RG, 30.04.1912 - VII 484/11

Daten
Fall: 
Concordia
Fundstellen: 
RGZ 79, 306
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.04.1912
Aktenzeichen: 
VII 484/11
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I München
  • OLG München
Stichwörter: 
  • Verpfändung von Forderungen, Konversion.

1. Ersetzder Pfandgläubiger durch Vorlegung der Verpfändungsurkunde an den Schuldner der verpfändeten Forderung die Anzeige des Gläubigers an den Schuldner?
2. Kann ein wegen fehlender Anzeige unwirksames Pfandrecht im Wege der Konversion wirksam werden?

Sachverhalt

Die Beklagte U. hatte eine Forderung gegen die K.`schen Eheleute in Augsburg. Zur Sicherheit hierfür verpfändeten ihr die Schuldner vier Lebensversicherungspolicen der Gesellschaft Concordia in E. über je 4000 M. Die Beklagte U. setzte die Concordia durch Vorlegung der Verfändungsurkunde im Februar 1909 hiervon in Kenntnis; dagegen unterließ der Ehemann G., auf dessen Leben die Policen ausgestellt waren , der Versicherungsgesellschaft von der Verpfändung Anzeige zu machen. Am 24. April 1910 verfiel G. in Konkurs. Das von den Beklagten beanspruchte Absonderungsrecht wurde vom Konkursverwalter nicht anerkannt. Unter Zustimmung aller Beteiligten kam mit der Concordia eine Vereinbarung dahin zustande, daß diese die vie Policen gegen Zahlung von 7075,80 M zurückkaufte. Den Beklagten wurden ihre Ansprüche auf diesen Kaufpreis vorbehalten. Der Auszahlung an die Beklagten widersprach jedoch der Kläger, dem G. am 28. September 1910 unter Zustimmung des Konkursverwalters keine Ansprüche auf den Kaufpreis abgetreten hatte. Nachdem der gezahlte Betrag hinterlegt worden war, beantragte der Kläger in erster Instanz, die Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des Geldes an ihn zu willigen. Die Beklagten beantragten Abweisung und erhoben Widerklage mit dem Antrage, den hinterlegten Betrag ihnen zuzusprechen. Die Streitmasse wurde vom Landgerichte dem Kläger, vom Oberlandesgerichte den Beklagten zugesprochen. Auf Revision des Klägers wurde das erste Urteil wieder hergestellt.

Gründe

“Soweit es sich um das von den Beklagten geltend gemachte Pfandrecht handelt, lassen die Erwägungen des Berufungsrichters einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Mit Recht ist angenommen, daß die Beklagten ein Pfandrecht an der Forderung des G. gegen die Concordia nicht erworben haben. Die allgemeine Voraussetzung für den Erwerb eines dinglichen Rechtes, die Einigung, war allerdings gegeben, denn zwischen den Eheleuten G. und den Beklagten hatte unstreitig Einverständnis darüber geherrscht, daß den Beklagten mit Abschluß des Vertrages ein Pfandrecht zustehen sollte. Alleinzur Verpfändung von Forderungen, die, wie die in Rede stehende, durch formlosen Vertrag übertragen werden können, ist die Einigung allein nicht genügen; vielmehr muß nach § 1280 BGB. noch die Anzeige des Gläubigers an den Schuldner hinzukommen. Eine solche Anzeige hat bis zur Abtretung der Forderung an den Kläger nicht stattgefunden, demnach ist die von den Beteiligten gewollte Verpfändung nicht wirksam geworden.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte U. der Concordia die Verpfändungsurkunde zur Kenntnisnahme vorgelegt hat. Zwar ist für den Fall der Abtretung in § 409 Abs. 1 BGB. die Vorlegung der Abtretungsurkunde durch den neuen Gläubiger der Anzeige des bisherigen Gläubigers gleichgestellt, und nach § 1274 sollen die für die Übertragung eines Rechtes geltenden Vorschriften im allgemeinen auch auf die Bestellung eines Pfandrechts an einem Rechte Anwendung finden. Aber gerade für die Verpfändung einer Forderung enthält § 1280 eine Sondervorschrift, die nach § 1279 die Anwendbarkeit des § 409 Abs. 1 ausschließt. Übrigens ist auch der Zweck der in den §§ 409 und 1280 vorgeschriebenen Anzeigen nicht der gleiche. Im Falle des § 409 ist die Anzeige für den Übergang der Forderung auf den neuen Gläubiger ohne Bedeutung, sie bezweckt vielmehr nur den Schutz des Schuldners. Dagegen ist die Anzeige nach § 1280 für den Eintritt der beabsichtigten Rechtsänderung wesentlich, ohne die Anzeige kann das Pfandrecht nicht zur Entstehung kommen (vgl. Jur. Wochenschr. 1904 S. 485 Nr. 8).

Auch die Behauptung der Beklagten, daß G. die Beklagte U. beauftragt habe, die Verpfändungsurkunde der Concordia vorzulegen, ist vom Berufungskläger mit Recht für unerheblich erachtet worden. Allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß die Anzeige nach § 1280 auch durch einen Stellvertreter erfolgen kann; ihre Wirksamkeit ist dann aber davon abhängig, daß sich der Stellvertreter als solcher zu erkennen gibt. Die Beklagten haben jedoch nicht behauptet, daß der Concordia bei Vorlegung der Urkunde erklärt worden wäre, die Vorlegung erfolge namens des G.; die Concordia mußte demnach annehmen, daß die Beklagte U. im eigenen Namen handelte.

