BGH, 23.01.1991 - 3 StR 365/90
Zur Besorgnis der Staatsanwaltschaft, die beteiligten Berufsrichter einer Strafkammer seien befangen, wenn der Vorsitzende im Einvernehmen mit dem Berichterstatter vor der Hauptverhandlung ohne Anwesenheit anderer Verfahrensbeteiligter dem Verteidiger konkret, wenn auch nach außen hin unverbindlich, sagt, welche Strafe bei einem Geständnis des Angeklagten in Betracht kommt.
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. Februar 1990 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall IV 6 der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt ist,
aa) soweit er im Fall IV 19 der Urteilsgründe wegen versuchten Betruges verurteilt worden ist,
bb) im Fall IV 4 der Urteilsgründe im Strafausspruch und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
b) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
3.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
4.Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung, wegen Betrugs in Tateinheit mit Untreue, wegen Betrugs in elf Fällen, wegen versuchten Betrugs in vier Fällen, wegen Steuerhinterziehung und wegen Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, und die des Angeklagten, die mit der nicht weiter ausgeführten - also unzulässigen - Verfahrensrüge und der allgemeinen Sachrüge begründet ist. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil in vollem Umfang aufzuheben, weil bei dem Urteil zwei Richter mitgewirkt haben, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt waren und die Ablehnungsgesuche zu Unrecht verworfen worden sind (§ 338 Nr. 3 StPO).
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil aufzuheben, weil bei dem Urteil zwei Richter mitgewirkt haben, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt waren und die Ablehnungsgesuche zu Unrecht verworfen worden sind (§ 338 Nr. 3 StPO).
I.
Die Staatsanwaltschaft rügt, daß ihre Ablehnungsgesuche, mit denen sie die drei Berufsrichter - einen jeden für sich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, fehlerhaft zurückgewiesen worden seien. Hinsichtlich der beisitzenden Richterin ist die Rüge unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die dienstliche Äußerung dieser Richterin nicht in vollem Umfang mitgeteilt hat (§ 344"Abs. 2 Satz 2 StPO). In zulässiger Form und mit Recht macht die Staatsanwaltschaft aber geltend, daß Gründe vorliegen, die geeignet sind, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden und des anderen Beisitzers, des Berichterstatters, zu rechfertigen.
1. Aus den dienstlichen Äußerungen dieser beiden Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ergibt sich zur Überzeugung des Senats folgendes Geschehen:
Einen Monat vor Beginn der Hauptverhandlung führte der Vorsitzende der Strafkammer jeweils einzeln mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft, nach deren Auffassung die Freiheitsstrafe bei einem Geständnis des Angeklagten mindestens fünf Jahre betragen sollte, vertrauliche Vorgespräche, "über eine Abkürzung" der Verhandlung, die "bei streitiger Durchführung" die Vernehmung vieler Zeugen erforderlich gemacht und mindestens acht Monate gedauert hätte. "Namens der Kammer", ersichtlich aber ohne Beteiligung der Schöffen, erklärte der Vorsitzende - entze2en der Auffassung der Staatsanwaltschaft - dem Verteidiger, "daß nach Kenntnis der Akten und demgemäß vorläufiger Bewertung ein Geständnis sich im Strafmaß so auswirken könne, wie dies (dem Staatsanwalt) bekannt ist", daß dann also mit vier Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen sei. Sollte die Hauptverhandlung etwas anderes ergeben, werde dem Angeklagten ein entsprechender Hinweis erteilt. Dieser "kann dann seinerseits neu entscheiden, ob er an seinem Geständnis festhält oder nicht. Widerruft er sein Geständnis, dürfte dieses - weil anderenfalls unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens erlangt - nicht verwertet werden".
Der Beisitzer, der an den "persönlichen Gesprächen" des Vorsitzenden nicht beteiligt war, hat ergänzt, daß bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung nach entsprechenden Vorberatungen die Kammer "ihre Vorstellungen dahingehend geäußert hat, welches Strafmaß im Falle einer Verurteilung entsprechend der Anklageschrift ohne bzw. mit Geständnis des Angeklagten zu erwarten ist. Dies entspricht ständiger Übung der Kammer und ist nach hier vertretener Auffassung Ausfluß des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Es ist weiterhin zutreffend, daß die Kammer dargelegt hat, sie sperre sich nicht dagegen, eine Empfehlung zur Aufnahme des Angeklagten in den offenen Vollzug ins Urteil aufzunehmen".
