 227).

b) Im Falle II 6 b bestätigt die "Ansatzformel" (so Roxin a.a.O.) die Ansicht des Tatgerichts. Die Mitangeklagten gingen davon aus, daß auf das Läuten hin eine Person erscheinen werde, gegen die sofort die Nötigungsmittel des Raubes eingesetzt werden können. In dieser Annahme standen sie maskiert und mit der Waffe in der Hand "auf dem Sprung". Sie hatten subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" (vgl. Dreher a.a.O. Anm. 5 C) überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt, weil ihr Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung (der Bedrohung des Erscheinenden mit der Pistole) einmünden sollte (eine zu enge, nach körperlichen Bewegungen aufspaltende Betrachtung wäre es, das Heben und Anlegen der Pistole als Zwischenakte anzusehen. So aber anscheinend Gössel a.a.O. S. 226).

3. Eine weitere Erörterung des Schuldspruchs erübrigt sich. Das gegen ihn gerichtete Vorbringen der Revision ist offensichtlich unbegründet.

4. Die Änderung in einem der Fälle des Abschnitts II 1 der Urteilsgründe (Wegfall des rechtlichen Gesichtspunkts der Hehlerei) wirkt sich auf den Strafausspruch nicht aus. Das Tatgericht hätte in diesem Falle die geringfügige Freiheitsstrafe auch dann verhängt, wenn der Angeklagte nur wegen unerlaubten Erwerbs von Schußwaffen verurteilt worden wäre. Das ergeben die Zumessungserwägungen (vgl. UA S. 44). Für die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ist diese Einzelstrafe ohne jede Bedeutung.

Im übrigen gibt der Strafausspruch nur Anlaß zu folgenden Bemerkungen:

Die Strafkammer hat im Falle der Verurteilung wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung (II 3 der Urteilsgründe) und im Falle der Verurteilung wegen Beihilfe zum Versuch des schweren Raubes (II 6 b der Urteilsgründe) von der Milderungsmöglichkeit nach § 49 StGB a.F. Gebrauch gemacht. Es kann deshalb und in Anbetracht der Höhe der Strafen (zwei Jahre im Falle II 3, ein Jahr und sechs Monate im Falle II 6 b) ausgeschlossen werden, daß die Einzelstrafen niedriger ausgefallen wären, wenn im Zeitpunkt der Aburteilung durch das Tatgericht die Vorschriften des § 27 Abs. 2 Satz 2 und des § 49 Abs. 1 StGB n.F. bereits gegolten hätten. Im Falle II 8 der Urteilsgründe (Verabredung des erpresserischen Menschenraubs) blieb, weil sie noch nicht in Kraft getreten war, die in § 30 Abs. 1 StGB n.F. vorgeschriebene Strafmilderung außer Betracht. Die verhängte maßvolle Strafe von drei Jahren läßt es jedoch als ausgeschlossen erscheinen, daß das Tatgericht sie noch niedriger bemessen hätte, wenn es vom Strafrahmen des geltenden Rechts, der bei sechs Monaten beginnt und bei 11 Jahren drei Monaten endet (vgl. § 239 a Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB n.F.) und nicht von dem in § 49 a Abs. 1 StGB a.F. vorgesehenen Strafrahmen (der Strafmilderung nach den Grundsätzen des § 44 StGB a.F. zuließ) ausgegangen wäre.

B

Die Revision des Angeklagten Ka.

Auf die Darlegungen unter A II 2 und die Erörterung der Strafzumessung im Falle II 8 der Urteilsgründe unter A II 4 wird Bezug genommen. Im übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten, das sich weitgehend in Angriffen gegen die rechtsfehlerfreien Feststellungen und die rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung erschöpft, offensichtlich unbegründet.