Der Berufungsrichter hat nun aber, trotz Verneinung des Pfandrechts, die Streitmasse den Beklagten zugesprochen. Er ist derMeinung, daß der offensichtliche Wille der Eheleute G., den Beklagten eine Sicherheit zu gewähren, gemäß § 140 BGB. unter allen Umständen aufrecht zu erhalten sei. Der Parteiwille sei deshalb dahin auszulegen, daß die Beklagten die Forderung gegen die Concordia als Zessionare G.`s hätten erwerben oder daß sie wenigstens zur Einziehung hätten berechtigt sein sollen.Bei Kenntnis der “Richtigkeit" der Verpfändung würden sie eines dieser beiden Rechtsgeschäfte ausdrücklich vereinbart haben; ob sie schon bei Abschluß des Vertrags daran gedacht hätten, sei gleichgültig. Die Beklagten hätten sonach einen Rechtsanspruch auf die Forderung aus dem Versicherungsvertrag und damit auch auf den hinterlegten Erlös."

(Nach einer Ausführung über die Auslegung der Verpfändungsurkunde heißt es weiter:)
“Was nun den § 140 BGB. anbelangt, so wird von der Revision mit Recht unrichtige Anwendung gerügt. Die dort vorgeschriebene Umdeutung (Konversion) bezieht sich nurauf nichtige Geschäfte. Nach dem Sprachgebrauche des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehören aber zu den nichtigen nicht auch die unwirksamen Geschäfte. Unter nichtigen Geschäften versteht das Bürgerliche Gesetzbuch solche, die, weil sie den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprechen, jeder Rechtswirksamkeit entbehren und von neuem unter Beachtung des Gesetzes, geschlossen werden müssen, wenn die Beteiligten dabei stehen bleiben wollen. Verschieden von den nichtigen sind Geschäfte, die zwar zunächst die beabsichtigte Rechtswirksamkeit nicht haben, aber unter gewissen Voraussetzungen, insbesondere beim Hinzutreten eines gewissen Tatbestandes, nachträglich wirksam werden können, ohne daß sie von neuem vorgenommen zu werden brauchten, so insbesondere solche Fälle, in welchen zu den rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen für die Entstehung eines dinglichen Rechts nach Vorschrift des Gesetzes noch eine dem Geschäftsschlusse folgende Handlung der das Recht einräumenden Partei hinzutreten muß. Daß der Gesetzgeber in § 140 unter den nichtigen auch jene Geschäfte hätte mitverstehen wollen, dafür liegt nicht der mindeste Anhalt vor. Die Anwendung der Konversion müßte auch gerade in einem Falle der vorliegenden Art, in dem die endgültige Unwirksamkeit des Geschäftss erst durch freie Entschließung der einen Vertragspartei herbeigeführt ist, zu erheblichen Bedenken Anlaß geben. Die Anzeige des Verpfänders G. an die Concordia hätte an sich jederzeit nachgeholt werden können, zunächst jedenfalls bis zur Eröffnung des Konkurses (vgl. § 15 RD.) Aber auch nach der durch Zwangsvergleich erfolgten Beendigung des Konkurses würde sie noch zulässig und wirksam gewesen sein, wenn G. nicht schon während des Konkurses, unter Zustimmung des Konkursverwalters, die Abtretung an den Kläger vorgenommen hätte. Wenn es sich nun um Beantwortung der Frage handelt, ob G. bei Kenntnis der endgültigen Unwirksamkeit der Verpfändung zugunsten der Beklagten die Geltung eines anderen Geschäfts gewollt haben würde, so würde zunächst die Vorfrage entstehen, welches der für diesen Willen in Betracht kommende Zeitpunkt ist, die Zeit des Vertragsschlusses oder die Zeit des Eintritts der endgültigen Unwirksamkeit. Für letzteren Zeitpunkt spricht, daß vorher von einer der Richtigkeit gleichstehenden Unwirksamkeit und von der Kenntnis einer solche keine Rede sein konnte. Es ist aber selbstverständlich, daß G. bei der Abtretung die Geltung eines anderen Geschäfts zugunsten der Beklagten nicht mehr wollte, da er durch Vornahme der Abtretung zugunsten des Klägers deutlich zu erkennen gab, daß die Beklagten von jedem Zugriff auf die Forderung gegen die Concordia ausgeschlossen werden sollten. Käme es jedoch auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, so würde zwar an sich denkbar sein, daß G. damals zugunsten der Beklagten auch die Geltung eines anderen Geschäfts gewollt hätte; aber wenn man im Hinblick auf diese Möglichkeit die Umdeutung bei unwirksamen Geschäften zulassen wollte, so müßte man sie grundsätzlich auch bei den nach §§ 119 flg. anfechtbaren Geschäften zulassen (vgl. § 142) und das würde mit dem Anfechtungsrechte nicht vereinar sein.

Ist hiernach anzunehmen, daß der Berufungsrichter den § 140 BGB. zu Unrecht auf ein nur unwirksames Geschäft angewendet hat, so unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung."...

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