Der sachbearbeitende Staatsanwalt erwiderte auf die Anfrage des Vorsitzenden, daß er bei einem Geständnis mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe erwarte und zum "Freigang" ablehnend Stellung nehmen werde. In einem weiteren Gespräch erklärte der Vorsitzende nach der insoweit nicht in Abrede gestellten dienstlichen Äußerung dieses Staatsanwalts, er könne nach wie vor "ein Geständnis entgegennehmen und das mit vier Jahren honorieren" und den Haftbefehl außer Vollzug setzen. Die Staatsanwaltschaft könne dann ja eine - kaum aussichtsreiche Strafmaßrevision einlegen. Sodann suchte der Vorsitzende den Abteilungsleiter des sachbearbeitenden Staatsanwalts und danach - wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit des Leitenden Oberstaatsanwalts - dessen ständigen Vertreter auf. Beide lehnten es ab, dem Staatsanwalt Weisung zu dem Antrag in der Hauptverhandlung oder einer Stellungnahme zum offenen Vollzug zu erteilen.
Der Angeklagte legte am ersten Verhandlungstag, dem 27. September 1989, ein Geständnis entsprechend der Anklageschrift ab. Nach Erörterung der Beweislage verzichtete die Staatsanwaltschaft auf die Vernehmung eines Teils der Zeugen. Die Kammer vertrat die Auffassung, daß man angesichts des umfassenden Geständnisses des Angeklagten keine weiteren Zeugen benötige. Weil der Staatsanwalt anderer Ansicht blieb, wurde im Hinblick auf § 245 StPO Fortsetzungstermin bestimmt. "Auch die Tatsache, daß die Verteidigung dies als Skandal bezeichnete, hat die Kammer nicht dazu bewegen können, entgegen dem Beharren der Staatsanwaltschaft auf der Vernehmung einzelner Zeugen die Beweisaufnahme zu schließen" (dienstliche Erklärung des Beisitzers). Auf Antrag der Verteidigung wurde anschließend der seit 14.Juni 1988 bestehende Haftbefehl in dieser Verhandlung vom 27. September 1989 außer Vollzug gesetzt. Nach einem am 28. September 1989 veröffentlichten Pressebericht hat der Angeklagte in einer Verhandlungspause gegenüber Journalisten geäußert, "daß man ihm ein mildes Urteil - nach einem Jahr Gefängnis, dann Freigang' versprochen habe, wenn er ein Geständnis ablege und für einen kurzen Prozeß sorge. jetzt fühle er sich verschaukelt". Einige Tage später zitierte eine Journalistin den Angeklagten mit den Worten: "Glauben Sie ich hätte sonst gestanden? Sie glauben das doch selbst nicht alles, was da in der Anklageschrift steht. "
Auf Grund der vorgenannten Ereignisse und in Kenntnis des Presseberichts vom 28. September 1989 hat die Staatsanwaltschaft die Berufsrichter mit Gesuch vom gleichen Tage, das am 29. September 1989 bei Gericht eingegangen ist, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil, wie nunmehr zur Gewißheit geworden sei, der Vorsitzende " ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft weitestgehende prozeßerledigende Absprachen getroffen hat, daran festhält und damit voreingenommen in die Hauptverhandlung gegangen ist". Die vom Vorsitzenden entwickelte Linie werde von den berufsrichterlichen Beisitzern mitgetragen; sie seien in die Absprachen mit einbezogen. Der Vorsitzende hat sich nicht umfassend dienstlich erklärt, weil sich das Ablehnungsgesuch im wesentlichen auf den Inhalt von Vorgesprächen stütze, die "üblicherweise als vertraulich angesehen werden".
Mit Beschluß vom 9. Oktober 1989 wies die Strafkammer in der Besetzung mit anderen als den abgelehnten Richtern die Befangenheitsanträge als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus: "Die Grenzen, die sich aus der Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei Absprachen zu dem Prozeßverlauf und gegebenenfalls -ergebnis herleiten, sind nicht überschritten worden. Die vorgelegten Erklärungen und Unterlagen reichen nicht zur Glaubhaftmachung dahin aus, daß nach dem Scheitern allseitiger Vorgespräche um eine verfahrensabkürzende Übereinkunft die Kammer unter Nichtbeteiligung der Staatsanwaltschaft verbindliche Absprachen mit der Verteidigung oder dem Angeklagten getroffen hat. ... Der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden ist ausdrücklich zu entnehmen, daß gerade keine endgültige Festlegung der Kammer erfolgt ist. Die Glaubhaftigkeit seiner Äußerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Angeklagte ... subjektiv von einer Festlegung überzeugt gewesen sein (mag)." Auf die Frage nach einer Beteiligung der Schöffen bei der Festlegung der Kammermeinung wird nicht eingegangen.
2. Die zulässig erhobene Rüge der Verwerfung des Gesuchs zur Ablehnung des Vorsitzenden und des Beisitzers führt - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - zur Aufhebung des Urteils.
a) Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGHSt 21, 334 [341]). Danach hat die Beschwerdeführerin den Vorsitzenden und den Berichterstatter mit Recht abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es nicht auf eine "verbindliche" Absprache, eine "endgültige" Festlegung an, sondern auf den nach außen deutlich gewordenen Eindruck von der inneren Haltung des Richters.
Die Besorgnis der Staatsanwaltschaft, die beteiligten Richter seien befangen, ist begründet, weil der Vorsitzende im Einvernehmen mit dem Beisitzer vor der Hauptverhandlung ohne Anwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten dem Verteidiger konkret, wenn auch nach außen hin unverbindlich, erklärt hat, welche Strafe bei einem Geständnis des Angeklagten in Betracht kommt. jeder vernünftige Prozeßbeteiligte - einschließlich des Angeklagten -, der zu einem solchen Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung nicht hinzugezogen worden ist, kann mit Recht befürchten, daß der Richter im Sinne der dem anderen Verfahrensbeteiligten in seiner Abwesenheit konkret genannten Strafe voreingenommen ist. Nach außen gegebene Hinweise auf eine Unverbindlichkeit oder Vorläufigkeit des Strafmaßes ändern daran nichts. Sie sind nicht geeignet, die Annahme der störend beeinflußten Unvoreingenommenheit des Richters in Frage zu stellen. Entscheidend ist nicht, daß "feste Zusagen" gegeben worden sind, sondern der einem Verfahrensbeteiligten vermittelte Eindruck, daß der Richter mit einer "vorgebildeten Meinung" an der Hauptverhandlung mitwirkt. Das gilt um so mehr, wenn - wie hier - durch Pressionen und durch den tatsächlichen Verfahrensablauf deutlich gemacht wird, daß die beteiligten Richter bemüht sind, die genannten Vorstellungen zu verwirklichen, und wenn der Verdacht besteht, der Richter habe etwas zu verschweigen, weil er sich entgegen seiner dienstlichen Verpflichtung nicht umfassend erklärt (vgl. BGH StV 1984, 318). Die Befangenheit eines Richters kann kaum deutlicher gekennzeichnet werden, als durch ein - die Öffentlichkeit scheuendes - sogenanntes "offenes Wort vor der Verhandlung" nach entsprechenden Vorberatungen der "Kammer" unter Ausschluß der Laienbeisitzer, "welches Strafmaß im Falle einer Verurteilung entsprechend der Anklageschrift ohne bzw. mit Geständnis des Angeklagten zu erwarten" sein werde (dienstliche Erklärung des Beisitzers). Wenn der Verteidiger mit dem Gericht spricht und eine bestimmte Strafe in Aussicht gestellt wird, erweckt das Gericht zumindest den Anschein, daß es sich daran halten wird, daß es gebunden ist. Eine Bindung des Gerichts, sei es auch nur der Anschein einer Bindung, vor dem letzten Wort des Angeklagten bewirkt aber die Befangenheit des Gerichts (Jähnke, Absprachen im Strafprozeß, Bericht über das Symposium am 20./21.11.1986 in Triberg S. 151 f.; vgl. ferner Niemöller StV 1990, 34, 37; Rönnau, Die Absprache im Strafprozeß 1990 S. 243 ff., insbesondere S. 248 f.; Baumann NStZ 1987,157, 160; Schünemann, Gutachten in Verhandlungen des 58. Deutschen Juristentages München 1990 Band I B 117 f.; Rex, DRiZ 1991, 31, 32).
b) Der Senat hat Anlaß, der in der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden zum Ausdruck gebrachten fehlerhaften Auffassung, die Zulässigkeit von Vorgesprächen "dieser Art" sei durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt, entgegenzutreten. Das gilt auch für die im Vorbringen der Beschwerdeführerin erkennbare Ansicht, eine "Erörterung unter sechs Augen", also mit Beteiligung des Staatsanwalts, sei rechtlich unbedenklich. Vertrauliche, also ohne Mitwirkung aller Prozeßbeteiligten, einschließlich des Angeklagten und der Schöffen, getroffene Absprachen über die Höhe der Strafe bei einem bestimmten Verhalten des Angeklagten widersprechen - ebenso wie alle "Zusagen bezüglich der Strafbemessung" (BGH NStZ 1985, 36, 37) - den geltenden Verfahrensvorschriften. Die vom Gericht in einem Urteil zu verkündende Strafe darf nicht ohne die vom Gesetz gewährten Garantien der Anwesenheit und Mitwirkung aller Verfahrensbeteiligten, der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Hauptverhandlung sowie nicht unter Umgehung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gefunden werden (vgl. etwa Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes bei Kintzi JR 1990, 309 ff.; Hassemer JuS 1990, 939 f.).
Welche Strafe angemessen ist, kann das Gericht grundsätzlich erst beurteilen, wenn die Hauptverhandlung ergeben hat, was von dem Vorwurf gegen den Angeklagten in welchem Umfang festgestellt ist, welche Umstände das begangene Unrecht kennzeichnen und welches Maß an Schuld anzunehmen ist. Wenn einzelne oder alle Mitglieder des Gerichts - vor allem über den Kopf eines Verfahrensbeteiligten hinweg - vertrauliche Absprachen für ein abgekürztes Verfahren treffen oder konkret anbieten, erwecken sie den Eindruck, daß ihnen an einer gerechten Abklärung aller für die Schuld und Strafe bedeutsamen Umständen nichts gelegen ist.
Dem Richter ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verwehrt, zur Förderung des Verfahrens - häufig zur Vorbereitung der Sitzung - mit den Prozeßbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Fühlung aufzunehmen und eine sachgerechte Antragstellung anzuregen. Dabei muß er die gebotene Zurückhaltung wahren, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden (BGH, Beschl. vom 4. Mal 1977 3 StR 93/77; BGH NStZ 1985, 36, 37; BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 1). Solche Fühlungnahmen dürfen aber nur - wenn auch insoweit mit allen denkbaren Fragen - den Verfahrensablauf, einschließlich eventueller Anregungen zu §§ 154, 154a StPO, nicht die Festlegung einer zu verhängenden Strafe oder deren Aussetzung zur Bewährung betreffen, schon gar nicht die Art und Weise des Strafvollzugs.
Entgegen der im Zurückweisungsbeschluß des Landgerichts geäußerten Ansicht gibt es kein "rechtsstaatliches Verfahren bei Absprachen zu dem Prozeßergebnis"; vielmehr ist es dem Gericht untersagt, "sich auf einen 'Vergleich' im Gewande des Urteils, auf einen 'Handel mit der Gerechtigkeit' einzulassen" (BVerfG wistra 1987, 134). Der Entscheidung in BGHSt 36, 210 [214] kann nichts anderes entnommen werden.
3. Auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls zur Strafzumessung zu bemerken, daß sich das Landgericht in seinem Bestreben um einen "kurzen Prozeß" den Blick für die Tatschwere verstellt hat (vgl. BGH MDR 1990, 169; ferner Schmidt-Hieber NJW 1990, 1884; DRiZ 1990, 321, 323). Das wird auch durch die in das Urteil von der hierfür unzuständigen Strafkammer aufgenommene Empfehlung zur Verbüßung der Strafe "im offenen Vollzug" (UA S. 81) deutlich. Immerhin waren zu bedenken die besondere kriminelle Energie, die der (erheblich einschlägig vorbestrafte) Angeklagte bei seinen neunzehn Straftaten von Dezember 1983 bis Oktober 1987 an den Tag gelegt, und die hohen Schäden, die er verursacht hat (per 31. Januar 1986: 6,6 Millionen DM Schulden bei drei Banken, UA S. 5). Das gilt auch für die aus dem Vorleben des Angeklagten bedeutsamen Umstände, nämlich daß sechs Verfahren wegen Betrügereien, Steuerhinterziehungen, Untreue, Siegelbruchs und Urkundenfälschung nach § 153 Abs. 2, § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt wurden (UA S. 7 ff), daß eine Reihe von ihm betriebener und beherrschter Firmen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurden, daß andere in Konkurs gingen (1973, 1980, 1985, Juni und September 1988, UA S. 3 ff) und daß er selbst "mindestens" dreimal die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgelegt hat (1971, 1982, Januar 1986, UA S. 5). Hinzu kommen achtzehn Vorstrafen ab 1964, u.a. wegen Betrügereien, "Verstößen gegen die Abgabenordnung", Vergehen gegen das GmbH-Gesetz, Geldfälschung, Unterschlagungen und Urkundenfälschung.
II.
Auf die Sachrüge des Angeklagten ist das Urteil aufzuheben, soweit er durch Rechtsfehler beschwert ist.
1. Die Verurteilung wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue (Fall IV 6 der Urteilsgründe) ist dahin zu ändern, daß der Angeklagte nur wegen Betruges verurteilt ist. Diese Änderung ist ohne Einfluß auf den Strafausspruch, weil der Unrechtsgehalt der Tat und der Schuldumfang davon nicht berührt werden.
Nach den Feststellungen täuschte der Angeklagte den Zeugen B. darüber, daß er ein dem Zeugen gehörendes Spitzweg-Gemälde in den USA für 100.000 Dollar versteigern lassen könne. Daraufhin übergab der Zeuge dem Angeklagten das Gemälde zur Versteigerung in Amerika. Kurz darauf wurde eine schriftliche Vereinbarung mit dem Zeugen B. über die Beteiligung des Angeklagten am Erlös gefertigt. Tatsächlich hatte der Angeklagte, wie von Anfang an durch die Täuschungshandlung beabsichtigt, das Bild schon vor dieser Vereinbarung einer Bank sicherungsübereignet und sich so eine Barauszahlung von 60.000 DM verschafft.
Ein solches Verhalten ist lediglich als Betrug zu würdigen. Wenn sich der Täter die Verfügungsgewalt über eine Sache verschafft, indem er vorgibt, daß ein Treueverhältnis begründet werde, handelt er aber in Wirklichkeit von vorneherein in dem Willen, die Sache für sich zu verwerten, so ist in der späteren Verwertung keine Untreue zu sehen, vielmehr handelt es sich nur um einen Betrug (vgl. BGHSt 14, 38). Die nach erlangtem rechtswidrigen Vermögensvorteil mit der Beute vorgenommene Verwertungshandlung stellt nur die Weiterführung des zuvor begangenen Betruges ohne Zufügung eines neuen Nachteils dar (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder StGB 23. Aufl. § 266 Rdn. 54 m.w. Nachw.).
2. Die Verurteilung wegen versuchten Betruges im Fall IV 19 der Urteilsgründe hat wegen ungenauer und unvollständiger Feststellungen keinen Bestand.
Danach hatte ein Kaufmann in Spanien beim Umbau eines Schiffsrumpfes als Tanzschiff die restlichen Handwerkerrechnungen in Höhe von rund 140.000 DM nicht mehr bezahlen können und dann mit dem Angeklagten Verbindung aufgenommen. Im Auftrag des Angeklagten verhandelte der Zeuge L. mit dem spanischen Rechtsanwalt der Gläubiger. Dieser nahm zum Ausgleich sämtlicher Forderungen einen gefälschten Scheck über 100.000 DM an, den der Angeklagte dem Zeugen L. hierfür mitgegeben hatte. Der Angeklagte bot nun in Anzeigen Anteile von insgesamt 400.000 DM an dem in Palma de Mallorca liegenden Tanzschiff an, das angeblich "voll bezahlt" und "voll versichert" sei. Als der dem spanischen Rechtsanwalt gegebene Scheck unbezahlt zurückgekommen war, verhandelte ein Rechtsreferendar aus Frankfurt am Main mit dem Rechtsanwalt. Dieser gab sich schließlich mit 20.000 DM bar und fünf Schecks über insgesamt 93.000 DM, die allerdings vereinbarungsgemäß erst später eingelöst werden sollten, zufrieden. Die Schecks wurden mangels Deckung nicht eingelöst. "Dies entsprach dem Plan des Angeklagten, der Zeit gewinnen wollte", um mit Interessenten verhandeln zu können; es gelang ihm jedoch nicht, Interessenten zur Zeichnung von Anteilen zu bewegen (UA S. 61).
Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, worin das Landgericht den Betrugsversuch des Angeklagten sieht, zu wessen Nachteil welchen rechtswidrigen Vermögensvorteil er erstrebte. Bei der Strafzumessung wird lediglich darauf abgehoben, "daß der Angeklagte durch dieselbe Tat nicht nur versucht hat, eine große Zahl potentieller Anleger zu schädigen, sondern auch die spanischen Gläubiger hinzuhalten" (UA S. 78).
Es mag auf sich beruhen, ob in der Hingabe des gefälschten Schecks über 100.000 DM zum Ausgleich einer Forderung von rund 140.000 DM nicht ein vollendeter Betrug durch ein gutgläubiges Werkzeug zu sehen ist. Das Landgericht hat das nicht erwogen. Die Urkundenfälschung ist ebenfalls nicht abgeurteilt; gegebenenfalls hätte - ebenso im Fall IV 5 der Urteilsgründe - ein Hinweis gemäß § 265 StPO erteilt werden können. Das Landgericht hat auch nicht geprüft, ob in der Aufgabe der Anzeigen nur eine straflose Vorbereitungshandlung zum Betrug gegenüber potentiellen Anlegern zu sehen ist, was naheliegt. Dementsprechend hat es zu den Verhandlungen mit diesen, dem möglichen Beginn der Ausführungshandlung, nichts festgestellt. Unklar bleibt auch aufgrund welcher Täuschung sie welchen Schaden erleiden sollten.
3. Im Fall IV 4 der Urteilsgründe hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das und die Aufhebung der Verurteilung im Fall IV 19 bedingen die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
Den Fragen, ob es sich tatsächlich um einen fortgesetzten Betrug (zum Gesamtvorsatz vgl. BGHSt 36, 105, 110 und 320 f sowie BGHR StGB vor § 1 fH Gesamtvorsatz 8-26) handelt und ob die versuchte Steuerhinterziehung in Tateinheit hiermit steht, braucht mangels Beschwer des Angeklagten nicht nachgegangen zu werden. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht aber verkannt, daß für das Handeln aus grobem Eigennutz nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO das Bestreben, "sich persönlich ungerechtfertigt zu bereichern", allein nicht ausreicht. Vielmehr muß der Täter sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil in besonders anstößigem Maße leiten lassen; sein Gewinnstreben muß das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (BGHR AO § 370 III 1 Eigennutz 3). Das liegt bei dem Angeklagten zwar nicht fern, bedarf aber der Würdigung. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung wäre auch das Vorliegen eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes zu erwägen gewesen (vgl. BGHR StGB vor § 1 mF Strafrahmenwahl 1-7). Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß der der Bank für Gemeinwirtschaft entstandene Schaden (Schuldumfang der Verurteilung) den Urteilsfeststellungen nicht genau zu entnehmen ist (UA S. 26 ff: 171.000 + 25.000 + 400.000 DM?) und daß der Angeklagte entgegen den Strafzumessungserwägungen (UA S. 73) nicht nur versucht hat, die Volksbank zu schädigen, sondern daß jedenfalls "der bar ausgezahlte Betrag von 40.000 DM" (UA S. 29) nicht zurückfloß.
4. Auch in den Fällen IV 1, 10, 16 und 17 der Urteilsgründe ist die Höhe des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils sowie des Schadens - und beim Eingehungsbetrug des verbleibenden Schadens - in den Urteilsgründen nur ungenau dargestellt. Dabei wird der neue Tatrichter bei dem versuchten (hinsichtlich der Besitzerlangung am Grundstück wohl vollendeten) Betrug im Fall IV 10 der Urteilsgründe die Entscheidung in BGHR StGB § 263 I Vermögensschaden 19 zu beachten haben. Im Hinblick auf die jeweils hohen, den Feststellungen noch zu entnehmenden Mindestschadensbeträge und die milden Einzelstrafen ist aber auszuschließen, daß der Angeklagte hierdurch beschwert ist. Das gilt auch hinsichtlich der Unklarheit bei der Nichtanmeldung der geringen Steuerbeträge im November/Dezember 1986 (Fall IV 15 der Urteilsgründe) i.V.m. der Tatsache der Löschung der Firma im Handelsregister am 10. November 1986 (UA S. 3).
III.
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.